[Eigene Neuübersetzung des Artikels in Socialism Today, Nr. 109, Mai 2007]
Was geschieht mit der Weltwirtschaft?
Die kapitalistische Weltwirtschaft wurde durch eine Flutwelle von Liquidität, eine Flut von billigen Krediten, flott gehalten. Dies hat die wilden Finanzspekulationen der letzten Jahre angeheizt, eine Profitbonanza für die Superreichen. Dem liegen jedoch unhaltbare Ungleichgewichte und sich vertiefende Widersprüche in den Weltwirtschaftsbeziehungen zugrunde. Lynn Walsh schaut eingehend auf die sich vollziehenden Prozesse.
Ende Februar erlitten die Weltaktienbörsen und andere Sektoren der Finanzmärkte (Unternehmensanleihen, Schuldverschreibungen, Warentermingeschäfte usw.) einen scharfen Fall, der eine Periode von Herzflimmern im gesamten globalen Finanzsystem eröffnete. Ausgelöst wurde der Einbruch offenbar durch einen Fall um 9% (27./28. Februar) an den beiden wichtigsten chinesischen Börsen, Shanghai und Shenzhen. Der Fall in China wurde durch die Befürchtung der Investor*innen ausgelöst, dass die chinesische Regierung den Kreditfluss für Aktienkäufe zunehmend einschränken und damit den jüngsten Anstieg der Aktienkurse (130% im Jahr 2006) untergraben würde.
Aber die Auswirkungen des Falls an den chinesischen Börsen überstiegen bei weitem ihr Gewicht auf den Weltfinanzmärkten. China spielt zweifelsohne eine zunehmend wichtige Rolle in der Weltwirtschaft. Aber chinesische Aktienmärkte machen nur einen winzigen Anteil an der Gesamtkapitalisierung der Weltbörsen aus. Die Gesamtkapitalisierung aller chinesischen Börsen ist nur etwa 5% der Bewertung der US-Märkte. Morgan Stanley Capital International (MSCI) schätzt, dass chinesische Aktien, die von internationalen Investor*innen gekauft werden können (im Gegensatz zu den auf inländische Investor*innen beschränkten Aktien), etwa 11% des gesamten „Schwellenländer“-Index und nur 0,9% des MSCI-Weltindex ausmachen. Das bedeutet, dass die Börsenkapitalisierung Chinas kleiner als die Südkoreas oder Taiwans ist und in etwa derjenigen Russlands und Brasiliens entspricht. „Chinas Macht über die globalen Aktienmärkte“, bemerkte ein Kommentator, „ist eher psychologisch als fundamental. [Chinas Aktienmarkt] ähnelt eher einem Kasino als einem legitimen Investitionsort“. (Michael Sesit, China Not Yet in Driver’s Seat [China noch nicht auf dem Fahrersitz], „International Herald Tribune“, 2. April)
Die Kursstürze an Chinas Börsen lösten jedoch einen weltweiten Rückzug von Spekulant*innen aus risikoreichen Investitionen aus, was die weit verbreitete Befürchtung widerspiegelt, dass Aktien und andere Vermögenswerte deutlich überbewertet seien und eine „Korrektur“ fällig sei. Aktien scheinen unter diesem Rückzug am meisten gelitten zu haben, aber auch Junk Bonds [Ramschanleihen], Rohstoff-Futures, Schuldverschreibungen, tatsächlich die gesamte Palette der Finanzanlagen war betroffen.
Das Ergebnis war eher ein Zittern als ein Erdbeben. In den USA beispielsweise wurde der Wert der US-Aktien am 28. Februar um rund 580 Mrd. Dollar geschmälert. Der Savings & Poor 500 Index, der breiteste Aktienindex der Wall Street, fiel jedoch um 3,5%, während als Korrektur ein Rückgang von 10% und als Einbruch einer von über 20% gilt. (Die Wall Street fiel während des Börsencrashs im Oktober 1987 an einem Tag um 21%.) Aber dies war der größte Fall in den USA seit dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000/01, eine Erinnerung an die Spekulant*innen, dass das Zocken an den Finanzmärkten immer noch Risiken beinhaltet.
Das Herzflimmern im Februar war nicht so sehr eine Frage der Ansteckung, d.h. einer Lage, in der Ereignisse in einer Region einen Dominoeffekt haben, sich auf andere Teile des weltweiten Finanzsystems ausweiten. Es war mehr eine Frage der Synchronisierung, bei der der Börsensturz in China die Spekulant*innen daran erinnerte, dass die gleichen Bedingungen überall auf der Welt existieren. Der rasche, gleichzeitige Fall der Märkte zeigt das Ausmaß an, in dem die Finanzmärkte globalisiert wurden – heute funktioniert das gesamte globale Finanzsystem praktisch wie ein einziger Markt.
Obendrein wurden die Investor*innen im Februar von mehreren anderen wichtigen Faktoren beeinflusst. Am wichtigsten waren weitere Anzeichen für eine Abschwächung der US-Wirtschaft. Ende Januar wurde das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das vierte Quartal 2006 auf 2,2% nach unten korrigiert (von den vorläufigen 2,5%), im Kontrast zu dem 5,6% Wachstum im ersten Quartal 2006. Diese Verlangsamung gab es hauptsächlich wegen dem Einbruch des US-Wohnungsmarktes, der ein Schlüsselfaktor für die Aufrechterhaltung der Verbraucher*innennachfrage war. Der Einbruch auf dem Immobilienmarkt provozierte obendrein eine Krise auf dem Markt für „Subprime“-Kredite, bei denen hochverzinsliche Kredite an Schuldner*innen vergeben werden, die sich nicht einmal einen Hauskredit zu den regulären Zinssätzen leisten können. Einige der am Subprime-Markt beteiligten Unternehmen und Banken meldeten riesige Verluste, während andere in den Konkurs gezwungen wurden. Unter seriösen kapitalistischen Kommentator*innen gibt es weit verbreitete Befürchtungen, dass die Subprime-Krise auf andere Bereiche des Finanzsystems übergreifen werde. Die Subprime-Kreditkrise hat zweifellos das Potenzial, eine größere Finanzkrise auszulösen.
