[eigene Übersetzung des Textes auf der CWI-Website am 18. Juli 2008]
Die Bush-Regime taumelt vom Neoliberalismus zur staatlichen Intervention
Lynn Walsh, Herausgeber von Socialism Today (Monatszeitschrift der Socialist Party England and Wales – CWI)
Fannie Mae und Freddie Mac, die Zwillingssäulen der US-Immobilienfinanzierung, sind in eine Krise gestürzt. Nur drei Monate nach der Kernschmelze und Rettung von Bear Stearns waren das US-Finanzministerium und die Federal Reserve erneut gezwungen, mit Notfallmaßnahmen einzugreifen, um einen möglichen Zusammenbruch des globalen Finanzsystems zu verhindern.
Sowohl US-Banken als auch ausländische Investor*innen, einschließlich Zentralbanken, halten Milliarden von Dollar an hypothekenbesicherten Wertpapieren, die von Fannie Mae und Freddie Mac (die offiziellen Abkürzungen für die 1938 gegründete Federal National Mortgage Association [Föderale Nationale Hypothekenvereinigung] und die 1970 gegründete Federal Home Loan Mortgage Corporation [Bundeswohnungskredithypothekenkonzern]) ausgegeben oder garantiert wurden. Ein Wertzusammenbruch dieser Wertpapiere im Gesamtwert von rund 5 Billionen Dollar hätte katastrophale Folgen für die kapitalistische Weltwirtschaft.
Das Fannie/Freddie-Debakel ist eine weitere bedrohliche Wendung in der Krise des Kernbankensystems. Diese Entwicklung widerspricht der jüngsten optimistischen Behauptung des IWF, dass sich die Kreditklemme lockere und das weltweite Wirtschaftswachstum kurz vor einer Erholung stehe. Die Kreditklemme ist bei weitem nicht vorbei, und die US-Immobilienkrise verschärft sich weiter. Die Vergabe von Hypothekenkrediten durch Geschäftsbanken ist fast ausgetrocknet. Fannie/Freddie halten mittlerweile fast die Hälfte der gesamten US-Hypotheken in Höhe von 12 Billionen Dollar und finanzieren derzeit zwischen 60% und 80% der neuen Hypotheken für Einfamilienhäuser.
Dies hat unter Investor*innen Befürchtungen aufsteigen lassen, dass die beiden quasi-öffentlichen oder pseudo-privaten Institutionen trotz impliziter staatlicher Unterstützung im Verhältnis zu ihrer relativ kleinen Kapitalbasis überdehnt seien. Im März dieses Jahres hatten Fannie und Freddie eine Kapitalbasis von 81 Milliarden Dollar gegenüber Krediten und Kreditgarantien von 5,3 Billionen Dollar.
Solche Befürchtungen wurden durch die steigende Zahl von Zahlungsausfällen im Prime-Hypothekenbereich, in dem Fannie und Freddie tätig sind, noch verstärkt. Wie bei der Subprime-Krise könnte eine Lawine von Zahlungsausfällen und Zwangsvollstreckungen einen Wertzusammenbruch der von den beiden Institutionen garantierten hypothekenbesicherten Wertpapiere auslösen. Ohne ausreichende Kapitalreserven könnten diese riesigen Gläubiger*innen insolvent werden, mit kaskadenartigen Auswirkungen im gesamten System.
