Lynn Walsh: Deflation. Symptom der Krise

[eigene Übersetzung des englischen Artikels, erschienen in Socialism Today, Nr. 76, Juli-August 2003]

Als sich Mitte der 90er Jahre in Japan ein deflationärer Trend entwickelte, betrachteten führende Vertreter*innen in den USA und Europa es als eine japanische Besonderheit, eine lokale Nebenwirkung des Platzens der Blase der 80er Jahre. Jetzt erkennen einige Kommentator*innen, dass der US-Kapitalismus, mit einem entscheidenden Einfluss auf die Weltwirtschaft, in einer ähnlichen Lage wie Japan damals sein könnte – am Rande einer Deflationsspirale. Lynn Walsh schreibt.

Ein Gespenst geht um im Weltkapitalismus, das Gespenst der Deflation. Mehr als sechzig Jahre lang war die Deflation nur ein entfernter Albtraum für die führenden bürgerlichen Vertreter*innen. In den Standard-Wirtschaftslehrbüchern findet sie kaum Erwähnung. Der tödliche Feind war die Inflation, die in den 1970er Jahren international anschwoll und regelmäßig krisengeschüttelte Länder heimsuchte. Jetzt steigt jedoch die Furcht an, dass die Deflation – ein breiter Preisrückgang – eine wachsende Gefahr für die Weltwirtschaft darstellt.

Indem sie die Schuldenlast erhöht, droht die Deflation die derzeitige Stagnation zu verlängern und zu vertiefen oder sogar einen weltweiten Konjunktureinbruch zu provozieren. Als sich Mitte der 90er Jahre in Japan ein deflationärer Trend entwickelte, betrachteten führende Vertreter*innen in den USA und Europa es als eine japanische Besonderheit, eine lokale Nebenwirkung des Platzens der Blase der 80er Jahre und der daraus resultierenden Lähmung der zweitgrößten Wirtschaft der Welt. Die unaufhaltsame Entwicklung einer deflationären Schuldenspirale, der die japanische Regierung nicht Einhalt gebieten kann, hat die kapitalistischen Strateg*innen gezwungen, es ernster zu nehmen. In jüngster Zeit hat sich in Deutschland eine deflationäre Tendenz entwickelt, während zumindest einige Wirtschaftskommentator*innen nun erkennen, dass sich der US-Kapitalismus, der einen entscheidenden Einfluss auf die Richtung der Weltwirtschaft hat, in einer ähnlichen Lage befinden könnte wie Japan zu Beginn der 90er Jahre – am Rande einer Deflationsspirale.

Alan Greenspan, der Vorsitzende der US-Notenbank, hat in Äußerungen, die so zweideutig wie die des delphischen Orakels sind, die Bedrohung durch eine Deflation heruntergespielt. Er gab zwar zu, dass die Gefahr einer Deflation bestehe, behauptet aber optimistisch, dass eine Erholung in den USA unmittelbar bevorstehe und die Politik der Fed die Gefahr eines ständigen, flächendeckenden Preisverfalls abwenden werde. Aber diese optimistische Sichtweise wurde kürzlich von zwei Präsidenten regionaler Notenbanken, William McDonough aus New York und Anthony Santomero aus Philadelphia, und auch von Edward Gramlich, einem der sieben Gouverneure der Fed, in Frage gestellt. (David Leonhardt, Fed unanimity cracks [Die Einmütigkeit der Fed kriegt Sprünge], „International Herald Tribune“, 19. Mai) Die Zahlen vom April 2003 zeigten den stärksten Fall der Großhandelspreise seit 1947 und den stärksten Fall der Verbraucher*innenpreise seit 18 Monaten.

Gefangen in vergangenen wirtschaftlichen Dogmen haben die kapitalistischen Entscheidungsträger*innen nur langsam den Schwenk zur Deflation erkannt. Doch gab es seit den 1980er Jahren in den meisten Ländern Disinflation – einen ständigen Rückgang der Inflationsrate. Inflation betrug in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern 1970-89 durchschnittlich 7,1% pro Jahr, 1990-2001 jedoch nur 2,7%. (Dies hat nicht verhindert, dass Länder, die schwere Krisen durchmachen, wie Argentinien, eine galoppierende Inflation erlebten.) In den letzten zwei Jahren haben Japan und China sowie Singapur und Hongkong Rückgänge von sowohl Verbraucher*innen- als auch Großhandelspreisen erlebt. Kanada, Deutschland, die USA, Italien und Frankreich sowie Indonesien, Taiwan und die Philippinen haben einen Rückgang der Großhandelspreise 2001 und 2002 gesehen. In jüngerer Zeit sind die Verbraucher*innenpreise in den USA im März um 0,3% gesunken, während die Preise in Deutschland im Mai gegenüber dem Vorjahr nur um 0,7% gestiegen sind.

Dies ist klar nicht nur um einen konjunkturellen Trend; vielmehr ist der stetige Preisfall bei den meisten Industriegütern und handelbaren Dienstleistungen ein langfristiges, strukturelles Phänomen. Optimist*innen behaupten, dass die niedrigeren Preise lediglich die Globalisierung der verarbeitenden Industrie und die Produktivitätssteigerungen der letzten zwei Jahrzehnte widerspiegeln. Die derzeitige Disinflation, so argumentieren sie, ähnele der milden Deflation, die die weltweite kapitalistische Expansion im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts begleitete. Billigere Produktionsmethoden sind zweifelsohne ein Faktor. Dennoch ähnelt die gegenwärtige Deflation viel mehr derjenigen der 1930er Jahre, obwohl die gegenwärtige Weltwirtschaftskonjunktur Merkmale beider Perioden in sich vereint (siehe Kasten: Eine kurze Geschichte von Inflation und Deflation). Die weltweite Disinflation und der Beginn der Deflation spiegeln die chronische Überkapazität in den wichtigsten kapitalistischen Industrien, die stetige Abschwächung der Nachfrage und den Zusammenbruch der Börsen- und Immobilienblasen in Japan, den USA und anderswo wider. Mit anderen Worten: Die Preisdeflation und die damit verbundene Schuldendeflation sind Teil eines Syndroms, das durch die globale Stagnation des Kapitalismus hervorgerufen wird. In dem Maße, in dem sich die Symptome verstärken, verschlimmern sie systematisch die zugrundeliegende Malaise und lassen das Gespenst einer anhaltenden Stagnation, wenn nicht einer neuen großen Depression aufkommen.

