(eigene Übersetzung des englischen Textes in The Socialist Nr. 243, 1. März 2002)
Lynn Walsh, Herausgeber der theoretischen Zeitschrift der Socialist Party, Socialism Today, schaut auf die Problemen, vor denen George W. Bush etwas mehr als ein Jahr nach seiner Wahl zum US-Präsidenten steht.
Bush fährt den Panzer durch die Sozialausgaben
Im Namen des „Krieges gegen den Terrorismus“ schlägt Präsident George Bush eine massive Erhöhung der US-Rüstungsausgaben vor. Wenn der Kongress den von ihm vorgeschlagenen Haushalt annimmt, wird dies der größte Spurt bei den Militärausgaben seit Ronald Reagans Aufrüstung in den 1980er Jahren gegen das „Reich des Bösen“ der ehemaligen Sowjetunion sein.
Gleichzeitig will Bush die Steuersenkungen für die Superreichen ausweiten und gleichzeitig die Sozialausgaben einfrieren.
Nächstes Jahr will Bush dem Pentagon 48 Milliarden Dollar zusätzlich zur Verfügung stellen, eine massive Erhöhung um 14%. Zusammen mit weiteren 16,9 Milliarden Dollar aus dem Haushalt des Energieministeriums zur Finanzierung der Produktion von Atomsprengköpfen wird der gesamte Militärhaushalt auf 396 Milliarden Dollar anwachsen.
Das bedeutet, die Militärmaschinerie mit über 1 Milliarde Dollar pro Tag anzuheizen. Bush plant außerdem, etwa 19 Milliarden Dollar für die „innere Sicherheit“ auszugeben. Viel davon wird in die Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde und die Grenzpatrouille fließen, um gegen Einwanderer*innen ohne Papiere und Nicht-Staatsbürger*innen im Allgemeinen vorzugehen.
Geld fürs Militär
Auf die USA entfallen bereits 40% der weltweiten Militärausgaben, mehr als auf die 15 nächstgrößeren Staaten zusammen. Dennoch will Bush in den nächsten fünf Jahren weitere 120 Milliarden Dollar ausgeben.
Als UN-Generalsekretär Kofi Annan dagegen 50 Milliarden Dollar zusätzlich forderte, um die Auslandshilfe der Industrieländer für die unterentwickelten Länder in diesem Jahr auf 100 Milliarden Dollar zu verdoppeln, lehnte die US-Regierung diesen Vorschlag brüsk ab.
Stattdessen schlägt Bush für 2003 eine Erhöhung der US-Auslandshilfe um läppische 750 Millionen Dollar vor, einschließlich 552 Millionen Dollar Militärhilfe für von den USA bevorzugte Regime. Auf der jüngsten Afghanistan-Konferenz in Tokio sagten die USA lediglich 300 Millionen Dollar für den Wiederaufbau des verwüsteten Landes zu, für den nach Schätzungen der UNO in den nächsten zehn Jahren 10 bis 15 Milliarden Dollar benötigt werden.
Bushs Militärpläne sind eine Bonanza für die großen Konzerne des militärisch-industriellen Komplexes. Die Beschaffungsausgaben – also die Ausgaben für Waffen – werden von 61 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf 99 Milliarden Dollar im Jahr 2007 ansteigen, eine Steigerung von 30% innerhalb von fünf Jahren. Zu den wichtigsten Posten gehört die mobile Haubitze Crusader (ein massives Feldgeschütz), die 475 Millionen Dollar kostet.
Selbst Kritiker*innen in der kapitalistischen Presse fragen, wie solche Waffen Terrorist*innen bekämpfen sollen – die Flugzeugentführer vom 11. September waren mit Teppichmessern (Stanley-Messern) bewaffnet. Laut einer Studie des (überparteilichen) Congressional Budget Office könnten Bau und Betrieb des Raketenabwehrprogramms bis 2025 238 Milliarden Dollar kosten.
