(eigene Übersetzung des englischen Textes in Militant Nr. 478, 9. November 1979, S. 10)
Von Lynn Walsh
Kampuchea [früher Kambodscha] ist ein verwüstetes Land. Die Mehrheit der verbleibenden vier bis fünf Millionen Menschen sind vom Hunger bedroht.
Achtzig bis neunzig Prozent der Kinder des Landes leiden an Unterernährung. Krankheiten wie Malaria, Ruhr und sogar Milzbrand – die mit Medikamenten leicht ausgerottet werden können – haben epidemische Ausmaße angenommen.
Die Zerstörung und der Tod, die dieses kleine Land im letzten Jahrzehnt heimgesucht haben, werden als ein neuer „Holocaust“ angesehen.
In den Jahren 1970-73 wurde Kambodscha von den Amerikaner*innen barbarisch bombardiert. Nach dem Krieg wurde das US-Marionettenregime von Lon Nol von den Roten Khmer gestürzt, die im April 1975 die Macht übernahmen und ein „Demokratisches Kampuchea“ ausriefen.
Vier Jahre lang, bis zum Sturz durch die vietnamesische Invasion im vergangenen Januar, unterwarf das Regime der Roten Khmer unter Pol Pot das Land eine rücksichtslose Diktatur. Es behauptete, die Gesellschaft in das „Jahr Null“ zurückgeführt zu haben, die Vergangenheit ausgelöscht zu haben und eine „totale Revolution“ durchzuführen.
Jüngste Berichte aus dem Inneren Kampucheas, insbesondere John Pilgers ausführlicher Bericht im „Daily Mirror“ (12. und 13. September) und seine erschütternde Fernsehdokumentation (ITV, 30. Oktober), haben die erschreckende Intensität und das Ausmaß der Unterdrückung unter Pol Pot deutlich gemacht.
Was konnte ein solch barbarisches Regime entstehen lassen? Was war sein wirklicher sozialer und politischer Charakter?
Was hat sich nun dadurch geändert, dass die Vietnames*innen das „Demokratische Kampuchea“ durch eine „Volksrepublik Kampuchea“ ersetzt haben?
Die kapitalistische Presse druckt jetzt furchtlose Enthüllungen über die Schrecken des Pol-Pot-Regimes. Sie wird nur durch die derzeitigen Versuche des Imperialismus gehemmt, diplomatische Beziehungen und lukrative Handelsgeschäfte mit der chinesischen Bürokratie zu knüpfen, die immer noch das abgesetzte Pol-Pot-Regime unterstützt.
Indem sie die schreckliche Unterdrückung in Kampuchea und die Konflikte zwischen den sogenannten „sozialistischen“ Ländern in Südostasien hervorheben, hoffen sie, die Idee einer sozialistischen Gesellschaft unter den Arbeiter*innen in Großbritannien zu verzerren und zu diskreditieren.
Als der US-Imperialismus Kambodscha mit Bombenteppichen verwüstete, schwieg die kapitalistische Presse. Bis zum Vorabend der US-Niederlage in Vietnam unterstützte sie eifrig die Intervention des US-Imperialismus.
Sie druckten keine unerschrockenen Enthüllungen über das Lon-Nol-Regime, das von amerikanischen Waffen gestützt wurde.
Die krasse Heuchelei der „humanitären“ Anprangerung der sogenannten „kommunistischen“ Regime durch den Imperialismus wird jedoch durch ihre zynischen Versuche entlarvt, dringend benötigte Lebensmittel als weitere Kriegswaffe einzusetzen.
Nur ein Rinnsal kommt durch, hauptsächlich durch kleine freiwillige Hilfsorganisationen. Die Priorität für Carter und Thatcher besteht nicht darin, die Hungernden zu ernähren, sondern, wie der „Guardian“ sagt, „die Hilfe auf solche Weise zu strukturieren, dass Hong Samrin (der vietnamesische Kommandant, der jetzt Kampuchea beherrscht) ein Minimum an Legitimität und Pol Pot ein Maximum an Hilfe erhält“.