Das Herzflimmern wurde auch durch Äußerungen von Alan Greenspan, dem ehemaligen Chef der Federal Reserve Bank, vor einer Gruppe von Investor*innen verstärkt. Die Presse berichtete, dass er warnte, dass „die USA am Ende einer langen Expansion zu stehen schienen und dass solche Zeiten gewöhnlich die Saat der Rezession mit sich brächten“. Greenspan, der von vielen immer noch als unfehlbarer Guru angesehen wird, warnte, dass „die Investoren Gefahr laufen, zu selbstgefällig und zu zuversichtlich zu sein, dass die günstige Mischung aus niedriger Inflation und stetigem Wirtschaftswachstum anhalten würde“. („International Herald Tribune“, 3. März 2007)
Jüngste Unternehmensberichte deuteten obendrein darauf hin, dass sich das Wachstum der Konzernprofite nach 19 Quartalen mit Gewinnsteigerungen von über 10% im Jahr 2007 auf 4 bis 5% verlangsamen dürfte. „Das letzte Mal, dass sich ein derartiger Rückgang ereignete“, kommentierte „Business Week“, „war im April 2000, einen Monat nach Beginn des Baisse-Marktes und elf Monate bevor die Wirtschaft in eine Rezession fiel‘. (Volatility is Back, Ominous Signs Loom [Die Unbeständigkeit ist zurück, unheilverkündende Zeichen drohen] , 12. März 2007)
Die Preise von Finanzanlagen wurden durch wilde Spekulationen auf der Grundlage immer größerer Mengen billiger Kredite enorm aufgebläht. Das Rekordwachstum der Weltwirtschaft ist stark von einer Reihe von Blasen abhängig. Das Finanzsystem scheint sich mehr und mehr von der Realwirtschaft, der Produktion von Waren und Dienstleistungen, abgekoppelt zu haben. Nichtsdestotrotz hätte das Platzen der Blasen – ein Finanzcrash – verheerende Auswirkungen auf das Weltwirtschaftswachstum.
Ein Spekulationsrausch
Es gab eine Orgie wilder Finanzspekulationen in den letzten drei oder vier Jahren. Ein Drittel der Konzernprofite in den USA kommt aus dem Finanzsektor. Sie hat ein noch größeres Ausmaß angenommen als in den späten 90er Jahren, als die US- und die Weltwirtschaft durch den so genannten „Dotcom“-Boom angetrieben zu werden schien, eine Spekulation mit Aktien von Informations- und Kommunikationstechnologiefirmen, die die Aktienkurse weit über jede realistische Aussicht auf Profitabilität hinaus trieb. Gegenwärtig ist die Finanzspekulation obendrein in alle Ecken und Winkel der Weltwirtschaft vorgedrungen. Heute gibt es nicht nur eine Blase, sondern eine Serie von Blasen: Aktien, Immobilien, Devisen, Schwellenländer, Rohstoffe, Junk Bonds, Versorgungsunternehmen, Übernahmen und so weiter.
Sie wurden durch das scheinbar endlose Angebot an billigen Krediten und die aggressiven, Konkurrenz-Aktivitäten der großen Spekulant*innen aufgeblasen. Diesmal haben sich viele superreiche individuelle Spekulant*innen (die ihre riesigen Verluste aus dem Jahr 2000/01 nicht vergessen haben) von den riskanteren Märkten zurückgezogen und sind in Staatsanleihen geflüchtet oder sitzen einfach auf ihren riesigen Bargeldbergen (in Bankeinlagen). Die Finanzmarkttätigkeit wird zunehmend von den großen Akteur*innen beherrscht: Hedgefonds, Finanzhäuser (wie Goldman Sachs, Morgan Stanley, Merrill Lynch usw.) und private Beteiligungsgesellschaften. Gleichzeitig sind die traditionell vorsichtigeren Finanzinstitute wie Investmentfonds, Versicherungen und Pensionsfonds dem Beispiel der abenteuerlustigen Raubtiere gefolgt und suchen nach höheren Erträgen, solange die Zinsen niedrig sind. Indem sie die geringen Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Finanzanlagen und den verschiedenen regionalen Märkten ausnutzen, steigern diese Institutionen ihre Profite, indem sie riesige Kreditbeträge zur Finanzierung des Handels in riesigen Volumina einsetzen (oft sind bis zu zwei Drittel ihrer Investitionen Kredite oder tatsächlich Schulden). Vor fünfzig Jahren war die Verschuldung des US-Finanzsektors bei Null. Heute entspricht sie 100% des amerikanischen BIP.
Jeder Typ von Vermögenswerten, ob Unternehmensschulden oder Rohstoffe wie Öl und Getreide, wurde inzwischen „verbrieft“, d.h. zu Paketen gebündelt, die durch ein Stück Papier, ein Wertpapier, repräsentiert werden, das auf schnelllebigen Finanzmärkten gekauft und verkauft werden kann. Diese Märkte sind hochliquide, und Gelder können in einem unglaublichen Tempo hinein- und herausgehen.
Derivate, eine besondere Art von Wertpapieren, die ihren Wert von den zugrunde liegenden Vermögenswerten ableiten (verschiedene Arten von Optionen, Termingeschäften, Swaps usw., die sich auf Währungen, Rohstoffe, Schulden, Aktien usw. beziehen), sind zu einem Hauptinstrument der Spekulationstätigkeit geworden. Sie wurden entwickelt, um das Risiko zwischen einer großen Zahl von Finanzmarktteilnehmer*innen zu streuen, und sie scheinen dies unter günstigen Marktbedingungen auch zu tun. Sie sind jedoch extrem komplexe Finanzinstrumente, und selbst Expert*innen geben zu, dass sie keine Ahnung haben, wo das Risiko letztendlich landen wird. Was passiert, wenn es eine größere Korrektur oder einen Zusammenbruch gibt? „Die Flut der weltweiten Liquidität“, so Tony Jackson („Financial Times“, 6. Februar), „deformiert die Kreditmärkte“, und niemand „weiß, wo das Risiko im System sitzt“.
Unternehmensanteile (oder Aktien) sind die beliebteste Form der Anlage. Im Allgemeinen bieten sie einen höheren Ertrag als Anleihen und viele andere Investitionen. Da jedoch nur sehr wenige neue Aktien emittiert werden, gibt es einen Mangel an Aktien auf dem Markt, so dass die Aktienkurse in die Höhe getrieben wurden (obwohl sie real noch nicht wieder die Spitzenwerte des Booms Ende der 1990er Jahre erreicht haben).
