Lynn Walsh: Endspiel der Eurozone

[Eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr. 152, Oktober 2011]

Nach eineinhalb Jahren ist die griechische Schuldenkrise noch lange nicht gelöst. Tatsächlich steht Griechenland am Rande einer sozialen Explosion, ein Zahlungsausfall und der Austritt aus dem Euro scheinen fast unvermeidlich. Die Eurozone wird von einer ineinander greifenden Staatsschulden- und Bankenkrise bedroht, verstärkt durch ein Wachstum nahe null. Die führenden kapitalistischen Vertreter*innen sind völlig verwirrt. Konkurrierende nationale Interessen sind ein Hindernis für kooperative Maßnahmen. Lynn Walsh analysiert die jüngsten Drehungen und Wendungen in der Krise der Eurozone.

Am 21. Juli verkündeten die führende Vertreter*innen der Eurozone auf ihrem Gipfel, dass sie sich auf ein Paket zur Stabilisierung der griechischen Schuldenkrise geeinigt hätten. Das, behaupteten sie, würde die drohende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und einen überstürzter Austritt aus dem Euro abwenden. Es würde weitere 109 Milliarden Euro (nach dem 110-Milliarden-Euro-Paket von 2010) geben, während die Rolle der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF – mit vorgeschlagenen 440 Milliarden Euro) ausgeweitet werden solle, um Interventionen zur Unterstützung von Regierungen und Banken zu ermöglichen. Obendrein würde es einen Anleihetausch geben, der für die Inhaber*innen griechischer Anleihen einen „Schuldenschnitt“ von 21% mit sich bringen würde.

Dieses Paket war jedoch eher ein Versprechen auf zukünftige Erlösung als eine unmittelbare, praktische Lösung. Die gesamte Vereinbarung hängt von der Zustimmung der 17 Regierungen bzw. Parlamente der Eurozone ab, und diese wird wahrscheinlich nicht vor Ende September oder Anfang Oktober geschehen. Der 20-prozentige „Schuldenschnitt“ für griechische Anleihen wird der griechischen Regierung nur eine minimale Schuldenerleichterung bringen – griechische Staatsanleihen werden bereits zu weniger als 50% ihres Nennwerts auf den Sekundärmärkten gehandelt. Wenn der Anleihetausch zustande kommt (er erfordert die Zustimmung von 90% der Anleihegläubiger*innen), wird dies ein gutes Geschäft für die Banken und ein schlechtes Geschäft für die griechischen Menschen sein. In der Tat würde es einen „Schuldenschnitt“ von mindestens 50-60% erfordern, um für den Schuldenberg, der auf der griechischen Wirtschaft lastet, einen wirklichen Unterschied zu machen.

Es gibt keinerlei Garantie dafür, dass alle 17 Regierungen einer Erhöhung der der EFSF zur Verfügung stehenden Mittel oder erweiterten Interventionsbefugnissen zustimmen werden. Berichten zufolge streiten sich die führenden Vertreter*innen der Eurozone in angespannten Verhandlungen hinter den Kulissen darüber, woher die EFSF-Mittel kommen sollen. Einige führende Vertreter*innen schlagen vor, dass sie hauptsächlich von der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen sollen. Dies wäre in der Tat eine weitere Form der „quantitativen Lockerung“, des Druckens von Geld, um Regierungen und Banken über die EFSF zu loszukaufen. Dies wird sowohl innerhalb der EZB als auch von einer Reihe von Regierungen wie Deutschland und den Niederlanden strikt abgelehnt, die darin einen Weg zu einer eskalierenden Inflation sehen. In Bezug auf das 109-Milliarden-Euro-Kreditpaket fordert die Regierung Finnlands Sicherheiten für ihren Anteil an dem Kredit. Andere Regierungen, wie die Slowakei und Österreich, werden wahrscheinlich ähnliche Forderungen stellen. Diese Regierungen verlangen, dass ihnen ein Teil der Staatseinnahmen oder Sachwerte wie Grundstücke oder Gebäude als Sicherheit zugewiesen werden. Dies erinnert an die Reparationsforderungen, die nach dem Ersten Weltkrieg an Deutschland gestellt wurden.