Wie die Bear-Stearns-Krise ist auch die Fannie/Freddie-Krise ein verheerender Schlag für den US-Kapitalismus und das Prestige der freien Marktwirtschaft. Eine Schlagzeile in der „International Herald Tribune“ (14. Juli) lautete: „US Lending Crisis Creates New Reality – Government belief in market’s power replaced by drive to salvage economy” [US-Kreditkrise schafft neue Realität – Der Glaube der Regierung an die Macht des Marktes wird durch den Drang ersetzt, die Wirtschaft zu retten.“
Eine Journalistin fasste die Verzweiflung vieler Kommentator*innen in der Großkonzernpresse zusammen: „Es ist in der Tat entmutigend zu sehen, wie das US-Finanzsystem, das die Welt angeblich beneidet, in die Knie gezwungen wird. Aber genau das ist es, was wir derzeit erleben, verursacht durch schlafwandelnde Regulierungsbehörden, gierige Bankmanager und inkompetente Konzerndirektoren. So sollte die ‚Eigentumsgesellschaft‘ eigentlich nicht funktionieren.“ (Gretchen Morgenson, The Mortgage Lender Illusion [Die Hypothekenverleiherillusion], „International Herald Tribune“, 13. Juli)
Wie bei Bear Stearns war der Staat gezwungen, einzugreifen und praktisch unbegrenzte Mittel zu versprechen, um den Zusammenbruch dieser Schlüssel-Finanzinstitutionen zu verhindern. Dieser Fall, der untrennbar mit der US-Immobiliensituation verbunden ist, ist jedoch problematischer als Bear Stearns.
Fannies und Freddies staatliche Rettung ist ebenso wie Bear Stearns‘ staatlich geförderte Rettung eine bedeutende Kehrtwende gegenüber der neoliberalen Herangehensweise, die die USA und andere kapitalistische Regierungen während der letzten dreißig Jahren verstärkter Globalisierung verfolgt haben. Angesichts der Aussicht auf einen katastrophalen Zusammenbruch des Finanzsystems, der zweifellos einen tiefen Einbruch der Realwirtschaft zur Folge hätte, war selbst die ultra-freier-Markt-fundamentalistische Bush-Regierung gezwungen, einzugreifen – im breiteren Interesse der Erhaltung des Kapitalismus. Dies bestätigt die auf dem Höhepunkt der Globalisierungsphase in den 1990er Jahren gemachte theoretische Prognose des CWI, dass neoliberale Trends irgendwann an ihre Grenzen stoßen und sich umkehren würden. Dieser Prozess beginnt sich nun zu entfalten. Obendrein wird das Verpuffen der „Magie des Marktes“ in den nächsten Jahren zu einer tiefgreifenden politischen Reaktion gegen den krisengeschüttelten Kapitalismus führen.
Was löste Fannies und Freddies Fall aus?
Ausgelöst wurde die Krise von einem Bericht, dass Fannie und Freddie möglicherweise zusätzliche 75 Milliarden Dollar Kapital benötigen würden, um ihre Reserven zu stärken und sich gegen potenzielle Verluste aus Wohnungsbaukrediten abzupolstern. Die Erklärung von Finanzminister Henry Paulson, dass es „kein Problem” gebe, konnte das Debakel nicht abwenden. Aktionär*innen Fannies und Freddies befürchteten, dass sie wie vor ihnen Aktionär*innen von Bear Stearns Verluste erleiden würden. Wenn die Regierung neu ausgegebene Aktien kaufen würde, würde dies den Wert der bestehenden Aktien verwässern. Wenn die Regierung noch weiter gehen und die Leitung der beiden Institutionen effektiv übernehmen würde, könnten die bestehenden Aktionär*innen alles verlieren. Es ist daher nicht überraschend, dass es einen Massen-Ausverkauf gab, auch durch große Finanzinstitutionen, die erhebliche Anteile an Fannie/Freddie-Aktien hielten.
Am Freitag, 11. Juli, fielen die Fannie-Aktien um 45% und die Freddie-Aktien um 47% (was den Fall gegenüber den Höchstständen des letzten Jahres auf 88% bzw. 85% bringt). Finanziers der Wall Street und ausländische Zentralbanken warnten die US-Regierung, dass der Zusammenbruch der Aktienkurse einen Panikverkauf von hypothekenbesicherten Wertpapieren auslösen könnte, die von Fannie und Freddie ausgegeben oder garantiert wurden.
Wie schon bei der Bear-Stearns-Krise verbrachten Paulson, Ben Bernanke (Vorsitzender der Federal Reserve) und andere Beamt*innen von Finanzministerium und Federal Reserve zusammen mit Vorständen Fannies und Freddies das Wochenende damit, ein Notfallrettungspaket auszuarbeiten.
