[eigene Übersetzung des englischen Textes in Militant International Review Nr. 22, Juni 1982, Einleitung und Fußnoten in Socialism Today, Nr. 108, April 2007 nach der Wiedergabe auf der Website von Socialism Today]
Vor fünfundzwanzig Jahren führte Großbritannien einen fünfwöchigen Krieg mit Argentinien um die Falklandinseln oder Las Islas Malvinas. Der Krieg wurde durch die Besetzung der Inseln durch das Militärregime von General Galtieri herbeigeführt, der das schlecht vorbereitete militärische Abenteuer in einem verzweifelten Versuch startete, einer internen wirtschaftlichen und politischen Krise zu entkommen. Galtieri war durch Generalstreiks und Massenproteste erschüttert worden.
Der Konflikt wurde jedoch durch eine Reihe von Schnitzern des britischen Imperialismus vorbereitet. Trotz des seit langem bestehenden Anspruchs Argentiniens auf die Inseln und der jüngsten Drohungen Galtieris kündigte die Regierung Thatcher 1981 den Abzug des britischen Marinekriegsschiffs Endurance aus dem Südatlantik an. Ihre Regierung unternahm nichts, als im März 1982 Schrottfirmen mit einer argentinischen Marineeskorte auf dem benachbarten Südgeorgien landeten – und Thatcher wurde völlig überrascht, als argentinische Truppen am 1. April die Falklands/Malwinen besetzten.
Daraufhin handelte Thatcher entschlossen, um das Ansehen des britischen Imperialismus zu verteidigen und ihren eigenen politischen Hals zu retten, und ordnete die Entsendung eines improvisierten Marineeinsatzkommandos in den Südatlantik an, was sie am Samstag, den 3. April, in einer Sondersitzung des Parlaments bekannt gab. Die führenden Labour-Vertreter*innen befürworteten die Entsendung der Einsatztruppe, die eine Mobilisierung für den Krieg darstellte, und Thatcher hatte freie Hand, latente Reserven an patriotischen Vorurteilen und chauvinistischem Hurrapatriotismus in vielen Schichten Großbritanniens zu wecken, mit jeder Menge Hilfe durch die Boulevardpresse.
Der Krieg war „eine knappe Angelegenheit“ (wie Wellington bei Waterloo sagte), aber mit Hilfe von Reagan in den USA und Pinochet in Chile eroberten die britischen Streitkräfte am 14. Juni die Falklandinseln/Malwinen zurück.
Die Mannschaften beider Seiten zahlten einen hohen Preis für den rücksichtslosen Militarismus ihrer Herrschenden: 258 getötete und 777 verwundete britische Soldat*innen; 649 getötete und 1.068 verwundete Argentinier*innen. Ein Vorfall sticht als unbestreitbares Kriegsverbrechen hervor: die von Thatcher angeordnete Versenkung des maroden argentinischen Kriegsschiffs General Belgrano, das sich von den Falklandinseln entfernte und keine Gefahr für die britischen Streitkräfte darstellte, durch ein britisches Atom-U-Boot: 368 Seeleute ertranken.
Die Galtieri-Junta wurde durch Massenproteste vertrieben und ins Gefängnis geworfen. Thatchers Fehler hingegen wurden unter den Teppich gekehrt. Der militärische Sieg veränderte ihre Position. In den Jahren 1979-81 war die Tory-Regierung äußerst unpopulär, da ihre monetaristische Wirtschaftspolitik die Rezession verschärfte und Angriffe auf Arbeitsplätze und Gewerkschaftsrechte die Arbeitslosigkeit emporschnellen ließen. Thatchers eigene Umfragewerte brachen ein. Doch der „Falkland-Effekt“, die Mobilisierung verschütteter patriotischer Gefühle, die durch den militärischen Sieg anscheinend bestätigt wurden, ließ die Unterstützung für die Tories und insbesondere für Thatcher drastisch ansteigen.
Die führenden Labour-Vertreter*innen unter Michael Foot unterstützten die Entsendung der Einsatztruppe und billigten damit praktisch den Kriegseintritt. Infolgedessen waren sie nicht in der Lage, dem Falkland-Effekt entgegenzuwirken (sie konzentrierten ihre Energien in den Jahren 1982-83 auf Angriffe gegen den marxistischen Flügel der Partei und schlossen 1983 Mitglieder der Militant-Redaktion aus). Thatcher surfte zu einem Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen 1983. Sie vergrößerte ihre Mehrheit um hundert Sitze auf 144, obwohl dies tatsächlich einen Rückgang der Unterstützung für die Tories verbarg, die 700.000 Stimmen weniger erhielten als 1979.
Welche Position haben wir zum Krieg eingenommen? Wir waren sowohl gegen den britischen Imperialismus als auch gegen die argentinische Militärdiktatur. Beide Seiten führten einen kapitalistischen Krieg, der den Interessen der Arbeiter*innenklasse zuwiderlief.
Wir lehnten die Inbesitznahme der Malwinen durch Galtieri als ein militärisches Abenteuer ab. Wenn es die Junta geschafft hätte, die Malwinen dauerhaft in Besitz zu nehmen, wäre die Diktatur für eine gewisse Zeit gestärkt worden, was die Lage der argentinischen Arbeiter*innenklasse verschlechtert hätte. Gleichzeitig lehnten wir die Entsendung der militärischen Einsatztruppe ab, die die Macht und das Prestige des britischen Imperialismus verteidigen sollte. Es war absehbar, dass ein britischer Sieg Thatcher stärken und ihre Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse im eigenen Land ermutigen würde.
Darüber hinaus wandten wir uns gegen die klassenkollaborierende Rolle der führenden Labour-Vertreter*innen, die es kläglich versäumten, sich gegen den Krieg auszusprechen und damit unverzüglich Thatcher den Weg für die Entsendung der Einsatztruppe ebneten. Der Leitartikel des Militant vom 9. April trug die Überschrift „Keine Unterstützung für die Junta – Keine Unterstützung für die Tories“.
„Die Arbeiter*innen können das verrückte Abenteuer, das die Thatcher-Regierung jetzt vorbereitet, in keiner Weise unterstützen“, erklärte er . „Die Labour Party und die Gewerkschaftsbewegung könnten Thatcher auf der Stelle zum Anhalten zwingen. Die Arbeiter*innenbewegung muss erklären, dass sie keinerlei Vertrauen in die Politik und die Methoden der britischen Regierung hat…
Labour muss nicht nur den Rücktritt von Verteidigungsminister Nott, sondern der gesamten Tory-Regierung fordern … Labour muss Parlamentswahlen fordern, damit eine Labour-Regierung die Arbeiter*innenopposition in Argentinien unterstützen und ermutigen kann“.
Die Seiten von Militant während des Konflikts machen unsere Opposition gegen den kapitalistischen Krieg um die Falklandinseln/Malwinen deutlich. (Siehe auch Peter Taaffe: The Rise of Militant, Kapitel 20) Einige unserer Kritiker*innen behaupteten jedoch damals und behaupten wahrscheinlich immer noch, dass wir den Krieg nicht abgelehnt hätten. Laut solchen Ultralinken lehnten nur diejenigen wirklich den Krieg ab, die die Niederlage der britischen Einsatztruppe und den Sieg Argentiniens forderten. Ihre Herangehensweise ist unserer Meinung nach eine lächerliche Karikatur einer marxistischen Kriegspolitik; eine Herangehensweise, die garantiert dazu führt, dass sich ihre Befürworter*innen selbst von den politisch bewusstesten Arbeiter*innen isolieren.
Unsere Strategie und Taktik in Bezug auf den Falkland-/Malwinen-Krieg und unsere Antwort auf ultralinke Kritiker*innen wurden erklärt in einem Artikel von Lynn Walsh, „Falkland-Krieg: Welche Lehren für die Arbeiter*innenbewegung?“, veröffentlicht in der Militant International Review (Ausgabe 22, Juni 1982), als die Einsatztruppe in Richtung Südatlantik segelte. Wir glauben, dass die damals aufgeworfenen programmatischen und theoretischen Fragen wichtige Fragen für Marxist*innen heute bleiben.
