Lynn Walsh: Der Euro-Patient: „stabilisiert“, aber immer noch kritisch

[Eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr 157, April 2012]

Das griechische Rettungspaket 2.0 hat einen Zahlungsausfall abgewendet, für den Moment. Der neue Fiskalpakt ist eine Zwangsjacke, die die kürzungsbedingte Rezession in Europa noch verschärfen wird. Irlands Referendum droht die EU und die Eurozone zu erschüttern. Es gibt wachsende Uneinigkeit unter den führenden Vertreter*innen der EU. Die Kämpfe der Arbeiter*innen gegen die kapitalistische Kürzungspolitik sind noch lange nicht vorbei und werden in noch größerem Umfang ausbrechen. Lynn Walsh berichtet.

Nach sieben Monaten des Ringens haben sich die Troika, die griechische Regierung und private Anleihegläubiger*innen auf ein zweites Rettungspaket geeinigt. Als Bedingung für das Paket hat die griechische Koalition unter der Führung des Technokraten Lucas Papademos und mit Unterstützung von Pasok und Nea Dimokratia weiteren drastischen Kürzungsmaßnahmen zugestimmt. Die führenden Vertreter*innen der Troika – der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission und des Internationalen Währungsfonds – behaupten, dass dieses Paket die Eurozone stabilisieren werde. Doch die brutalen Kürzungsmaßnahmen, die sie Griechenland aufgezwungen haben, werden tatsächlich die Schuldenlast erhöhen und einen weiteren Zahlungsausfall in der Zukunft sicherstellen.

Griechenland wird rund 100 Mrd. Euro durch den vereinbarten oder den privaten Anleihegläubiger*innen auferlegten „gemanagten Zahlungsausfall“ einsparen. Es ist jedoch hauptsächlich eine Refinanzierungsaktion statt eines Schuldenerlasses. Griechenland wird Hilfsgelder von 130 Mrd. Euro oder mehr erhalten – aber diese sind Kredite der europäischen Institutionen und des IWF. Die Bedingungen sind weniger belastend als bei den früheren Anleihen, sind aber dennoch neue Schulden, die sich als untragbar erweisen werden. Der größte Teil der neuen Rettungsgelder wird für die Rekapitalisierung der privaten griechischen Banken (die ebenfalls Verluste an der Anleihenbörse erlitten haben) und für die Rückzahlung früherer Schulden und Zinslasten verwendet.

Die privaten Anleihegläubiger*innen (vor allem Banken und Finanzhäuser) wurden dazu gedrängt, einem Anleihetausch zuzustimmen, der einen 75%igen „Schuldenschnitt“ oder eine Verringerung des Wertes der Anleihen beinhaltet. Über 90% der Anleihegläubiger*innen akzeptierten das Abkommen, aber die „Verweigerer*innen“ wurden durch die von der griechischen Regierung auferlegten „Sammelklauseln“ dazu gezwungen. Ein weiterer Teil der privaten Anleihegläubiger*innen mit 20 Mrd. €, die nicht durch das griechische Recht gedeckt sind, hält sich bisher zurück.

Offizielle öffentliche Inhaber*innen griechischer Anleihen (die EZB, die Zentralbanken der Eurozone, der IWF usw.) werden keinen Schuldenschnitt hinnehmen müssen. Auch wenn es den Anschein hat, dass der private Sektor den Kürzeren zieht, sind sie in Wirklichkeit „die Glücklichen“, wie der Kommentator Nouriel Roubini sagt. Sie erhalten 30 Mrd. Euro im Voraus als Bonbon (bezahlt aus den neuen Rettungsfonds in Höhe von 130 Mrd. Euro). Im Jahr 2008 wurden alle griechischen Schulden vom privaten Sektor gehalten. Jetzt werden 77% der Schulden von den Institutionen der Troika gehalten.