Am Sonntag, 13. Juli, bevor die asiatischen Märkte am Montagmorgen wieder öffneten, kündigte Paulson an, dass die US-Regierung für jede notwendige Unterstützung sorgen würde, um Fannie und Freddie zu stabilisieren. Paulson würde die Zustimmung des Kongresses einholen, um neue Kredite verfügbar zu machen und auch dafür, die Regierung Anteile an Fannie und Freddie kaufen zu können. Gleichzeitig würde die Federal Reserve den beiden Instituten sofort erlauben, Geld zu den gleichen Bedingungen wie Geschäftsbanken, Investmentbanken und primäre Anleihehändler*innen zu leihen.
Diese Garantien machten die implizite Garantie, die die meisten Investor*innen immer angenommen hatten, explizit. Die von Paulson angekündigten Maßnahmen laufen faktisch auf eine massive, unbefristete Verpflichtung der US-Regierung hinaus, diese in Schwierigkeiten geratenen Institutionen zu stützen.
Die Versprechen schienen zu funktionieren. Am Montag, 14. Juli, konnte Fannie Mae erfolgreich kurzfristige Schuldtitel im Wert von 3 Milliarden Dollar versteigern. Da sie nun von der US-Regierung garantiert wurden, gab es einen Ansturm von Investor*innen, die diese „sicheren” Hypothekenanleihen kaufen wollten.
Die von Paulson vorgeschlagenen Notmaßnahmen werden jedoch keine langfristige Lösung bieten (selbst wenn sie vom Kongress gebilligt werden). Die Stabilisierung Fannies und Freddies mag an sich keine so schwierige Aufgabe sein. Beide haben riesige Kreditportfolios und könnten mit zusätzlichem Kapital von der Regierung die Einnahmen aus diesen Hypotheken (rund 10 Milliarden Dollar pro Monat) nutzen, um mögliche Verluste in den kommenden Monaten zu decken. Aber Einsparungen in solchem Ausmaß würden den Zufluss von Hypothekenfinanzierungen in den Immobilienmarkt drastisch verringern und die ohnehin schon tiefe Krise noch verschärfen.
Fannies und Freddies Rolle
Historisch war die Aufgabe Fannie Maes (gegründet in der Periode des New Deal) und Freddie Mac (gegründet in jüngerer Zeit), das Geld an Hypothekengläubiger*innen fließen zu lassen, um den Erwerb von Wohneigentum zu fördern. Sie machen das, indem sie Hypotheken von den ursprünglichen Gläubiger*innen kaufen und sie zu Wertpapieren bündeln, die sie an andere Investor*innen verkaufen, wobei sie den Investor*innen die Zahlung garantieren, falls die Schuldner*innen in Zahlungsverzug geraten. Dies ermöglicht den Primärgläubiger*innen, mehr Hypotheken verkaufen.
Ihr Erfolg entstand aus ihrem besonderen, hybriden Status als „staatlich geförderte Unternehmen” (GSEs). Da sie als implizit von der US-Regierung unterstützt gesehen wurden, konnten Fannie und Freddie günstig Kapital beschaffen. Gleichzeitig sind sie rechtlich Eigentum privater Aktionär*innen, die (zusammen mit den Top-Vorständen) enorme Profite mit ihren Geschäften machten.
Fundamentalist*innen des freien Marktes beschwerten sich seit langem über die privilegierte Stellung Fannies und Freddies. Die staatliche Unterstützung, so sagen sie, gab ihnen einen unfairen Vorteil auf den Kreditmärkten. Im Vergleich zu Geschäftsbanken wären sie nur minimalen Regulierungen unterworfen. Und sie profitierten von niedrigen Bundes- und Bundesstaatssteuern.