Das Ringen um dieses neue Paket zeigt einmal mehr, auf welche Weise nationale Interessen einer gemeinsamen Einigung im Wege stehen. Die 17-köpfige Eurozone ist ein Bündnis von Nationalstaaten, kein Staatenbund mit einem vereinigten Regierungsgremium.

Bald nach dem Gipfeltreffen im Juli gab es obendrein steile Abstürze von Aktien großer französischer Banken, was die Angst vor den Folgen eines griechischen Zahlungsausfalls widerspiegelte. Gleichzeitig fanden es die europäischen Banken immer schwieriger, sich bei US-Banken Dollar zu leihen, um ihre laufenden Geschäfte zu finanzieren. Die EZB, die unter Jean-Claude Trichet extrem zurückhaltend beim Intervenieren war, war gezwungen, einzugreifen und den Banken der Eurozone unbegrenzte Dollarkredite anzubieten. Auch begann die EZB italienische und spanische Staatsanleihen zu kaufen, um einen sprunghaften Anstieg der Kreditkosten Italiens und Spaniens zu verhindern.

In der Zwischenzeit verlangsamte sich das Wachstum in allen großen Volkswirtschaften der Eurozone auf nahezu Null, was auf eine Erneuerung Rezession hinweist, die Ende 2007 begann. Auch die britische Wirtschaft rutschte in die Stagnation. Diese erneute Verlangsamung ist zum Teil das Ergebnis von Ängsten vor einer Kernschmelze der Staatsverschuldung und einer Bankenkrise, vor allem aber das Ergebnis der Kürzungsmaßnahmen, die die Nachfrage verringerten und die Spirale aus schwacher Nachfrage, fallenden Investitionen und steigender Arbeitslosigkeit verstärkten. Dies wiederum verringert die Steuereinnahmen des Staates und führt tatsächlich zu höheren Defiziten.

Der Druck auf Griechenland wird erhöht

Auf dem Gipfeltreffen der Eurozone am 17. September hat die Troika – Europäischer Rat, Internationaler Währungsfonds (IWF) und EZB –, die die Griechenland auferlegten Kürzungsmaßnahmen überwacht, die Auszahlung des letzten fälligen Kredits in Höhe von 8 Milliarden Euro im Rahmen des Pakets von 2010 mit der Begründung verschoben, dass Griechenland keine ausreichenden Kürzungen bei der staatlichen Beschäftigung, den Ausgaben usw. durchgeführt habe. Georgios Papandreou, der griechische Ministerpräsident, eilte zurück nach Athen, um die Befehle der Troika auszuführen.

Das Paket zusätzlicher Kürzungsmaßnahmen umfasst eine Vermögenssteuer, zusammen mit weiteren Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst – zusätzlich zu dem Plan, bis 2014 rund 150.000 Staatsangestellte (20% der Gesamtzahl) zu entlassen – und drakonische Lohnkürzungen. Wenn umgesetzt, werden die zusammenaddierten Maßnahmen eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe bedeuten. Die Troika „hält der griechischen Regierung das Messer an die Kehle“, wie es ein griechischer Minister ausdrückte, teilweise, um tiefere und schnellere Kürzungen durchzusetzen, und teilweise als Warnung an andere Regierungen wie Portugal und Irland, sich an ihre Sparpakete zu halten. Dies ist jedoch ein sehr gefährliches Spiel, das eine politische Explosion in Griechenland auslösen und das Land in Richtung Zahlungsunfähigkeit und Austritt aus dem Euro treiben könnte.