„Die Realität ist, dass die privaten Gläubiger ein sehr gutes Geschäft gemacht haben, während die meisten tatsächlichen und zukünftigen Verluste auf die offiziellen Gläubiger übertragen wurden“. „Die Realität ist, dass die meisten Gewinne in guten Zeiten – und bis zur PSI [Beteiligung des öffentlichen Sektors] – privatisiert wurden, während der Großteil der Verluste jetzt sozialisiert wurden. Die Steuerzahler der offiziellen Gläubiger Griechenlands, nicht die privaten Anleihegläubiger, werden am Ende für den größten Teil der Verluste aufkommen, die sich aus der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands ergeben“. (Roubini, „Financial Times“, 7. März)

Obendrein haben die privaten Banken der Eurozone massive Unterstützung von der EZB in Form von billigen (1% Zinsen) dreijährigen Krediten erhalten, die die Banken vorerst gegen ihre Verlusten abpolstern werden.

Das zweite Rettungspaket wird die Krise für Griechenland lediglich vertagen. Ein Bericht der Troika zeigt, dass Griechenland im besten Fall bis 2020 noch eine Staatsverschuldung von über 120% haben wird. Dies setzt weitere drastische Kürzungen der öffentlichen Ausgaben, die Entlassung von 150.000 Arbeiter*innen des öffentlichen Dienstes und Privatisierungen in Höhe von 45 Milliarden Euro bis 2020 voraus. Doch wenn alles schief geht, könnte die Schuldenlast (laut Troika) 2014 einen Höchststand von 170% erreichen und 2020 immer noch 145% betragen. „Die neuen 130 Milliarden Euro, auf die sich die offiziellen Gläubiger geeinigt haben, mögen nicht einmal genug sein, um den Schuldendienst Griechenlands [Rückzahlungen, um die Zinsen zu bezahlen] zu decken“ (Leitartikel der „Financial Times“, 21. Februar).

„Griechenland ist in mehrfacher Hinsicht in einer unhaltbaren Lage“, kommentierte Mats Persson, Direktor des Thinktanks Open Europe. „Das extreme Niveau der Jugendarbeitslosigkeit zeigt, dass die Kürzungsmaßnahmen jede Chance auf eine Erholung des Landes zunichte machen. Es wird schlimmer werden; es gibt keinen Weg, wie Griechenland da herauskommen kann“. („Daily Telegraph“, 9. März) „‚Es wird passieren‘, sagte Stephane Deo, ein UBS-Ökonom, in Bezug auf die nächste Griechenlandkrise. „Der Markt preist bereits eine zweite Runde der Umstrukturierung ein“.

Aus wirtschaftlichem Blickwinkel ist die Schuldenlast in Griechenland nicht tragbar. Das BIP fiel 2011 um fast 7% und es wird erwartet, dass es in diesem Jahr um 4 bis 6% fällt. Trotz einer Reihe von Generalstreiks und Massenprotesten scheinen die frühere Pasok-Regierung und später die Koalition aus Pasok und Nea Dimokratia mit der Verhängung verheerender Kürzungsmaßnahmen davongekommen zu sein. Doch bisher haben wir nur den ersten Akt gesehen. Ein kürzlich erschienener Kommentar in einem Morgan-Stanley-Bulletin anerkennt die Wahrscheinlichkeit weiterer sozialer Explosionen: „Mehrere Episoden sozialer Unruhen haben nur allzu klar gezeigt, dass die außerökonomische Dimension dieses harten Anpassungsprogramms zuweilen unvorhersehbar ist“. (Greek Debt Restructuring [Griechische Schuldenumstrukturierung], 24. Februar) In der Tat werden die Arbeiter*innenklasse und die Mittelschicht gezwungen sein, den Kampf gegen die Kürzungsmaßnahmen zu verstärken, die eine völlige sozial-ökonomische Katastrophe bedeuten.

Die Rolle der EZB

Unter Mario Draghi, der letztes Jahr die Leitung der EZB übernommen hat, hat die Bank die Politik verfolgt, die Banken der EU mit einer Flut von billigen Krediten zu unterstützen (die so genannten längerfristigen Refinanzierungsoperationen – LTROs). Dies geschah in zwei Wellen, eine im letzten Dezember und die andere im Februar. Über 800 Banken haben zusammen rund 1,2 Billionen Euro zu einem Prozent Zinsen für eine Laufzeit von drei Jahren aufgenommen. Diese Maßnahme polstert die Banken der Eurozone gegen Verluste bei griechischen und anderen Staatsanleihen ab. Es ist auch eine indirekte Weise, die Kreditaufnahme der Regierungen der Eurozone zu unterstützen, den Zinssatz, den Italien, Spanien usw. für neue Anleihen zahlen müssen, zu senken.