Während Clintons Präsidentschaft versuchte das Finanzministerium, Fannie und Freddie zu zügeln. Die beiden Institutionen wehrten sich jedoch erfolgreich gegen die Versuche, strengere Regulierungen und eine Erhöhung der Kapitalreserveanforderungen durchzusetzen. Sie machten intensive Lobbyarbeit im Kongress. Riesige Geldsummen wurden in die Wahlkampfkassen von Schlüssel-Ausschussmitgliedern geleitet. Im Jahr 2006 wurde Freddie Mac wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz mit einer Geldstrafe von 3,8 Millionen Dollar belegt. Zur gleichen Zeit gab es einen Bilanzskandal bei Fannie Mae, der nachgewiesen wurde, ihre Profite um 6,3 Milliarden Dollar aufgebläht zu haben, um die Boni der Vorstände in die Höhe zu treiben.
Das „Wall Street Journal“ fasst es recht gut zusammen: „Die politische Klasse in Washington hat diese Finanzbestien jahrzehntelang gefördert und subventioniert, um im Gegenzug Wahlkampfgelder und Lobbyunterstützung zu erhalten. Auch die Wall Street und die Bauunternehmen profitierten von den subventionierten Geschäften und bedankten sich beim Kongress mit Barzahlung bei Abholung.“ (Leitartikel, Fannie Mae Ugly [Fannie Mae Hässlich], 14. Juli) Viele Politiker*innen der Großunternehmen, sowohl Demokrat*innen als auch Republikaner*innen, verteidigten Fannie und Freddie jedoch mit dem Argument, dass sie das Angebot an relativ günstigen Hypotheken für Familien der „Mittelschicht“ erweitert hätten. Schritte gegen die Zwillingssäulen der Immobilienfinanzierung würden keine Wähler*innenstimmen bringen.
Heute sind die Ideolog*innen des freien Marktes voller Verachtung für die staatlich geförderten Unternehmen. Jetzt lehnen sie Fannie und Freddie als illegitime „sozialistische“ Institutionen ab, als Makel des wahren Kapitalismus des freien Markts. Aber wie ein Kommentator hervorhebt, ist dies eine ironische Wendung der Ereignisse. Fannie und Freddie lieferten das Modell für die exotischen Finanzinstrumente, die in den letzten Jahren von den Spekulant*innen des ultra-freien Marktes rücksichtslos entwickelt wurden.
„Fannie und Freddie waren die Erfinderinnen der hypothekenbesicherten Wertpapiere, einer Hauptursache der Immobilienblase und der darauf folgende Deflation. Dafür bekamen sie Beifall: Jahrelang galt die Zerlegung und der Weiterverkauf von Hypotheken als etwas Gutes, als das Geheimnis des Erfolgs des US-Marktes.” (Clive Crook, „Guarantees for Americas Guarantors“ [Garantien für Amerikas Garanten], „Financial Times“, 13. Juli) Fannie und Freddie trugen ihren Teil dazu bei, die beispiellose Immobilienblase der letzten Jahre aufzublähen.
Obendrein machen die Investmentbanken riesige Profite aus den Gebühren, die sie für den Verkauf von Hypothekenschulden und Wertpapieren Fannies und Freddies erhalten: 953 Millionen Dollar im Jahr 2007 und 550 Millionen Dollar im bisherigen Verlauf dieses Jahres.
Das Dilemma der US-Regierung
Der hybride Charakter Fannies und Freddies – pseudo-privat, quasi-öffentlich – schafft ein großes Dilemma für die US-Regierung und die Großkonzerne im Allgemeinen. So sehr sie diese Konstellation auch ablehnen mögen, sind sie doch gezwungen, diese massiven Institutionen zu retten, die „zu groß zum Scheitern sind“. Als Paulson die Rettungspläne ankündigte, betonte er, dass sein „Hauptfokus auf der Unterstützung Fannie Maes und Freddie Macs in ihrer derzeitigen Form“ liege, also als Unternehmen im Besitz von Aktionär*innen. Paulson „sprach nicht von Verstaatlichung”.