Am 30. April veröffentlichte der IWF eine umfassende Studie mit dem Titel „Deflation: Determinants, Risks and Policy Options“ [Deflation: Bestimmungsfaktoren, Risiken und Politikoptionen] (www.imf.org), ein etwas widersprüchliches Dokument. Die Studie zeigt zwar, dass Deutschland in eine Deflation abgleitet, aber die IWF-Arbeitsgruppe sieht „keine zwingenden Beweise für eine allgemeine globale Deflation“. (S. 6, S. 25) Die gegenteilige Schlussfolgerung ließe sich jedoch leicht aus dem Material, das sie vorlegen, ziehen. Eine anhaltende leichte Deflation, sagt der Bericht, ist weitaus ernster als eine leichte Inflation. „Vergangene Episoden deuten darauf hin, dass eine anhaltende Deflation unvorhersehbar sein kann, selbst wenn die Inflation und die nominalen Zinssätze gegen Null gehen. (S. 32) Die erste Lektion der Geschichte, sagen sie, ist, dass „Deflation und deflationäre Episoden erstaunlich schnell Wurzeln schlagen können“. (S. 15) Der IWF ruft die Regierungen und Zentralbanken auf, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um Inflation zu verhindern. Der Bericht zeigt jedoch, dass nachhaltige Maßnahmen der japanischen Regierung entsprechend den Empfehlungen des IWF (Senkung der Zinssätze auf Null und massive Ausweitung der Geldmenge) bisher völlig versagt haben, um die Deflationsspirale in Japan zu stoppen. Werden Deutschland und die USA mehr Erfolg haben?

Die Schuldenzeitbombe

Warum ist Deflation ein Problem? Fallende Preise bedeuten sicherlich niedrigere Lebenshaltungskosten – ist das nicht eine gute Sache? Das Problem ist, dass die derzeitige Deflation – erzeugt durch Überkapazitäten und schwache Nachfrage – ein Symptom der kapitalistischen Malaise ist, das Produkt einer lang anhaltenden Stagnation. Für Arbeiter*innen wird jeder Gewinn durch billigeren Waren und Dienstleistungen durch Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeit und andere negative Auswirkungen der kapitalistischen Krise wieder zunichte gemacht.

Wenn Preise fallen, schieben die Menschen den Kauf von Dingen auf, in der Erwartung, dass Preise noch weiter fallen werden, was die Nachfrage drückt. Angesichts schrumpfender Märkte werden auch die Profite der Kapitalist*innen durch die sinkenden Preise zusammengedrückt. Gleichzeitig – während die Reallöhne steigen (mit dem Lohn kann man mehr kaufen, wenn die Preise fallen) – versuchen die Boss*innen zwangsläufig, ihre Lohnkosten durch Angriffe auf die Nominallöhne oder durch Entlassungen zu senken. In jedem Fall unterminiert die Senkung der Lohnkosten die Kaufkraft und stärkt die Kräfte der Stagnation.

Die schwerwiegendste Auswirkung der Deflation ist jedoch, dass sie die Last der ausstehenden Schulden erhöht, indem sie die realen Zinssätze (den Zinssatz, der die Preisänderungen berücksichtigt) in die Höhe treibt. Während die Inflation die realen Kosten der Zins- und Tilgungszahlungen im Laufe der Zeit senkt und damit die Schuldner*innen gegenüber Gläubiger*innen begünstigt, begünstigt die Deflation die Gläubiger*innen. Die Zinsen für die meisten Geschäfts-, Verbraucher*innen- und Wohnungsbaukredite (mit Ausnahme einiger britischer Hypotheken) sind auf den ursprünglichen Nominalzins festgelegt. Wenn die Preise jedoch fallen, steigt der reale Zinssatz (siehe Glossar). Das vergrößert die Belastung (den reale Wert) der bestehenden Schulden in einer Zeit, in der die schrumpfenden Verkaufseinnahmen der Unternehmen und die sinkenden Einkommen der Arbeiter*innen es zunehmend schwieriger machen, die Schulden zurückzuzahlen.

Mit dem Einsetzen der Deflation sinken natürlich auch die Nominalzinsen (was allerdings weder den bestehenden Schuldner*innen mit festverzinslichen Krediten noch den „Hochrisikoschuldner*innen“ hilft, die mit höheren Zinsen belastet werden). Die Nominalzinsen können jedoch nicht unter Null fallen – negative Nominalzinsen würden bedeuten, dass die Banken den Schuldner*innen Geld für die Aufnahme von Krediten zahlen und von den Sparer*innen Geld dafür abknöpfen, dass sie ihre Ersparnisse bei der Bank anlegen! Doch während der Nominalzins nicht unter Null fallen kann, können die Preise weiter fallen, was die Realzinsen immer weiter in die Höhe treibt und die Deflationsschraube weiter anzieht.

Wenn die Wirtschaft stagniert, führt die wachsende Schuldenlast zu einer Liquiditäts- oder Schuldenfalle. Bei zusammengepressten Einkommen und Profiten finden es Unternehmen zunehmend schwierig, ihre Schulden zu bedienen. Immer mehr werden zahlungsunfähig, und wenn die Banken Maßnahmen ergreifen, um einen Teil der ihnen geschuldeten Beträge zurückzuerhalten, werden die verschuldeten Firmen zur Liquidation gezwungen. Die Akkumulation uneinbringlicher Schulden wird für die Banken und Finanzinstitute zunehmend zu einem Problem und bedroht die Schwächsten mit dem Zusammenbruch. Dies geschieht derzeit in Japan, wo die Banken offiziell uneinbringliche Schulden in Höhe von etwa 500 Mrd. $ anerkennen, obwohl inoffizielle Schätzungen die wahre Zahl auf etwa 1.000 Mrd. $ beziffern. Nur riesige Finanzspritzen der japanischen Regierung haben eine katastrophale Kettenreaktion von Bankenzusammenbrüchen verhindert, aber das Problem der uneinbringlichen Schulden bleibt ungelöst. Natürlich werden in dieser Lage die Banken zunehmend zögerlich, potenziell risikoreichen Schuldner*innen Geld zu leihen, vor allem zu Zinssätzen von praktisch Null, obwohl die Zentralbank im Falle Japans den Banken massiv zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt hat, um die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln. Obwohl die nominalen Leitzinsen sowohl in Japan als auch in den USA extrem niedrig sind, verlangen die Banken und Finanzinstitute in vielen Fällen von den Unternehmen wesentlich höhere Aufschläge für Investitionen, die sie als „risikoreich“ ansehen.

