Lynn Walsh: Quantitative Lockerung. Plan B – wird er funktionieren?

[Eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr. 143, Dezember 2010 – Januar 2011]

In einem verzweifelten Schritt, das Wachstum in den USA anzukurbeln, hat die US-Notenbank Quantitative Lockerung 2, eine zweite Runde der quantitativen Lockerung, eingeleitet. Ihr Haupteffekt wird sein, den Dollar abzuwerten, ein Versuch, ihre Exporte auf Kosten ihrer Konkurrent*innen, besonders Chinas, anzukurbeln. Dieses einseitige Handeln des US-Imperialismus kann die Währungskriege und Handelskonflikte nur verschärfen. Lynn Walsh berichtet.

Der Weltkapitalismus entging einem tiefen Wirtschaftseinbruch im Ausmaß von 1929-33 durch eine Kombination von Konjunkturprogrammen, Bankenrettungen und quantitativer Lockerung (das Pumpen von billiger Liquidität in das System), die von den G20-Staaten durchgeführt wurde. Die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder waren von der „großen Rezession“ schwerer getroffen als die halb entwickelten Länder, die teilweise durch die Nachfrage nach Rohstoffen aus China gestützt wurden, das fortfuhr, um etwa 9% pro Jahr zu wachsen. In der zweiten Jahreshälfte 2009 und Anfang 2010 begann sich das weltweite BIP-Wachstum zu beleben. Dies war jedoch von struktureller und Massenarbeitslosigkeit und einem brutalen Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse begleitet.

Ab dem Frühjahr dieses Jahres begann der fragile, ungleichmäßige Aufschwung jedoch zu schwächeln. Dies lag an einer Reihe von Gründen, unter anderem der Abschwächung der US-Wirtschaft. Die Staatsschuldenkrise, die sich Anfang des Jahres auftat und sich besonders auf die Länder der Euro-Peripherie auswirkte, hatte eine negativ Wirkung auf die Wirtschaftstätigkeit. Die Konjunkturpakete in den USA und Europa begannen auszulaufen. Obendrein wandten sich einige große Wirtschaften, besonders Großbritannien und Deutschland, von Haushaltsanreizen ab und der „Haushaltskonsolidierung“ zu, einer Politik des drastischen Abbaus von Staatsdefiziten über einen kurzen Zeitraum von zwei bis vier Jahren.

Besonders die US-Wirtschaft begann sich in der zweiten Hälfte dieses Jahres zu verlangsamen. Nach Juli 2009 begann die US-Wirtschaft mit einer Jahresrate von etwa 3% zu wachsen, aber im zweiten Quartal 2010 war das Wachstum auf eine Jahresrate von 1,6% gefallen. Im dritten Quartal stieg es leicht auf 2% an, aber das war hauptsächlich auf der Grundlage, dass Unternehmen ihre Lagerbestände aufstockten (Bestände an zum Verkauf bestimmten Waren usw.), was höchstwahrscheinlich ein vorübergehender Effekt ist, der Ende dieses Jahres wieder abklingen wird.

Die Obama-Regierung wollte in diesem Jahr zweifellos ein zweites Konjunkturpaket auf den Weg bringen, wurde aber davon abgehalten sowohl durch den Widerstand im Kongress als auch durch die massive öffentliche Feindseligkeit gegenüber etwas, was als empörende Almosen an die Banken und Großunternehmen gesehen wurde. Das Herannahen der Zwischenwahlen Anfang November schloss ein weiteres Paket aus. Seitdem wehrten sich die erstarkten Republikaner*innen lautstark gegen erneute Konjunkturmaßnahmen oder selbst eine weitere Runde quantitativer Lockerung. Da jedoch wichtige Wirtschaftsinitiativen politisch vereitelt wurden, blieb eine neue Runde quantitativer Lockerung durch die Federal Reserve, die eine gewisse Unabhängigkeit vom Kongress und der Regierung genießt, als einzige Option übrig. Nachdem Ben Bernanke für eine weitere Runde der „Kreditlockerung“ plädiert hatte, leitete er am Tag nach den Zwischenwahlen Quantitative Lockerung 2 ein – und versprach, dem Bankensystem mehr als 600 Milliarden Dollar an ultrabilligen Krediten zuzuführen. Dies ist ein verzweifelter Versuch, das Wachstum der US-Wirtschaft wieder anzukurbeln, was eine äußerst destabilisierende Wirkung auf die Weltwirtschaft haben wird.