Der Aktienkurs ist zu einem entscheidenden Indikator für den „Erfolg“ eines Konzerns geworden, und so haben viele Unternehmen Aktien zurückgekauft, um den Wert der verbleibenden Aktien zu erhalten. In den letzten Jahren haben 29 der 30 im Dow Jones Industrial Average gelisteten Unternehmen einen Teil ihrer eigenen Aktien zurückgekauft. Im Jahr 2006 beliefen sich die Rückkäufe des Dow Jones Industrial Average auf 370 Milliarden Dollar, das Vierfache der Summe von 2003. Es wird geschätzt, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2006 insgesamt Aktien im Wert von 600 Milliarden Dollar aus den US-Börsen genommen wurden. In vielen Fällen haben die betroffenen Unternehmen die für den Rückkauf eines Teils ihrer Aktien erforderlichen Barmittel geliehen. Dieser Vorgang spricht der Idee Hohn, dass Aktien Kapital für neue Unternehmensinvestitionen beschaffen. In Wirklichkeit kommen die meisten Investitionen aus einbehaltenen Profiten oder aus der Aufnahme von Krediten.
Viele Aktien wurden durch Übernahmen (so genannte Fusionen und Übernahmen) vom Markt genommen, besonders durch „kreditfinanzierte Übernahmen“ durch private Beteiligungsgesellschaften. Im Jahr 2006 wurden in den USA kreditfinanzierte Übernahmen im Wert von 420 Mrd. $ getätigt, wobei „kreditfinanziert“ bedeutet, dass die Schulden auf das übernommene Unternehmen übertragen werden.
Hochriskante Investitionen
Wegen der Knappheit an Aktien und der relativ geringen Rendite von Staatsanleihen (zehnjährige US-Staatsanleihen brachten im Durchschnitt 4-5% Rendite) haben sich Großspekulant*innen auf der Suche nach höheren Renditen (Profiten) risikoreicheren Märkten zugewandt. Es gab ein riesiges Wachstum von Investitionen in Junk Bonds, d.h. in Unternehmensanleihen, die nicht als „Investment Grade“ eingestuft sind, sondern als hochriskant gelten. „Seit Anfang des Jahres haben wir einen bemerkenswerten Anstieg der Positionierung von Investor*innen in Schwellenländer-Unternehmensanleihen erlebt“, vor allem in Junk Bonds. („Financial Times“, 21. Februar) In der Vergangenheit warfen Junk-Bonds aufgrund der damit verbundenen Risiken 8-10% mehr Rendite ab als Staatsanleihen. Doch in den letzten Jahren ist die Risikoprämie auf etwa 2% gesunken. Die Spekulant*innen sind zunehmend selbstgefällig geworden und tun so, als gehörten Risiken der Vergangenheit an. „Der Anteil der Schuldtitel mit dem höchsten Ausfallrisiko am Markt für Junk Bonds steigt, was Befürchtungen aufkommen lässt, dass der nächste Zyklus von Konzerninsolvenzen schwerwiegender sein könnte als der letzte“. („Financial Times“, 15. Januar)
Martin Fritzen kommentierte in Leverage World: „Ich glaube nicht, dass jemand ernsthaft bestreitet, dass in den letzten Jahren viele prekär finanzierte Geschäfte auf den Markt gebracht wurden“. Das Problem, sagt er, sei, dass „die Liquidität auf dem Markt für hochverzinsliche Anleihen da ist, wenn man sie nicht braucht“. Obendrein hat der Markt für Junk Bonds am stärksten in den sogenannten „Schwellenländern“ zugenommen, bei denen es sich in vielen Fällen um halb entwickelte Wirtschaften handelt, in denen die Unternehmen, die die Anleihen ausgeben, nur sehr wenig geprüft werden.
In den letzten Jahren gab es eine starke Zunahme an Investitionen in den Immobilienmarkt, besonders in den Subprime-Sektor, wo die Renditen hoch waren. Wohnimmobilienkredite wurden in so genannte Collateralized Debt Obligations (besicherte Schuldverschreibungen, CDOs) verpackt, komplexe Finanzinstrumente, die Anleihen mit unterschiedlichem Risiko zusammenfassen. Riesige Mengen an hochverzinslichen CDOs wurden von Hedgefonds und anderen Großspekulanten auf der Grundlage billiger Kredite, besonders von Niedrigzinsanbieter*innen in Japan, gekauft.
Dieser Sektor des Schuldenmarktes wurde durch die Immobilienblase in den USA und anderswo unterstützt. Während die Preise stiegen und die Hypothekenkredite rasch zunahmen, konnten mit dem Handel mit Immobilienkrediten riesige Profite erzielt werden. Der Einbruch des US-Immobilienmarktes und die Kernschmelze des Subprime-Hypothekensektors drohen jedoch mit einer weitaus größere Instabilität der Finanzmärkte. „Analysten befürchten, dass der Zusammenbruch des Subprime-Sektors der Katalysator sein könnte, der die Ära des leichten Zugangs zu billigen Krediten zu Ende bringt. („Financial Times“, 16. März)
Chen Hooi, von EON Capital, Kuala Lumpur, kommentiert: „Die US-Subprime-Sorge hat einen großen Schatten auf Asien geworfen. Die Sorge ist, dass sie übergreifen und zu einer Verlangsamung der US-Wirtschaft führen könnte, was wiederum einen Dominoeffekt auf die Weltwirtschaft auslösen würde“. („New York Times“, 14. März)
„Eine weitere [Sorge] ist das schnelle Wachstum der Derivate. Die Probleme im Subprime-Hypothekensektor haben die Aufmerksamkeit auf die Aufteilung des Risikos mit Hilfe hochentwickelter Instrumente wie Collateralized Debt Obligations und Credit Default Swaps gelenkt. Die Banken haben diese Instrumente eingesetzt, um das Kreditrisiko auszuschalten, aber es ist nicht klar, wo dieses Risiko jetzt liegt“. (Market Turmoil, Rethinking Risk [Marktunruhe, Risiko neu denken], „The Economist“, 28. Februar)
Es war sehr treffend, dass Tim Lee, ein Stratege bei pi Economics, das gesamte Finanzsystem als „das Äquivalent eines gigantischen Ponzi-Schemas“ beschrieb. Charles Ponzi war ein US-Betrüger, der 1920 einen Anlagebetrug betrieb, bei dem er den Investor*innen außergewöhnlich hohe Renditen versprach, die nur durch die Einzahlungen neuer Kund*innen ausgezahlt werden konnten. Das ganze System war auf ständiges Wachstum angewiesen und brach unweigerlich zusammen, als Ponzi die versprochene Rendite nicht mehr zahlen konnte – und der Betrug aufflog.