Unter den Bedingungen einer Stagnation oder eines Konjunktureinbruchs war die Preisdeflation in der Vergangenheit mit einer Deflation von Vermögenswerten, einem Zusammenbruch der Aktien- und Immobilienpreise verbunden. Dies war sicherlich in den 1930er Jahren der Fall und galt für Japan seit dem Platzen seiner Blase Ende der 1980er Jahre. Während eines Booms, insbesondere eines von Finanzspekulationen geprägten, sind die Aktien- und Immobilienpreise enorm aufgebläht. Spekulative Aktivität wird immer durch Kreditaufnahme finanziert (relativ niedrige Zinssätze im Vergleich zu hohen Spekulationsprofiten). Die Balgerei um Aktien und Immobilien treibt deren Preise in die Höhe, und diese aufgeblähten Vermögenswerte werden wiederum als Sicherheiten für neue Kredite zum Kauf weiterer Vermögenswerte verwendet – und so weiter und so fort. An einem bestimmten Punkt ist ein Krach unvermeidlich, bei dem ein Großteil des aufgeblähten Wertes vernichtet wird. Dies setzt eine Kettenreaktion von Konkursen in Gang, die die wirtschaftliche Abwärtsspirale noch weiter vertieft.

Der japanische Kapitalismus ist derzeit ein klassisches Beispiel für diese Art der Schuldendeflation. In den 1980er Jahren förderte die japanische Regierung absichtlich das Wachstum der Blase als billige Methode zur Finanzierung der Modernisierung der führenden Sektoren der japanischen Wirtschaft auf der Grundlage der neuesten Technologie. Das zielte darauf an, den Anteil des japanischen Kapitalismus an den weltweiten Exportmärkten zu erhöhen, besonders in den hochwertigen High-Tech-Sektoren. Dies führte jedoch zu enormen Überkapazitäten, die zusammen mit internationalen Faktoren Mitte der 1980er Jahre zu einer Deflation führten. Die japanische Blase platzte nach der internationalen Finanzkrise von 1987, und der japanische Kapitalismus hat sich nie davon erholt. Die Immobilienpreise sind seit ihrem Höchststand von 1988 um über 80% gefallen, während die Aktienkurse auf ein 20-Jahres-Tief gefallen sind.

Die uneinbringlichen Schulden der Banken nehmen ständig zu, eine Zeitbombe im Fundament des japanischen und Weltkapitalismus. Die frühen 90er Jahre waren durch eine Disinflation gekennzeichnet, die das Ergebnis einer Kombination von Faktoren war: Überkapazitäten, die Bankenkrise, nachlassende Verbraucher*innennachfrage und Preisdruck durch Importkonkurrenz (insbesondere aus Ländern wie China). Nach 1994 ging die Disinflation in eine Deflation über, die bis heute anhält und sich um die -1% bewegt. Das Wachstum stagnierte, und die Wirtschaft hat innerhalb von 13 Jahren drei Rezessionen durchlaufen. Auch wenn es zweifellos Unterschiede zwischen Japan, den USA und Deutschland gibt, so sind die beiden letztgenannten Länder doch mit ähnlichen Bedingungen konfrontiert wie Japan zu Beginn der 90er Jahre.

Ein wirtschaftlicher Treibsand

Wenn Disinflation und Deflation die Symptome sind, was sind dann die zugrundeliegenden Ursachen der Krankheit? Tatsächlich kommen Merkmale der beiden verschiedenen Varianten der Krankheit bei dem derzeitigen Ausbruch zusammen:

(1) Die Preise wurden durch massive weltweite Überkapazitäten herabgedrückt, die aus einer langen Periode relativ schwachen und rückläufigen Wachstums der Weltwirtschaft resultierten. Trotz des Technologiebooms und des Auftauchens der asiatischen Tigerstaaten Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre regte die Globalisierung nicht eine allgemeine Beschleunigung des internationalen Wachstums an. Den UN-Statistiken zufolge wuchs das weltweite BIP in den 1960er Jahren mit einer jährlichen Rate von 5,4%, in den 1970er Jahren mit 4,1%, in den 1980er Jahren mit 3% und in den 1990er Jahren mit 2,3%. Dies war unweigerlich von einer nachlassenden Nachfrage nach Gütern begleitet (nicht, dass Millionen keine Güter benötigten, aber ihre Bedürfnisse waren nicht durch Geld gedeckt). Zur Zeit der Asienkrise im Jahr 1997 sagte der damalige Vorsitzende von General Electric (GE), Jack Welch: „Es gibt weltweit Überkapazitäten in fast jeder Branche“. („New York Times“, 16. November 1997) Die neoliberale Politik steigerte die kapitalistischen Profite, aber Kürzungen des Lohnniveaus und der Sozialausgaben verlagerten die Verteilung des Reichtums drastisch weg von der Arbeiter*innenklasse – was den Markt für kapitalistische Güter weiter untergrub. 1998 warnte „The Economist“ vor einer „bösartigen Deflation, die durch Überkapazitäten und schwache Nachfrage verursacht wird“ und kommentierte, dass die Kluft zwischen Verkäufen und Kapazität „so groß wie seit den 1930er Jahren nicht mehr“ sei. (30. November 1998) Seitdem hat das Überangebot an Waren die „Preissetzungsmacht“ der Kapitalist*innen (ihre Fähigkeit, die Preise zu erhöhen) weiter untergraben. Diese Variante der Deflation ist vergleichbar mit der „Nachfrageschock“-Deflation der 30er Jahre, auch wenn sie selbst in Japan noch nicht so akut geworden ist. Sie geht jedoch mit einer „Angebotsschock“-Deflation einher, die mit der Deflation im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts.

(2) Die Preise wurden auch durch die Anwendung neuer Technologien, die durch Produktivitätssteigerungen und Einsparungen bei Arbeit, Material und Energie Kosten gesenkt haben, ständig herabgedrückt, insbesondere Ende der 80er und in den 90er Jahren. Neue Technologien, insbesondere bei der Kommunikation, haben es den multinationalen Konzernen und spekulativen Investor*innen unter den Bedingungen einer deregulierten Weltwirtschaft ermöglicht, die Produktion in Niedrigkostenländer wie China zu verlagern. (China verbindet Merkmale einer Deflation von der Angebotsseite, die durch das Wachstum neuer, ausländisch finanzierter Industrien hervorgerufen wird, mit einer Deflation von der Nachfrageseite, die aus der Stagnation oder dem Zusammenbruch staatlicher Unternehmen und der Zunahme der Massenarbeitslosigkeit in Stadt und Land resultiert.) Dies begann in arbeitsintensiven Sektoren wie Bekleidung, Schuhen, Spielzeug usw., hat sich aber auf Mikrochips, Fernsehgeräte, Kraftfahrzeuge und Computer ausgeweitet. Trotz bestehender Überkapazitäten in den wichtigsten Industriezweigen haben die Konzerne in einem rücksichtslosen Konkurrenzkampf kontinuierlich in neue Anlagen und Ausrüstungen investiert, um die Kosten zu senken und ihren Marktanteil auf Kosten ihrer Rival*innen zu vergrößern. Die Globalisierung hat diese räuberische Konkurrenz verschärft, die Preise kontinuierlich nach unten gedrückt und die weltweiten Überkapazitäten weiter erhöht. Während das Volumen der weltweiten Ausfuhren im Zeitraum 1991-2000 um 7,3% pro Jahr zunahm, sanken die Preise für Fertigwarenausfuhren um -0,8% pro Jahr. Diese Variante des deflationären Drucks, die in China besonders stark ausgeprägt ist, ähnelt der „Angebotsschock“-Deflation der 1880er Jahre, hat sich aber (anders als im späteren 19. Jahrhundert) unter Bedingungen internationaler Stagnation entwickelt, die zu einer Deflation von der Nachfrageseite her geführt haben.