Diese Version ist der vollständige Originalartikel. Die in Socialism Today, Ausgabe Nr. 108, April 2007, veröffentlichte Fassung wurde aus Platzgründen leicht gekürzt. Einige erläuternde Fußnoten und Zwischenüberschriften wurden dem Original hinzugefügt.
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Der Krieg tobt im Südatlantik. Wenn diese Zeitschrift erscheint, wird der Ausgang des Konflikts wahrscheinlich schon entschieden sein. Höchstwahrscheinlich werden die Kräfte der Junta angesichts der überlegenen militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen des britischen Imperialismus eine Niederlage erleiden. Dies würde eine neue revolutionäre Krise in Argentinien einleiten, die Bewegungen der Arbeiter*innenklasse in den krisengeschüttelten Staaten Lateinamerikas auslösen könnte.1 Doch unabhängig davon, ob der militärische Konflikt bereits gelöst ist oder nicht, bietet der Krieg wichtige Lehren für die Arbeiter*innenbewegung. Was waren die wirklichen Ursachen des Krieges? Alle politischen, wirtschaftlichen und Klassenkräfte müssen konkret analysiert werden. Und welche Politik und Taktik sollten Marxist*innen in Opposition zum kapitalistischen Krieg verfolgen? In der nächsten Periode verschärfter Klassenkonflikte und nationaler Antagonismen wird dies auch nach dem Falkland-Krieg eine entscheidende Frage für die Arbeiter*innenbewegung bleiben.
Galtieri eroberte die Inseln in einem verzweifelten Versuch, seine Diktatur vor der Drohung der Revolution zu retten.2 Ein Erfolg würde die Lebenszeit der Junta verlängern und die totalitäre Unterdrückung des argentinischen Volkes vorübergehend verstärken. Ein Erfolg Galtieris würde auch bedeuten, dass die Bewohner*innen der Falklandinseln unter den Stiefel der Diktatur gebracht würden, was Sozialist*innen nicht billigen können.
Aber welches Vertrauen können wir aus dem Blickwinkel der Interessen der Arbeiter*innenklasse in die Maßnahmen der Tory-Regierung zur Lösung der Krise haben? Für die Tories und ihre Großkonzern-Zahlmeister sind die Inselbewohner*innen nur Figuren in diesem Spiel.3 Thatcher hat die Einsatztruppe in den Krieg geschickt, um das Prestige, die Macht und letztlich die weltweiten Profite des britischen Kapitalismus zu verteidigen.
Die ersten Opfer des Krieges sind die Arbeiter in Uniform. In Argentinien wurden die jungen Wehrpflichtigen der Armee und der Marine von einer Militär- und Polizeidiktatur zum Dienst gepresst. Die Matros*innen und Soldat*innen der britischen Einsatztruppe sind „Freiwillige“, aber Freiwillige, die zumeist durch Massenarbeitslosigkeit und schlechte Aussichten im Zivilleben in die Streitkräfte gedrängt wurden, eine Form der „wirtschaftlichen Wehrpflicht“. Die Kämpfe haben bereits viele Menschenleben gekostet, und Tausende weitere könnten in der Schlacht um die Inseln getötet oder verwundet werden.
Wie auch immer das Ergebnis ist, die Waffenhändler, die Händler des Todes, die beide Seiten ausrüsten (10% der argentinischen Waffenkäufe sind aus Großbritannien), werden ihre Profite steigern. Auf beiden Seiten stehen die Macht, das Prestige und die Profite der Kapitalist*innenklasse auf dem Spiel. Auch das Überleben von Galtieris Junta und Thatchers Regierung hängt vom Ergebnis ab. Als Galtieri sich auf das Falkland-Abenteuer einließ und Thatcher massive Vergeltungsmaßnahmen ergriff, konnten beide nicht mehr zurückweichen, ohne ihre Macht zu verlieren.
Reagan4 betrachtete den Konflikt zwischen den beiden Verbündeten, in Wirklichkeit zwei Klient*innenstaaten, mit Bestürzung. Letztlich war es unvermeidlich, dass sich der US-Imperialismus auf die Seite des britischen Imperialismus, eines wichtigen Verbündeten und Achsnagels des NATO-Bündnisses, stellen würde. Mit großem Bedauern gab Reagan jedoch seine Unterstützung für Galtieri auf, als die Aussichtslosigkeit von Haigs Pendeldiplomatie deutlich wurde.5 Damit wurde nicht nur ein südlicher Stützpfeiler des amerikanischen Imperialismus aus dem Gleichgewicht gebracht, sondern auch die Rolle der Junta als Ersatzpolizist in Mittelamerika in Frage gestellt, die für Reagan nach der Weigerung des Kongresses, eine direkte Intervention in El Salvador zu genehmigen, entscheidend war.6
Vor allem aber befürchten die Vertreter*innen des US-Imperialismus, dass das Falkland-Abenteuer zum Sturz Galtieris führt und damit einer neuen revolutionären Krise in Argentinien Tür und Tor öffnet, mit allen Konsequenzen, die dies für Lateinamerika hätte.
Galtieris Motive für den Krieg…
Die Ironie an der Lage ist jedoch, dass Galtieri die Invasion der Falklandinseln gerade deshalb unternommen hat, um die drohende Revolution abzuwenden. Wenige Tage vor der Invasion, am 30. März, trotzten Tausende von Arbeiter*innen und Jugendlichen auf den Straßen von Buenos Aires dem Militär und protestierten gegen die massive Verarmung und Arbeitslosigkeit und gegen die brutale Unterdrückung der Gewerkschaften und aller demokratischen Rechte.
Der „starke Staat“ Videlas, Violas und Galtieris schaffte es nicht, die tiefe Wirtschaftskrise des Landes zu lösen. Im Gegenteil, die Produktion ist eingebrochen, während der Reichtum dieser potenziell reichen Nation schamlos in einer Orgie der Spekulation vergeudet wurde. Unter der Misswirtschaft seiner gefräßigen Finanzier*innen und Geschäftsleute hat Argentinien, dessen Bevölkerung um 9 Millionen kleiner ist als die Polens ist, weitere 5 Milliarden Dollar mehr an Auslandsschulden angehäuft, die sich nun auf insgesamt 30 Milliarden Dollar (18 Milliarden £) belaufen. Die Arbeiter*innenklasse, die Arbeitslosen, die Landarbeiter*innen und Teile des Kleinbürger*innentums wurden durch das Einfrieren der Löhne und den Anstieg der Preise in den Ruin getrieben. Die monetaristische Politik von Galtieris Finanzminister Alemann war weit davon entfernt, die Inflation zu heilen, und hat der berüchtigten Hyperinflation in Argentinien einen neuen Schub gegeben.
Hinzu kommt die Wut der Arbeiter*innen über die Unterdrückung der demokratischen Rechte und die brutale Politik des Militärs mit Entführungen, Ermordungen und Folter, die alle wirtschaftlichen Missstände noch verschärft. Über 20.000 Menschen sind „verschwunden“, ermordet oder inhaftiert von den offiziellen Mörder*innen und Folterer*innen der Junta. Nach sechs Jahren eines bonapartistischen Regimes, das mit faschistischen Methoden gegen seine Gegner vorgeht, begann eine neue Generation von Klassenkämpfer*innen, die Arbeiter*innen zum Handeln zu bewegen. Aus diesem Grund aktiviert Galtieri den 150 Jahre alten Anspruch des Staates auf die „Malwinen“ und nutzt diesen nationalen Talisman, um die reaktionärsten und chauvinistischsten Gefühle unter den Kleinbürger*innen und Teilen der Arbeiter*innenklasse zu schüren.
Trotz ihrer blutigen Hände gelang es der Junta – vorübergehend -, den Zorn der Massen von der Diktatur abzulenken und ihn gegen den britischen Imperialismus zu richten. Dennoch haben selbst die Demonstrationen zur Unterstützung der Besetzung der Inseln den Widerstand gegen die repressive Politik der Junta zum Ausdruck gebracht.
Die Arbeiter*innenklasse hat nichts von der Einnahme der Falklandinseln zu gewinnen. Wenn es der Junta gelingt, sie zu halten und ihr Abenteuer als Erfolg erscheint, würde die Diktatur gestärkt und die militärische und polizeiliche Unterdrückung des argentinischen Volkes zumindest eine Zeit lang verlängert.