Schwächliche Fassade
Der Republikaner Bush verwendete in seiner Rede zur Lage der Nation manche nach den Demokrat*innen klingender Rhetorik und behauptete, er wolle die Interessen der arbeitenden Familien verteidigen. Er versprach höhere Ausgaben für zwei oder drei Sozialprogramme wie Lebensmittelmarken, Familienernährung und Gesundheitsforschung.
Dies war eine fadenscheinige Tarnung für ein generelles Einfrieren der Sozialausgaben mit Ausnahme der obligatorischen Ausgaben wie Sozialversicherung (Renten) und Medicaid (Krankenversicherung für Rentner*innen) – und tiefe Kürzungen bei (laut Bush) „unwirksamen“ Programmen wie Jugendberufsausbildung und Umweltschutz.
Die nicht-obligatorischen Ausgaben sollen nur um 2% erhöht werden, was unter den Inflationsprognosen der Regierung (2,2%) liegt. Bildung, öffentlicher Wohnungsbau und Autobahnen werden alle gekürzt. Rentner*innen werden keine Hilfe bei den ständig steigenden Rezeptgebühren erhalten und müssen höhere Zuzahlungen für ihre Gesundheitsversorgung leisten.
Trotz Bushs früherem Versprechen, die Sozialversicherungs- und Medicare-Fonds nicht zu plündern, werden diese nun zur Ergänzung der Steuereinnahmen verwendet. Die Republikaner*innen glauben zweifellos, dass sie die Privatisierung der Rentenfonds durchsetzen können, wenn diese Fonds ins Defizit rutschen. Bisher scheinen die Demokrat*innen dieses krasse Manöver ohne Murren geschluckt zu haben.
Trotz der Kürzungen bei den Sozialausgaben werden Bushs Pläne zu einem steigenden Defizit im Bundeshaushalt führen (voraussichtlich 80 Milliarden Dollar im Jahr 2003). Schon jetzt sind die Überschüsse der letzten Jahre, die in der Hochkonjunktur erzielt wurden, verpufft. Wenn sich die Wirtschaft verlangsamt, gehen die Steuereinnahmen automatisch zurück. Aufgeblähte Militärausgaben werden eine enorme Belastung darstellen.
Die Hauptquelle des Defizits werden jedoch die gigantischen Steuersenkungen sein, die Bush den Superreichen zukommen lässt. „Es ist fast unglaublich“, kommentierte die „New York Times“ (6. Februar), „dass Präsident Bush bereits beschlossene Steuersenkungen beschleunigen und dauerhaft machen und neue Steuersenkungen obendrauf setzen will“.
Reiche Belohnungen
Letztes Jahr erhielten die meisten Lohnabhängigen eine Steuererleichterung von ein paar hundert Dollar – ein Bonbon für die Massen. Aber die wirklichen Senkungen sind für jene mit Einkommen über 200.000 Dollar im Jahr. Sie werden mehr als die Hälfte der gesamten Steuersenkung von 1,3 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren erhalten. Zwei Drittel der Bevölkerung werden überhaupt nichts erhalten.
Unter dem Slogan der „Sicherheit“ verfolgt Bush die extreme Agenda der Republikaner*innen für die Großkonzerne. Das begrenzte soziale Sicherheitsnetz der USA wird geschreddert, während Arbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit wieder ansteigen (und auch die Haushalte der Bundesstaaten werden gekürzt).
Die langfristige Gangbarkeit der Sozialversicherung und von Medicare wird untergraben. Dies wird zudem durch eine „außerbilanzielle“ Buchführung im Stil von Enron verschleiert. Zum ersten Mal werden in diesem Haushalt die Zehnjahresprojektionen in die Zukunft fallengelassen, offensichtlich um den Menschen zu verheimlichen, wohin der Weg von George W. führen wird.