„Wenn sie durch ein schnelles Produktivitätswachstum verursacht wird, wie im späten 19. Jahrhundert“, kommentiert „The Economist“, „kann sie [die Deflation] mit einem robusten Wachstum einhergehen. Aber wenn die Preise aufgrund eines Nachfrageeinbruchs fallen, kann Deflation gefährlich sein. Heute weist die Welt beide Arten von Deflation auf, aber die enormen Ausmaße von Überkapazitäten deuten darauf hin, dass es sich hauptsächlich um die schlechte Art handelt“. (Hear the hissing sound? [Hören Sie das zischende Geräusch?] „The Economist“, 17. Mai 2003) Die Großkonzerne wurden bis zu einem gewissen Grad vor den vollen Auswirkungen von Überkapazitäten und dem Verlust der Preissetzungsmacht abgepolstert, zunächst durch das schnelle Wachstum der asiatischen Tigerstaaten und anderer „Schwellenländer“ bis 1997 und dann durch die Spekulationsblase von 1998-2000 in den USA und anderswo. Eine Zeit lang boten diese Entwicklungen sowohl für Investitions- als auch für Konsumgüter in einigen Sektoren und gewissen Regionen der Weltwirtschaft äußerst profitable Märkte. Selbst nach dem Platzen der Spekulationsblase hat das relativ hohe Niveau der Konsumausgaben in Verbindung mit der Immobilienblase und durch eine Rekordverschuldung finanziert, einen überstürzten Einbruch der Nachfrage hinausgezögert. Die langgezogene Stagnation seit dem Jahr 2000 mit rasch ansteigender Arbeitslosigkeit in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern hat jedoch das Problem der Überkapazitäten und des Nachfragerückgangs erneut in den Vordergrund gerückt.

„Die unmittelbare Gefahr ist nicht die Deflation an sich“, schreibt der Wirtschaftskommentator Paul Krugman, „es ist das Risiko, dass die großen Volkswirtschaften der Welt in einem wirtschaftlichen Morast stecken bleiben. Deflation kann sowohl ein Symptom dafür sein, dass eine Wirtschaft im Sumpf versinkt, als auch ein Grund dafür, warum sie noch tiefer sinken kann, aber sie ist in der Regel ein nachlaufender Indikator. Die entscheidende Frage ist, ob wir überhaupt in den Sumpf stolpern – und die Risiken scheinen unangenehm hoch zu sein“. (Fear of a quagmire? [Furcht vor einem Sumpf?] „New York Times“, 24. Mai)

Eine politische Sackgasse

In den jüngsten Monaten haben die Wirtschaftsstrateg*innen in der US-Notenbank und dem IWF das Thema Deflation weitgehend hinter verschlossenen Türen debattiert. Die Frage, mit der sie sich auseinandersetzen, ist natürlich, welche Maßnahmen sie ergreifen sollten, um die Gefahr einer Deflationsspirale in den USA abzuwenden. Die Erfahrung in Japan ist kaum ermutigend. Eine kürzliche Studie der Fed über Japan folgert, dass die japanischen Behörden zu wenig zu spät gemacht haben. Aber die Fed hat jetzt wenig nützliche Ratschläge anzubieten, und es ist, gelinde gesagt, ungewiss, ob aggressivere politische Maßnahmen den Ausbruch der Deflation Mitte der 90er Jahre hätten verhindern können.

Die Stagnation der letzten 13 Jahre ist das Ergebnis des Zusammenbruchs der japanischen Blasenwirtschaft der 1980er Jahre. Es gab massive Überkapazitäten und einen Rückgang der Nachfrage. Der Einbruch der Aktien- und Immobilienpreise hinterließ einen Berg von uneinbringlichen Schulden, der das Bankensystem lähmte. Arbeiter*innen und die Mittelschicht versuchten, ihre Schulden zu tilgen und gleichzeitig ihre Ausgaben zu reduzieren. Massive öffentliche Ausgabenprojekte der Regierung (vor allem für große Bauprojekte) linderten den Einbruch, konnten die Wirtschaft aber nicht aus der Stagnation herausführen. Die Bank of Japan senkte die Zinssätze kontinuierlich auf nahezu Null und stellte den Banken umfangreiche Mittel zur Verfügung – aber es gab keinen Anreiz für die Banken, neue Kredite zu vergeben, oder für die Unternehmen, neue Investitionen zu tätigen. Als der deflationäre Trend nach 1994 einsetzte, wurde der japanische Kapitalismus in der Liquiditätsfalle gefangen. Die Deflationsspirale hat sich vertieft, und es gibt die Möglichkeit eines noch schärferen Abschwungs. Angesichts der entscheidenden Rolle, die das japanische Kapital bei der Stützung des US-Dollars (durch das Horten riesiger Dollarreserven) und bei der Finanzierung der Schulden der USA gegenüber dem Rest der Welt (durch das Kaufen von US-Anleihen und Investitionen in die US-Wirtschaft) spielt, hätte dies verheerende Auswirkungen auf die US- und die Weltwirtschaft.

Der US-Ökonom Paul Krugman ist eine einsame Stimme, die die japanische Regierung auffordert, sich einer Politik der bewussten Stimulierung einer längeren Periode milder Inflation (zwischen 2% und 4%) zuzuwenden, um die Ausgaben anzukurbeln und die Investitionen wiederzubeleben. Die Theorie ist, dass die Menschen eher früher als später ausgeben werden, wenn das Geld durch die Inflation seinen Wert verliert. Die meisten bürgerlichen Strateg*innen sind jedoch nicht davon überzeugt, dass Versuche, massiv zusätzliche Liquidität in die Wirtschaft zu spritzen, tatsächlich den gewünschten Effekt haben würden. Die führenden kapitalistischen Vertreter*innen in Japan und anderswo befürchten obendrein, dass wenn einmal Inflation ausgelöst wäre, sie schnell zu einer galoppierenden Inflation beschleunigen könnte – eine Rückkehr zur Stagflation!