Viel dieser billigen Kredite wurde von den Banken zur Refinanzierung bestehender, teurerer Kredite verwendet. Manche wurden für den Kauf von Staatsanleihen der Peripherieländer der Eurozone verwendet, die eine viel höhere Rendite bringen und den Banken einen sofortigen Profit abwarfen. Obendrein wird ein Teil der Mittel zweifellos für spekulative Aktivitäten verwendet. Nur sehr wenig wird in die Realwirtschaft durch Kredite an Unternehmen für Investitionen und Betriebskapital gelenkt.

Obwohl die EZB den Begriff „quantitative Lockerung“ eifrig vermeidet, ist dies zweifellos eine Form von quantitativer Lockerung – oder Keynesianismus für Banker*innen. Die deutsche Zentralbank, die Bundesbank, und besonders der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble haben diese EZB-Politik entschieden abgelehnt und davor gewarnt, dass sie nur eine vorübergehende Lösung darstelle und zu einer Explosion der Inflation führen könnte. Im Moment ist es jedoch unwahrscheinlich, dass sie zu einer Inflation führt, da das meiste Geld gehortet statt in die Wirtschaft gepumpt wird. Wenn es jedoch eine Wiederaufnahme des Wachstum in der Eurozone gibt, könnte dies zu einer Beschleunigung der Inflation führen.

Der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, hat gefragt: Was ist die Ausstiegsstrategie? Die EZB hat bereits über 3 Billionen Euro an Anleihen und anderen Sicherheiten in ihren Büchern (mehr als die US-Notenbank). Um die Liquiditätsinjektion rückgängig zu machen, müsste sie einen großen Teil dieser Wertpapiere verkaufen. Aber es ist keineswegs sicher, dass dies leicht gemacht würde, da viele dieser Wertpapiere von privaten Banken und Finanzhäusern als zu riskant angesehen werden.

Die privaten Banken werden immer abhängiger von der Versorgung mit billigen Krediten durch die Zentralbank und die Nationalbanken der Eurozone. Diese öffentlichen Institutionen haben im Falle von Zahlungsausfällen den ersten Zugriff auf die Vermögenswerte. Dies wiederum lässt private Investor*innen davor zurückschrecken, ihr Kapital in private Banken zu investieren, da sie bei einem Ausfall nicht vorrangig bedient würden. Mit anderen Worten, sie würden bei einem Bankenzusammenbruch die Hauptverluste tragen. Dies führt zu einer Lage, in der die EZB und die Zentralbanken Zombie-Banken in der gesamten Eurozone stützen.

James Saft, ein Reuters-Kolumnist, verweist auf „eine Spirale der zunehmenden und institutionalisierten Abhängigkeit von offiziellen Krediten, die die Kredite des freien Marktes zunehmend verdrängen wird“. Dies, sagt er, sei besser als „ein massiver Run auf die Banken in der Eurozone“, aber „ein institutionalisiertes System, in dem die Banken vollständig von staatlicher Unterstützung abhängen und im Gegenzug die Regierungen in diesem System unterstützen, indem sie ihre Anleihen halten, kann, freundlich ausgedrückt, nicht auf ewig weiterbestehen“. („International Herald Tribune“, 14. März)

Die LTRO-Politik hat eine Liquiditätskrise für Banken, die von dem erzwungenen Schuldenschnitt auf griechische Anleihen betroffen gewesen wären, hinausgeschoben. Sie hat auch indirekt die Kreditaufnahme der Regierungen der Eurozone unterstützt. Wie das griechische Rettungspaket 2.0 sind die LTROs im Wesentlichen eine Überbrückungsmaßnahme, die die zugrundeliegende Krise der untragbaren Verschuldung und der durch die Kürzungsmaßnahmen verursachten Rezession nicht löst.