Nichtsdestotrotz, so unangenehm sie den Befürworter*innen des freien Marktkapitalismus auch sein mag, eine massive staatliche Intervention könnte de facto zu einer Verstaatlichung führen. Wenn die Regierung Geld hineinpumpt, indem sie neu ausgegebene Fannie-Mae- und Freddie-Mac-Aktien kauft, werden die bestehenden Aktionär*innen durch die Verwässerung ihrer bestehenden Aktien Verluste erleiden. Wenn die Regierung Kapital durch massive staatliche Kredite (effektiv Subventionen, wie bei Bear Stearns) zuführt, würde die Bundesregierung effektiv zur Eigentümerin werden – und die Leitung der beiden Unternehmen übernehmen. Wieder würden die Aktionär*innen Verluste erleiden. Die Leitartikler*innen der wichtigsten Wirtschaftszeitungen erkennen in Wirklichkeit, dass Aktionär*innen letztlich entbehrlich sind und eine Rettung wahrscheinlich in einer staatlichen Kontrolle enden wird.
Pseudosozialismus
Das „Wall Street Journal“ beispielsweise forderte die Regierung auf, die Kapitalbasis Fannies und Freddies zu stärken: „Das Finanzministerium und der Kongress [sollten] jetzt mit einer öffentlichen Kapitalspritze einspringen, um den Unternehmen zu helfen, ihre Verluste zu überwinden.“ Die Regierung sollte Anteile an den Unternehmen kaufen, damit die Steuerzahler*innen nach Überwindung der Krise einen Ertrag erhalten.
„Wir sind nicht plötzlich Sozialisten geworden. Was die US-Steuerzahler verstehen müssen, ist, dass Fannie und Freddie bereits Sozialismus praktizieren, wenn auch auf unehrliche Weise. Ihre Profite werden privatisiert, aber ihre Risiko wird sozialisiert. Wir schlagen eine ehrlichere Form von Sozialismus vor, mit der Aussicht auf langfristige Reformen.“ Die Hypothekenportfolios Fannies und Freddies, sagen sie, sollten reduziert und schließlich aufgelöst werden. (Fannie Mae Ugly, „Wall Street Journal“, 14. Juli)
Die „Financial Times“ nimmt eine ähnliche Position ein und fordert „ein würdiges Begräbnis für Fannie Mae“. (Leitartikel, 14. Juli) Fannie Mae und Freddie Mac, so argumentieren sie, „könnten in kleine Teile zerlegt und privatisiert werden. Ein Restbetrag könnte vom Finanzministerium als kleines antizyklisches Instrument zur Sicherung der Hypothekenliquidität einbehalten werden [vermutlich staatlich subventionierte Hypotheken während einer Kreditklemme]. Dieser Prozess könnte eine Phase der Verstaatlichung beinhalten. Dies könnte bedeuten, dass die enormen Schulden der staatlich geförderten Unternehmen in die öffentliche Bilanz übernommen würden. Dies ist jedoch unwichtig. Es wäre eine kosmetische Veränderung; die Regierung unterstützt sie schon; es ist absurd, dass sie derzeit nicht in den Büchern stehen.
In der Praxis würde dies bedeuten, dass zu den bestehenden Staatsschulden in Höhe von 9 Billionen Dollar weitere 5 Billionen Dollar (die potenziellen Verbindlichkeiten Fannies und Freddies) hinzukämen.
Verstaatlichung – oder „Konservatorschaft”?
Die US-Regierung – und auch der Kongress – werden alles tun, um den Eindruck zu vermeiden, dass sie Fannie und Freddie verstaatlichen. Eine faktische Übernahme durch den Staat, sollte es so weit kommen, würde als „Konservatorschaft” dargestellt werden.
„Ein Plan zur Übernahme der Unternehmen existiert“, schreibt Clive Crook. „Anstatt sie zu verstaatlichen – was unamerikanisch wäre und mit Sozialismus verwechselt werden könnte –, würden sie unter ‚Konservatorschaft‘ gestellt. Das ist dasselbe, nur dass die Regierung so vorgeben könnte, dass die Verbindlichkeiten der GSEs auch dann nicht ihre eigenen wären.“ („Financial Times“, 13. Juli)
Dies würde auf der Feststellung durch die Aufsichtsbehörde beruhen, dass Fannie und Freddie „kritisch unterkapitalisiert“ seien und durch staatliche Investitionen „angemessen kapitalisiert“ werden müssten. Eine solche Maßnahme wäre natürlich nicht sozialistisch, sondern eine Intervention des Staates zur Wahrung breiterer kapitalistischer Interessen. Aber sie würde die Widersprüche und Grenzen der Marktkräfte aufzeigen.