In Europa folgt Deutschland bereits dem Beispiel Japans. Im Unterschied zur US-Notenbank war die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch sehr vorsichtig bei der Senkung der Zinssätze (im Mai auf 2% gesenkt) und behielt eine knappe Geldmenge bei. Wim Duisenberg, Chef der EZB, scheint mehr über imaginäre Inflationswellen als über den Treibsand der Deflation besorgt zu sein, in den sie tatsächlich stolpern. Gleichzeitig erlegt das Haushaltsregime der Eurozone, nach dem die Haushaltsdefizite unter 3% des BIP gehalten werden sollen, Wirtschaften wie Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Italien, die sich derzeit dem Nullwachstum nähern, eine restriktive Politik auf. Dies demonstriert die perverse Wirkung der Euro-Einheitsgrößen-Zwangsjacke, die die Widersprüche im europäischen Kapitalismus noch vertiefen wird. Die Konjunkturabschwächung in der Eurozone wurde außerdem durch den Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar (um etwa 30% seit Mai 2002) verstärkt, was die Exporte der Eurozone getroffen hat. Wie in Japan in den späten 90er Jahre werden weitere Zinssenkungen in der Eurozone wahrscheinlich zu spät kommen, um den deflationären Trend in Deutschland aufzuhalten, der sich zu einer Abwärtsspirale entwickeln könnte, die andere EU-Volkswirtschaften erfasst.

In den USA verweist Greenspan schüchtern auf „die Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten erheblichen Falls der Inflation“ (Erklärung der Fed vom 6. Mai) und vermeidet das schreckliche D-Wort. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass die führenden Fed-Vertreter*innen ernsthaft über die Gefahr einer Deflation besorgt sind. Nachdem sie gesehen hatte, was in Japan geschah, handelte die Fed im Januar 2001 nach dem Platzen der Blase und erneut nach dem 11. September 2001 schnell, um die Zinssätze zu senken und die Geldmenge auszuweiten. Nach einem Dutzend Zinssenkungen wurden die Zinssätze auf 1,25% gesenkt, den niedrigsten Stand seit 40 Jahren, und könnten bald auf ein Prozent – praktisch auf Null – gesenkt werden. Diese Maßnahme hat zweifellos einen schweren Einbruch verhindert, aber gleichzeitig nicht den Aufschwung gebracht, den Greenspan versprochen hat. US-Banken sind nicht so stark mit uneinbringlichen Forderungen belastet wie ihre japanischen Gegenstücke, aber viele US-Konzerne sind hoch verschuldet, während die Verschuldung der privaten Haushalte Rekordhöhen erreicht hat. Obendrein werden Bushs Steuersenkungen für die Superreichen zwar ein wachsendes Bundeshaushaltsdefizit zur Folge haben, aber die zusätzlichen Ausgaben des Bundes für Rüstung und Sicherheit werden wahrscheinlich durch Ausgabenkürzungen der Bundesstaaten (meist durch Kürzungen der Bundeszuschüsse erzwungen) mehr als ausgeglichen werden. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter an, und eine Wachstumsrate von unter 3% wird einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Überkapazitäten nicht verhindern können. All diese Faktoren deuten auf eine wahrscheinliche Entwicklung der Deflation hin. Ein Preisrückgang des Dollars, der die Einfuhren in Dollar verteuert, könnte den fallenden Preisen entgegenwirken; aber diese Wirkung dürfte begrenzt sein, da die ausländischen Hersteller*innen von Industriegütern (wie bereits jetzt) versuchen werden, jeden Anstieg des Dollarpreises zu verringern (und dafür geringere Profite in Kauf nehmen), um ihren Anteil am US-Markt zu halten. Japans Abgleiten in die Deflation entwickelte sich langsam über einen Zeitraum von zehn Jahren, und die USA könnten durchaus den gleichen Weg einschlagen. Mit Zinssätzen von 1,25% und reichlich Liquidität scheint sich die Geldpolitik den Grenzen ihrer Wirksamkeit zu nähern. Wie Keynes sagte, ist die Senkung der Zinssätze in einer Zeit schwacher Nachfrage und Überkapazitäten wie das Schieben einer Schnur.

19. Juni 2003

Eine kurze Geschichte von Inflation und Deflation

Während der gesamten Periode seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die führenden bürgerlichen Vertreter*innen von der Gefahr der Inflation beunruhigt, wenn nicht gar besessen. Sie wurden immer wieder von der Hyperinflation heimgesucht, die das Weimarer Deutschland in den 1920er Jahren erschütterte und der sie (etwas vereinfachend) für revolutionäre Umwälzungen und den Aufstieg des Faschismus die Schuld gaben. Trotz der relativ niedrigen Inflation in der Nachkriegsaufschwungsperiode waren die Ideolog*innen der Großkonzerne der Ansicht, dass der keynesianische Rahmen (der „Wohlfahrtsstaat“ und die staatlichen Interventionen um Nachfrage und Vollbeschäftigung aufrechtzuerhalten) eine eingebaute „inflationäre Schlagseite“ aufweise. Die historisch hohen Raten des BIP- und Produktivitätswachstums ermöglichten es den Regierungen jedoch, den öffentlichen Sektor auszuweiten, ohne eine ernsthafte Inflation zu verursachen. In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern stieg die Inflation von vernachlässigbaren 2% pro Jahr in den 1950er Jahren etwa auf erträgliche 4% in den 1960er Jahren.

Als sich der Aufschwung jedoch erschöpfte und die Profite und Investitionen zurückgingen, begann die Inflation zu steigen (auf einen Durchschnitt von 6,4% in Europa und 4,9% in den USA in den Jahren 1969-73). Die inflationären Tendenzen im US-Kapitalismus (die durch die Ausgaben für den Vietnamkrieg verstärkt wurden) übertrugen sich auf die Weltwirtschaft. Nach dem Ölpreisschock von 1973, der das Ende des Aufschwungs markierte, stieg die Inflation sprunghaft an (in Europa lag sie in den Jahren 1973-79 im Durchschnitt bei über 10% und explodierte in einigen Ländern auf weit über 20% in manchen Jahren). Rasch steigende Preise untergruben den reale Wert von Schulden, begünstigt Schuldner*innen gegenüber Gläubiger*innen. Hohe Inflation verschärfte die wirtschaftliche Instabilität und rief massive Lohnkämpfe der organisierten Arbeiter*innen hervor. Großbanken und wohlhabende Investor*innen in Staatsanleihen fürchteten, dass die Regierungen zunehmend auf die „Monetisierung“ ihrer Staatsschulden zurückgreifen würden – d.h., anstatt sich auf Steuereinnahmen und Kredite zu stützen, würden sie einfach Geld drucken, um ihre Haushaltsdefizite zu decken, was erneut der Hyperinflation Tür und Tor öffnen würde. In den späten 1970er Jahren trafen daher die führenden Vertreter*innen der kapitalistischen großen Mächte die strategische Entscheidung, die Inflation aus der Weltwirtschaft herauszudrücken.