Deflation oder Inflation?

Quantitative Lockerung 2 ist wirklich ein schlechter Ersatz für ein weiteres Konjunkturpaket. Aber „Konjunkturprogramm“ wurde mit dem Begriff „Rettungspaket“ verwechselt, das als ein massives Almosen für die Banken und Finanzunternehmen auf Kosten der Steuerzahler*innen angesehen wurde. Während Millionen von Arbeiter*innen und Menschen aus der Mittelschicht Arbeitslosigkeit und Zwangsvollstreckungen gegenüberstanden, kehrte die Wall Street in die Profitabilität zurück. Die Wertpapierbranche wurde 2008 von Verlusten in Höhe von 42,6 Milliarden Dollar getroffen, fuhr aber 2009 Profite in Höhe von 55 Milliarden Dollar ein. Sie zahlten einen Rekord von 20,3 Milliarden Dollar an Boni aus. Obamas Finanzminister Timothy Geithner gab Anfang des Jahres zu: „Wir retteten die Wirtschaft, aber wir verloren dabei irgendwie die Öffentlichkeit“.

Abgesehen von hartnäckiger strukturellen Langzeitarbeitslosigkeit fürchten die Obama-Regierung und die Fed auch das Abgleiten in eine Deflation, die das Gespenst Japans in den 1990er Jahren und seitdem heraufbeschwört. In den zwölf Monaten bis Oktober betrug die Gesamtinflation der Verbraucher*innenpreise in den USA 1,2%, während die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie) nur 0,6% betrug. Dies ist das niedrigste Niveau der Kerninflation seit der Rezession von 1961. Deflation bremst das Wachstum, weil sie Schulden teurer macht (und damit die realen Zinsen erhöht) und die Verbraucher*innen dazu veranlasst, Käufe aufzuschieben in der Erwartung, dass die Preise zu einem späteren Zeitpunkt niedriger sein werden.

Aber wird eine weitere Runde von Quantitativer Lockerung eine signifikante Wirkung auf das US-Wachstum haben? Die erste Runde lockerte die Kreditklemme zweifellos, wirkte aber zusammen mit der Bankenrettung und dem Konjunkturprogramm. Die ultrabilligen Kredite für die Banken führten jedoch nicht zu einem starken Anstieg der Kreditvergabe der Banken an kleine und mittlere Unternehmen, Hauskäufer*innen oder Verbraucher*innen. Wären die zusätzlichen Kredite an Arbeiter*innen und die Mittelschicht geflossen, hätten sie möglicherweise eine beträchtliche Wirkung gehabt, indem sie die Nachfrage angeregt und die Wachstumsrate erhöht hätten. Der größte Teil der zusätzlichen Liquidität wurde jedoch von den Banken, Hedgefonds und reichen Spekulant*innen in spekulative Aktivitäten ins Ausland geleitet. Gleichzeitig sitzen die großen Banken derzeit auf 1 Billion Dollar an „überschüssigen“ Kapitalreserven (d.h. Reserven, die über das hinausgehen, was sie laut Gesetz zur Absicherung gegen mögliche Verluste halten müssen).