Obendrein, wenn die argentinischen Großkonzerne versuchen sollten, die Inseln und von dort aus den Reichtum der Antarktis zu erschließen, wären die Finanzier*innen und Spekulant*innen die einzigen wirklichen Nutznießer*innen. Weit davon entfernt, „die Nation zu stärken“, würde die Erschließung der Falklands, falls Argentiniens verschwenderische Kapitalist*innen dies versuchen sollten, nur die Abhängigkeit des Landes vom ausländischen Kapital erhöhen. Der Besitz der Inseln wird die katastrophale wirtschaftliche Degeneration Argentiniens nicht aufhalten. Nur ein sozialistisches Argentinien mit geplanter Produktion unter der Kontrolle der Arbeiter*innenklasse und Verbindungen mit dem Rest Lateinamerikas durch eine sozialistische Föderation könnte die im Überfluss vorhandenen natürlichen Ressourcen der Antarktis entwickeln. Dann könnte auch das Problem der Falklandinseln gelöst werden. Die Inselbewohner*innen hätten keine Angst vor einer sozialistischen Föderation, die ihre demokratischen Rechte und ihre Autonomie garantierte und ihnen bequeme Lebensbedingungen sicherte.
Die Annexion durch die argentinische Diktatur ist jedoch eine ganz andere Frage. Marxist*innen können dem Schicksal der Falkländer*innen gegenüber nicht gleichgültig sein. Obwohl sie auf etwa 1.800 geschrumpft sind – kaum eine Nation im klassischen Sinne – haben sie das Recht darauf, ihre eigene Sprache, Kultur und Autonomie zu genießen. Wir können ihre Unterwerfung durch die Diktatur nicht billigen, die auf den Inseln durch den neuen Militärgouverneur, General Menendez, vertreten wird, einem Veteranen des ,schmutzigen Krieges‘ der Junta gegen die Guerillagruppen, die gegen das Regime zu den Waffen griffen.
… und Thatchers
Aber welches Vertrauen können wir in die Schritte der Tory-Regierung zur Lösung der Krise haben? Wenn wir Thatcher glauben, wurde die Einsatztruppe entsandt, um die Rechte der Falkland-Inselbewohner*innen zu schützen und die britische Demokratie gegen das „faschistische“ Argentinien zu verteidigen. Zuvor jedoch genehmigten die Tories bereitwillig Waffenverkäufe an die Junta und schwiegen zur Unterdrückung.
Außerdem ist Thatchers Regierung eine Tory-Regierung, die im eigenen Land dem Lebensstandard und den Rechten der Arbeiter*innenklasse den Krieg erklärt hat. Wenn die Tories bereit sind, eine mächtige Kriegsflotte zu entsenden – und sich damit brüsten, dass dies „ohne Rücksicht auf die Kosten“ geschehe -, dann nicht, um die Rechte der Falkländer*innen, sondern die Macht und das Prestige des britischen Kapitalismus zu verteidigen.
Zuvor hatten sie wenig Rücksicht auf die Inselbewohner*innen genommen. Die Weigerung Großbritanniens, die Dienstleistungen auf den Inseln auszubauen, hatte bereits dazu geführt, dass die Falkländer*innen immer abhängiger von Argentinien wurden, was den Luftverkehr, die Versorgung, die Bildung und die medizinische Versorgung betraf. Die Inselbewohner*innen hatten ihre eigene Lebensweise, aber der Ort wurde eher wie ein feudales Lehen als wie eine moderne Demokratie geführt. Der größte Teil der Wirtschaft der Inseln wird von einem einzigen Unternehmen beherrscht, der Falklands Islands Co, die kürzlich von Coalite Ltd. aufgekauft wurde, zweifellos mit Blick auf die Bodenschätze der Region.
Die Vernachlässigung eines abhängigen Gebiets ist eine Sache. Aber als es mit Waffengewalt erobert wurde, standen Macht und Prestige des britischen Imperialismus auf dem Spiel.
Zumindest in einem Brief an die „Times“ (14. April) wurde die Heuchelei durchdrungen. „Sir“, schrieb ein gewisser Hedley Bull7, „es ist nicht der Fall, wie jetzt so oft behauptet wird, dass Großbritanniens Hauptinteresse in der gegenwärtigen Krise darin bestehe, die Rechte der Falkländer zu schützen, so wichtig diese Rechte auch sind. Großbritanniens vorrangiges Interesse besteht darin, zu zeigen, dass es im Gegensatz zu dem, was die argentinische Regierung glaubt, in der Lage und willens ist, britisches Territorium zu verteidigen, wenn es angegriffen wird“. Jede Verhandlungslösung, so schloss er, „die … eine Abweichung von der britischen Souveränität beinhaltet … wird zeigen, … dass Großbritannien keine Macht mehr ist, die irgendjemand ernst zu nehmen braucht“. Der tatsächliche Standpunkt des britischen Kapitalismus, der gewöhnlich hinter heuchlerischen Bekundungen der Besorgnis über demokratische Rechte verborgen ist, könnte kaum deutlicher zum Ausdruck gebracht werden.
Dieser Punkt wurde von David Watt, dem Direktor des Royal Institute of International Affairs [Königliches Institut für Internationale Angelegenheiten], vielleicht etwas diplomatischer, bekräftigt. „Das Problem“, so schrieb er in der „Times“, „ist, dass wir, eine vermeintliche Großmacht, von einem Westentaschenregime überlistet wurden … Frau Thatcher hat Recht, wenn sie sagt, dass Großbritanniens Ruf auf dem Spiel steht“. Nicht nur Thatchers Glaubwürdigkeit, sondern auch die des Landes stehe auf dem Spiel. „Glaubwürdigkeit“, räumte Watt ein, „ist natürlich ein schwer zu fassendes Konzept … Aber es bleibt die Tatsache, dass der Schutz der britischen Interessen in einer sehr unsicheren und instabilen Welt in erheblichem Maße davon abhängt, dass wir unseren Ruf aus der Vergangenheit ausnutzen für (a) relative Ehrlichkeit, (b) Geschicklichkeit und Entschlossenheit bei der Wahrung unserer Interessen und (c) den Besitz einer realen, wenn auch begrenzten Macht“.
Was die Vertreter*innen des britischen Imperialismus betrifft, so war „Ehrlichkeit“ in der Tat immer sehr „relativ“. Die Schnitzer der Tories und des Außenministeriums, die Galtieri zur Invasion der Falklandinseln ermutigten, deuten auf eine Untergrabung ihrer „Geschicklichkeit und Entschlossenheit“ hin und spiegeln den Niedergang der Weltmacht des britischen Kapitalismus wider.8 Aber natürlich ist die Fähigkeit, seine Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen, für den britischen Imperialismus letztlich lebenswichtig, um die Überreste seiner Weltmacht zu bewahren.
Hätte er die Falklandinseln einfach aufgegeben und sich der „unwiderstehlichen Kraft“ gebeugt, hätte der britische Imperialismus in der nächsten Zeit eine drastische Schwächung seines wirtschaftlichen Einflusses hinnehmen müssen. Deshalb haben die Tories die Einsatztruppe entsandt, und deshalb sind die Vertreter*innen des britischen Kapitalismus bereit, enorme Mittel einzusetzen und, wenn nötig, das Leben Tausender von Arbeiter*innen zu opfern, um die Inseln zurückzuerobern.
Massenopposition mobilisieren
Die Aufgabe der Marxist*innen ist es, die wahren Gründe für den Krieg zu erklären, die Klassenmotive sowohl der Junta als auch der Tories zu entlarven und die wahren Kriegsziele sowohl des argentinischen als auch des britischen Kapitalismus aufzudecken. Wir sind gegen diesen kapitalistischen Krieg. Aber die Frage ist, wie man sich dem Krieg entgegenstellt, wie man an die Mehrheit der Arbeiter*innen appelliert, um eine effektive Massenopposition gegen den Krieg zu mobilisieren. Bloße Anprangerung des Krieges und Aufrufe zum Rückzug der Einsatztruppe werden weder bei den Kapitalist*innen Gehör finden, noch werden sie bei der Mehrheit der Arbeiter*innen eine Reaktion auslösen.