Der Fiskalpakt

Fünfundzwanzig EU-Regierungen haben sich auf einen neuen Fiskalpakt geeinigt (wobei Großbritannien und die Tschechische Republik die Zustimmung verweigert haben). Dieser ist eine rechtliche Zwangsjacke, die strebt, die Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung zu begrenzen. Er enthält jedoch keine Maßnahmen, die die Eurozone konkret einer Fiskalunion näher bringen würden. Der Pakt begrenzt „strukturelle“ Haushaltsdefizite auf 0,5% des BIP (was Raum für Argumente über die Definition von „strukturell“ lässt). Wenn die Staatsverschuldung der teilnehmenden Regierungen über 60% des BIP steigt, sind sie gezwungen, drastische und schnelle Maßnahmen zum Schuldenabbau zu ergreifen. In Wirklichkeit sind dies für die meisten EU-Länder völlig unerreichbare Ziele. Sofern die Regierungen versuchen, sie zu erreichen, werden sie die europäische Rezession verlängern oder vertiefen. Auf der anderen Seite gibt es bereits Anzeichen – z. B. in Spanien –, dass die Regierungen gezwungen sein werden, diese unrealistischen Ziele zu verwerfen.

Viele führenden nationalen Vertreter*innen glaubten, dass der Pakt ein notwendiger Deckmantel für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sei, um politische Unterstützung für weitere Rettungsmaßnahmen in Europa zu erhalten. Sie nahmen an, dass die Gegenleistung für die Zustimmung zum Pakt in einer Aufstockung der Rettungsgelder bestehen würde, die zur Stützung der Finanzen der Regierungen der EU/Eurozone zur Verfügung stehen. Die deutsche Regierung und die Bundesbank sind jedoch nach wie vor unnachgiebig gegen neue Maßnahmen zur Unterstützung von Regierungen mit wackligen Finanzen.

Es gibt immer noch keine Einigung zwischen der EU und anderen G20-Regierungen über die Finanzierung des neuen Europäischen Stabilitätsmechanismus. Es wurde von einige Regierungen der Eurozone vorgeschlagen, die Restmittel der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (250 Mrd. Euro) mit mindestens 500 Mrd. Euro für den neuen ESM zu kombinieren und so einen „Superfonds“ von 750 Mrd. Euro zur Unterstützung wackeliger Regierungen zu schaffen. Dem widersetzen sich die deutsche Regierung und andere noch immer.

Gleichzeitig ist der IWF nur bereit, 28 Milliarden Euro für den neuen Fonds bereitzustellen. Die USA haben klargemacht, dass sie nicht bereit sind, die Eurozone loszukaufen, was sie als Aufgabe der europäischen Mächte, besonders der stärksten Wirtschaft Deutschland, betrachten. Brasiliens Präsident hat sich vehement dagegen ausgesprochen, dass Entwicklungsländer wie Brasilien, China usw. aufgefordert werden, die reicheren fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern loszukaufen, was auch immer ihre gegenwärtigen Problemen sein mögen.

An der Peripherie

Nur Stunden nach der Einigung auf den Pakt kündigte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy einseitig an, dass Spanien sich nicht an das für 2012 gesetzte Ziel einer Senkung seines Haushaltsdefizits auf 4,4% des BIP halten werde (was zusätzliche Kürzungen in Höhe von 5 Mrd. Euro bedeuten würde). Er kündigte an, dass Spanien eine Senkung des Defizits auf 5,8% des BIP anstreben werde (und behauptete, dass Spanien bis 2013 immer noch das 3%-Ziel anstreben werde). Rajoy erklärte den führenden EU-Vertreter*innen unverblümt: „Dies ist eine souveräne Entscheidung Spaniens“. Er sagte, er habe die anderen führenden europäischen Vertreter*innen nicht konsultiert: „Ich werde sie im April informieren“.

Rajoy fürchtet klar die Aussicht auf eine vulkanartige soziale Explosion, wenn sie so tief kürzen, wie die Eurogruppe fordert. Es wird erwartet, dass das spanische BIP 2012 um mindestens ein Prozent sinkt. Die Arbeitslosigkeit ist bereits offiziell bei 24%, die Jugendarbeitslosigkeit bei über 40%.