Die Kräfte der Deflation werden trotz Quantitativer Lockerung 2 stark bleiben. Es gibt eine massive Schuldenlast, mit Millionen von Zwangsvollstreckungen und notleidenden Hypotheken. Es gibt immer noch eine riesige Anzahl von unbewohnten Häusern, und die Immobilienpreise fallen weiter. Es gibt einen Berg von Kreditkartenschulden, und die Zinssätze für Verbraucher*innenkredite liegen weit über dem Leitzins der Federal Reserve. Vor allem die Arbeitslosigkeit ist eine Belastung für die Wirtschaft. Trotz der begrenzten „Erholung“ des BIP-Wachstums blieb die Arbeitslosigkeit im September 2010 offiziell bei 9,6% der Erwerbstätigen. Das umfasste nicht elf Millionen, die aufgegeben hatten, nach Arbeit zu suchen, oder gezwungen waren, eine Teilzeitbeschäftigung anzunehmen. Fügt man diese Menschen den Zahlen hinzu, so lag die Unterbeschäftigungsquote im September bei 17,1%, etwa einem Sechstel der Erwerbsbevölkerung.

Wenn es keine Belebung der Nachfrage gibt, werden die Unternehmen nicht in neue Anlagen und Ausrüstungen investieren oder auch nur ihr derzeitiges Produktionsniveau aufrechterhalten. Quantitative Lockerung 2 könnte den Unternehmen mehr billige Kredite zur Verfügung stellen, aber das für sich genommen wird die Profitabilität nicht wiederherstellen. Ohne Nachfrage – wie John Maynard Keynes es formulierte – ist die Schaffung von zusätzlichen Krediten nichts weiter als ein „Schieben der Schnur“.

Gestärkt durch die Zwischenwahlen verloren die Republikaner*innen keine Zeit, die Einführung von Bernankes Quantitativer Lockerung 2 anzuprangern. Sie warfen Bernanke vor, den Weg für „Währungsentwertung und Inflation“ zu ebnen. Diese Befürworter*innen einer Politik des ultra-freien Marktes sind der Meinung, dass man die Wirtschaft ihren eigenen Lauf nehmen lassen sollte, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Menschen aus der Arbeiter*innenklasse und der Mittelschicht. Bernanke und andere führenden Fed-Vertreter*innen waren gezwungen, gegen ihre Kritiker*innen zurückzuschlagen, aber (wie sich jetzt herausstellte) hatten sie ursprünglich viel größere Maßnahmen zur Kreditschöpfung in Erwägung gezogen, machten aber unter dem Trommelfeuer der Kritik einen Rückzieher und einigten sich auf die relativ bescheidene Quantitative Lockerung in Höhe von 600 Milliarden Dollar.

Haben die Anschuldigungen der Anhänger*innen des freien Marktes überhaupt irgendeine Stichhaltigkeit? In Bezug auf den Dollar wird Quantitative Lockerung 2 zweifellos zu einer größeren Abwertung führen. Dies ist in der Tat eines der Hauptziele dieser Politik, das Wachstum durch die Steigerung der Exporte zu stimulieren. Inflation ist jedoch keine unmittelbare Gefahr für die USA – ganz zu schweigen von der Hyperinflation Weimarer Typs, die von einigen ultrarechten Ideolog*innen vorhergesagt wird.

Wenn all die zusätzlichen Kredite, die durch Quantitative Lockerung 2 geschaffen wurden, in der gesamten US-Wirtschaft verteilt würden, könnte dies durchaus die Möglichkeit haben, Preissteigerungen zu stimulieren, da die Nachfrage das Angebot an Waren und Dienstleistungen tendenziell übersteigt. Wenn man von der bisherigen Entwicklung ausgeht, wird der größte Teil der zusätzlichen Kredite in spekulative Investitionen im Ausland fließen, besonders in den so genannten „Schwellenländern“, den halb entwickelten Wirtschaften Brasiliens, Asiens und so weiter. Dieser Trend, das stimmt, wird wahrscheinlich die Inflation in diesen Ländern ankurbeln und damit die Inflation aus den USA exportieren. Mit der Zeit werden sich die höheren Dollarpreise für importierte Rohstoffe und Industrieerzeugnisse auch auf die inländischen Preise auswirken. Aber im Moment sind die deflationären Kräfte in den USA noch stark, mit einer schwachen Nachfrage (wegen Arbeitslosigkeit, verringerten Einkommen und der riesigen Schuldenlast) und riesigen Überkapazitäten in der verarbeitenden Industrie, im Wohnungsbau und im Dienstleistungssektor. All dies führt zu einem Abwärtsdruck auf die Preise.