Krieg gegen die Arbeiter*innen
Im Namen der Verteidigung der USA erklärt Bush praktisch dem Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse den umfassenden Krieg. Die Demokrat*innen schreien auf. Bush, so sagen sie, fordere „überparteiliche“ Unterstützung für den „Krieg gegen den Terrorismus“, setze aber eine durch und durch parteiische Innenpolitik durch.
Was ist ihre Antwort? Nur eine Handvoll Demokrat*innen, wie Ted Kennedy in Massachusetts, fordern öffentlich eine Rücknahme der Steuersenkungen. Tom Daschle, der die Mehrheit der Demokrat*innen im Senat anführt, weigert sich, eine Rücknahme oder auch nur einen Aufschub der Steuersenkungen zu fordern.
Während die Demokrat*innen zweifellos versuchen werden, Bushs Sozialkürzungen zu verdünnen (und dabei den Militärhaushalt ganz zu schlucken), sind sie selbst zu eng mit den Großkonzernen verbunden, um eine wirksame Opposition gegen das Weiße Haus zu führen.
Wenn die Arithmetik der Republikaner*innen mit den Großkonzernen aufgeht, wird es eine Flut der Wut unter den Arbeiter*innen und der Mittelschicht geben, die bereits die bitteren Früchte der Blasenwirtschaft der 90er Jahre zu schmecken beginnen.
Politisch bewusste Arbeiter*innen werden erneut mit der Aufgabe klarkommen müssen, die Gewerkschaften und die Community- und Kampagnenorganisationen aus dem Würgegriff der Demokratischen Partei zu befreien und eine Massenpartei zu schaffen, die für die Mehrheit der Arbeiter*innen spricht.
Kasten: „Der einzige Weg, Respekt zu bekommen“
Die Bosse in den USA haben – wie vorauszusehen war – versucht, den Appell an den Patriotismus nach dem 11. September auszuschlachten, um die Arbeiter*innen zu bashen, die ihren Lebensstandard und ihre Rechte verteidigen.
Am drastischsten in Middleton, New Jersey: Beamt*innen der Schulbehörde verglichen im letzten Dezember Lehrer*innen mit den Taliban, als diese gegen die starke Erhöhung ihrer Krankenversicherungsbeiträge streikten.
200 streikende Lehrer*innen wurden eingesperrt, als sie die Anordnung eines Richters missachteten, ihre Aktion zu beenden. Als sie in Handschellen ins Gefängnis geführt wurden, gingen über 1 000 Lehrer*innen und andere Schulangestellte aus Solidarität auf die Straße.
Die Lehrer*innen blieben trotzig. Eine Streikende, Barbara Bacmeister, sagte zu dem reaktionären Richter: „Wenn Sie nachgeben, sagen Sie: ‚Treten Sie weiter auf mich ein‘. Früher oder später muss man für das eintreten, was richtig ist.“
Während sie darauf wartete, ins Gefängnis gebracht zu werden, sagte eine andere Lehrerin, Katie Connelly: „Ich bin eine Fußball-Mutter, fahre einen Lieferwagen und habe einen Hund. Aber das ist unsere Revolution. Der einzige Weg, sich Respekt zu verschaffen, ist, für sich selbst einzustehen.“
Es war nicht mangelnde Entschlossenheit, die die Lehrer*innen zur Rückkehr an den Arbeitsplatz zwang, sondern die Schwäche der Gewerkschaftsfunktionär*innen, die den zuvor von den Streikenden abgelehnten Vermittlungsvorschlag akzeptierten.
Abgekoppelt – Die Macht hinter dem Thron
Der meteorhafte Aufstieg und der katastrophale Zusammenbruch von Enron ist einer der größten Skandale in der Geschichte des US-Kapitalismus. Enron, das zu den Top Ten der Fortune-500-Unternehmen gehörte, stürzte in weniger als einem Jahr von einem „erfolgreichen Geschäftsmodell“ in den Bankrott.