Die Buttonwood-Kolumne von „The Economist“ (17. März) kommentierte dazu: „Der amerikanische Immobilienmarkt scheint unter dem Zerfasern eines Ponzi-artigen Systems zu leiden. Subprime-Kredite wurden zu großzügigen Konditionen angeboten, die implizit oder explizit von steigenden Hauspreisen abhingen. Die Banken, die diese Kredite vergaben, bündelten sie und verkauften sie auf den Kreditmärkten an Investor*innen, die auf hohe Renditen aus waren. Dies sollte das Finanzsystem sicherer machen, indem das Risiko breiter gestreut wurde.
Aber sehen Sie sich an, was jetzt passiert. Die Käufer dieser Kredite verlangen von den ursprünglichen Hypothekengebern, dass sie sie zurückkaufen. Aber diese Immobilienbeleiher haben nicht das Geld, dies zu tun. Das Vertrauen, das die Bilanzen gestützt hat, ist verschwunden, so dass viele in große Schwierigkeiten geraten sind“.
Überakkumulation
Die unmittelbaren Quellen für die Liquiditätsflut sind die lockere Geldpolitik der Zentralbanken und das Recycling der riesigen Überschüsse der exportierenden Wirtschaften (China, Japan, Südkorea usw.) und in jüngster Zeit auch der Erdöl produzierenden Länder. Die Liquiditätsflut ist jedoch nicht nur ein monetäres Phänomen. Würden die Zentralbanken einfach nur Geld drucken, gäbe es eine massive Inflation der wichtigsten Währungen, obwohl die Preise für Industriegüter aus Niedriglohnländern gesunken sind.
Hinter der Liquiditätsflut verbirgt sich eine tiefere Ursache, die Überakkumulation von Kapital. Kapitalist*innen investieren ihr Geld nur dann, wenn sie profitable Investitionsfelder finden können. Seit der letzten Phase des Nachkriegsaufschwungs (1945-73) haben die Kapitalist*innen es immer schwieriger, profitable Investitionsfelder in der Produktion zu finden. Trotz der Zunahme neuer Produkte und neuer Wirtschaftssektoren gibt es in vielen Bereichen Überkapazitäten im Verhältnis zur geldgedeckten Nachfrage. Milliarden von Menschen haben zu wenig für ihre Grundbedürfnissen, geschweige denn für Luxusgüter. Ihnen fehlt aber auch das Einkommen und damit die Kaufkraft, um die im Rahmen der kapitalistischen Wirtschaft verfügbaren Waren und Dienstleistungen zu kaufen.
Nichtsdestotrotz hat die Kapitalist*innenklasse seit den 1980er Jahren die Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse verschärft, besonders durch die Erhöhung des Anteils der Profite am Volkseinkommen auf Kosten der Löhne. Da die Profite in die Höhe geschnellt sind, ist der „Überschuss“ des Kapitals noch auffälliger geworden – und die Kapitalist*innen haben sich zunehmend der Finanzspekulation zugewandt, dem Kauf und Verkauf bestehender Papierwerte, anstatt in neue Produktionskapazitäten zu investieren. Es ist der aus der Überakkumulation resultierende Kapitalüberschuss (der die grundlegenden Grenzen des kapitalistischen Systems aufzeigt), der der Liquiditätsflut zugrunde liegt. Das Zocken in den Kasinos der Weltfinanzmärkte ist in erster Linie ein Kampf um die Neuaufteilung der Profite zwischen den hyperreichen Zocker*innen, die an der Spekulationstätigkeit beteiligt sind. Das Senken der Löhne untergräbt jedoch den Markt für kapitalistische Waren und Dienstleistungen weiter, verschärft das Problem der Überakkumulation und bereitet den Boden für die unvermeidlichen Krisen des Systems.
Die Liquiditätsflut
Die meisten Kommentator*innen führen die Blasen erzeugende Liquiditätsflut auf die lockere Geldpolitik der Zentralbanken zurück, angefangen bei der US-Notenbank, früher unter der Leitung von Greenspan. Zweifellos war dies eine wichtige unmittelbare Quelle der Liquidität. Als Antwort auf eine Reihe von Krisen senkten die Zentralbanken wiederholt die Zinssätze und weiteten die Geldmenge aus, indem sie riesige Mengen an Bargeld in das weltweite Finanzsystem pumpten, um einen Zusammenbruch zu verhindern. Dies wurde nach der Asienkrise 1997 gemacht, erneut als Reaktion auf den Bankrott des Hedgefonds Long Term Capital Management im Jahr 1998, erneut (in großem Umfang) nach dem Zusammenbruch des Dotcom-Booms Ende 2000 und erneut durch die Federal Reserve, um einen wirtschaftlichen Schock nach den Anschlägen vom 11. September auf die Zwillingstürme und das Pentagon zu verhindern.
Das Injizieren zusätzlicher Liquidität polsterte die Auswirkungen der finanziellen Instabilität und des wirtschaftlichen Abschwungs zweifelsohne ab. Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken wurde durch eine Reihe wichtiger Faktoren gestützt. China, Japan und andere südostasiatische Exporteur*innen hatten immer wieder Handelsüberschüsse mit den Vereinigten Staaten und anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Sie haben ihre Überschüsse recycelt und ihre Devisenreserven genutzt, in großem Umfang in US-Staatsanleihen zu investieren, um die US-Wirtschaft als weltweiten „Markt des letzten Auswegs“ zu stützen. Klar wird dies gemacht, um ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu schützen. Gleichzeitig bietet es eine Quelle für relativ billige Kredite für die US-Regierung, US-Konzerne und die US-Verbraucher*innen. Ohne das Recycling dieser riesigen Überschüsse wären die USA nicht in der Lage gewesen, ihr Handelsdefizit aufrechtzuerhalten, das sich derzeit auf über 800 Milliarden Dollar pro Jahr beläuft (was die Tatsache widerspiegelt, dass die USA auf der Grundlage von Krediten tatsächlich mehr konsumieren als sie produzieren).
Eine weitere Quelle der weltweiten Liquidität ist der so genannte „Carry Trade“, der besonders mit Japan verbunden ist. Als Ergebnis mehr als eines Jahrzehnts wirtschaftlicher Stagnation und Deflation (mit fallenden Verbraucher*innenpreisen) hat die japanische Regierung eine Politik der Null- oder Nahezu-Null-Zinsen eingeführt. Internationale Spekulant*innen konnten sich zu sehr niedrigen Kosten Yen leihen, sie in Dollar oder andere Währungen tauschen und in höher rentierende Finanzanlagen in der ganzen Welt investieren. Der Carry Trade war eine Hauptkreditquelle für spekulative Aktivitäten. (Der Carry-Trade hatte für Japan auch den zusätzlichen Vorteil, eine Aufwertung des Yen zu verhindern, die japanische Exporte auf den Weltmärkten verteuern würde.)