Die Vertreter*innen des britischen Kapitalismus werden die bewaffnete Verteidigung ihrer vitalen Interessen auf der Weltbühne nicht aufgeben. Sie sind genauso bereit, Arbeiter*innen im Krieg zu opfern, wie sie sie in Friedenszeiten ausbeuten. Thatcher wird Forderungen nach einem Abzug der Flotte beiseite schieben. Auch werden die Tories nicht bereit sein, die Schiedsgerichtsbarkeit der Vereinten Nationen zu akzeptieren. Die Unfähigkeit der UNO, in der Falkland-Krise zu handeln, bestätigt die Ohnmacht der Veruneinten Nationen. Gegen jeden diplomatischen Kompromiss, der die Interessen des britischen Imperialismus zu durchkreuzen drohte, würde Großbritannien im Sicherheitsrat ein Veto einlegen.9
Um den Rückzug der Einsatztruppe zu erzwingen, wäre ein Generalstreik erforderlich, bei dem die Arbeiter*innen die Macht selbst in die Hand nehmen würden. Solange die Kapitalist*innen die Macht haben, werden sie sie nutzen, um ihre Klasseninteressen zu verteidigen, ob im In- oder Ausland. Aber in der gegenwärtigen Lage würde ein Aufruf zum Generalstreik zur Beendigung des Krieges keine Unterstützung finden, nicht einmal bei den fortgeschrittenen Teilen der Arbeiter*innenklasse. Selbst die ultralinken Sekten, die verzweifelt „Stoppt den Krieg!“ schreien, haben nicht die Kühnheit, zum Generalstreik aufzurufen. Eine solche Losung wäre durch und durch hohl. Sie würde sich sofort als völlig unrealistisch erweisen. Der Aufruf zur Beendigung des Krieges oder zum Abzug der Flotte könnte nicht einmal eine Grundlage für eine Massenkampagne von Demonstrationen, Versammlungen und Agitation bieten – denn er lässt in den Augen der Arbeiter*innen die lebenswichtige Frage der Rechte der Bewohner*innen der Falklandinseln und die Frage des Widerstands gegen eine bösartige Militär- und Polizei-Diktatur in Argentinien unbeantwortet.
Nur der Sturz der Tory-Regierung kann den Weg für die Beendigung des Krieges und eine Lösung der Falkland-Krise frei machen. Im Moment haben die Tories die Unterstützung der rechten führenden Vertreter*innen der Labour Party und der Gewerkschaften. Ohne sie hätten sie nicht in den Krieg ziehen können. Die Opposition Michael Foots, des Vorsitzenden der Labour Party, und einiger anderer linker Abgeordneter war völlig inkonsequent und ineffektiv. Foot unterstützte die Entsendung der Einsatztruppe – aber am Vorabend des ersten Einsatzes argumentierte er, dass sie nicht eingesetzt werden sollte! Als ob die Tories nur als diplomatische Demonstration eine Kriegsflotte 8.000 Meilen über den Atlantik geschickt hätten!
Ihre Weigerung, die Klassenziele der Tories zu kritisieren, lässt die Opposition der führenden Vertreter*innen der Labour Party als inkonsequente, nörgelnde Kritik erscheinen. Die Basis der Labour Party muss daher ein Ende der parteiübergreifenden Falkland-Politik fordern, ein Ende der inoffiziellen Koalition, die zwischen dem rechten Flügel von Labour und den Tories in dieser Frage besteht.
Der Falkland-Krieg ist kein Grund, den Kampf gegen die Tories abzublasen – im Gegenteil, das Gemetzel des Krieges und die zusätzliche Belastung des britischen Kapitalismus, für die die Großkonzerne versuchen werden, die Arbeiter*innen zahlen zu lassen, unterstreicht die Dringlichkeit, den Kampf zum Sturz der Tory-Regierung zu verstärken.
Die Arbeiter*innenbewegung sollte mobilisiert werden, um Neuwahlen zu erzwingen, um den Weg für die Rückkehr einer Labour-Regierung zu ebnen, die eine sozialistische Politik im In- und Ausland umsetzt.10 Der Sieg einer sozialistischen Regierung in Großbritannien würde die Lage in Bezug auf die Falklandinseln sofort verändern. Die Junta könnte nicht mehr beanspruchen, den britischen Imperialismus zu bekämpfen.
Eine sozialistische Regierung würde einen Klassenappell an die argentinischen Arbeiter*innen machen. Eine Labour-Regierung könnte die Falkländer*innen nicht einfach im Stich lassen und Galtieri die Sache erledigen lassen. Aber sie würde den Krieg auf sozialistischer Grundlage fortsetzen. Erstens würde eine sozialistische Regierung die Demokratisierung der britischen Streitkräfte durchsetzen, indem sie Gewerkschaftsrechte und die Wahl von Offizieren einführt. Die Interessen der Arbeiter*innenklasse können nicht unter der Führung einer autoritären Offizierskaste verteidigt werden, die durch Bildung, Einkommen und Familien- und Klassenloyalität an die Kapitalist*innenklasse gebunden ist. Die Anwendung von Gewalt gegen die Junta würde jedoch mit einem Klassenappell an die Arbeiter*innen in Uniform verbunden werden. Der britische Kapitalismus wird die Junta wahrscheinlich besiegen, aber nur durch eine blutige Schlacht und unter enormen Kosten an Menschenleben. Unter Verwendung sozialistischer Methoden könnte eine Labour-Regierung die Diktatur schnell besiegen, die bereits von der argentinischen Arbeiter*innenklasse bedroht war, als Galtieri seine Ablenkungsschlacht mit dem britischen Imperialismus begann.
Eine Labour-Regierung würde einen Kampf zum Sturz der Junta und zur Beendigung der Herrschaft des Kapitalismus in Argentinien unterstützen. Eine sozialistische Regierung in Großbritannien würde deutlich machen, dass sie zwar die Rechte der Falkland-Inselbewohner*innen verteidigt, aber die neoimperialistischen Interessen und Ziele des britischen Kapitalismus gänzlich zurückweist. Sie würde die Enteignung der britischen Banken und Unternehmen in Argentinien zusammen mit der Verstaatlichung des argentinischen Großkapitals und Finanzkapitals unterstützen.
Eine Labour-Regierung würde eine sozialistische Föderation von Großbritannien und Argentinien, einschließlich der Falklandinseln, vorschlagen. Im Kapitalismus waren die beiden Länder in erheblichem Maße durch Investitionen und Handel miteinander verbunden. Eine sozialistische Föderation, die weltweite Auswirkungen hätte, würde die neokoloniale Ausbeutung beenden und eine planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaften ermöglichen, was enorme Vorteile für die Arbeiter*innen Großbritanniens, Argentiniens und der Falklandinseln mit sich bringen würde.11
Es ist lebenswichtig, gegen den kapitalistischen Krieg mit einer klaren Politik in diesem Sinne zu opponieren. Eine solche Politik kann die Unterstützung der fortgeschrittenen Arbeiter*innen, aber auch breiterer Schichten der Arbeiter*innenklasse gewinnen und der verlogenen Propaganda der Kapitalist*innenklasse entgegenwirken. Im Laufe der Krise sind das Fernsehen und vor allem die Presse in neue Tiefen gesunken und haben versucht, üble chauvinistische und kriegstreiberische Stimmungen zu schüren. Als der „Daily Mirror“ seine schäbige Konkurrentin, die „Sun“, angriff, sagte er, sie sei von der Gosse in die Kloake gesunken – eine Beschreibung, die auch auf den „Mirror“ und den Rest der kapitalistischen Presse passt!
Die Tories beuten heuchlerisch den instinktiven Hass der Arbeiter*innen auf die Junta aus, die sie als blutbesudeltes faschistisches Regime sehen. Die Tories versuchen auch, die Solidaritätsgefühle der Arbeiter*innen mit ihren Brüdern und Schwestern in der Armee, in der Marine und in der Handelsmarine auszunutzen. Nur eine klare marxistische Politik, die alle Faktoren der Lage berücksichtigt, kann die Unterstützung der Massen gewinnen und einen wirksamen Widerstand gegen diesen Krieg der rivalisierenden kapitalistischen Klassen mobilisieren.
