[Eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today. Nr. 128, Mai 2009]
Wer würde jetzt bestreiten, dass der Weltkapitalismus vor seiner schlimmsten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren steht? Frühere Wirtschaftseinbrüche, wie 1974-75 und 1980-82, wirkten sich hauptsächlich auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder aus, und das Gesamtwachstum der Weltwirtschaft blieb positiv. Jetzt gibt es zum ersten Mal seit 1945 einen synchronen globalen Abschwung mit einem absoluten Rückgang der Weltproduktion (des aggregierten BIP) und des Handels.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sagt für 2009 einen Rückgang der Weltproduktion um 2,7% voraus, mit einem Fall um 4,3% im OECD-Raum (bestehend aus den 30 entwickeltsten Wirtschaften). Für 2010 sagt sie einen weiteren Rückgang der Produktion im OECD-Raum um 0,1% und ein bescheidenes Wachstum der Weltwirtschaft von 2,3% voraus. Sie warnt jedoch, dass es ein ernsthaftes Risiko anhaltender negativer Wachstumsraten gibt.
Der OECD zufolge wird die US-Wirtschaft in diesem Jahr wahrscheinlich um 4% schrumpfen, die japanische um 6,6% und das Eurozonen-Gebiet der Europäischen Union (EU) um 4%. Es wäre nicht überraschend, wenn die tatsächlichen Zahlen noch schlimmer wären.
In den letzten Jahren wuchs der Welthandel zwei- bis dreimal so schnell wie die Weltproduktion. Seit letztem Jahr ist das Volumen des Welthandels (im Wert von rund 13 Billionen Dollar jährlich) jedoch scharf gefallen. Die Welthandelsorganisation sagt einen Fall des Handelsvolumens um 9% voraus. Die OECD sagt jedoch einen noch schlimmeren Rückgang von 13% voraus. (Der Welthandel wuchs 2006 um 8,5% und 2007 um 6%.)
Die Exporte wurden von einem allgemeinen, weltweiten Nachfragezusammenbruch und dem Austrocknen der Exportkredite betroffen, die normalerweise zur Finanzierung von etwa 90% der internationalen Warenverschiffung verwendet werden. Große Exporteur*innen erlitten Einbrüche ihrer Ausfuhren zwischen 15 und 40 Prozent. China zum Beispiel war in den letzten Jahren auf die Ausfuhr von Konsumgütern in die USA und die EU angewiesen. Da diese Exporte sich verringerten, kürzten Chinas Hersteller*innen ihre Aufträge für Produktionsgüter (z. B. Werkzeugmaschinen, Motoren und andere Ausrüstungen), was Exporteur*innen der verarbeitenden Industrie wie Japan und Deutschland und Rohstoffexporteur*innen wie Brasilien trifft.
Auf den verschiedenen Gipfeltreffen der großen kapitalistischen Staaten – G8, EU, G20 usw. – sprachen sich die führenden Vertreter*innen alle zugunsten des Freihandels und der fortgesetzten Globalisierung aus und warnten vor den Gefahren von Protektionismus. Aber laut Weltbank ergriffen seit dem G20-Treffen im November 2008 17 Mitglieder der Gruppe insgesamt 47 handelsbeschränkende Maßnahmen.
Angesichts der in den letzten Jahren stark vergrößerten Integration des Welthandels und der Investitionen ist es unwahrscheinlich, dass es zu einer Rückkehr zu dem faktischen Handelsstillstand der 1930er Jahre kommen wird. Der Protektionismus der Depressionszeit war ein sehr stumpfes Werkzeug, denn die USA verhängten fast 900 Einfuhrzölle, was weitreichende Vergeltungsmaßnahmen ihrer Konkurrent*innen auslöste. Heute werden eher strengere Zulassungsvorschriften, Einfuhrverbote, Antidumpingmaßnahmen und Umweltschutzbestimmungen genutzt.