In den letzten Jahren haben obendrein die großen erdölproduzierenden Staaten infolge des rasanten Anstiegs der Erdöl- und Erdgaspreise enorme Devisenüberschüsse angehäuft. Das Öl stieg von einem Durchschnittspreis von 25 Dollar pro Barrel im Jahr 2002 auf 66 Dollar im Jahr 2006 und bleibt in diesem Jahr in etwa auf demselben Niveau. Der Leistungsbilanzüberschuss der Ölexporteur*innen zusammengenommen ist von nur 0,1% des weltweiten BIP im Jahr 1999 auf 1,4% im vergangenen Jahr gestiegen. In den letzten fünf Jahren gab es einen Einkommenstransfer von den ölverbrauchenden Ländern an die ölproduzierenden Wirtschaften in Höhe von 1,8 Billionen Dollar, was etwa 4% des globalen BIP entspricht. Ein großer Teil dieser Überschüsse, hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, in Dollar gehalten, ist in die Weltfinanzmärkte geflossen, da Regierungen und Unternehmen in den ölproduzierenden Ländern in die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder investiert haben, indem sie nicht nur Staatsanleihen kauften, sondern zunehmend auf den Finanzmärkten spekulierten. (Serhan Cevik, Tracking Petrodollars [auf der Spur der Petrodollars], Morgan Stanley Global Economic Forum, 14. Februar 2007)
Die Petrodollars sind zu einer immer wichtigeren Quelle für billige Kredite in der Weltwirtschaft geworden.
Kapital gegen Arbeit
International hat die Kapitalist*innenklasse ihre Profitabilität im Allgemeinen wieder auf das Spitzenniveau des Nachkriegsaufschwungs gebracht. Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen wurde brutal zusammengedrückt, besonders für die am wenigsten qualifizierten Arbeiter*innen, aber auch zunehmend für technische Arbeiter*innen, da einige Dienstleistungen in Länder wie Indien ausgelagert werden. In der „G7-plus“-Gruppe der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder (USA, Japan, Euro-12, Großbritannien und Kanada) sank der Anteil der Realentlohnung (Löhne plus Sozialleistungen) am Bruttoinlandseinkommen von 56% im Jahr 2001 auf ein Rekordtief von 53,7% im Jahr 2006. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kommentiert: „Der säkulare [langfristige] Rückgang der Inflation ging Hand in Hand mit einer großen Zurückhaltung beim Nominallohnwachstum … und der Anteil der Löhne an der Gesamtwirtschaft ist in den letzten drei Jahrzehnten um etwa 5% gesunken“. (BIZ-Jahresbericht 2006, S. 18)
Der Anstieg der Profite auf Kosten der Löhne ist in den USA sehr klar. Ein Kommentator schreibt: „…Löhne und Gehälter machen nun den niedrigsten Anteil am Bruttoinlandsprodukt seit 1947 aus, als die Regierung begann, solche Dinge zu messen. Die Konzernprofite im Unterschied dazu sind auf den höchsten Anteil am BIP seit Mitte der 60er Jahre gestiegen – und auch das ging vor allem auf Kosten der amerikanischen Arbeiter“. (Harold Meyerson, Devaluing Labor [Arbeit entwerten], „Washington Post“, 30. August 2006)
In Bezug auf die Erholung der US-Wirtschaft seit dem Zusammenbruch des Dotcom-Booms im Jahr 2001 kommentiert das Economic Policy Institute: „Der Anstieg des Anteils der Unternehmensprofite ist bei weitem der größte, der 19 Quartale nach einem Konjunkturhöhepunkt seit dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden hat, und er ist fast achtmal so groß wie die durchschnittliche Verschiebung, die frühere Erholungen gekennzeichnet hat. Wären diese Anteile konstant geblieben, lägen die Arbeitseinkommen insgesamt heute um 346 Milliarden Dollar höher“. (EPI Snapshot, 30. März 2006)
Anders als die Lage während des Nachkriegs-Wirtschaftsaufschwungs führte das beschleunigte Produktivitätswachstum nicht zu einer Verbesserung des Anteils der Arbeit am produzierten Wohlstand. In den USA wuchs die Produktivität mit einer durchschnittlichen Rate von 2,8% pro Jahr, doppelt so schnell wie die schwachen 1,4% im Zeitraum 1974-95. Stephen Roach, von Morgan Stanley, kommentiert: „Nach zehn Jahren eines spektakulären Produktivitätsanstiegs stagnieren die Reallöhne nahezu, und der Anteil der Arbeit am Volkseinkommen sinkt weiter“. (Labor Versus Kapital [Arbeit gegen Kapital], Global Economic Forum, 23. Oktober 2006)
Diese Verschiebung zugunsten der Profite auf Kosten der Löhne ist der Hauptgrund für die starke Zunahme der Ungleichheit sowohl in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern als auch in vielen Entwicklungsländern wie China. Im Kapitalismus wird der Reichtum durch die Ausbeutung der Arbeitskraft der Arbeiter*innen im Produktionsprozess erzeugt. Die Arbeiter*innen erhalten nur einen Teil des von ihnen geschaffenen Reichtums bzw. neuen Werts. Der Rest, der „Mehrwert“ in marxistischen Begriffen, wird von der Kapitalist*innenklasse, den Privateigentümer*innen der Produktionsmittel, enteignet. Die Aufteilung des Überschusses zwischen Lohn und Profit wird durch den Klassenkampf bestimmt. In der Nachkriegsperiode konnten die Arbeiter*innen aufgrund des damaligen Kräfteverhältnisses ihren Anteil verbessern, und das relativ hohe Produktivitätswachstum ermöglichte ein gleichzeitiges Wachstum der Profite und der Reallöhne.
Seit dem Ende des Nachkriegsaufschwungs ist jedoch das Kräfteverhältnis gegen die Arbeiter*innenklasse geschwungen. Dies ist das Ergebnis einer Kombination aus wirtschaftlichen und politischen Faktoren.
Der Niedergang der verarbeitenden Schwerindustrie, besonders in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, hat die Basis der „schweren Bataillone“ der organisierten Arbeiter*innenklasse untergraben. Neuere Sektoren der Industrie und vor allem der Dienstleistungen stützen sich auf Gelegenheits- und Teilzeitbeschäftigte. Im Rahmen der neoliberalen Politik gab es einen allgemeinen Angriff auf die Gewerkschaftsrechte, was zu einer Schwächung der gewerkschaftlichen Organisation führte.