Lenins Herangehensweise
Die von manchen ultralinken Sekten eingenommene Position, die sich sogar für die Junta ausgesprochen haben, konnte den Tories und dem britischen Imperialismus nur in die Hände spielen. Aus Angst, durch den Druck patriotischer, bürgerlicher Gefühle abgelenkt zu werden, versuchten sie, sich gegen Opportunismus abzusichern, indem sie sich auf eine unflexible Politik einließen. Die einzige Möglichkeit, sich konsequent gegen die britische Bourgeoisie zu stellen, behaupten sie, ist, den Feind der britischen Bourgeoisie zu unterstützen – auch wenn es sich dabei halt um die argentinische Militär- und Polizeidiktatur handelt! Vom korrekten Ausgangspunkt der Opposition gegen den kapitalistischen Krieg flitzen die ultralinken Sekten (die behaupten, Marxist*innen zu sein) in eine Sackgasse.
Zur Unterstützung dieser verrückten Logik, die die Sekten dazu gebracht hat, die Junta unkritisch zu unterstützen, behaupten sie, Marxist*innen müssten immer eine „defätistische“ Position einnehmen. Sie berufen sich auf Lenins revolutionären Defätismus von 1914, als der führende Bolschewist sagte, dass für die russischen Marxist*innen die Niederlage der zaristischen Autokratie das günstigste Ergebnis des imperialistischen Krieges wäre, und als Lenin die Parole des „Bürger*innenkriegs“ ausgab. Die Sekten haben jedoch Lenins Parole von 1914 aufgegriffen, ohne sich die Mühe zu machen, die Umstände zu untersuchen und ohne Lenins Denken zu verstehen.
Jede Situation muss konkret analysiert werden, und es gibt enorme Unterschiede zwischen dem imperialistischen Krieg von 1914-18 und dem aktuellen bewaffneten Konflikt zwischen Großbritannien und Argentinien. Aber die Sekten haben nicht einmal die Position Lenins von 1914-18 verstanden. Würden wir ihre Sichtweise akzeptieren, würde der führende Vertreter der russischen Revolution nur als ein dogmatischer Narr erscheinen. In einer Diskussion auf dem dritten Kongress der Kommunistischen Internationale 1921 erklärt Lenin als Antwort auf ultralinke Ideen, die von einigen deutschen Kommunisten vorgebracht wurden, seine Taktik während des Krieges. „Am Anfang des Krieges hatten wir Bolschewiki nur eine Losung: Bürgerkrieg – und zwar unerbittlich. […] Aber als wir im März 1917 nach Russland zurückkamen, da trat in unserer Haltung eine vollständige Änderung ein.“. Zu Beginn des Krieges, erklärte Lenin, war es aufgrund des tiefen Verrats durch die führenden sozialdemokratischen und Labour-Vertreter*innen die sich patriotisch hinter ihre eigenen Kapitalist*innen stellten, notwendig, die fortgeschrittenen Arbeiter*innenschichten gegen patriotische, kapitalistische „Vaterlandsverteidigung“ zu impfen. Es galt, „einen klaren, entschlossenen Kern zu bilden“.
Jedoch 1917 lehnte Lenin die Losung des Bürger*innenkriegs und einen sofortigen Schritt zum Sturz der Provisorischen Regierung Kerenskis ab. „Die spätere Haltung war auch richtig, da galt es, die Massen zu gewinnen“. 1917 mussten die Bolschewiki die „ehrliche Vaterlandsverteidigung“ der Arbeiter*innen und Bäuer*innen berücksichtigen, keine Unterstützung für die russische herrschende Klasse, sondern die Solidarität mit ihren Klassengeschwistern in der Armee und die Verteidigung eines Heimatlandes, das mit den Interessen der einfachen Arbeiter*innen und Bäuer*innen identifiziert wurde.
Lenin gab die Opposition gegen den imperialistischen Krieg nicht einen Moment lang auf. Die Bolschewiki lehnten die neue Offensive von 1917 ab, als die russischen Armeen unter der Leitung der Provisorischen Regierung die Kriegsanstrengungen im Namen der herrschenden Klasse wieder aufnahmen. Doch plumpe Antikriegsparolen und der Aufruf zum Bürger*innenkrieg hätten nicht die Unterstützung einer Mehrheit der Arbeiter*innen gewinnen können.
Lenin zweifelte nicht einen Moment an der Notwendigkeit, die provisorische Regierung zu stürzen, die nicht in der Lage war, den Krieg zu beenden, und die, trotz Abhängigkeit von der Unterstützung durch die Arbeiter*innensowjets, versuchte, die Herrschaft der Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen zu retten. Aber wenn die Bolschewiki nicht versuchen wollten, die Provisorische Regierung durch die Aktion nur einer Minderheit der Arbeiter*innenklasse zu stürzen – eine Idee, die Lenin als „blanquistisch“ (putschistisch)12 ablehnte -, mussten sie eine Kampagne für die Gewinnung der Mehrheit der Arbeiter*innenklasse machen. Würden die Sekten von heute sagen, dass Lenin „opportunistisch“ war?
Die Oktoberrevolution, die die Provisorische Regierung stürzte und die Macht in die Hände der Arbeiter*innen- und Bäuer*innensowjets legte, bewies die Richtigkeit von Lenins Strategie und Taktik. Als er 1921 gegen ultralinke Ideen argumentierte, sagte Lenin: „Unsere einzige Strategie jetzt ist, mächtiger zu werden und darum klüger, mäßiger, ,opportunistischer’“. Lenin verwendete den Begriff „opportunistisch“ ironisch, um seine Ablehnung einer ultralinken Herangehensweise zu unterstreichen, der auf der mechanischen Wiederholung „linker“ Parolen ohne Rücksicht auf ihre Wirkung auf die Mehrheit der Arbeiter*innen beruht. Lenins Rede zu dieser Frage ist in seinen Collected Works, Band 42, S. 324-328, abgedruckt [auf Deutsch in Lenin Werke, Ergänzungsband 2, Berlin 1971, S. 332-336, „Reden auf der Beratung der Mitglieder der deutschen, polnischen, tschechoslowakischen, ungarischen und italienischen Delegation“ – d. Übers.].
Trotzkis Haltung
Auch Leo Trotzki befasste sich mit den Marxist*innen, die am Vorabend des Zweiten Weltkriegs die Leninschen Losungen von 1914 wiederholen wollten. Der Zweite Weltkrieg, erklärte Trotzki, sei eine Fortsetzung des ersten imperialistischen Weltkriegs – aber keine Wiederholung. Ähnlich waren die Losungen der Marxist*innen eine Fortsetzung, aber keine Wiederholung. Sie mussten in Bezug auf die konkrete Lage des Zweiten Weltkriegs ausgearbeitet und vertieft werden. Trotzki erklärte dies in seinem Artikel „Bonapartismus, Faschismus und Krieg“ (Writings 1939-40, S. 411 [auf Deutsch in Schriften über Deutschland, Band 2, Frankfurt am Main 1971, S. 732-741 – d. Übers.]).
„Während des letzten Krieges war nicht nur das Proletariat als Ganzes, sondern auch seine Avantgarde und – in gewissem Sinne – die Avantgarde dieser Avantgarde unvorbereitet. Die Ausarbeitung der Prinzipien einer revolutionären Politik gegenüber dem Kriege begann zu einer Zeit, als der Krieg schon voll entbrannt war und der Militärapparat unumschränkte Herrschaft ausübte. Ein Jahr nach Kriegsausbruch war die kleine revolutionäre Minderheit noch gezwungen, sich auf der Zimmerwalder Konferenz [dem Treffen der Internationalist*innen in der Schweiz 1915 – Anm. d. Red.] einer zentristischen Mehrheit anzupassen.
Vor und selbst nach der Februarrevolution fühlten sich die revolutionären Elemente nicht als Kämpfer um die Macht, sondern nur als extreme linke Opposition. Selbst Lenin verlegte die sozialistische Revolution in eine mehr oder weniger entfernte Zukunft. […] Wenn Lenin die Situation so einschätzte, braucht man von den anderen gar nicht erst zu reden.