Der Zusammenbruch entlarvt die parasitäre, räuberische Natur des Finanzkapitals. Er enthüllt das Netz der Korruption, das die Großkonzerne mit den führenden Vertreter*innen der Republikanischen und der Demokratischen Partei verbindet.
„Es gibt keinen rauchenden Colt“, erklärt Bush. Seine Regierung habe nichts Falsches getan, behauptet er: Sie habe sich geweigert, Enron aus der Patsche zu helfen. Aber als Gegenleistung für die Unterstützung in Millionenhöhe hatten sie Enron bereits jeden erdenklichen Gefallen getan und das schmierige, unregulierte Umfeld geschaffen, in dem Enron operieren konnte.
Enron war ein texanisches Allerwelts-Ölpipeline-Unternehmen, bis es in den 1990er Jahren in den Handel mit Energie-„Swaps“ und „Optionen“ einstieg, einem hochspekulativen Rohstoffmarkt. Enron nutzte die katastrophale Deregulierung und Privatisierung der staatlichen und städtischen Stromversorgungsunternehmen, die seit den 1980er Jahren durchgeführt wurde, voll aus.
Es machte fabelhafte Profite, indem es auf künftige Energielieferungen spekulierte (z. B. trieb es den Strompreis während der Energiekrise in Kalifornien im letzten Jahr in die Stratosphäre).
Das Schmieren der Räder der politischen Maschinerie war für den Erfolg von Enron entscheidend. Jeder, der im politischen Establishment auf staatlicher Ebene und in Washington DC etwas war, sowohl Republikaner*innen als auch Demokrat*innen, bekam Geld von Enron.
In den letzten 12 Jahren gab Enron 5,8 Millionen Dollar (4 Millionen £) für Bundeswahlen aus, 73% davon gingen an die Republikaner*innen. Das Unternehmen unterstützte 71 von 100 Senator*innen und 188 von 435 Mitgliedern des Repräsentant*innenhauses. Bush selbst erhielt 826.000 Dollar und bezeichnete seinen Enron-Paten bis vor kurzem scherzhaft als „Kenny Boy“.
Vizepräsident Dick Cheney und zahlreiche Mitglieder von Bushs Washingtoner Gefolge sowie das texanische Establishment erhielten politische Beiträge von Enron oder waren einst bei Enron beschäftigt oder erhielten Beratungshonorare.
Die Bargeldzufuhr stellte für Enron tagtäglich Zugang zu hochrangigen Regierungsvertreter*innen sicher. Entscheidend war, dass Enron durch seine Freund*innen in hohen Positionen erreichte, dass der Handel mit Energietermingeschäften von der Aufsicht der Bundesregierung ausgenommen wurde. Das Unternehmen machte erfolgreich Lobbyarbeit für eine weitere Deregulierung der Energiemärkte.
Es freute sich über Bushs Widerstand gegen den Umweltschutz (z. B. das Verbot von Öl- und Gasbohrungen in der Wildnis Alaskas) und die Weigerung der USA, das Kyoto-Abkommen zur globalen Erwärmung zu unterzeichnen.
Wäre Bushs so genanntes „Konjunkturprogramm“ nicht im Kongress blockiert worden, hätte Enron rund 254 Millionen Dollar an Steuervergünstigungen erhalten.
Fabelhafte Profite
Als andere Unternehmenshaie begannen, sich in Energierohstoffe hineinzudrängen, war es für Enron jedoch schwieriger, seine hohen Profite zu halten. Kenneth Lay, der Vorstandsvorsitzende, und andere Spitzenbeamte wie Jeffrey Skilling und Andrew Farton wandten sich der „kreativen Buchführung“ zu.
Sie gründeten eine Reihe von Partnerschaften, die von ihnen kontrolliert wurden, aber nominell von Enron getrennt waren. Diese in Offshore-Steuerparadiesen eingetragenen Unternehmen ermöglichten es den Enron-Bossen, US-Steuern zu vermeiden und riesige Enron-Schulden in „außerbilanziellen“ Satellitenunternehmen zu verbergen.