Die Schwächung der Arbeiter*innenklasse hängt auch mit dem politischen Rückzug zusammen, besonders mit dem Rückschlag im Bewusstsein im Gefolge des Zusammenbruchs der stalinistischen Staaten nach 1989. Die Verwirrung, Desorientierung und Schwächung der traditionellen Arbeiter*innenorganisationen schuf zweifellos günstige Bedingungen für die neoliberale Offensive der Kapitalist*innen gegen die Arbeiter*innenklasse.
Gleichzeitig hat die Globalisierung auch die Arbeiter*innenklasse international geschwächt. In den letzten zehn Jahren wurde die Zahl der in die kapitalistische Weltwirtschaft integrierten Arbeitskräfte ungefähr verdoppelt, wobei China, Indien und Russland etwa 1,5 Milliarden zusätzliche Arbeitskräfte zur globalen Erwerbsbevölkerung beisteuern. Potenziell bedeutet dies eine enorme Zunahme der Größe und des sozialen Gewichts der Arbeiter*innenklasse international. Unter den gegenwärtigen Bedingungen jedoch, d.h. unter den Bedingungen des Neoliberalismus und der Schwächung der Organisation und des Bewusstseins der Arbeiter*innenklasse, hat die rasche Ausweitung der Erwerbsbevölkerung in Billiglohnländern jedoch das Kräfteverhältnis zugunsten der Kapitalist*innen verschoben. Wenn Arbeiter*innen in China beispielsweise nur etwa 3% des Lohnniveaus von Arbeiter*innen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern erhalten, kann die Auslagerung – oder die Androhung der Auslagerung – in Niedriglohnländer genutzt werden, um die Verhandlungsmacht der Arbeiter*innen zu untergraben. Gleichzeitig hat der verstärkte Zustrom von Arbeitsmigrant*innen in Länder wie die USA oder Großbritannien, ein weiterer Aspekt der neoliberalen Globalisierung, zweifellos das Lohnwachstum gebremst.
Schwache Kapitalinvestitionen
Trotz steigender Profitabilität und dem Vorherrschen einer unternehmensfreundlichen neoliberalen Politik ist jedoch die Kapitalakkumulationsrate in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern (einschließlich Japan, Südkorea, Taiwan usw.) seit Ende der 60er Jahre kontinuierlich zurückgegangen. Das jährliche Wachstum des festen Kapitalstocks (das die Abschreibung oder das Veralten von abgenutztem Kapital berücksichtigt) in den Vereinigten Staaten fiel von 4% in den 1960er Jahren auf 3% in den 1990er Jahren und nur 2% zwischen 2000 und 2004. In Europa fiel die Wachstumsrate von 4,6% in den 1960er Jahren auf 2,6% im Zeitraum 2000-2004. Noch dramatischer fiel die Wachstumsrate des fixen Kapitals in Japan, das während des Nachkriegsaufschwungs als „Superakkumulierer“ galt, von 12,5% in den 1960er Jahren auf 4% in den 1990er Jahren und 2,1% im Zeitraum 2000-2004. (China ist natürlich eine Ausnahme von diesem Trend, wo sich das Wachstum von 1,9% in den 1960er Jahren auf 10,9% in den 1990er Jahren beschleunigte). (Siehe Andrew Glyn, Capitalism Unleashed, S. 86)
Es gab einen Rückgang bei den Kapitalinvestitionen („Capex“ – kurz für capital expenditure [Kapitalausgaben] im Finanzjargon), trotz (1) der Tatsache, dass sich die Zahl der weltweiten Arbeitskräfte im letzten Jahrzehnt mit der beschleunigten Entwicklung Chinas und Indiens usw. ungefähr verdoppelt hat, was das Verhältnis von Kapital und Arbeit (die Menge des eingesetzten Kapitals pro Arbeiter*innen) erheblich gesenkt hat, und (2) der beschleunigten Entwertung des Kapitalstocks, weil High-Tech-Ausrüstungen schneller veralten als frühere Ausrüstungen, so dass sogar zur Erhaltung des Nettokapitalstocks höhere Investitionen erforderlich sind.
Bis vor ganz kurzem wurde dieses Phänomen in der Finanzpresse kaum erörtert, aber eine Reihe von Finanzanalyst*innen von Morgan Stanley hat kürzlich auf „das (merkwürdig) niedrige Capex/Kapitalstock in der Welt“ hingewiesen.
„Es gab eine merkwürdige Zurückhaltung auf Seiten des Konzernsektors in der Welt, in Sachanlagen zu investieren, d.h. Capex war überraschend niedrig, obwohl das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit weltweit künstlich niedrig ist“. (Stephen Jens, Global Economic Forum, 23. Februar 2007) Er stellt auch fest, dass außerhalb Chinas die Investitionsraten in Asien (Japan, Taiwan, Südkorea usw.) „zusammengebrochen sind, selbst wenn man die massiven Investitionen berücksichtigt, die in den letzten Jahren in China stattgefunden haben“.
Jens und andere kapitalistische Analyst*innen weisen auf eine Reihe von Erklärungen hin. Es gibt, kommentieren sie, große Unsicherheit über die Aussichten für die Weltwirtschaft und die Befürchtung, dass das Wirtschaftswachstum in den USA, das von überhöhten Preisen von Vermögenswerten abhängt, zusammenbrechen könnte. Obendrein scheinen multinationale Konzerne aufgrund der Ungewissheit wegen der politische und wirtschaftliche Stabilität äußerst vorsichtig zu sein, wenn es darum geht, ihre Kapazitäten in „Schwellenländern“ (Brasilien, Russland, Vietnam usw.) zu erweitern.
Ein weiterer Faktor ist jedoch mit der Dominanz des Finanzkapitals verbunden. Niedrige Niveaus an Kapitalausgaben, die zustimmend als „Kapitaldisziplin“ bezeichnet werden, tragen dazu bei, die Konzernprofite hoch zu halten und die Bewertung der Unternehmen an der Börse zu steigern.
Mehrere Analyst*innen von Morgan Stanley warnen, dass die „Capex-Appetitlosigkeit“ das Wachstum der Weltwirtschaft zunehmend verlangsamen wird, wenn sie nicht umgekehrt wird. Kapitalakkumulation ist der Schlüssel zu Produktivität und Produktionswachstum. Gerard Minack stellt fest, dass „Investitionsausgaben in diesem Zyklus trotz Rekord-Gewinnspannen und -Eigenkapitalrenditen ebenso wie relativ niedriger Zinssätze seltsam gedämpft waren“. (The Global Capex Debate [Die globale Capex-Debatte], Morgan Stanley Global Economic Forum, 16. Februar 2007)
Diese Capex-Appetitlosigkeit gibt es trotz der so genannten globalen Ersparnisschwemme, der riesigen Lücke zwischen den aus Profiten oder anderen Einkommensformen gesparten Mitteln und den Kapitalinvestitionen in die Entwicklung der Produktionsmittel.