Paulson hoffte, seine Vorschläge in ein paar Tagen durch den Kongress zu bringen, um ihm die Befugnis zu geben, unspezifische und unbegrenzte Kapitalbeträge in Fannie und Freddie zu pumpen. Viele im Kongress, sowohl Demokrat*innen als auch Republikaner*innen, sind jedoch nicht willens, Paulson einen Blankoscheck auszustellen. Es wird wahrscheinlich mehr Zeit brauchen, bis die Regierung das Gesetz durch kriegt, und es könnte beschränkter sein, als Paulson es anstrebt.
Die bisher von Paulson angekündigten Notfallmaßnahmen werden Fannie und Freddie nur stabilisieren, sie werden für sich genommen nicht den Geldfluss in den Hypothekenmarkt aufrechterhalten. „Wenn [die Regierung] will, dass von den Hypothekenriesen viele neue Kredite vergeben werden, muss sie entweder [Fannie und Freddie Subventionen geben] oder sie effektiv verstaatlichen und Steuergelder in das Hypothekensystem pumpen.“ (James Saft, What Next for Fannie and Freddie? [Was als nächstes für Fannie und Freddie?] „International Herald Tribune“, 15. Juli)
Die Immobilienkrise verschärft sich
Die Fannie/Freddie-Krise ist ein Symptom der sich verschärfenden Immobilienkrise mit einem Teufelskreis auf dem Immobilienmarkt. Seit dem Platzen der Blase gibt es ein massives Überangebot an Immobilien (im Verhältnis zur geldgestützten Nachfrage, nicht zum sozialen Bedarf). Preise fallen immer noch dramatisch. Gemessen nach den Case-Shiller-Index für 20 Großstädte fielen die Preise zwischen ihrem Höchststand im Jahr 2006 und April dieses Jahres nominal um 18% und real um 22%. Fallende Preise bedeuten, dass Hausbesitzer*innen sich keine Refinanzierung ihrer Hypotheken leisten können und viele nun eine negative Eigenkapitalquote haben (ihre Hypotheken übersteigen den aktuellen Wert ihrer Häuser).
Bis Ende dieses Jahres werden 2,5 Millionen Zwangsversteigerungen erwartet. Der Verkauf von an die Alteigentümer*innen zurückgegangenen Häusern drückt die Preise noch weiter nach unten. Aber Banken sind äußerst zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten, und die Menschen haben große Schwierigkeiten, Kredite zu erhalten, um selbst zu günstigeren Preisen zu kaufen. Die Immobilienkrise ist bei weitem nicht vorbei. Im ersten Quartal 2008 gab Fannie Mae bekannt, dass sie 3,2 Milliarden Dollar zur Deckung von Hypothekenausfällen bereitgestellt habe, ein kleiner Teil ihrer Kredite, aber genug, um Befürchtungen unter Investor*innen zu verstärken, dass die Ausfälle zunehmen würden.
Unterdessen haben die von großen Banken und Finanzinstituten gemeldeten weltweiten Subprime-Verluste jetzt 400 Milliarden Dollar erreicht. Bridgewater Associates schätzte kürzlich, dass die Gesamtverluste rund 1,6 Billionen Dollar sein könnten.
Bankenpleiten
Während sich das Drama um Fannie und Freddie entwickelte, gab es einen klassischen Ansturm auf die kalifornische Bank IndyMac Bancorp. Nach Berichten, dass die Bank insolvent sei, zogen die Einleger*innen innerhalb von elf Tagen 1,3 Milliarden Dollar ab. Die Bundesaufsichtsbehörde Federal Deposit Insurance Corporation [Bundeseinlagenversicherungskonzern] (FDIC) war gezwungen, einzugreifen und die Bank zu übernehmen. Dies war die drittgrößte Bankenpleite in der US-Geschichte und die größte seit dem Zusammenbruch der Bausparkassen Anfang der 1990er Jahre.