Längerfristig könnte die quantitative Lockerung jedoch zu einer Beschleunigung der Inflation führen. Im Moment versucht die Federal Reserve, eine Inflation von etwa 2% zu fördern, die, so rechnet sie, die Schuldenlast verringern (durch Senkung des Realzinses) und es den kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen würde, ihre Preise zu erhöhen (wobei die Löhne hinter den Preisen zurückbleiben) und die Profitabilität zu verbessern. Die weitsichtigeren bürgerlichen Strateg*innen wollen ganz sicher eine höhere Inflationsrate, mindestens 2% oder sogar 4% für eine gewisse Zeit. Ökonom*innen wie Krugman und Stiglitz halten dies für unerlässlich, um der „Schuldenfalle“ zu entkommen und ein nachhaltiges Wachstum anzuregen.

Später, wenn sich das BIP-Wachstum zu beschleunigen beginnt, könnte sich auch die Inflation noch stärker beschleunigen. Der Plan der Fed wäre dann, etwas von der zuvor in die Wirtschaft gepumpten Liquidität durch eine Anhebung der Zinssätze und den Verkauf von Wertpapieren (Staatsanleihen, Unternehmensanleihen usw.), die jetzt von der Fed gehalten werden, zurückzuholen. Aber selbst Bernanke gibt zu, dass dies eine unerprobte und riskante Politik ist. Heute fürchten die Strateg*innen des Kapitalismus die Deflation, aber in Zukunft werden sie wieder den Gefahren der Inflation gegenüber stehen (ihrem roten Tuch in den 1970er Jahren). Die verstärkten Goldkäufe der Wohlhabenden haben den Goldpreis (in laufenden Dollars) Anfang November auf ein Rekordhoch getrieben (obwohl er inflationsbereinigt 40% unter seinem Höchststand von 1980 ist).

Ein Spekulationsexzess

Offiziell ist das Ziel von Quantitativer Lockerung 2, das Wachstum der US-Wirtschaft durch eine neue Injektion von billigen Krediten zu stimulieren. Nur wenige, selbst bei der Fed, glauben jedoch, dass dies eine dramatische Wirkungen auf die Binnenwirtschaft haben werde. Das – uneingestandene – Hauptziel ist die Abwertung des Dollars, um das US-Wachstum durch ein Wachstum der Exporte anzukurbeln. Führende US-Vertreter*innen werden dies bestreiten. Finanzier*innen sind jedoch realistischer. „Abwertung ist die Absicht, Abwertung ist das, was passieren wird“, kommentierte der Vorsitzende von Elara Capital, einer großen Devisenhandelsfirma.

Die erste Runde von quantitativer Lockerung führte bereits zu einer massiven Abwertung des Dollars (rund 20% gegenüber dem Höchststand). Dies liegt daran, dass der Großteil der zusätzlichen Liquidität für Spekulation auf den Überseemärkten und nicht fürs Investieren in den USA verwendet wurde. Es gibt ein riesiges Wachstum im Dollar-„Carry Trade“, bei dem Finanzier*innen, Spekulant*innen und große Konzerne (die auf Bargeldhaufen sitzen) billige Dollars leihen und sie in Ländern mit stärkeren Währungen und höheren Zinssätzen investieren. Dies führte eine neue Blase in den so genannten „Schwellenländern“, d.h. in halb entwickelten Wirtschaften wie Brasilien, Indien, Indonesien usw., herbei. Es gab auch verstärkte Investitionen in Rohstoffe, einschließlich Lebensmittel, was die Weltmarktpreise in den letzten Monaten in die Höhe trieb. Trotz der Verfügbarkeit ultrabilliger Kredite im Inland sehen Großkonzerne keine großen Möglichkeiten für profitable Investitionen innerhalb der USA und ziehen daher vor, international zu spekulieren. Aber die neuen Blasen, die mit billigen Quantitative-Lockerung-Krediten aufgeblasen werden, werden unweigerlich platzen und neue Krisen in den halb entwickelten Wirtschaften auslösen, die den schlimmsten Auswirkungen des Abschwungs von 2008/09 zu entgehen schienen.