In der „Capexdebatte“ von Morgan Stanley weist Stephen Roach auf den zunehmenden Fluss von Konzerngeldern aus den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern in „Offshore-Investitionen in Kapazitäten auf der grünen Wiese in Entwicklungsländern mit niedrigen Kosten“ hin. Dies würde bedeuten, kommentiert er, dass „der inländische Teil [der Konzerninvestitionen] dann in Aktienrückkäufe oder den Ersatz verschlissener oder veralteter Kapazitäten fließt. Vielleicht das Beste, worauf man in den reiferen Ländern hoffen kann, ist, dass die „Ersatz“investitionen ausreichen, um den Kapitalstock aufrechtzuerhalten – kaum die Grundlage für einen kräftigen Investitionsanstieg, den die Bullen für nahezu unvermeidlich halten“.
Wegen der raschen Entwicklung neuer Technologien, besonders von Computern und Software, veralten Ausrüstungen derzeit sehr schnell. In den USA ist ein reales Wachstum der Ausrüstungsausgaben von 6 bis 7% erforderlich, nur um das Verhältnis zwischen Kapital und Produktion auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Richard Berner kommentiert: „Der Kapitalstock an Ausrüstungen und Software [in den USA] ist im Verhältnis zum BIP in den letzten vier Jahren tatsächlich zurückgegangen. Die reale Unternehmensleistung außerhalb der Landwirtschaft stieg in diesem Zeitraum mit einer durchschnittlichen Jahresrate von 3,9%, während der reale Bestand an Ausrüstungen und Software mit einer durchschnittlichen Jahresrate von 3,5% anstieg. Um dies zu erreichen, stiegen die Bruttoinvestitionen in Ausrüstungen und Software jedoch mit einer durchschnittlichen Rate von 6,2%.
Berner kommentiert weiter: „Der zyklische Abschwung im Capexwachstum – besonders bei Ausrüstungen und Software – in den letzten drei Quartalen ist nicht zu übersehen. Solche Ausgaben krochen in den letzten neun Monaten des Jahres 2006 mit einer miserablen Jahresrate von 1,4%, verglichen mit einer Jahresrate von 9,5% in den beiden vorangegangenen Jahren“. (Global Economic Forum, 16. Februar 2007)
In seinem eigenen Kommentar zum „Capex-Rätsel“ (Global Economic Forum, 9. März 2007) kommentiert Berner: „Das Amerika der Konzerne scheinen zunehmend unwillig zu sein, seine Investitionsausgaben zu erhöhen, trotz mäßig positiver Fundamentaldaten…“. Berner ist auch der Ansicht, dass ein Wachstum der realen Ausrüstungsausgaben in den USA von etwa 6% erforderlich sei, um das Verhältnis zwischen Kapital und Produktion konstant zu halten. Das liege an „dem großen Umfang des bestehenden Kapitalstocks und der hohen Abschreibung für die heutigen, schnell veraltenden Ausrüstungen“.
Der Kapitalstock an Ausrüstungen und Software ist im Verhältnis zum BIP in den letzten vier Jahren sogar gesunken. Andrew Glyn kommentiert, dass „der Investitionsboom der späten 1990er Jahre den scheinbar unaufhaltsamen Trend der Wachstumsrate des Kapitalstocks, der in den späten 1960er Jahren begonnen hatte, gestoppt hat. Obendrein, als der Boom im Jahr 2000 zu Ende ging, brach das Wachstum des Kapitalstocks stärker ein als je zuvor“. (Capitalism Unleashed, S. 134)
Die Kapitalist*innen stehen vor einem Dilemma. Wenn die Kapitalinvestitionen mit einer Rate weiter gehen, die kaum ausreicht, um den bestehenden Kapitalstock zu erhalten, werden künftige Wachstumsraten und Produktivität unweigerlich untergraben. Auf der anderen Seite würde ein deutlicher Anstieg der Investitionsquote die derzeitige „Ersparnisschwemme“ verringern und die weltweiten Zinssätze in die Höhe treiben. Dies würde die Basis der Blasenwirtschaft untergraben, also der Reihe von Blasen, auf denen die Weltwirtschaft in den letzten Jahren schwamm.
Im Moment gibt es jedoch kaum Anzeichen dafür, dass die großen Konzerne an einer Steigerung der Kapitalakkumulation interessiert sind. Öffentliche (börsennotierte) Unternehmen geben riesige Geldbeträge für den Rückkauf ihrer eigenen Aktien aus, um deren Wert und den Gewinnfluss an die Aktionär*innen zu erhöhen. Im vierten Quartal 2006 beispielsweise kauften US-(Nicht-Finanz-)Unternehmen ihr Eigenkapital (Aktien abzüglich neu ausgegebener Aktien) in der Rekordhöhe von 701 Mrd. $ zurück (Jahresrate), während sie gleichzeitig eine Rekordverschuldung in Höhe von 605 Mrd. $ aufnahmen. (Siehe Berner, Global Economic Forum, 9. März 2007)
Konzernvorstände und superreiche Spekulant*innen sind weit mehr am Zocken mit vorhandenen Finanzwerten, Papierwertpapieren interessiert, als an echten Kapitalinvestitionen zur Entwicklung neuer Produktivkräfte.
Wo wird das alles enden?
Seit der Rezession, die dem Zusammenbruch der Dotcom-Blase im Jahr 2000/01 folgte, erholte sich die Weltwirtschaft und wuchs jährlich um etwa 5%. Konzernprofite sind in die Höhe geschnellt. Der „Markt“, die großen Finanzfirmen, die in den globalen Kasinos zocken, ist meist voller Optimismus. Alles steht zum Besten in der besten aller kapitalistischen Welten. Dies trotz ernsthafter internationaler Ungleichgewichte, in Wirklichkeit tiefer Schrumpfungen [Widersprüche? Irrtümlich contractions statt contradictions?], in den Weltwirtschaftsbeziehungen. Es gibt das beispiellose Missverhältnis zwischen dem Defizit des US-Kapitalismus und den Devisenreserven der Haupt-Exporteur*innen, China, Japan und der Erdölproduzent*innen, die ihre Reserven (im Wesentlichen) nicht zur Entwicklung ihrer eigenen einheimischen Wirtschaften, sondern für Investitionen in den USA und anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern verwenden, um die Verbraucher*innenmärkte zu stützen, von denen sie abhängig sind.