Nach den Problemen der großen Investmentbanken werden nun kleine lokale Banken von der Immobilienkrise und Unternehmenspleiten, besonders von Baufirmen, gebeutelt. Bankaktien stürzen an der Börse ab, da Investor*innen verkaufen, um ihre Verluste zu begrenzen, was bei den Einleger*innen Angst auslöst, dass ihre Bank kurz vor dem Zusammenbruch stehen könnte. Während große Banken „zu groß zum Scheitern sind”, befürchten viele, dass kleine und mittlere lokale Banken „zu klein, um gerettet zu werden, sind”.
Die FDIC garantiert Einlagen bis zu 100.000 Dollar. Die FDIC garantiert Einlagen bis zu einer Höhe von 100.000 US-Dollar. Sie benötigt zwischen 4 und 8 Milliarden US-Dollar, um die Einlagen der IndyMac-Kund*innen zu garantieren, und hat Reserven von etwa 53 Milliarden US-Dollar. Die FDIC sagt voraus, dass zwischen 50 und 150 der 7.500 versicherten Banken in den USA in den nächsten zwölf bis 18 Monaten pleite gehen. Aber es könnte viel schlimmer werden. Im ersten Quartal 2008 sagte die FDIC beispielsweise, dass es 90 „in Schwierigkeiten befindliche” Banken gebe – aber ihre Liste enthielt IndyMac Bancorp nicht!
Verstärkte Konjunkturabschwächung in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern
Die US-Wirtschaft verlangsamt sich weiter und ist fast zum Stillstand gekommen, wobei sowohl Arbeitslosigkeit als auch Inflation steigen. Bernanke hat gewarnt, dass der Abschwung noch lange nicht vorbei sei. Der IWF hat jedoch kürzlich einen optimistischeren Bericht veröffentlicht („Independent“, 18. Juli), in dem er behauptet, dass die Auswirkungen der Subprime-Krise nachlassen würden. Er hat seine Schätzung für das Wachstum in den USA in diesem Jahr auf 1,3% (von 0,5%) und für das weltweite Wachstum auf 4,1% (von 3,7%) angehoben. Einige Kommentator*innen sind durch den Fall des Ölpreises ermutigt, doch dieser liegt hauptsächlich an dem Nachfragerückgang aufgrund des verlangsamten Wirtschaftswachstums.
Die OECD warnt jedoch davor, dass die Gruppe der Sieben der führenden Industrienationen ebenso wie Brasilien und Indien vor einer „verstärkten” Konjunkturabschwächung stünden („Wall Street Journal“, 14. Juli). Zahlen für Mai zeigen obendrein, dass die Industrieproduktion in der Eurozone um 1,9% gefallen ist, der größte monatliche Rückgang seit 16 Jahren. Dies zeigt eine erhebliche Verlangsamung in der 15 Länder umfassenden Region an. („Financial Times“, 14. Juli)
Dies is nicht ein kurzer zyklischen Abschwung in der kapitalistischen Weltwirtschaft, sondern der Beginn einer langgezogenen Krise. Das Debakel um Fannie und Freddie ist nur die jüngste Episode.
Martin Wolf, der Kolumnist der „Financial Times“, war früher ein begeisterter Befürworter von Globalisierung und freier Marktwirtschaft. Jetzt schreibt er: „Es ist nun fast ein Jahr her, seit die US-Subprime-Krise global wurde. Viele hofften damals, dass die Neubewertung der Risiken nur eine kurze Unterbrechung des Fortschritts der US- und der Weltwirtschaft sein würde. Diese Hoffnungen wurden enttäuscht. Die Probleme Fannie Maes und Freddie Macs, die einbrechenden Aktienmärkte und die steigenden Ölpreise machen klar, wie weit die Turbulenzen noch von ihrem Ende entfernt sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben sie noch nicht einmal das Ende ihres Anfangs hinter sich.“ (A Year of Living Dangerously [Ein Jahr gefährlichen Lebens], 16. Juli)
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