Der US-Imperialismus, der gezwungen war, seine militärische Intervention in Vietnam aufzugeben, versucht (zusammen mit Großbritannien), den (von der russischen Bürokratie unterstützten) Versuch Vietnams, Südostasien zu dominieren, zu untergraben. Zu diesem Zweck haben sie sich auf die Seite Pol Pots gestellt, dem Führer der Roten Khmer, der von der chinesischen Führung unterstützt wird.
Nachdem die vietnamesische Führung das Regime der Roten Khmer durch ihre militärische Intervention zu Fall gebracht hat, gibt sie sich nun als die „Befreierin“ von Kampuchea aus – eine Behauptung, die von einigen Liberalen und Linken in Großbritannien unterstützt wird.
Aber es ist genau die engstirnige, nationalistische Politik der vietnamesischen, russischen und chinesischen Bürokratie und ihre Rivalität in Südostasien, die die Entwicklungen in Kambodscha/Kampuchea bestimmt hat.
Liberale Kommentator*innen wie Pilger stellen die Maßnahmen des Regimes der Roten Khmer als irrationales, zerstörerisches Werk völlig verrückter oder böser Menschen dar. Da es sich jedoch um eine bonapartistische Führung handelte, die eine soziale Umgestaltung innerhalb der nationalen Grenzen eines wirtschaftlich primitiven Landes anstrebte, waren ihre drakonischen wirtschaftlichen Maßnahmen und ihre grausame Unterdrückung durch die Situation bedingt, in der sie sich befanden.
Dies rechtfertigt oder entschuldigt für keinen Moment die schrecklichen Verbrechen des stalinistischen Regimes, das 1975 die Macht in Kampuchea übernahm.
Aber es gibt im Grunde keinen Unterschied zwischen den verschiedenen stalinistischen Regimen. Das von Vietnam unterstützte Regime von Heng Samrin mag im Vergleich zum Regime Pol Pots im Moment fast wohlwollend erscheinen. Aber in jedem Fall wird die Politik der stalinistischen Regime, ob in Russland, China, Vietnam oder Kampuchea unter den Roten Khmer, durch den bürokratischen, bonapartistischen Charakter ihrer herrschenden Elite und durch die Umstände, mit denen sie konfrontiert sind, bestimmt.
Wie John Pilger Berichte selbst klarmachen, wurde zwischen dem Frühjahr 1970 und 1973 das Tonnenäquivalent von fünf Hiroshima-Bomben auf Kambodscha abgeworfen. Diese Verwüstung eines formal neutralen Landes war das Ergebnis einer verfassungswidrigen, geheimen Entscheidung Nixons und Kissingers, die darin eine „logische“ Ausweitung der US-Intervention in Südostasien sahen.
Bis 1975 hatte Kambodscha eine Zerstörung und Verwüstung erlitten, die der von Laos und Vietnam gleichkam und diese wahrscheinlich noch übertraf. Mindestens 600.000 Menschen starben an den Folgen von Bombardierung, Unterernährung und Krankheiten.
Der Imperialismus trägt die Hauptverantwortung für die Ereignisse in Kampuchea. Die Roten Khmer veranlassten die Zwangsumsiedlung der Stadtbevölkerung auf das Land. Bis zu ihrem Sturz hatte die Regierung Pol Pot die Selbstversorgung mit Reis wiederhergestellt – allerdings zu einem enormen menschlichen Preis.
Die Roten Khmer begünstigten die Evakuierung der Städte auch aus politischen Gründen. Die Städte waren naturgemäß Zentren der Kapitalist*innen, Kaufleute, Finanziers und der freiberuflichen Mittelschicht, die mit dem US-Imperialismus und seinem Marionettenregime verbunden waren, und somit die offensichtliche Basis einer konterrevolutionären Opposition gegen das Regime der Roten Khmer.