Das Abfließen von Geldern aus dem Dollar und in andere Währungen drückt den Wert des Dollars und hebt den Wert der Zielwährungen. Dieser Prozess verbessert zwar die Konkurrenzposition von US-Exporten, macht aber Exporte aus Ländern mit steigenden Währungen weniger konkurrenzfähig. In den letzten Monaten haben Brasilien und andere Staaten auf den Devisenmärkten interveniert, um den Anstieg ihrer Währungen zu begrenzen. Aber angesichts der riesigen täglichen Umsätze an den Devisenmärkten wird dies immer schwieriger, trotz der großen Devisenreserven, die viele dieser Länder halten (die nach der asiatischen Währungskrise 1997 eingeführte „Selbstversicherung“).

China ist jedoch in einer anderen Lage, da das chinesische Regime seine Währung, den Yuan oder RMB, an den US-Dollar gekoppelt hat. Das Regime ließ seit Juni eine geringfügige Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar zu (3-4%), weigert sich jedoch, die von den USA und anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern geforderte erhebliche Aufwertung (20-40%) zuzulassen. Eine solche riesige Aufwertung würde zweifellos Chinas Exporte untergraben und es würde eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft drohen, mit der Möglichkeit sozialer Instabilität und explosiven Bewegungen chinesischer Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen.

Die führenden US-Vertreter*innen beschuldigen China immer schriller der „Währungsmanipulation“, weil es eine deutliche Aufwertung des Yuan ablehnt. Quantitative Lockerung 2 ist jedoch zweifelsohne ein massiver Versuch der Währungsmanipulation. Dies wurde vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble kürzlich unverblümt zum Ausdruck gebracht: „Es ist nicht stimmig, wenn die Amerikaner die Chinesen der Wechselkursmanipulation beschuldigen und dann den Dollarkurs mit Hilfe ihrer [Zentralbank-]Notenpresse künstlich nach unten lenken“. („Financial Times“, 7. November)

Quantitative Lockerung 2 wird zweifellos den „Währungskrieg“ verschärfen, der das Hauptthema des G20-Gipfels in Seoul war, wo es keine Einigung über Maßnahmen zur Verringerung der Überschuss-/Defizit-Ungleichgewichte oder der Währungsbewegungen gab. Eine Reihe von halb entwickelten Länder haben bereits Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, als Versuch, die spekulativen Geldströme einzudämmen, und Quantitative Lockerung 2 erhöht zweifelsohne die Wahrscheinlichkeit, dass unverhohlen protektionistische Maßnahmen ergriffen werden.

Trübe Aussichten für den Weltkapitalismus

Die jüngsten Vorhersagen der OECD (18. November) deuten darauf hin, dass die 33 OECD-Länder (dominiert von den fortgeschrittenen kapitalistischen Wirtschaften) in diesem Jahr um 2,7% wachsen und (sagen sie voraus) im Jahr 2011 um 2,3%. Das Weltwachstum wird dagegen 4,6% und im nächsten Jahr schätzungsweise 4,2% betragen. Der Hauptfaktor für das höhere weltweite Wachstum (im Vergleich zur OECD-Gruppe) ist das Wachstum in China, das durch ein massives Konjunkturpaket gestützt wird. China schuf eine Nachfrage nach Energie, Rohstoffen und Produktionsgütern aus Ländern wie Japan, Deutschland, Brasilien, Australien usw.

Nach einer „großen Rezession“, die viel schlimmer hätte sein können, als sie war, erscheinen diese Wachstumszahlen ziemlich beträchtlich. Das BIP-Wachstum ist jedoch nicht die ganze Geschichte. Vor allem in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern wurde dieser schwache Aufschwung von anhaltender Massenarbeitslosigkeit, der Aushöhlung des Lebensstandards der Arbeiter*innen und einem Angriff auf die Sozialausgaben begleitet.