Wirtschaftlich werden diese Maßnahmen keinen Ausweg aus der sich immer weiter vertiefenden Rezession bieten. In der Tat werden weitere Kürzungsmaßnahmen die griechische Wirtschaft nur noch tiefer in den Wirtschaftseinbruch stürzen, die ausstehenden Schulden in die Höhe treiben und es für Griechenland noch schwieriger machen, sie zurückzuzahlen. Nach dem Fall von 4,5% im letzten Jahr wird das BIP in diesem Jahr um mindestens 5% fallen (das Wachstum im zweiten Quartal lag um 7,3% unter dem des Vorjahres). Die Arbeitslosigkeit ist offiziell bei 16%, aber realistischer ist sie landesweit über 20% (mit über 900.000 Arbeitslosen). Die nördliche Region Westmazedonien, wo schätzungsweise 20% der kleinen Unternehmen während der Rezession dichtgemacht wurden, hat eine offizielle Arbeitslosenquote von 22%. Gesundheit, Bildung und andere öffentliche Dienste brechen zusammen. Es gibt einen Prozess der sozialen Desintegration.

Angela Merkel und andere führende Vertreter*innen der Eurozone haben wiederholt bestritten, dass sie versuchen, einen Zahlungsausfall Griechenlands zu provozieren oder Griechenland aus der Eurozone zu zwingen. Andere führende Vertreter*innen scheinen dieser Linie jedoch zu widersprechen. Beispielsweise hat Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister, gedroht, dass die Zahlungen eingestellt würden, wenn Griechenland die von der Troika festgelegten Bedingungen nicht erfülle (ungeachtet der Tatsache, dass Griechenland im Oktober dringend Geld benötigt, um seine Rechnungen zu bezahlen und Schulden zu refinanzieren). „Dann muss Griechenland sehen, wie es ohne Hilfe der Eurozone Zugang zu den Finanzmärkten bekommt“, sagte Schäuble. „Das ist Griechenlands Problem“.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ging sogar noch weiter: „Länder, die nicht bereit sind, unter Zwangsverwaltung gestellt zu werden, können wählen, die Möglichkeit zu nutzen, die Eurozone zu verlassen“. („International Herald Tribune“, 9. September)

Es mag sein, dass einige der führenden Vertreter*innen der Eurozone bluffen und mit ihren Äußerungen beabsichtigen, die in Griechenland umgesetzten Kürzungsmaßnahmen zu maximieren. Sie spielen jedoch ein äußerst gefährliches Spiel. Christine Lagarde, die Chefin des IWF, hat kürzlich vor der Zunahme sozialer Spannungen als Folge der Kürzungsmaßnahmen gewarnt. Massive Streiks, Demonstrationen und andere Proteste gingen in Griechenland unvermindert weiter – und werden an einem bestimmten Punkt zu einer sozialen Explosion führen.

Zahlungseinstellung und Austritt aus der Eurozone

Die führenden Vertreter*innen der Eurozone drängen auf noch größere Kürzungsmaßnahmen und ignorieren dabei die Tatsache, dass Griechenlands Schulden absolut untragbar sind. Während die führenden Politiker*innen wiederholt ihre Entschlossenheit bekunden, die Eurozone zu verteidigen und ein Auseinanderbrechen zu vermeiden, sind sich Strateg*innen, die den Investmentbanken und anderen Finanzinstituten näher stehen, darüber im Klaren, dass es früher oder später zu einem griechischen Zahlungsausfall kommen wird. Dies würde einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone bedeuten.

Nouriel Roubini zum Beispiel, der eine weitaus realistischere Sichtweise als die meisten Kommentator*innen hat, argumentiert, dass Griechenland niemals sein Schuldenproblem innerhalb der Zwangsjacke des Euro lösen werde. Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln – die Voraussetzung für einen Schuldenabbau – müsste Griechenland in der Lage sein, seine Währung abzuwerten, um die Exporte anzukurbeln. Dies würde klar bedeuten, den Euro aufzugeben und zur Drachme zurückzukehren. Die Drachme würde gegenüber dem Euro zweifelsohne stark im Wert fallen. Dies würde die Auslandsverschuldung der griechischen Regierung, der Banken und der Unternehmen in Drachmen enorm erhöhen. In der Realität müsste Griechenland (wie Argentinien im Jahr 2001) einen erheblichen Teil dieser Schulden abschreiben, indem es die Schulden in Drachmen neu bewertet. Griechenland würde zweifellos ein Paria auf den Finanzmärkten werden, der eine Zeit lang von europäischen und internationalen Banken nichts leihen könnte. Wie in Argentinien (kommentiert Roubini) würde die Lage „Bankferien“ (Verweigerung oder Einschränkung des Zugangs der Sparer*innen zu ihren Konten) und Kapitalkontrollen bedeuten, um eine Kapitalflucht aus dem Land zu verhindern.