Dieser Kniff hielt die Enron-Aktien in schwindelnden Höhen (der Höchststand lag bei 90 Dollar) und füllte die persönlichen Bankkonten der Enron-Direktor*innen mit fabelhaften Gebühren und Gewinnen. Die Partnerschaften liehen sich jedoch aufgrund ihrer Enron-Aktien riesige Geldbeträge. Als der Aktienkurs von Enron zu sinken begann und sich das Gewinnwachstum verlangsamte, stürzte das ganze betrügerische Gebäude ein.
Hinter den Kulissen versuchten Lay & Co. verzweifelt, das Unternehmen durch „Umstrukturierung“ und kreativere Buchführung zu stützen. Im Oktober wurde jedoch klar, dass die Konten von Enron manipuliert worden waren, um massive Schulden zu verbergen, und dass das Unternehmen vor katastrophalen Verlusten stand.
Lay rief Washington um Hilfe an. Aber wie konnte Bush Enron aus der Patsche helfen, ohne eine Flutwelle von Reaktionen gegen die korrupte Rettung ihrer wichtigsten Finanzier*innen durch die Republikaner*innen auszulösen?
Am 1. Dezember meldete Enron, das das Jahr als „Amerikas größtes Unternehmen“ begonnen hatte, Konkurs an. Seine Aktien waren wertlos.
Die Enron-Boss*innen hatten jedoch alle ihre Aktien vor dem Zusammenbruch verkauft und sind mit über 1,1 Milliarden Dollar davongekommen. In der Zwischenzeit versicherte Lay den Enron-Beschäftigten (die die Unternehmensaktien in den Rentenfonds nicht verkaufen durften), dass alles in Ordnung sei, und drängte sie sogar, weitere Aktien „ihres“ Unternehmens zu kaufen.
Die Enron-Aktien bildeten die Grundlage ihrer betrieblichen Rentenfonds. Die meisten der 15.000 US-Beschäftigten von Enron verloren nicht nur ihren Arbeitsplatz, als das Unternehmen zusammenbrach, sondern auch die Ersparnisse ihrer Leben wurden vernichtet.
„Die oberen Führungskräfte haben ihr Geld bekommen“, sagte ein Enron-Mitarbeiter. „Ich wurde per Voicemail entlassen – ich glaube nicht, dass ich jemals wieder einem Unternehmen vertrauen werde.“ Viele andere betriebliche Altersversorgungssysteme haben ebenfalls in Enron-Aktien investiert, und auch ihre Rentner*innen werden darunter leiden.
Laxe Buchhalter*innen
Wie immer versuchen Wirtschaftsführer*innen und Politiker*innen, die Enron-Boss*innen als Außenseiter*innen darzustellen, als den sprichwörtlichen Teerfleck, der ein Glas Honig verdirbt. Dabei ist Enron aus dem Spekulationssumpf des Booms der 1990er Jahre entsprungen.
Sie waren vielleicht bereit, bei der Beugung der Regeln noch weiter zu gehen, aber Lay, Skilling und ihre Mitverschwörer*innen wurden von der fieberhaften Gier nach riesigen, kurzfristigen Gewinnen angetrieben, die heute die gesamte Führung der amerikanischen und internationalen Großkonzerne beherrscht.
Solange der Aktienkurs in die Höhe schoss, stellten die Großinvestor*innen keine Fragen. Die großen Banken des Landes liehen dem Unternehmen eifrig riesige Summen für ihre spekulativen Unternehmungen. Es gab keinen Mangel an Buchhalter*innen, die ihnen halfen, die Bücher zu frisieren.
Arthur Andersen, eine der größten Wirtschaftsprüfungsfirmen des Landes, kassierte allein im Jahr 2000 25 Millionen Dollar an Gebühren. Als Wirtschaftsprüfer*innen stellten sie jedes Jahr ein Zertifikat über die finanzielle Gesundheit aus. Als die Ermittlungen begannen, ordneten die Andersen-Vorständler*innen an, alle belastenden Enron-Dokumente zu schreddern.