Angeführt von den USA und Großbritannien wandte sich die herrschende Klasse dem „Monetarismus“ (hohe Zinssätze und eine begrenzte Geldmenge) und der seither als Neoliberalismus bekannten Politik zu – einem Angriff auf die organisierte Stärke der Arbeiter*innen, Kürzungen der Sozialausgaben, Verringerung der staatlichen Investitionen in die wirtschaftliche Infrastruktur, Deregulierung von Finanzwesen und Industrie, Privatisierung von Dienstleistungen usw. Zusammen mit der Entwicklung neuer Technologien und der Globalisierung, insbesondere der Verlagerung der Produktion in Niedrigkostenländer, führte dies in den 80er Jahren und vor allem in den späten 90er Jahren zu einem weit verbreiteten Trend zur Disinflation, d.h. zu einer weitgehenden Verlangsamung der Rate des Preisanstiegs. Dennoch befürchteten die führenden kapitalistischen Vertreter*innen, dass die Inflation leicht wieder auftauchen könnte. So trat beispielsweise Greenspan 1994, als die US-Wirtschaft gerade begann, sich aus der lang anhaltenden Rezession nach 1990 zu erholen, auf die Bremse und erhöhte den Zinssatz. Die Erholung geriet ins Stocken, und Greenspan kehrte zu einer Politik der lockeren Kreditvergabe zurück. In jüngerer Zeit ist die EZB der US-Notenbank bei der Senkung der Zinssätze nur sehr langsam gefolgt. Trotz der Stagnation in den Kernländern der Eurozone und dem Erscheinen von deflationären Trends in Deutschland scheint sich Duisenberg, der EZB-Chef, mehr um das Gespenst der Inflation als um die Realität der Deflation zu sorgen, wie ein General, der noch den vergangenen Krieg führt. Weniger engstirnige bürgerliche Strateg*innen erkennen jedoch klar die wachsende Gefahr, die sich durch einen allgemeinen und anhaltenden Preisverfall stellt, und beginnen, die Erfahrungen der Deflation der Vergangenheit nochmals zu prüfen.

Die großen Depressionen

Historisch durchlief der Weltkapitalismus zwei große Deflationsperioden, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und in den 1930er Jahren. Beide Perioden wurden als „Große Depression“ bezeichnet, aber ihre Merkmale waren recht unterschiedlich, und es war die spätere Periode, die das Überleben des Systems bedrohte. Im neunzehnten Jahrhundert, als sich der Kapitalismus im Weltmaßstab entwickelte, gab es einen langfristigen Trend zu einem allmählichen Preisrückgang. In den 1870er und frühen 1880er Jahren kam es jedoch zu einer anhaltenden Episode der Deflation. Dies schmälerte die Profitrate der Kapitalist*innen, führte zu Verschuldungsproblemen, insbesondere für Landwirt*innen, und führte zu einer Reihe von Finanzkrisen. Gleichzeitig erhöhten die fallenden Preise die Reallöhne von Teilen der Arbeiter*innen, was ihnen das Selbstvertrauen gab, für gewerkschaftliche Rechte zu kämpfen. Insgesamt jedoch wuchsen die führenden kapitalistischen Volkswirtschaften weiter. In der Tat war es eine Periode intensiven und extensiven kapitalistischen Wachstums international. Die Anwendung neuer Technologien in Produktion und im Transport erhöhte die Produktivität und erzeugte ein reichhaltiges Angebot an Waren, was zu niedrigeren Preisen führte. (Abgesehen von der Ausweitung der Produktivkräfte könnte auch eine eingeschränkte Geldmenge dazu beigetragen haben, da es in dieser Zeit einen Mangel an Gold gab, der Grundlage der wichtigsten Währungen im Rahmen des Goldstandards).

Die Deflation der Zwischenkriegsperiode hatte eine verheerende Wirkung auf den Weltkapitalismus. Fallende Preise waren nicht das Ergebnis einer ausgeweiteten Produktion unter den Bedingungen eines weltweiten Wachstums, sondern das Ergebnis eines Nachfrageeinbruchs und einer massiven Überproduktion. Der deflationäre Schock wurde ausgelöst durch den tiefen Wirtschaftseinbruch des US-Kapitalismus von 1929-33, der den Rest der Welt mit sich riss. Der Einbruch folgte auf den Spekulationsboom von 1925-29, der in den USA besonders heftig ausfiel, aber auch in Großbritannien und anderswo von zyklischen Booms begleitet wurde. Die Finanzblase platzte, als der Einbruch von Produktion und Profiten spürbar wurde. Der starke Rückgang der Erzeuger*innen- und Verbraucher*innenpreise spiegelte den Zusammenbruch der Nachfrage und die massive Überproduktion wider, aber die Deflation verschärfte die Krise unweigerlich. Die Deflation machte die Schulden teurer, was zusammen mit dem Einbruch der Aktien- und Immobilienpreise eine Bankenkrise und einem Zusammenbruch des Weltfinanzsystems herbeiführte. Die internationale Krise wurde zweifellos durch die bewusste Politik der USA, Großbritanniens und anderer Mächte verschärft, den Goldstandard aufrechtzuerhalten, was die internationale Liquidität stark einschränkte.

1929-30 war ein klassischer Konjunktureinbruch in den USA, mit massiver Überproduktion und Massenarbeitslosigkeit. Es folgte jedoch eine Lawine von Bankzusammenbrüchen, Schuldendeflation und Depression – das klassische Beispiel einer Deflationsspirale. In den Jahren 1929-33 fiel das reale BIP um 30%, die Industrieproduktion um 46%; die Arbeitslosigkeit stieg auf 25% oder rund 13 Millionen Arbeiter*innen. Die Preise, die zwischen 1921-29 konstant geblieben waren, fielen 1929-33 um 24%. Über ein Viertel der US-Banken brach zusammen (etwa 6.000), wodurch die Ersparnisse von etwa sechs Millionen Familien vernichtet wurden. Die Probleme wurden durch die Politik der Fed zur Verknappung der Geldmenge verschärft, die sich in den Jahren 1924-33 um 30% verringerte (ein Fehler, den sie in den letzten drei Jahren nicht wiederholt hat). Jede Umdrehung der Deflationsspirale drückte die Nachfrage nach Gütern weiter, was eine Erholung der Profite und Investitionen verzögerte. Die Vormachtstellung des US-Kapitalismus sorgte für die Übertragung der Deflation auf andere Wirtschaften, wobei Japan und Schweden besonders starke Preisrückgänge (-25% bzw. -20%) erlebten.