Roubini argumentiert, dass ein geordneter Zahlungsausfall und ein Ausstieg aus dem Euro, auch wenn er für die griechische Arbeiter*innenklasse zwangsläufig für eine Periode extreme Härten mit sich bringen würde, einer „langsamen, ungeordneten Implosion der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft“ vorzuziehen wäre. Er argumentiert, dass es eine internationale, koordinierte Aktion zur Rekapitalisierung der Banken und anderer Finanzinstitute, die durch ihre griechischen Kredite Verluste erlitten haben, geben sollte. Obendrein sollten internationale Banken einspringen, um die griechischen Banken zu rekapitalisieren, die ebenfalls massive Verluste bei griechischen Staatsanleihen erleiden würden.

In der Theorie wäre eine Herangehensweise entlang dieser Linien, die auf einer koordinierten, internationalen Intervention beruht, um das Problem der untragbaren Verschuldung Griechenlands zu entschärfen, einem explosionsartigen Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft und all den unkontrollierten Auswirkungen, die dies in Europa und darüber hinaus hätte, vorzuziehen. Die kapitalistischen Märkte funktionieren jedoch nicht auf „geordnete“ Weise, und die jüngsten Ereignisse zeigen den völligen Mangel an politischer Koordinierung zwischen den führenden Vertreter*innen der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder.

Die Zahlungsunfähigkeit bei den Schulden des Landes und der Austritt aus der Eurozone würden für sich genommen keine Lösung für die griechische Arbeiter*innenklasse liefern. Wie in Argentinien 1999-2002 würde die griechische herrschende Klasse versuchen, die Last der Krise auf die arbeitenden Menschen abzuwälzen. Mit der Zeit würden die Rückkehr zur Drachme und die Abwertung die Exporte ankurbeln und möglicherweise eine Rückkehr zum Wachstum bewirken. Kurzfristig wäre dies jedoch auf der Grundlage von Niedriglöhnen, der Verknappung von Lebensmitteln, Treibstoff und anderen lebenswichtigen Gütern sowie einer Verschlechterung der öffentlichen Dienstleistungen.

Um die Interessen der Arbeiter*innenklasse zu schützen, wäre es notwendig, die Banken zu verstaatlichen und die von ausländischen Großunternehmen und Finanzinstituten gehaltenen Schulden zu streichen und gleichzeitig die Ersparnisse der arbeitenden Menschen zu schützen. Es wäre auch notwendig, die Kommandohöhen der Wirtschaft zu übernehmen (mit minimaler Entschädigung auf der Grundlage von Bedürftigkeit), um die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen. Vorrang sollte dem Wiederaufbau öffentlicher Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung usw. gegeben werden. Die Kontrolle der Wirtschaft sollte durch Gremien demokratisch gewählter Vertreter*innen von Gewerkschaften, Community-Organisationen und der breiteren Öffentlichkeit erfolgen. Auf einer kapitalistischen Grundlage gibt es keinen einfachen Ausweg.