Andere führende Vertreter*innen der Eurozone sind wütend, aber was können sie tun? Die jüngsten gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Polizei und Protestierenden in Valencia und Barcelona sind ein Hinweis auf die kommenden Kämpfe. Der euroskeptische „Daily Telegraph“ kommentierte: „Rajoy hat mit einem Schlag atemberaubenden Trotz, herzerwärmenden Patriotismus und einen anderen Weg zur Erholung gezeigt. Aber noch schlimmer: er hat auf den Elefanten im Raum hingewiesen: Die Eurozone ist eine Währungsunion, keine politische Union, und wenn die Mitglieder ihre eigenen Angelegenheiten regeln wollen, können weder Brüssel noch Berlin sie aufhalten“.

Auch in Portugal gibt es wachsende Forderungen nach einer Neuverhandlung der 78 Milliarden Euro Schulden des Landes. Es wird erwartet, dass das BIP um etwa 6% dieses Jahr fällt und die bösartige Spirale aus Kürzungen, Arbeitslosigkeit und Rezession noch verstärkt.

Obendrein hat die irische Regierung die Verschiebung einer Zahlung an die EU in Höhe von 31 Milliarden Euro am 31. März gefordert. Dies ist eine weitere Rate für die Rückzahlung der Kredite, die zur Rettung der privaten Banken in Irland verwendet wurden. Es verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Bankenrettung und den Kürzungsmaßnahmen, dass diese Zahlung am selben Tag fällig wird wie die erste Zahlung der neuen Haushaltssteuer. Der Antrag stieß auf eine feindselige Zurückweisung durch den EU-Finanzkommissar Olli Rehn, der Irland aufforderte, „Ihre Zusagen und Verpflichtungen einzuhalten“. Er wischte Hinweise auf den Umstand beiseite, dass die irische Regierung aufgrund der hohen Zinssätze 47 Milliarden Euro für das 31-Milliarden-Euro-Darlehen zahlen muss.

Die europäischen Wirtschaften sind in einer durch die Kürzungsmaßnahmen verursachten Rezession, die wahrscheinlich langgezogen sein wird. „Heutzutage“, so Paul Krugman, „sind kürzungsbedingte Depressionen überall in der europäischen Peripherie zu beobachten“. („International Herald Tribune“, 13. März)

Rehn behauptet, dass Europa unter einer „milden Rezession“ leide und das Wachstum in der Eurozone 2012 voraussichtlich um 0,3% fallen werde. Eine Reihe von Ländern der Eurozone erleben jedoch einen echten Wirtschaftseinbruch, der ein Klotz am Bein der gesamten europäischen Wirtschaft ist. Außerhalb der Eurozone stagniert Großbritannien. Die aktuellen Schätzungen für die schwächeren Länder der Eurozone sind düster: Griechenland, Fall um 4,4%; Portugal, Fall um 3,3%; Italien, Fall um 1,3%; und Spanien, Fall um 1,7%.

Wenn die Wachstumsanzeichen für die US-Wirtschaft anhalten, wird dies möglicherweise die europäische Wirtschaft abpolstern und einen leichten Anstieg der Exporte in die USA ermöglichen. Das beste Szenario für Europa wird jedoch wahrscheinlich eine relativ milde Rezession sein, aber mit der Aussicht auf eine länger anhaltende Stagnation. Die Arbeitslosigkeit ist horrend. Offiziell sind über 24 Millionen Arbeiter*innen in der EU ohne Arbeit, während die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien auf über 50% gestiegen ist.

Die verfehlten Ziele der EU

Das zweite Griechenland-Rettungspaket hat die griechische Regierung vorübergehend stabilisiert und die unter der Eurozone tickende Zeitbombe der Zahlungsunfähigkeit entschärft. Aber es ist im Wesentlichen eine vorübergehende Lösung, die nichts zur Behebung der zugrunde liegenden Probleme beiträgt. Sie wird die bösartige Spirale aus wiederholten Kürzungspaketen, ständig steigender Massenarbeitslosigkeit, fallenden Steuereinnahmen und Rezession nicht durchbrechen. Weder die führenden Vertreter*innen der Eurozone noch die führenden G20-Vertreter*innen haben eine Politik, um diese düstere Situation zu überwinden.