J. Bradford DeLong, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der UC Berkeley, kommentiert den Überblick über die zeitgenössischen Analysen des Einbruchs in den 1930er Jahren damit, dass die Erklärungen „weit auseinander gehen“: „Nichtsdestotrotz stellt fast jeder Analytiker der großen Depression die allgemeine Deflation – und die durch sie verursachte Kette von finanziellen und realen Konkursen – ins Zentrum oder in die Nähe des Zentrums der schlimmsten makroökonomischen Katastrophe, die die Welt je gesehen hat“. (Why We Should Fear Deflation [Warum wir Deflation fürchten sollten], März 1999, www.j-bradford-delong.net) Obwohl die Deflation „im Zentrum oder in der Nähe des Zentrums“ der Krise stand, war sie der Prozess, durch den sich die tieferen Widersprüche des Kapitalismus herausarbeiteten. Der Einbruch entstand aus einer klassischen Krise der Überakkumulation von Kapital. In den Jahren 1925-29 gab es in den USA einen starken Investitionsboom und das rasche Entstehen neuer, hochtechnologischer Industrien. Doch die verstärkte Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse und ihr geringerer Anteil am Reichtum untergruben die Fähigkeit der Arbeiter*innen, Waren und Dienstleistungen zu kaufen – und damit die Fähigkeit der Kapitalist*innen, Profite aus ihren Kapitalanlagen zu realisieren.

Glossar

Preise: Trends bei einem breiten Spektrum von Preisen (aggregierte Preise) werden durch verschiedene Indizes gemessen. Die Inflation/Deflation wird in der Regel anhand der Entwicklung der Verbraucher*innenpreise berechnet, die durch den Verbraucher*innen- oder Einzelhandelspreisindex (VPI oder RPI) gemessen werden. Der Index misst den Durchschnittspreis eines typischen „Warenkorbs“ von Konsumgütern und Dienstleistungen (und auch Hypothekenzahlungen, Gemeindesteuern usw.), die von einem Durchschnittshaushalt gekauft werden. Die „Gesamt“rate bezieht sich auf die gesamte Bandbreite der im Warenkorb enthaltenen Preise, während die „Kern“rate, auf die sich Wirtschaftskommentator*innen häufig beziehen, den Hypothekenzins, die Treibstoffpreise, frische saisonale Lebensmittel usw. nicht berücksichtigt.

Deflation/Inflation kann aber auch durch den BIP-Deflator ausgedrückt werden, der den Anstieg/Fall der Preise einer viel breiteren Palette von Waren und Dienstleistungen misst, die das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausmachen, oder durch den Produktpreisindex, der den Anstieg/Fall der Werkspreise der produzierten Waren misst. Der jüngste deflationäre Trend hat sich zuerst und am stärksten bei den Produktpreisen (im Vergleich zu den Verbraucher*innenpreisen) entwickelt und spiegelt die verschärfte internationale Konkurrenz in Kernindustrien unter Bedingungen von Überkapazität und fallender Nachfrage wider.

Inflation: Ein allgemeiner Preisanstieg, der in der Regel durch den Index der Verbraucher*innen- oder Einzelhandelspreise (VPI oder RPI) gemessen wird. Die Inflationsrate wird auch durch den Index der Großhandels- oder Produktpreise (die von den Hersteller*innen in Rechnung gestellt werden) oder durch den Index der BIP-Preise (den „BIP-Deflator“) gemessen.

Inflation bedeutet, dass sich die Kaufkraft einer Währungseinheit (Pfund, Dollar, Euro usw.) verringert hat. Einfach ausgedrückt: Menschen müssen mehr für dieselben Waren oder Dienstleistungen bezahlen. Inflation entsteht, wenn (a) steigende Kosten (für Material, Energie, Arbeit oder Kredite) pro Produktionseinheit die Preise in die Höhe treiben oder (b) wenn die Kaufkraft oder die Geldmenge (durch erhöhte öffentliche Ausgaben, eine Ausweitung der Kreditvergabe usw.) schneller steigt als die Produktion, oder (c) durch eine Kombination dieser so genannten „Kosten-treibenen“ und „Nachfrage-ziehenden“-Faktoren.

In Perioden von wirtschaftlichem Aufschwung (z. B. 1950-73) durchläuft die wachsende Wirtschaft einen Konjunkturzyklus. Die Spitzenwerte (die Booms) waren in der Regel durch eine kurzfristige, zyklische Inflation gekennzeichnet. Steigende Zinssätze oder steigende Steuern kippten den Zyklus in eine kurzfristige Krise (aber immer vor dem Hintergrund des Wachstums). In Krisenperioden jedoch, wie 1973-79 im Gefolge des Endes des Nachkriegsaufschwungs, kann der Kapitalismus von einer chronischen Inflation mit einem sich rasch beschleunigenden Preisanstieg heimgesucht werden, die in eine „Stagflation“ umkippen, das heißt hohe Inflationsraten, begleitet von hoher Arbeitslosigkeit und stagnierenden Wachstumsniveaus.

Historisch war die berüchtigtste Episode von Hyperinflation die, die den deutschen Kapitalismus im Gefolge des Ersten Weltkriegs erschütterte. In einem verzweifelten Versuch, wirtschaftlichen Zusammenbruch und eine sozialistische Revolution in den Jahren 1921-23 abzuwenden, druckte die wackelige Regierung von Weimar-Deutschland rasend Banknoten, um die Staatsausgaben zu finanzieren (anstatt die Steuern zu erhöhen oder neue Kredite aufzunehmen), um die untragbare Last der Staatsschulden aufgrund der von den Sieger*innen geforderten „Reparationen“ zu entwerten. Im Juni 1923 erreichten die Preise einen Höchststand, der fast das 20.000-fache des Niveaus von 1914 betrug – die Arbeiter*innen brauchten eine Schubkarre voller Geldscheine, um ein Butterbrot zu kaufen. Die deutsche Hyperinflation und ihre Folgen haben die Bourgeoisie seither verfolgt.

Disinflation: Eine stetige Verlangsamung der Inflationsrate.