Bankenkrise der Eurozone

Die Staatsschuldenkrise der Eurozoneist mit einer europaweiten Bankenkrise verknüpft. Im Jahr 2008 intervenierten die Regierungen der Eurozone, um eine Reihe von wackeligen Banken zu retten. Sie führten jedoch nicht die Art groß angelegter Rekapitalisierung von Banken durch, die in den USA im Rahmen des Troubled Asset Relief Programme stattfand. Nur acht von 91 Banken der Eurozone sind bei den jüngsten Stresstests“ durchgefallen, einem theoretischen Test, um zu bestimmen, ob die Banken einer weiteren Finanzkrise standhalten können. Die großen Investor*innen und Spekulant*innen sind jedoch nicht davon überzeugt, dass alle Banken gesund seien. Tatsächlich gab es kürzlich einen durchgesickerten IWF-Bericht, der sagte, dass die Banken der Eurozone 273,2 Milliarden Euro zusätzliches Kapital benötigten. Lagarde kommentierte, dass die Krise in der Eurozone „in eine gefährliche neue Phase“ eintrete, und rief dazu auf, einen Teil der EFSF-Mittel zur Rekapitalisierung der Banken zu verwenden. Dies rief starke Opposition hervor, zum Teil von führenden Politiker*innen, die es ablehnen, dass EFSF-Mittel zur Stützung von Banken verwendet werden, und zum Teil von den Banken selbst, die bestreiten, dass sie in Schwierigkeiten seien.

Nichtsdestotrotz gibt es klare Anzeichen dafür, dass sich im Bankensektor der Eurozone eine neue Krise aufbaut. Zunächst einmal weigern sich die Banken, sich gegenseitig Kredite zu gewähren, und ziehen es vor, ihr Geld bei der EZB zu parken, auch wenn ihnen das einen niedrigeren Zinssatz bringt. Eine noch verblüffendere jüngste Entwicklung ist die Tatsache, dass der deutsche Maschinenbaugigant Siemens fast die Hälfte seiner Barreserven (6 Mrd. €) bei der EZB und nicht bei Geschäftsbanken deponiert hat. Die Banken der Eurozone hatten auch Schwierigkeiten, für die Abwicklung ihrer Geschäfte in den USA und weltweit unerlässliche Dollarkredite von US-Banken zu erhalten. Die EZB war gezwungen, einzugreifen und den Banken der Eurozone unbegrenzte Dollar-Mittel auf der Grundlage von Dreimonatskrediten anzubieten (was die Banken allerdings mehr kosten wird als Kredite auf den kommerziellen Geldmärkten, die auszutrocknen begonnen haben).

Mitte August richtete sich der Fokus auf die französischen Banken. Ein Gerücht kursierte, dass die Société Générale in Schwierigkeiten sei, und es gab einen massiven Fall ihres Aktienkurses (mit einem Fall zwischen Juni und September um 50-60%). Im Februar waren die Aktien der Société Générale noch 52,7 € wert, Anfang September waren sie auf 21,19 € gefallen. Die Société Générale hält griechische Anleihen im Wert von 2 Mrd. €, die BNP Paribas im Wert von 4 Mrd. € und der Crédit Agricole im Wert von 800 Mio. €. Großinvestor*innen und Spekulant*innen befürchten, dass ein Zahlungsausfall der griechischen Regierung bei ihren Staatsanleihen eine tiefe Krise für diese drei großen französischen Banken auslösen würde, die eine Schlüsselrolle für die französische Wirtschaft spielen. Französische Minister erklären, dass die Befürchtungen bezüglich dieser Banken „irrational“ seien. Jedes kurzfristige Liquiditätsproblem (d.h. ein Mangel an Mitteln zur Deckung der laufenden Geschäfte) würde durch ein Eingreifen der EZB abgedeckt werden. Sie bestreiten, dass es ein grundsätzliches Solvenzproblem gebe und behaupten, dass diese Banken über genügend Kapitalreserven verfügen, um einen griechischen Zahlungsausfall und andere Schocks zu überleben. Die französischen Minister haben die Idee, dass sie Pläne zur Verstaatlichung dieser Banken diskutieren, entschieden zurückgewiesen. Dies erinnert an die Position von Gordon Brown und Alistair Darling zur Zeit der Krise der Northern Rock Bank 2007/08.