Das US-Außendefizit und die Abhängigkeit der US-Verbraucher*innen von Verschuldung sind auf Dauer nicht tragbar. Das massive Anhäufen von Reserven durch China, Japan und andere asiatische Exporteur*innen ist ebenfalls nicht tragbar. An einem bestimmten Punkt wird der anhaltende und möglicherweise beschleunigte Verfall des Dollars eine Flucht aus Dollar-Anlagen auslösen, was (zumindest) zu Turbulenzen im Weltfinanzsystem führen wird.
Die US-Wirtschaft verlangsamt sich und könnte möglicherweise in eine Rezession fallen. Optimist*innen glauben, dass die Flaute durch die Zunahme des Binnenwachstums in Europa und Japan und durch den Beginn des Binnenwachstums in China aufgefangen werden wird. Das übersieht den Punkt, dass diese Länder direkt oder indirekt entscheidend vom US-Markt abhängig geworden sind. Eine strukturelle Beziehung hat sich zwischen dem schuldengetriebenen Konsum der USA und den asiatischen Exporteur*innen entwickelt, die das US-Defizit garantieren. Ein reibungsloses Ausgleichen mit einer Verringerung des US-Defizits (was einen Rückgang des US-Wachstums und des Verbrauchs beinhalten würde) und einer Umleitung der asiatischen und Erdölproduzent*innen-Überschüsse in ihre heimischen Wirtschaften würde eine sehr schmerzhafte Anpassung erfordern, die einen Krampfanfall in der Weltwirtschaft provozieren könnte.
Obendrein liegen dem Verhältnis zwischen Defizit und Überschuss noch tiefere wirtschaftliche und soziale Widersprüche zugrunde. Es gibt eine sich vertiefende Kluft, sowohl global als auch innerhalb der reichen und der armen Länder, zwischen den superreichen Kapitalist*innen und der Masse der Bevölkerung, den Arbeiter*innen, ungelernten Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen, die den Reichtum erwirtschaften. Diese extreme Klassenpolarisierung birgt die Gefahr sozialer und politischer Umwälzungen in sich, eine Gefahr, die kürzlich von den weitsichtigeren kapitalistischen Strateg*innen erkannt wurde. Gleichzeitig schränken der sinkende Anteil der Löhne am Volkseinkommen und die Erosion des Lebensstandards der Massen den Markt für den Kapitalismus weiter ein. Es gibt keine einfache, gleichbleibende Beziehung zwischen den Lohnniveaus und dem Markt für kapitalistische Güter. Nichtsdestotrotz müssen letztlich die Kapitalist*innen die von ihnen produzierten Waren und Dienstleistungen verkaufen, um Mehrwert in Form von Profit zu realisieren.
Trotz der günstigen Bedingungen für den Kapitalismus seit dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten hat das System die Probleme der Überakkumulation nicht überwunden. Tatsächlich sind sie noch akuter geworden. Das schnelle Wachstum der chinesischen Wirtschaft hat obendrein diese Tendenz nicht umgekehrt. Überakkumulation ist nicht nur ein kurzfristiges, konjunkturelles Problem. Sie drückt eine organische Krise des Systems aus. Das Kapital hat, wie Marx vorausgesagt hat, im Rahmen des Privateigentums an den Produktionsmitteln und des Nationalstaats eine Sackgasse erreicht, trotz der zunehmenden Integration des Weltmarkts. Nur Planung unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter*innenklasse wird es ermöglichen, die Produktion auf eine höhere Stufe zu heben, soziale Bedürfnisse statt Profitgier zu befriedigen und die Produktion auf globaler Basis zu organisieren. Die Spekulationsorgie, ein Symptom von Überakkumulation, spiegelt letztlich die historischen Grenzen des Kapitalismus wider.
Aber, so mag man fragen, wenn es solch akute [Un-]Gleichgewichte und tiefe Schrumpfungen [Widersprüche?] im System gibt, wie kommt es, dass die Weltwirtschaft weiter wächst (zumindest in Bezug auf das BIP-Wachstum, auch wenn nicht auf das allgemeine wirtschaftliche Wohlergehen)? Wie kommt es, dass die Kapitalist*innen anscheinend durch Sturmböen der finanziellen Unbeständigkeit surfen und durch Episoden wirtschaftlicher Turbulenzen segeln?
Einer der Hauptfaktoren in dieser Lage ist die Flut an Liquidität. Zwischen 2002 und 2006 stieg die weltweite Liquidität um geschätzt 3,9 Billionen Dollar, mehr als die Hälfte davon aus Asien, etwa 40% von den Ölproduzent*innen. Die aus dieser Flut resultierenden billigen Kredite haben die Blasen, die die Weltwirtschaft über Wasser gehalten haben, zum Platzen gebracht. Der „Vermögenseffekt“ der US-Immobilienblase, der schuldenfinanzierte Transfer höherer Immobilienwerte in Konsumausgaben, hat das Wachstum der US-Wirtschaft gestützt. Einen ähnlichen Effekt gab es auch in Großbritannien, Australien und vielen anderen Ländern.
Der globale Wohlstandseffekt aus parallelen Blasen (Rohstoffe, Junk Bonds, Schwellenländer usw.), der das Vermögen in die Taschen der Superreichen leitete und die Einkommen einiger Mittelschichten erhöhte, war ein Schlüsselfaktor für die Aufrechterhaltung von Wachstum in vielen Ländern. Diese Blasen – zusammen mit der Schwäche der Kräfte der Arbeiter*innenklasse – haben es den Kapitalist*innen auf internationaler Ebene vorerst ermöglicht, die tieferen Probleme, vor denen sie stehen, zu überwinden.
Das Blasenphänomen kann Krisen jedoch nur aufschieben, nicht beseitigen. Krisen werden unvermeidlich ausbrechen, wenn sich die zugrunde liegenden Widersprüche des Systems entscheidend durchsetzen. Je länger sie aufgeschoben werden, desto tiefer werden sie wahrscheinlich sein. Bedauerlicherweise ist es nicht möglich, den Zeitpunkt von Krisen oder die besonderen Prozesse und Wege, auf denen sie sich entfalten werden, vorherzusagen. Aber die Ideen, dass spekulatives Investieren jetzt praktisch risikofrei sei, dass der kapitalistische Konjunkturzyklus tot sei, sind die Illusionen von Menschen, die von den sprudelnden Profiten der letzten Zeit besoffen sind.
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