Der Enron-Skandal hat die öffentliche Empörung über die überwältigende Korruption von Wahlen durch das Geld der Großkonzerne noch verstärkt. Die führenden politischen Vertreter*innen sind unter verstärkten Druck geraten, eine Reform der Wahlkampffinanzierung durchzuführen. Um den öffentlichen Zorn zu besänftigen, sagt sogar Bush, dass er die Shays-Meehan-Vorlage, die dem Kongress vorliegt, unterstützen wird.
Trotz des erbitterten Widerstands führender Republikaner*innen wird höchstwahrscheinlich ein Teil der Republikaner*innen zusammen mit den meisten Demokrat*innen eine Mehrheit für diese Maßnahme finden.
Wenn es verabschiedet wird, wird Shays-Meehan jedoch nur eine kosmetische Wirkung haben. Spenden von weichem Geld (an Parteien und nicht an namentlich genannte Kandidat*innen) von Großunternehmen, speziellen Interessengruppen und Gewerkschaften werden bei Bundeswahlen verboten. Enron spendete bei den Wahlen im Jahr 2000 etwa 1,6 Millionen Dollar an „weichem Geld“.
Bei den Wahlen in den Bundesstaaten ist „weiches Geld“ jedoch weiterhin erlaubt, was eine offensichtliche Gesetzeslücke darstellt. Gleichzeitig wird die Obergrenze von 1.000 Dollar für Spenden von „hartem Geld“ an einzelne Kandidat*innen (die sich bei den Wahlen 2000 auf insgesamt 380 Millionen Dollar beliefen) verdoppelt.
Seit 1990 haben Enron-Offizielle 500.000 Dollar an Tausend-Dollar-Spenden für Bundeskandidat*innen gegeben. Unter Shays-Meehan hätten sie eine Million Dollar ausgeben können. Wie bei allen früheren „Reformen“ werden die Anwält*innen und Buchhalter*innen nicht lange brauchen, um neue Wege zu finden, wie die Großkonzerne ihre politischen Handlanger*innen finanzieren können.
Wachsende Wut
Es gibt jetzt mehr als ein Dutzend Kongressausschüsse, die den Zusammenbruch von Enron untersuchen. Bundesstaatsanwält*innen bereiten Anklagen gegen einige der Hauptschuldigen vor. Aber wenn sowohl Republikaner*innen als auch Demokrat*innen bis zum Hals im schmutzigen Geld von Enron stecken, ist es schwer zu glauben, dass sie alles aufdecken und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen werden.
Das würde eine wirklich unabhängige Untersuchungskommission erfordern, die sich aus gewählten Vertreter*innen von Gewerkschaften, Community- und Kampagnenorganisationen zusammensetzt – mit anderen Worten, ein Tribunal, dessen Mitglieder keinen Anteil an dem verrotteten System haben, das den Enron-Skandal ausgelöst hat.
Im Gefolge des Enron-Skandals stünde der US-Kapitalismus vor einer größeren politischen Krise – wenn es eine Partei gäbe, die die arbeitenden Menschen vertritt. Eine solche Partei würde die wahre Bedeutung des Skandals aufzeigen und nicht nur einige wenige Sündenböcke aus dem Konzernbereich herausgreifen, sondern das gesamte verrottete System anklagen.
Auf dieser Grundlage könnte eine radikale, antikapitalistische Massenpartei eine massive Unterstützung für eine sozialistische Alternative aufbauen. Nichtsdestotrotz werden sich Wut und Abscheu über die Gier und Korruption der Großkonzerne in den kommenden Tagen noch verstärken, wenn weitere Details an die Öffentlichkeit dringen, und sie werden sich tiefgreifend auf das politische Bewusstsein auswirken.
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