Deflation: Ein stetiger, allgemeiner Rückgang der Preise (vor allem bei Industriegütern). Die Preise können fallen (a) infolge der Ausweitung der Produktion, der Produktivitätssteigerung und billigerem Transport, wie im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts; oder (b) als Ergebnis eines allgemeinen Rückgangs der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, der zu Überkapazitäten und einer Verschärfung des interkapitalistischen Konkurrenz führt, wie in den 1930er Jahren oder in Japan im letzten Jahrzehnt; oder (c) infolge einer Kombination dieser Tendenzen, wie in der derzeitigen Weltlage.

Deflation“: Im Sinne einer bewussten Deflationspolitik bezieht sich der Begriff auf staatliche Maßnahmen (z. B. eine Kombination aus höheren Zinssätzen, Steuererhöhungen, verknappter Geldmenge und Kürzungen öffentlicher Ausgaben), die darauf abzielen, die Kaufkraft zu verringern, um so die Preise zu verringern. Mit anderen Worten ist es um eine Anti-Inflationspolitik.

Vermögenswertdeflation: Bezieht sich auf einen Preisfall von Aktien und Anleihen. Streng genommen handelt es sich um ein von der Preisdeflation getrenntes Phänomen, aber in Perioden wirtschaftlicher Depression wie in den 1930er Jahren oder in Japan seit 1990 war der Zusammenbruch der Aktien- und Immobilienpreise in Wechselwirkung mit der Preisdeflation und hat die Deflationsspirale verschärft. Insbesondere verringert der Einbruch der Aktien- und Immobilienpreise (wie in Japan) drastisch den Wert von Sicherheiten für Kredite; wenn die Banken beginnen, diese Sicherheiten in großem Stil zu verkaufen, um ihre Verluste zu verringern, treiben sie unweigerlich die Aktien- und Immobilienpreise noch weiter nach unten. Die durch eine Kombination aus Preisdeflation und Deflation der Vermögenspreise verursachte Abwärtsspirale wird oft als Schuldendeflation bezeichnet.

Zinssätze: Kreditverträge (für Geschäftskredite, Verbraucher*innenkredite, Hypotheken usw.) werden auf der Grundlage eines nominalen Zinssatzes – dem „Nennwert“ der Schuld – abgeschlossen. International werden die meisten Kredite auf der Grundlage eines festen Nominalzinses vergeben, obwohl viele britische Hypotheken eine Ausnahme darstellen, da sie variable Nominalzinsen haben. Der reale Zinssatz berücksichtigt Änderungen des aggregierten Preisniveaus (gemessen durch den Verbraucher*innenpreisindex). Der nominale und der reale Zinssatz stimmen nur in der unwahrscheinlichen Situation von „Preisstabilität“, d.h. von Null-Inflation/Deflation, überein.

Inflation (steigende Preise, so dass man mit jeder Geldeinheit weniger kaufen kann und sie daher abgewertet wird) verringert effektiv die realen Kosten für die Rückzahlung von Schulden und Zinsen. Zum Beispiel kostet die vollständige Rückzahlung eines einjährigen Kredits von 100 £ bei einem Nominalzins von 10% pro Jahr 110 £. Aber nach einem Jahr, bei einer Inflation von beispielsweise 10% pro Jahr, könnte man mit 110 £ nur noch den gleichen Warenkorb kaufen, den man mit 100 £ zu Beginn der Kreditlaufzeit kaufen konnte. Um den realen Zinssatz zu berechnen, wird die Inflationsrate vom Nominalzins abgezogen. Bei einem Nominalzins von 6% und einer Inflationsrate von 2% würde der Realzins 4% betragen. Bei einem Nominalzins von 15% und einer Inflation von 10% wäre der Realzins 5%. Wenn sich die Inflation plötzlich beschleunigt, kann es (meist nur vorübergehend) zu einem negativen Realzins kommen: Ein Nominalzins von 15% bei einer Inflation von 17% würde einen Realzins von -2% bedeuten. Gut für die Schuldner*innen, schlecht für die Gläubiger*innen. Niedrige oder manchmal negative Realzinsen entwickelten sich während der „Stagflation“ der späten 1970er Jahre, weshalb der US-Kapitalismus Anfang der 1980er Jahre eine weltweite Wende (beginnend mit hohen Zinssätzen) hin zu einer anti-inflationären, „monetaristischen“ Politik anführte, um die Interessen der großen Banken und Finanzhäuser zu schützen.

Deflation (fallende Preise, so dass man mit jeder Geldeinheit mehr kaufen kann und sie daher an Wert gewinnt) erhöht effektiv die realen Kosten für die Rückzahlung von Schulden und Zinsen. Beispielsweise würde die vollständige Rückzahlung eines einjährigen Kredits von 100 £ bei einem Nominalzins von 4% pro Jahr 104 £ kosten. Aber bei einer Deflation von 2% pro Jahr würde man mit 104 £ 6% mehr Waren kaufen. Zur Berechnung des Realzinses wird die Deflationsrate zum Nominalzins addiert. Ein nominaler Zinssatz von 4% bei einer Deflation von ein Prozent ergibt einen realen Zinssatz von 5%. Ein Nominalzins von 1,25% bei einer Deflation von 2% würde einen Realzins von 3,25% bedeuten. Die Nominalzinsen können nicht unter Null fallen – das würde bedeuten, dass die Banken den Schuldner*innen Geld für die Kreditaufnahme zahlen. In einer deflationären Periode horten Unternehmen und Sparer*innen einfach ihr Geld, da seine Kaufkraft bei sinkenden Preisen steigt. Dies war in den letzten Jahren in Japan die Lage, wo die Regierung verzweifelt versucht, die Menschen zum Ausgeben zu bewegen.

Löhne: Nominallöhne (oder Einkommen) werden in Geldeinheiten (Pfund, Dollar, Euro usw.) ausgedrückt, während die Reallöhne die allgemeinen Preisänderungen (Inflation oder Deflation) berücksichtigen, die durch den VPI oder den RPI gemessen werden. Wenn die Preise fallen, kann man mit den Löhnen mehr kaufen – mit anderen Worten, Deflation erhöht die Reallöhne. Bei Deflation beschweren sich die Boss*innen über das Problem (im Wirtschaftsjargon) der „klebrigen Löhne“, d.h. die Arbeiter*innen wehren sich gegen Lohnkürzungen, so dass die Nominallöhne nicht automatisch nach unten angepasst werden, wenn die Preise fallen. Bei Inflation untergraben die Preissteigerungen den Wert der Reallöhne, ohne dass die Boss*innen etwas unternehmen, während die Kapitalist*innen ihre Produkte zu höheren Preisen verkaufen können – weshalb eine stetige, milde Inflation oft eine fördernde Wirkung für das Wachstum während Aufschwungperioden hatte.


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