Die Strateg*innen des Kapitalismus erkennen, dass der Aufschwung, wie er ist, keines der zugrunde liegenden Probleme der Weltwirtschaft gelöst hat. Obendrein können Ereignisse und erneute Krisenepisoden diesen Aufschwung jederzeit durchkreuzen.

In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern und einigen der schwächeren, peripheren Wirtschaften Osteuropas wurden die riesigen Schulden, die der Finanzsektor im Boom vor der Krise angehäuft hatte, auf den Staat übertragen, wobei die Last der Rückzahlung auf die Arbeiter*innenklasse abgewälzt wurde. Dies erhöhte faktisch die enorme Schuldenlast, die bereits durch einen kreditfinanzierten Immobilienboom und kreditbasierte Konsumausgaben angehäuft wurde.

Finanzielle Anreize wurden weitgehend durch eine Haushaltskonsolidierung ersetzt. Der keynesianische Flügel der Kapitalist*innenklasse argumentierte, dass die Staatsschulden mehr schrittweise zurückgezahlt werden sollten, wenn die Wirtschaften beginnen, in nachhaltiges Wachstum einzutreten. Sie glauben, dass die Regierungen, die jetzt drastische Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vornehmen, den Fehler Roosevelts in den USA in den Jahren 1936-37 wiederholen, als er viele der New-Deal-Programme rückgängig machte und die USA zurück in die Rezession stieß (die erst durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs umgekehrt wurde). Eine Kombination aus dem enormen internationalen Druck der Finanzmärkte und der Ideologie des ultra-freien Marktes eines großen Teils der führenden Vertreter*innen der Großkonzerne und bürgerlichen Politiker*innen ermöglichte es den „Konsolidierer*innen“ jedoch, die Oberhand zu gewinnen. Es gibt zweifellos die Möglichkeit, dass die massiven Ausgabenkürzungen in vielen Ländern einen neuen Konjunkturabschwung herbeiführen und eher zu steigenden als sinkenden Staatsdefiziten führen werden.

Die irische Regierung einigte sich jetzt (21. November) mit dem IWF, der EZB und der britischen Regierung auf ein Rettungspaket in Höhe von 90 Milliarden Euro, um einen Zusammenbruch des irischen Bankensystems zu verhindern. Es ist jedoch bei weitem nicht sicher, dass diese „Lösung“ halten wird. Das Schreckgespenst der Zahlungsunfähigkeit („Umschuldung“) schwebt noch immer über Irland, Portugal, Italien und Spanien. Eine europaweite Bankenkrise kann noch nicht ausgeschlossen werden, und eine solche Krise würde zweifelsohne das Wachstum der Weltwirtschaft beeinträchtigen.

Der begrenzte Aufschwung seit dem letzten Jahr überwand im Übrigen die großen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft in keiner Weise. Der Widerspruch zwischen den Defizitländern (vor allem den USA) und den Überschussländern (China, Japan, Deutschland usw.) wurde in keiner Weise überwunden. Diese Ungleichgewichte sind die Grundlage für die sich jetzt entfaltenden Währungskriege, die in einen offenen Handelskrieg überschwappen könnten.

Das G20-Treffen in Seoul schaffte es überhaupt nicht, eine Einigung bei den drängendsten Probleme der Weltwirtschaft zu erzielen, besonders bei den Fragen der Defizite und der Währungsanpassung. Es gibt keine „Koordination“ zwischen den großen Wirtschaftsmächten. Die Quantitative Lockerung 2 der USA ist ein einseitiger Akt des Abwertungswettlaufs. Sie ist eine direkte Herausforderung an das chinesische Regime und wird eine tiefgreifend störende Wirkung auf das Weltwährungssystem und der Handelsbeziehungen haben.