Diese politische Haltung der extremen Linken kam besonders deutlich in der Frage der Vaterlandsverteidigung zum Ausdruck.
1915 erwähnte Lenin in seinen Schriften revolutionäre Kriege, die das Proletariat zu führen haben würde. Aber das war ein Problem in unbestimmter historischer Perspektive, nicht eine Aufgabe für morgen. Die Aufmerksamkeit des revolutionären Flügels war auf die Frage der Verteidigung des kapitalistischenVaterlands konzentriert. Natürlich beantworteten die Revolutionäre diese Frage negativ. Das war völlig richtig. Diese rein negative Antwort diente als Grundlage für die Propaganda und die Erziehung der Kader, aber sie konnte die Massen, die keinen fremden Eroberer wollten, nicht überzeugen.
Vor dem Krieg stellten die Bolschewiki in Russland vier Fünftel der proletarischen Avantgarde – der Arbeiter, die am politischen Leben (Zeitungen, Wahlen usw.) teilnahmen. Nach der Februarrevolution ging die unumschränkte Herrschaft in die Hände der Vaterlandsverteidiger, der Menschewiki und Sozialrevolutionäre [die sich auf das Bäuer*innentum stützten – Hg.] über. Zwar eroberten die Bolschewiki binnen acht Monaten die überwältigende Mehrheit der Arbeiter, aber entscheidend dafür war nicht die Weigerung, das Bourgeois-Vaterland zu verteidigen, sondern die Losung „Alle Macht den Räten!“ – und nur diese revolutionäre Parole. Die Kritik am Imperialismus, am Militarismus, die Weigerung, die bürgerliche Demokratie zu verteidigen usw. – das hätte niemals die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf die Seite der Bolschewiki gebracht…“ [Unsere Hervorhebung hinzugefügt – Hg.]
Absurde Positionen
Doch die ultralinken Sekten von heute, die entschlossen sind, ihre unnachgiebige „marxistische“ Herangehensweise zu demonstrieren, fahren fort, Parolen zu verbreiten, die auf ihrer falschen Auffassung von „Defätismus“ basieren. Selbst sie – so verwirrt sie sind – behaupten nicht, dass sie die Unterstützung einer Mehrheit der Arbeiter*innenklasse haben. Aber wie glauben sie, eine Mehrheit gegen die Kriegsziele des britischen Kapitalismus gewinnen zu können, um die Tories zu zwingen, ihr militärisches Abenteuer aufzugeben? Anscheinend glauben sie, dass dies durch die Unterstützung der Junta erreicht werden kann, obwohl die meisten Arbeiter*innen einen instinktiven Hass auf das, was sie als „faschistisches“ Regime ansehen, und einen verständlichen Wunsch haben, es besiegt zu sehen. Die Tories beuten natürlich zynisch die antifaschistischen Gefühle der Arbeiter*innen aus, aber mit einer Unterstützung für die Junta wären die Marxist*innen in den Augen der Arbeiter*innen jenseits von gut und böse, so dass die Tories heuchlerisch freie Hand hätten, aus dem „Kampf gegen den Faschismus“ Kapital schlagen können.
Die Pseudomarxist*innen glauben anscheinend auch, dass die Unterstützung für eine sozialistische Opposition gegen den Krieg durch eine Politik gewonnen werden kann, die die Falkland-Inselbewohner*innen der zarten Milde der Junta überlässt und ihre Rechte zugunsten des legalistischen Anspruchs der Junta auf das Land unter ihren Füßen aufgibt.
Die monströseste Absurdität der Position der Sekten ist jedoch die Vorstellung, dass die Arbeiter*innen für eine sozialistische Position gewonnen werden können, indem sie die Niederlage der Einsatztruppe fordern, indem sie wörtlich – wie Vertreter der Sekten öffentlich erklärt haben – „die Versenkung der Flotte“ fordern! Sie sind für das Abschlachten von Arbeiter*innen in den Mannschaften der Marine und der Armee, und auf dieser Grundlage werden sie die Massenunterstützung der Arbeiter*innenklasse gewinnen! Dies ist eine Travestie des Marxismus, die, sofern sie überhaupt eine Wirkung hat, nur den Tories und der Labour-Rechten in die Hände spielen kann und ihnen erlaubt, „Marxist*innen“ als Idiot*innen darzustellen, die die argentinische Junta unterstützen.
Das ist jedoch noch nicht alles. Die Sekten begnügen sich nicht damit, Lenin zu entstellen, sondern zerren auch Trotzki herbei, um ihre lächerliche Position zu unterstützen. Hat Trotzki nicht kurz vor dem Zweiten Weltkrieg gesagt – so argumentieren die Sekten -, dass er im Falle eines Krieges zwischen Großbritannien und Brasilien „auf der Seite des „faschistischen“ Brasilien gegen das „demokratische“ Großbritannien stehen“ werde. Trotzki machte diese Bemerkung 1938 in einem Interview mit Mateo Fossa, dem führenden Vertreter von Trotzkis Anhänger*innen in (zufällig) Argentinien. (Das Interview ist veröffentlicht in Writings of Leon Trotsky, 1938-39, S. 31-36 [hier übersetzt nach dem russischen Originaltext – d. Übers.])
Wieder haben die Pseudomarxist*innen Trotzkis Äußerungen völlig aus dem Zusammenhang gerissen, ohne die Situation oder Trotzkis Argumentation zu analysieren. Er befasste sich offensichtlich mit einem hypothetischen Fall. Aber er formulierte seine Position scharf, um der damals von der stalinistischen Führung der Komintern und der „kommunistischen“ Parteien der Welt verbreiteten Idee entgegenzutreten, dass der Kampf der „Demokratie“ gegen den „Faschismus“ Vorrang vor einem revolutionären Kampf gegen den Imperialismus haben sollte. Im Interesse der diplomatischen Abkommen der russischen Bürokratie mit den herrschenden Klassen der kapitalistischen Demokratien wurde der revolutionäre Kampf auf internationaler Ebene auf unbestimmte Zeit verschoben.
Trotzki erklärte, dass die Kapitalist*innenklasse im kommenden Weltkrieg – den er seit Mitte der 1930er Jahre klar vorhersagte – angesichts einer verschärften Krise und einer zunehmenden Opposition gegen ihre Herrschaft leicht ihre demokratische Maske ablegen und zu totalitären, faschistischen Herrschaftsformen greifen könnte. Andererseits könnte der Krieg in kolonialen oder halbkolonialen Ländern revolutionäre Bewegungen der Arbeiter*innen und der ausgebeuteten Bäuer*innenschaft anregen, die faschistische Regime stürzen könnten.
Im Falle eines Krieges zwischen Großbritannien und Brasilien: „Wenn England gewinnt, wird es in Rio de Janeiro einen weiteren Faschisten einpflanzen und Brasilien doppelte Ketten auferlegen. Im Gegenteil, wenn Brasilien gewinnt, wird es dem nationalen und demokratischen Bewusstsein des Landes einen starken Impuls geben und zum Sturz der Diktatur Vargas führen. Die Niederlage Englands würde gleichzeitig dem britischen Imperialismus einen Schlag versetzen und der revolutionären Bewegung des britischen Proletariats Auftrieb geben“. (S. 34) Selbst in diesem hypothetischen Fall analysierte Trotzki klar die wahrscheinlichen Prozesse und die alternativen Perspektiven, die sich eröffnen würden. Doch die pseudo-marxistischen Sekten, die heute mit einem realen Krieg im Südatlantik konfrontiert sind, sind nicht in der Lage, die tatsächlichen Klasseninteressen oder die damit verbundenen Prozesse zu analysieren.
Der argentinische Kapitalismus
Die Junta hat ihr Falkland-Abenteuer in der sozialen Krise gestartet, um den Druck einer drohenden Revolution abzuwenden. Sollte es ihnen gelingen, die Falklandinseln zu halten – was jetzt unwahrscheinlich erscheint -, könnte dies die Militärdiktatur vorübergehend stärken und die totalitäre Unterdrückung der argentinischen Arbeiter*innenklasse verlängern. Angesichts der Aussicht, gestürzt zu werden, hat die Junta durch ihre Militäraktion die Frage der Falklandinseln dramatisch in den Vordergrund gerückt, einen „nationalen Missstand“, der von den argentinischen Machthabern seit Generationen gepflegt wurde, um die Aufmerksamkeit des Volkes von den wirtschaftlichen und politischen Missständen im eigenen Land abzulenken.