Obama versprach, die Welthandelsgespräche wiederzubeleben. Doch die Verhandlungen der Doha-Runde waren schon vor der Finanzkrise festgefahren und brachen im Juli letzten Jahres endgültig zusammen. Nun ergreifen die USA selbst protektionistische Maßnahmen. So enthält Obamas keynesianisches Konjunkturpaket eine „Kauft-amerikanisch“-Klausel, die Ausgaben für öffentliche Bauvorhaben untersagt, „wenn nicht alle für das Projekt verwendeten Eisen-, Stahl- und Industrieerzeugnisse in den USA hergestellt werden“. Ein Änderungsantrag im Senat zur Streichung dieser Klausel wurde mit 65 : 31 Stimmen abgelehnt (kein Demokrat stimmte für die Streichung). Sie wurde durch eine zusätzliche Klausel abgeschwächt, die fordert, dass die Kauft-amerikanisch-Klausel in einer Weise umgesetzt werden müsse, die mit den WTO-Regeln vereinbar sei. Dies schließt jedoch protektionistische Maßnahmen keineswegs aus.
„Diese Klausel sendet eine schreckliche Botschaft an unsere Handelspartner“, kommentiert Edward Glaeser. „Wir machen uns eine Industriepolitik zu eigen, die andere Länder dazu ermutigt, ihre eigenen heimischen Industrien zu stärken und ausländische Produzenten auszuschließen. („International Herald Tribune“, 7. März) Die NAFTA-Partner*innen der USA, Kanada und Mexiko, befürchten auch, dass die Obama-Regierung Arbeits- und Umweltschutzvorschriften anwenden wird, um manche ihrer Exporte aus den USA auszuschließen.
Weder Freihandel noch Protektionismus werden dem Kapitalismus einen einfachen Ausweg bieten. Geschützt durch protektionistische Maßnahmen werden Großkonzerne ihre Preise erhöhen, die Löhne drücken, ihre Profite steigern und Investitionen in neue Technologien aufschieben.
Der globale Abschwung wurde durch die Finanzkrise ausgelöst. Der scharfe Rückgang von Produktion und Handel und der weltweite Anstieg der Arbeitslosigkeit haben wiederum die Finanzkrise verschärft. Regierungen haben Billionen in die Wirtschaft gespritzt, um die Banken und andere Finanzinstitute zu retten. Im Unterschied zu 1929-30 verhinderten sie einen katastrophalen Zusammenbruch des Kernbankensystems und der Finanzinfrastruktur. Eine Schätzung gibt die Gesamtkosten der US-Bankenrettung (Geldspritzen zusammen mit Kreditgarantien) mit schwindelerregenden 11,6 Billionen Pfund an („Observer“, 29. März)
Doch die Krise ist bei weitem nicht vorbei. Während sich der Abschwung vertieft, werden die Banken von Ausfällen bei erstklassigen Krediten, Hypotheken auf Gewerbeimmobilien, Kreditkartenschulden, Student*innenkrediten usw. betroffen. Der IWF hat jetzt eine aktualisierte Schätzung der Verluste für das weltweite Finanzsystem veröffentlicht. Die Gesamtverluste werden nun auf phänomenale 4,1 Billionen Dollar geschätzt. Letzten Oktober wurden die US-Verluste aus Krediten und Wertpapieren auf 1,4 Billionen Dollar geschätzt; jetzt werden sie mit 2,7 Billionen Dollar erwartet. Der IWF erwartet Verluste von 1,2 Billionen Dollar in Europa und 150 Milliarden Dollar in Japan.
Der größte Teil der US-Verluste stammt aus verbrieften Krediten in Verbindung mit Subprime-Wohnungskrediten. Die Verluste der europäischen Banken, besonders in Schweden, Österreich und Belgien, sind verbunden mit Krediten an osteuropäische Länder (wie Ungarn, Estland, Rumänien usw.), die früher als „Schwellenländer“ bezeichnet wurden. Die Kapitalflüsse in diese Wirtschaften sind eingebrochen und haben Osteuropa in die Krise gestürzt – mit erheblichen Auswirkungen auf westeuropäische Banken. Osteuropäische Regierungen gehören zu denen, die für IWF-Kredite Schlange stehen, um den Zusammenbruch abzuwenden.