Noch bevor Bernanke die neue Maßnahme zur Lockerung der Kreditvergabe ankündigte, gab die chinesische Zentralbank bekannt, dass sie von den chinesischen Geschäftsbanken eine Erhöhung der Reserven verlangt, die sie bei der chinesischen Zentralbank hinterlegen müssen (von 17,5 auf 18% ihres Kapitals). Dies soll das Wachstum dämpfen, um der jüngsten Beschleunigung der Inflation entgegenzuwirken. Die alternative Politik der Zinserhöhung hätte für China den Nachteil gehabt, mehr Spekulationskapital ins Land zu locken. Andererseits stellen die Mindestreserveanforderungen (hinterlegt auf der Grundlage sehr niedriger Zinssätze für die betroffenen Banken) der chinesischen Regierung die notwendigen Mittel zur Verfügung, um auf den Devisenmärkten zu intervenieren, Devisen zu kaufen und den Kurs des Yuan/rmb niedrig zu halten.

Trotz der relativ optimistischen Prognose der OECD für die Weltwirtschaft könnte es immer noch kurzfristig einen Rückfall in eine neue Rezession geben. Andererseits mag es eine mehrjährige Periode mit niedrigem, unregelmäßigem Wachstum geben. Dies wiederum könnte in nicht allzu ferner Zukunft einem neuen Abschwung Platz machen.

Kasten: Was ist Quantitative Lockerung?

Das politische Hauptwerkzeug der Zentralbanken war gewöhnlich die Veränderung der Zinssätze. Die Senkung der kurzfristigen Zinssätze (Verbilligung von Krediten) stimuliert unter normalen Bedingungen das Wachstum. Eine Anhebung der Zinssätze dämpft das Wachstum und wurde in der Regel eingesetzt, um eine „Überhitzung“ zu verhindern (schnelles Produktionswachstum, das Druck auf das Angebot an Materialien und Produktionsgütern ausübt und somit zu Inflation führt). Die Manipulation der Zinssätze ist das „konventionelle“ Werkzeug der Politik.

Doch wenn die Banken bei der Kreditvergabe zurückhaltend werden, egal wie billig die Kredite auch sein mögen, hat eine Zinssenkung keine stimulierende Wirkung mehr auf die Wirtschaft. In jedem Fall können die Zinssätze nicht unter Null sinken. (Das heißt, die nominalen Zinssätze können nicht unter Null fallen: Wenn die Inflationsrate höher ist als der nominale Zinssatz, dann wird der reale {preisbereinigte} Zinssatz negativ sein. Dies gilt klar nicht, wenn eine Disinflation {eine Verlangsamung des Preisanstiegs} oder eine regelrechte Deflation {fallende Preise} vorliegt). Wenn die Zinssätze tatsächlich den Nullpunkt erreichen, wie es in den USA in letzter Zeit der Fall war, bleibt den Zentralbanken (abgesehen davon, die Hände in den Schoß zu legen) keine andere Option, als „unorthodoxe“ Instrumente wie die quantitative Lockerung einzusetzen.

Der Begriff der quantitativen Lockerung wurde erstmals Anfang der 1990er Jahre in Japan verwendet und bürgerte sich ein. Bernanke zieht es vor, den Begriff „Kreditlockerung“ zu verwenden.

Quantitative Lockerung ist das Äquivalent zum Gelddrucken, auch wenn es heute nicht mehr notwendig ist, tatsächlich neue Banknoten zu drucken. Die Zentralbank (Fed, Bank of England, Bank von Japan usw.) schreibt sich elektronisch eine Geldmenge aus dem Nichts gut. Die Bank kann dann diese neuen Mittel nutzen, um Staatsanleihen und andere Wertpapiere (Hypothekenanleihen, Unternehmensanleihen usw.) entweder direkt vom Staat oder auf dem Sekundärmarkt zu kaufen, d.h. von den Banken und anderen Institutionen und Investor*innen, die sie derzeit halten.

Nachdem die Banken und Investor*innen einen Teil ihrer Wertpapiere an die Zentralbank verkauft haben, haben sie eine Menge Bargeld in den Händen, das sie zur Kreditvergabe oder für Investitionen verwenden können. Die Idee ist, dass quantitative Lockerung zusätzliche Kredite in die Wirtschaft pumpt und so die Wirtschaftstätigkeit und das Wachstum anregt. Gleichzeitig hält die erhöhte Nachfrage nach Staatsanleihen (durch die Quantitative-Lockerung-Käufe der Fed) den langfristigen Zinssatz niedrig. Dadurch sinken die Kosten der staatlichen Kreditaufnahme, so dass die Regierung ihr Defizit finanzieren kann.