Lagarde hat jedoch die Katze aus dem Sack gelassen. Als sie früher französische Finanzministerin war, behauptete sie, es gäbe kein Problem mit den französischen Banken. Seit ihrer Übernahme der Leitung des IWF hat sie jedoch eine Rekapitalisierung der großen französischen Banken und anderer in Schwierigkeiten geratener Banken mit Hilfe der EFSF-Mittel gefordert. Dagegen gab es eine wütende Reaktion. Einerseits würde eine solche Rettung bestätigen, dass diese Banken ein Solvenzproblem haben, und könnte ihre Lage sogar noch verschärfen. Auf der anderen Seite sind die bestehenden Aktionär*innen in Aufruhr, weil eine staatliche Rettungsaktion (bei der die Regierung Aktien der Banken kaufen würde) den Wert der Aktien der bestehenden Aktionär*innen effektiv verwässern würde.

Verwirrung der führenden Vertreter*innen der Eurozone

Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise haben sich die nationalen Spannungen innerhalb der Eurozone verschärft. Auch innerhalb der Führung der deutschen Regierung, der Schlüsselmacht in der Eurozone, gibt es Spaltungen. Merkel steht einer wachsenden Opposition seitens der führenden Vertreter*innen der bayerischen Christlich-Sozialen Union (CSU) und der Freien Demokratischen Partei (FDP), den Koalitionspartner*innen der Christdemokrat*innen, gegenüber. Diese führenden Vertreter*innen spielten die euroskeptische Karte und spiegeln die wachsende Opposition in Deutschland gegen die Rettung Griechenlands und anderer so genannter peripherer Staaten wider.

Der Mangel an entschlossenen Maßnahmen auf den Gipfeltreffen der Eurozone zeigt, dass die führende Vertreter*innen der Eurozone völlig verwirrt sind. Jedes Mal verkünden sie, dass alles in Ordnung sein werde, dass Griechenland nicht zahlungsunfähig werden oder aus der Eurozone gestoßen werden dürfe. Die großen Investor*innen auf den Finanzmärkten nehmen diese Beteuerungen jedoch nicht ernst. Die meisten Strateg*innen, die für Investmentbanken usw. sprechen, glauben jetzt, dass ein griechischer Staatsbankrott unvermeidlich sei und zu einem Austritt aus der Eurozone führen werde.

Die Führung der EZB ist auch gespalten. Während sie griechische, portugiesische und irische Staatsanleihen kaufte, um die Zinssätze für die jeweiligen Regierungen niedrig zu halten, erklärten Trichet und andere führende EZB-Vertreter*innen wiederholt, dass sie gegen groß angelegte Interventionen zur Unterstützung anderer Regierungen der Eurozone seien. Die Spekulationen gegen die Anleihen der italienischen und spanischen Regierung, die deren Zinssätze Anfang September in die Höhe zwang, zwangen die EZB jedoch, mit groß angelegten Käufen dieser Anleihen zu intervenieren. Dies führte zum Rücktritt des deutschen Vertreters, Jürgen Stark. Nun gibt es eine heftige Schlacht zwischen denjenigen führenden EZB-Vertreter*innen, die glauben, dass ein noch größeres Eingreifen erforderlich sei. Sie argumentieren, dass eine unbegrenzte Unterstützung für die Anleihen bedrohter Regierungen eine Staatsschuldenkrise abwenden werde. Andere führende EZB-Vertreter*innen lehnen diese Art von Intervention jedoch nach wie vor kompromisslos ab. Sie glauben, dass sich die Rolle der EZB strikt auf die Geldpolitik beschränken sollte, d.h. auf das Festlegen der Zinssätze und das Regulieren der Geldmenge.

Es gibt auch zunehmend Differenzen zwischen den führenden kapitalistischen Vertreter*innen in der Wirtschaftspolitik. Die vorherrschende Politik, die von Merkel und anderen führenden Vertreter*innen der Eurozone vertreten wird, ist, dass eine „Haushaltskonsolidierung“ zur Verringerung der Defizite unerlässlich sei. Dies bedeutet eine strenge Kürzungspolitik. Dies hat jedoch einen neuen Abschwung der europäischen Wirtschaft erzeugt und bedroht, wie Timothy Geithner, der US-Finanzminister, gewarnt hat, nun die gesamte globale Wirtschaft. Der Fall der Staatsausgaben und der massive Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor haben eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt: sinkende Verbraucher*innenausgaben, schwache Investitionen, höhere Arbeitslosigkeit und einen Rückgang der Steuereinnahmen, der zu noch größeren Defiziten führen kann.