Weit davon entfernt, das nationale und demokratische Bewusstsein des Landes zu wecken, hat die Einnahme der Falklandinseln es der Junta ermöglicht, die schlimmsten nationalistischen und patriotischen Vorurteile der Mittelschicht und von Teilen der Arbeiter*innen hochzupeitschen. Wäre es ein nationaler Krieg gegen den Versuch des britischen Imperialismus, Argentinien und sein Volk zu unterjochen – wie in Trotzkis theoretischem Beispiel -, wäre es ganz anders.
Marxist*innen haben immer nationale Kämpfe gegen den Imperialismus unterstützt. Trotzki befürwortete die Unterstützung Chinas gegen Japan (nach der Einnahme der Mandschurei 1931 und im Krieg, der 1937 ausbrach), selbst unter der bonapartistischen Führung Tschiang Kai-scheks. Ein nationaler Kampf erweckt trotz bürgerlicher Führung unweigerlich die Arbeiter*innenklasse und die ausgebeutete Bäuer*innenschaft.
In ähnlicher Weise unterstützte Trotzki 1935/36 Abessinien gegen das faschistische Italien. Eine Niederlage von Mussolinis Invasionsarmee hätte zum Sturz des faschistischen Regimes in Italien geführt. Dennoch hat Trotzki nie eine unkritische Unterstützung für bonapartistische, national-kapitalistische Führungen empfohlen. Er stand immer für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Im Zuge eines nationalen Kampfes sollten Marxist*innen eine radikale Landreform und die Verstaatlichung der Industrie und des Finanzwesens fordern, zusammen mit der Bildung von Sowjets und einem Kampf um die Übernahme der Macht in ihre Hände. Dies ist die einzige Grundlage, auf der eine echte Befreiung vom Imperialismus erreicht werden kann.
Aber der Krieg der argentinischen Junta um die Falklandinseln ist kein nationaler Befreiungskrieg gegen den Imperialismus. Im Gegenteil, mit der Inbesitznahme der Falklandinseln verfolgt die argentinische Junta imperialistische Ziele auf Seiten des argentinischen Kapitalismus.
Galtieri marschierte auf den Inseln aus politischen Gründen ein, um eine Revolution zu verhindern und sein Regime zu retten. Aber im Hintergrund sind die argentinischen Finanzier*innen und Kapitalist*innen, die unbedingt an den potenziellen Gewinnen aus dem antarktischen Öl und anderen Bodenschätzen teilhaben wollen. Eine derartige Erschließung der Antarktis fände allerdings mit ziemlicher Sicherheit in Zusammenarbeit mit den amerikanischen multinationalen Konzernen statt, für die die argentinischen Kapitalist*innen nur Juniorpartner*innen wären. Der argentinische Kapitalismus ist nach wie vor den internationalen Großkonzernen, insbesondere den amerikanischen, untergeordnet, wie seine massiven Auslandsschulden beweisen.
Dennoch hat der argentinische Kapitalismus in der vergangenen Periode des Weltwirtschaftsaufschwungs eine eigene halb-industrielle Basis entwickelt. Es ist absurd, den argentinischen Kapitalismus als einen völlig abhängigen, „Kompradoren“kapitalismus darzustellen, der von den Agent*innen des ausländischen Kapitals beherrscht wird. Dies ist die von einigen Sekten bei dem Versuch, Unterstützung für die Junta zu rechtfertigen, angebotene Analyse.
Ein paar entscheidende statistische Daten enthüllen die Absurdität dieser Position. Im Jahr 1979 machte die Industrie 45% des BSP aus gegenüber 13% für die Landwirtschaft (und 42% für Dienstleistungen). Industriegüter machen zwar nur 22,7% an den Exporten des Landes gegenüber 65,5% für Nahrungsmittel und Landwirtschaft, was die Schwäche der argentinischen Industrie auf den Weltmärkten widerspiegelt. Aber die städtische Bevölkerung macht heute über 82% der Gesamtbevölkerung aus. Neunundzwanzig Prozent der Erwerbsbevölkerung arbeiten in der Industrie, während es in der Landwirtschaft nur 14% sind (57% arbeiten im enormen Dienstleistungssektor). Mit anderen Worten: Argentinien weist trotz seiner fortgesetzten neokolonialistischen Unterwerfung unter das amerikanische, westeuropäische und japanische Großkapital alle Merkmale einer halb-industrialisierten kapitalistischen Wirtschaft auf.
Wäre eine argentinische Bevölkerung auf den Inseln, die gegen ihren Willen der britischen Herrschaft unterworfen ist, sähe die Situation anders aus. Dann wäre es vielleicht ein Fall von „nationaler Befreiung“ der Inseln. Aber das ist nicht der Fall. Abgesehen von ein oder zwei Argentinier*innen, die mit Inselbewohner*innen verheiratet sind, gab es seit 150 Jahren keine Argentinier*innen auf den Inseln.
Pseudo-Radikalismus
Argentinische Diktatoren folgen einem ausgetretenen Pfad. Mussolini zum Beispiel versuchte, nationalistische und reaktionäre Begeisterung für die „Irredenta“, das so genannte „unerlöste nationale Gebiet“, zu wecken, indem er die Rückgabe von Triest an Italien forderte. In ähnlicher Weise betrieb Hitler eine nationalistische Agitationskampagne für die Rückgabe des Saargebiets durch Frankreich und des Sudetenlands durch die Tschechoslowakei. In diesen Fällen hatte die Mehrheit der Bevölkerung jedoch sprachliche und kulturelle Bindungen. Im Saarland und im Sudetenland war die Mehrheit deutschsprachig. In diesen Fällen unterstützte Trotzki jedoch nicht den Anspruch des „faschistischen“ Deutschlands gegen das „demokratische“ Frankreich oder die „demokratische“ Tschechoslowakei.
Unter dem Versailler Vertrags, der auf die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg folgte, wurde das Saargebiet unter die Verwaltung des Völkerbunds gestellt (mit seinen wertvollen Kohleminen in den Händen Frankreichs). Gemäß dem Vertrag sollte 1935 eine Volksabstimmung darüber stattfinden, ob das Saarland autonom sein, unter französische Kontrolle kommen oder an Deutschland zurückgegeben werden sollte. Trotzkis Position war eindeutig: Trotz der historischen und kulturellen Verbundenheit der Saarbevölkerung mit Deutschland plädierte er dafür, dass die Marxist*innen die Autonomie fordern und die Eingliederung des Saarlandes in Deutschland bekämpfen und sich dagegen wehren sollten, dass die saarländische Bevölkerung unter die Ferse der Nazis gerate. Anfänglich befürwortete die stalinistische Führung der Kommunistischen Partei Deutschlands die Annexion durch Deutschland – eine Position, die Trotzki als „Feigheit des Scheinradikalismus“ anprangerte.
Als Antwort auf die Idee, dass der nationale Anspruch Deutschlands Vorrang vor den politischen Interessen der saarländischen Bevölkerung haben sollte, schrieb Trotzki: „Sich zu Hitlerdeutschland praktisch, d.h. durch Entscheid zu bekennen, heißt theoretisch gesprochen den nationalen Mystizismus über das Klasseninteresse stellen und psychologisch eine wirklich hündische Politik treiben.
Selbstverständlich können nur Verräter jetzt den Anschluss fordern, denn das heißt dem abstrakten nationalen Moment die konkreteste Lebensfrage der deutschen Arbeiter im Saargebiet opfern.“
Schließlich schaffte es Hitler, eine große Mehrheit für die Eingliederung in Deutschland zu gewinnen – ein Nazi-Erfolg, den Trotzki unverblümt dem Bankrott und der Feigheit der Führungen sowohl der Kommunistischen Partei als auch der Sozialdemokratie zuschrieb, die sich zwar für die Autonomie aussprachen, es aber nicht schafften, die saarländischen Arbeiter*innen für eine Politik des Widerstands gegen die Nazis zu gewinnen.