Nach dem Londoner G20-Gipfel Anfang April wurde angekündigt, dass der IWF und die Weltbank in die Weltwirtschaft 1,1 Billionen Dollar in Form von Krediten an Regierungen spritzen würden. Jedoch die „New York Times“ kommentiert: „Ein Teil des Geldes muss noch zugesagt werden, ein Teil wird doppelt gezählt und ein Teil würde als ,synthetische Währung‘ [Sonderziehungsrechte] gezählt, die eigentlich kein echtes Geld ist“. („How Much is the $1.1 Trillion in Aid from the G20 Really Worth?“ [Wie viel sind die 1,1 Billionen Dollar an Hilfe der G20 wirklich wert?] 9. April)
Etwa 500 Milliarden Dollar der 1,1 Billionen Dollar sollen von den großen Beitragszahler*innen wie der EU, Japan und den USA direkt an den IWF gezahlt werden. Bisher ist weniger als die Hälfte davon geflossen, und der Beitrag der USA hängt von der Zustimmung des Kongresses ab. Die 250 Milliarden Dollar an Handelskrediten sind nicht alle neues Geld; viele davon werden einfach aus früheren Handelskrediten übernommen, die bereits zurückgezahlt wurden. Die 250 Milliarden Dollar an Sonderziehungsrechten (Kredite, gegen die Regierungen Kredite aufnehmen können) werden den IWF-Mitgliedern zugeteilt, und es liegt dann an ihnen, den ärmsten Ländern Kredite zu gewähren.
Obama sagte kürzlich, er sehe „Hoffnungsschimmer“ für die US-Wirtschaft. Überall suchen führende kapitalistische Vertreter*innen verzweifelt nach den „grünen Trieben“ des Aufschwungs. Doch das ist verfrüht. Die Rate des Niedergang hat sich verlangsamt. Dies spiegelt zweifellos die massiven Summen wider, die von den Regierungen zur Rettung der Banken und zur Finanzierung riesiger Konjunkturpakete eingesetzt wurden. Die Zentralbanken in den USA, Japan und Großbritannien haben die Zinssätze auf nahezu Null gesenkt und zu „quantitativer Lockerung“ gegriffen, sie drucken praktisch Geld.
Dies ist jedoch nicht dasselbe wie eine Erholung. Eine nachhaltige Erholung wird durch mehrere Dinge aufgehalten, die nicht leicht zu überwinden sind. Es gibt massive Überkapazitäten in der Weltwirtschaft, und dies könnte durchaus zu einer Deflation, einem allgemeinen Preisverfall bei Industriewaren, führen (was die Investitionen herunterdrücken würde). Es gibt einen riesigen Überhang an Schulden. Haushalte, Unternehmen und Regierungen werden gezwungen sein, in den kommenden Jahren ihre Schuldenlast zu verringern.
Durch die Rettungsaktionen wurde beispielsweise ein Schuldenberg von den Banken auf die Regierungen übertragen. Auch die Defizitfinanzierung keynesianischen Typs erhöhen die Staatsverschuldung. Das OECD-weite Haushaltsdefizit wird im nächsten Jahr etwa 8,7% des BIP erreichen (11,9% in den USA). Der Protektionismus wird die Wiederbelebung des Welthandels behindern. Das ist nicht eine normale zyklische Rezession. Sie wird wahrscheinlich viel länger dauern als frühere Rezessionen nach 1945, mit einer langsamen Erholung. Einige Kommentator*innen nennen es die „Große Rezession“, die zwar wahrscheinlich nicht das Ausmaß der 1930er Jahre haben, aber depressionsähnliche Züge haben wird.
Die Last der Krise fällt unweigerlich auf die Arbeiter*innen, die armen ungelernten Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen. Arbeitslosigkeit bedeutet Armut und Leid für viele Millionen Menschen. Die Arbeitslosigkeit in den G7-Staaten wird bis Ende dieses Jahres nach Schätzungen auf 37 Millionen ansteigen (und offizielle Zahlen unterschätzen stets die tatsächlichen Zahlen). Laut IAO gab es 2008 weltweit 190 Millionen Arbeitslose, und in diesem Jahr werden sich ihnen weitere 50 Millionen hinzugesellen. Es wurde behauptet, die Globalisierung werde die Armut verringern, aber die IAO räumt nun ein, dass die „Armutsbekämpfung aus den Fugen gerät“. 1,4 Milliarden Menschen leben in extremer Armut, mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag.
Lynn Walsh
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