Der ultimative Stresstest

Kürzlich wurde von Lagarde eine Warnung ausgesprochen. Während sie für Länder wie Griechenland eine Fortsetzung der Kürzungspolitik befürwortet, ruft sie – ohne Namen zu nennen – die großen europäischen Volkswirtschaften dazu auf, kurzfristige Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen und gleichzeitig das Ziel der Haushaltskonsolidierung auf lange Sicht beizubehalten. Sie warnte: „Ein Teufelskreis [von schwachem Wachstum und schwachen Staatsbilanzen] gewinnt in Europa und den USA an Dynamik“. „Politische Dysfunktion“ nähre die politische Unentschlossenheit in einer „gefährlichen neuen Phase der Krise“. „Soziale Spannungen“, warnte sie, „sind in vielen Teilen der Welt offensichtlich, nicht nur in den Ländern, die eine strenge [fiskalische] Anpassung durchlaufen“. (IWF, 15. September)

Seitdem hat der IWF seinen jüngsten Wirtschaftsausblick veröffentlicht. Dieser sagt für 2011 ein globales Wachstum von 4% voraus, warnt aber davor, dass es eine große Wahrscheinlichkeit gebe, dass das Wachstum unter 2% fallen werde, wenn es kein abgestimmtes Vorgehen zur Umgestaltung der Wirtschaftspolitik gebe. In den USA und Europa wird das Wachstum sicher unter 2% sein und wahrscheinlich praktisch stagnieren, während es in Japan Nullwachstum gibt. Aber, wie das „Wall Street Journal“ kommentiert (21. September): „Es ist unwahrscheinlich, dass es entweder der IWF oder die G20 schaffen werden, an diesem Wochenende einen kooperativen Aktionsplan zu erstellen, angesichts der scharfen politischen Uneinigkeit innerhalb der USA und Europas“.

Für die großen kapitalistischen Volkswirtschaften könnte es jedoch zu spät sein, um eine anhaltende Stagnation oder einen weiteren Abschwung zu vermeiden. Der unbarmherzige Druck auf Griechenland, die Kürzungsmaßnahmen zu verschärfen, kann eine Explosion in diesem Land auslösen, die wiederum eine Kernschmelze in der Eurozone auslösen würde. Es ist schwer vorstellbar, dass Griechenland einen Zahlungsausfall bei seinen Schulden haben und in der Eurozone bleiben könnte. Das würde die Glaubwürdigkeit der gesamten Eurozone untergraben. In jedem Fall wäre der einzige Weg, auf dem der griechischen Kapitalismus aus der Krise entkommen könnte die Wiedereinführung der Drachme und eine Abwertung. Und wenn Griechenland diesen Weg einschlägt, warum sollten dann andere den Schmerz der Kürzungsmaßnahmen der Eurozone aushalten?

Auf der Grundlage des relativ starken Wachstums der Weltwirtschaft seit 2000 schien die Eurozone ein Erfolg zu werden. Doch das Wachstum basierte auf einer riesigen Menge an Schulden, die nun im Zentrum der aktuellen Krise sind. Seit der finanziellen Kernschmelze und der wirtschaftlichen Rezession von 2007-09 wird die Eurozone einem schweren Stresstest unterzogen, aus dem sie nicht unversehrt hervorgehen wird. An einem bestimmten Punkt wird sie auseinanderbrechen, aber wie lange dieser Prozess dauern wird und durch welche Verwandlungen er sich drehen und wenden wird, lässt sich nicht vorhersagen. Die Eurozone ist in ihr Endspiel eingetreten, nur die Schritte und der Zeitplan sind ungewiss.


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