Der „abstrakte“ nationale Anspruch der Junta auf die Falklandinseln hat nicht einmal die – von Trotzki ohnehin zurückgewiesene – „Berechtigung“ einer argentinischen Bevölkerung auf den Inseln.
In der Position der ultralinken Sekten gibt es nicht ein Körnchen echten Marxismus. Sie haben die Junta unterstützt. Sie sind gleichgültig gegenüber den Rechten der der Falkland-Inselbewohner*innen. Sie sind gleichgültig gegenüber dem Schicksal der Arbeiter*innen in den Reihen der britischen Streitkräfte und begrüßen sogar deren Niederlage gegen die Junta. Diese Position wird es nicht nur nicht schaffen, Unterstützung der Arbeiter*innen gewinnen, sondern sie wird den Tories und dem britischen Kapitalismus in die Hände spielen.
Nur eine Kampagne, die auf einer klaren, konkreten Analyse aller in der Falklandkrise involvierten Faktoren und auf der Grundlage der von uns skizzierten klaren Politik beruht, wird wirksam den Widerstand gegen die Tories und den britischen Imperialismus mobilisieren können.
1 Nach der Kapitulation der argentinischen Streitkräfte am 14. Juni 1983 wurde Galtieri durch Massenproteste zum Rücktritt gezwungen. Die Wahlen von 1983 gewann der Radikale Raúl Alfonsín, der den peronistischen Kandidaten besiegte und versprach, die Macht des Militärs zu beschneiden.
2 1976 ergriff eine Militärjunta unter der Führung General Jorge Videlas die Macht. Videla wurde von General Roberto Viola abgelöst, der wiederum von General Leopoldo Galtieri verdrängt wurde, der eine nationalistische Außenpolitik befürwortete.
3 Kurz nachdem sie 1979 Premierministerin geworden war, billigte Margaret Thatcher einen von ihrem Außenminister Nicholas Ridley ausgearbeiteten Plan zur Aufnahme von Verhandlungen mit Argentinien. Der Vorschlag war, dass Argentinien die Souveränität über die Falklandinseln/Malwinen unter der Bedingung zugestanden würde, dass die Inseln sofort und langfristig an Großbritannien zurück verpachtet würden. Dies stieß auf einen Sturm von Opposition rechter Tory-Abgeordneter und wurde schließlich aufgegeben. Im Juni 1981 umfasste die Ankündigung einer Runde von Kürzungen im Verteidigungsbereich den Abzug des Marinevermessungsschiffs Endurance aus dem Südatlantik.
4 Präsident Ronald Reagan, rechter republikanischer Präsident der USA, 1981-89.
5 Alexander Haig, Reagans Außenminister, der durch Pendeldiplomatie versuchte, ein Friedensabkommen zwischen der Thatcher-Regierung und der Galtieri-Junta zu vermitteln.
6 Die argentinische Junta unterstützte den bolivianischen Putsch von 1981 und die vom Militär unterstützten Regierungen von Paraguay und Uruguay. Die USA präparierten das argentinische Militär auch dafür, eine Rolle bei der „Aufstandsbekämpfung“ in Zentralamerika zu spielen, unter anderem gegen das sandinistische Regime in Nicaragua und die oppositionellen Kräfte der FMLN (National Befreiungsfront Farabundo Marti) im Bürger*innenkrieg in El Salvador. (Siehe: Lynn Walsh, US Latin America Policy Goes Up in Smoke [Die US-Lateinamerikapolitik löst sich in Rauch auf], Militant, 28. Mai 1982)
7 Ein Professor für internationale Beziehungen an der London School of Economics und der Universität Oxford.
8 Die Ankündigung des Abzugs des britischen Marineschiffs Endurance im Juni 1981 schien Buenos Aires zu signalisieren, dass Großbritannien sich nicht mehr für die Verteidigung der Falklandinseln/Malwinen engagieren würde. Als argentinische Schrotthändler*innen am 19. März 1982 mit einer kleinen argentinischen Marineeinheit auf der Insel Südgeorgien landeten, protestierte die Thatcher-Regierung in Buenos Aires, ergriff aber keine Maßnahmen. Dies stand im Kontrast zur sofortigen Entsendung einer kleinen Marine-Einsatztruppe durch die Labour-Regierung unter James Callaghan 1977, als eine Gruppe argentinischer „Wissenschaftler*innen“ auf den Südlichen Thule-Inseln landete. Später katalogisierte der Franks-Ausschuss eine ganze Reihe von Schnitzern, folgerte aber in typischer offizieller Beschönigung, dass niemand in der britischen Regierung für die argentinische Invasion – und den Krieg – verantwortlich gemacht werden könne.
9 Um die öffentliche Meinung in Großbritannien und auf internationaler Ebene zu beschwichtigen, stimmte die Thatcher-Regierung einer Reihe von Friedensinitiativen zu, wobei sie damit rechnete, dass die Galtieri-Junta diese nicht akzeptieren würde. Mit der Versenkung des in die Jahre gekommenen argentinischen Schlachtschiffs General Belgrano, das vor den Falklandinseln und den britischen Seestreitkräften wegfuhr, durch ein britisches Atom-U-Boot waren weitere Friedensgespräche jedoch praktisch ausgeschlossen. Diese grässliche Aktion, bei der 368 argentinische Seeleute ertranken, wurde von Thatcher persönlich angeordnet.
10 Die Art und Weise, wie unsere Forderungen in diesem Abschnitt formuliert sind, spiegelt die Tatsache wider, dass Militant zu dieser Zeit eine marxistische Strömung in der Labour Party war, die wir immer noch als eine bürgerliche Arbeiter*innenpartei charakterisierten (mit bürgerlicher Führung, aber mit Arbeiter*innen in ihren Mitgliedschaft und mit Arbeiter*innen-Massenunterstützung), obwohl sich die Führung zu dieser Zeit schnell nach rechts bewegte (und eine Offensive durchführte, um die Marxist*innen aus der Partei zu vertreiben). Die „Rückkehr einer Labour-Regierung zur Umsetzung sozialistischer Politik“ beruhte auf der Idee einer Umgestaltung der Partei von unten auf der Grundlage einer Massenmobilisierung der Arbeiter*innenklasse und der Annahme eines sozialistischen Programms. Tatsächlich verstärkte Thatchers Falkland-Sieg, der von der Labour-Führung unterstützt wurde, ihre Angriffe auf die britischen Arbeiter*innen (z. B. die Niederschlagung des Bergarbeiter*innenstreiks 1984/85), was wiederum die Umwandlung der Labour Party in eine kapitalistische Partei beschleunigte. Militant wurde 1992 zu Militant Labour, trat unter eigenem Namen zu Wahlen an und gründete 1997 die Socialist Party.
11 Im Rückblick mag die Forderung nach einer „Sozialistischen Föderation von Großbritannien und Argentinien“ etwas abstrakt erscheinen. Vor dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten gab es zwar enge wirtschaftliche, militärische und politische Verbindungen zwischen Kuba und der Sowjetunion, jedoch keine formale föderale Struktur. Heute gibt es Vorschläge für engere Verbindungen zwischen Venezuela und Kuba. Im Falle von Verbindungen zwischen Ländern auf verschiedenen Kontinenten mag die Forderung nach einer „Sozialistischen Allianz“ angemessener sein. Zur Zeit des Falkland-/Malwinen-Krieges hatten wir keinen Kontakt zu Marxist*innen in Argentinien, und es war daher unvermeidlich, dass unser Programm zur Beendigung des Krieges und zur Umgestaltung sowohl Großbritanniens als auch Argentiniens im Interesse der Arbeiter*innenklasse einen allgemeinen Charakter hatte. Ein konkreteres Programm, insbesondere in Bezug auf Argentinien, hätte nur durch die Zusammenarbeit zwischen marxistischen Kräften in Großbritannien und Argentinien ausgearbeitet werden können.
12 August Blanqui (1805-81) war ein französischer Sozialist, der eine Revolution durch einen Aufstand befürwortete, der im Geheimen von einer hingebungsvollen Gruppe von Revolutionär*innen organisiert wurde.
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