Unorthodoxe Methoden wurden von der Bank von Japan nach dem Platzen der Immobilienblase im Jahr 1991 angewandt, welches zu einem Zusammenbruch des Kreditsystems und einer schweren Preisdeflation führte. Der größte Teil der zusätzlichen Yen-Liquidität blieb jedoch im Bankensystem hängen, da die Banken faule Kredite abschrieben und Bargeld horteten. Die quantitative Lockerung in Japan überwand die Stagnation der Wirtschaft oder die Tendenz zur Deflation nicht, obwohl es möglich ist, dass die Dinge ohne quantitative Lockerung noch schlimmer gewesen wären.

In den USA umriss Bernanke im November 2008, nach der Implosion des Bankensystems, eine Reihe unorthodoxer Maßnahmen, die zur Ankurbelung des Wachstums eingesetzt werden könnten, nachdem der Leitzins praktisch auf null gesunken war. Bernanke vermied den Begriff „quantitative Lockerung“, schlug aber vor, dass die Fed Staatsanleihen, von Fannie Mae und Freddie Mac ausgegebene hypothekarisch gesicherte Wertpapiere sowie von Privatunternehmen und Kreditgeber*innen von Verbraucher*innenkrediten ausgegebene gewerbliche Schuldtitel kaufen (und dazu Kredite schaffen) könnte.

Im Dezember 2008 senkte Bernanke die kurzfristigen Zinssätze auf nahezu Null. Dann begann im Jahr 2009 die erste Runde quantitativer Lockerung. Das unmittelbare Ziel war, dem fast vollständigen Zusammenbruch der Kreditvergabe infolge der Bankenkrise und des Zusammenbruchs des Schattenbankensektors entgegenzuwirken. Bis April 2010 kaufte die Federal Reserve für 1,7 Billionen Dollar Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherte Wertpapiere auf.

Die erste Runde quantitativer Lockerung linderte zweifellos die schwere Kreditklemme, die sich nach September 2008 entwickelte (und erwies sich als äußerst profitabel für die Banken, die den frischen Strom von Liquidität fast zum Nulltarif von der Fed nutzten, um in profitable Vermögenswerte zu investieren). In Kombination mit der 700-Milliarden-Dollar-Bankenrettung (TARP) und Obamas 787-Milliarden-Dollar-Konjunkturpaket half quantitative Lockerung dem US-Kapitalismus, einen katastrophalen Wirtschaftseinbruch vom Ausmaß der Jahre 1929-33 zu vermeiden. Jedoch gab es nur eine sehr schwache Erholung in den USA (und anderen großen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern), mit dem Fortbestehen hoher Niveaus an Arbeitslosigkeit (offiziell fast 10%, realistischer fast 20%) und Teilzeit- und Zeitarbeit.

Am Tag nach den Zwischenwahlen kündigte Bernanke an, dass die Fed bis Juni nächsten Jahres weitere 600 Milliarden Dollar an Staatsanleihen und anderen Wertpapieren aufkaufen werde. Die Fed wird auch rund 300 Milliarden Dollar aus fällig werdenden Vermögenswerten, die sie bereits hält, reinvestieren. Der Gesamtbestand an Wertpapieren, die die Fed jetzt in ihrer Bilanz hält, ist 2,3 Billionen Dollar – dies ist das Maß für den Umfang der zusätzlichen Kredite, die sie seit 2008 in die Wirtschaft pumpte.

Im Jahr 2008 haben auch andere Zentralbanken die Politik der quantitativen Lockerung übernommen. Die EZB schuf widerwillig zusätzliche Kredite, beendete aber inzwischen ihre Ankäufe von Staatsanleihen in der Eurozone. Die Bank of England deutete an, dass sie bereit sei, wenn nötig, ihre eigene Quantitative Lockerung 2 zu starten, tat dies aber bisher nicht.


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