Die griechische Staatsverschuldung bleibt untragbar und wird durch den anhaltenden Einbruch der griechischen Wirtschaft zu einer noch größeren Belastung werden. Die Frage der Zahlungsunfähigkeit wird sich erneut stellen und beim nächsten Mal nicht mehr so leicht zu vermeiden sein, da die meisten der Schulden nun von öffentlichen Einrichtungen gehalten werden. Sollte Griechenland zahlungsunfähig werden, ist es schwer vorstellbar, wie es in der Eurozone bleiben könnte. Und der Austritt Griechenlands – oder eines anderen zahlungsunfähigen Landes – würde die Aussicht auf ein Auseinanderbrechen der Eurozone als Ganzes eröffnen. Es wäre für die EZB oder die großen Regierungen der Eurozone oder die G20 unmöglich, die Stabilität aller anderen Regierungen der Eurozone zu garantieren.

Deutschland, die stärkste Wirtschaft und die größte EU-Macht, hat den schwächeren Wirtschaften Südeuropas harte Bedingungen auferlegt. Doch trotz seiner Haushalts- und Handelsüberschüsse und der Vorteile, die es durch den Euro erlangt hat, hat der deutsche Kapitalismus keinen Beitrag zur Ankurbelung des Wachstums in der gesamten Eurozone geleistet. Nun ist die Position der Christdemokrat*innen bedroht, wie Umfragen und Entwicklungen auf Länderebene zeigen. Es gibt auch wachsende Spannungen in der deutsch-französischen Achse, die im Zentrum der Politik der Eurozone stand. Angesichts einer möglichen Niederlage bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen hat sich Nicolas Sarkozy darauf verlegt, protektionistische Maßnahmen zu befürworten und Opposition in der Frage der Grenzkontrollen zu schüren.

Die Einberufung eines Referendums durch die irische Regierung zur Ratifizierung oder Ablehnung des neuen Fiskalpakts stellt ebenfalls eine Gefahr für die Zukunft der Eurozone dar. Rechtlich ist die Zustimmung von nur zwölf der 17 Staaten der Eurozone erforderlich, um den Pakt zu ratifizieren. Jedoch gibt es trotz der enormen Anstrengungen, die von den kapitalistischen Parteien unternommen werden, um die Ratifizierung des Vertrags zu erreichen, die Möglichkeit, dass eine Mehrheit gegen den Pakt stimmt, besonders wenn die Kürzungsmaßnahmen noch härter zubeißen. Dies würde die Frage nach Irlands weiterer Teilnahme an der Eurozone und sogar nach seiner Position in der EU selbst aufwerfen.

Sowohl die EU als auch die Eurozone haben ihre Hauptziele bereits verfehlt. Die Europäische Union sollte nationale Unterschiede überwinden und besonders den historischen Gegensatz zwischen Deutschland und anderen europäischen Staaten begraben. In der jüngsten Periode wird Deutschland jedoch als diktatorische Macht gesehen, die den schwächeren europäischen Staaten eine harte Wirtschaftspolitik aufzwingt. Dies hat einen Aufschwung von Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit verstärkt, mit einer Zunahme einwanderungsfeindlicher und rassistischer Trends. Zugleich sollte die Eurozone die wirtschaftliche Integration der EU-Länder beschleunigen. In der Praxis hat sie die Divergenz zwischen den stärkeren Wirtschaften und den schwächeren Ländern, besonders denen der mediterranen „Peripherie“, noch verstärkt. Die Eurozone ist eine Zeitbombe unter der gesamten Weltwirtschaft geworden.

Die Idee, dass kapitalistische Staaten ihre nationalen Beschränkungen überwinden und ein integriertes, harmonisches Europa schaffen könnten, hat sich als utopisch gezeigt. Die Einigung Europas ist eine Aufgabe für die Arbeiter*innenklasse, die nur auf der Grundlage von Arbeiter*innendemokratie und sozialistischer Wirtschaftsplanung erreicht werden kann.


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