Da es der Führung offensichtlich an einer überwältigenden Unterstützung durch die Massen fehlte, waren die Roten Khmer gezwungen, drastische repressive Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Macht zu sichern. Auf dem Land konnten sie sich auf die Unterstützung oder passive Akzeptanz der Bäuer*innenschaft verlassen, die über 80 % der Bevölkerung des Landes ausmacht.
Die Roten Khmer zerstörten nicht nur die verrottete Lon-Nol-Regierung, sondern beseitigten auch das Großgrundbesitzer*innentum und den Kapitalismus, und Kampuchea muss nun, wie Vietnam, Russland und China, als proletarisch-bonapartistischer Staat bezeichnet werden. Wie in jedem anderen Fall, in dem fortschrittliche Eigentumsverhältnisse mit stalinistischen Methoden eingeführt wurden, war dies mit enormen menschlichen Kosten verbunden.
In Russland forderten Stalins Zwangskollektivierung der Bäuer*innenschaft, seine Zwangsarbeits- und Gefangenenlager und seine politischen Hinrichtungen fünf oder sechs Millionen Opfer oder mehr. In Kampuchea forderten die Säuberungen der Roten Khmer (vielleicht 200.000 Hinrichtungen) und die fatalen Auswirkungen ihrer Zwangsmigrationen und ihres harten Zwangsarbeitsregimes auf dem Lande den verhältnismäßig höheren Tribut im Verhältnis zu den sieben Millionen des Landes – wahrscheinlich eine Million oder mehr Opfer.
Nur eine echte marxistische Führung, mit Massenunterstützung unter den Arbeiter*innen und Bäuer*innen, die einen internationalistischen Appell an die stärkeren Teile der Arbeiter*innenklasse in dem wirtschaftlich entwickelteren Land macht, könnte die soziale Umgestaltung eines unterentwickelten Landes auf demokratische Weise und ohne einen schrecklichen Aufwand an menschlichen Ressourcen erreichen.
Eine solche Perspektive hat nichts mit dem Stalinismus gemein.
Es wäre völlig falsch anzunehmen, dass Vietnam aus demokratischen oder humanitären Gründen in Kampuchea interveniert hat. Unter Ho Chi Minh und danach hat das Regime in Hanoi nie gezögert, Repressionen anzuwenden, wenn es nötig war, um seine Privilegien und seine Macht zu sichern.
So hat die vietnamesische Regierung seit Beginn ihres Konflikts mit der chinesischen Bürokratie eine durch und durch undemokratische, nationalistische Kampagne gegen die ethnischen Chines*innen in den nördlichen Grenzregionen gestartet und einen Massenexodus von Flüchtlingen provoziert.
Obwohl die ethnischen Chines*innen nur 1 % der Bevölkerung des Nordens ausmachten, stellten sie etwa 10 % der qualifizierten Arbeiter*innenklasse, und ihre Vertreibung hat die Industrie gestört und zu Lebensmittel- und anderen Engpässen in Vietnam geführt.
Der Konflikt mit China, der im vergangenen Jahr zum Krieg führte, entstand selbst aus der nationalen Rivalität zwischen den Bürokratien um die Vorherrschaft in Südostasien.
Unterstützt von der russischen Führung versucht Vietnam, die stärkste Militärmacht der Region, zweifellos, seine Hegemonie über Südostasien zu erlangen. Vietnams Versuche, eine indochinesische Föderation zu gründen, um seine Vorherrschaft zu festigen, waren (zusammen mit den Manövern der chinesischen Führung in Kambodscha) zumindest teilweise dafür verantwortlich, dass sich die Roten Khmer für eine extreme Form des „Sozialismus in einem Land“ entschieden.
Laos ist bereits ein Satellit Vietnams.
Wie das Willkommen für die vietnamesischen Streitkräfte im Moment auch sein mag, das von Hanoi kontrollierte Regime von Heng Samrin hat in Kambodscha kolossale Probleme übernommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es auch mit dem bewaffneten Widerstand der Überreste der Roten Khmer sowie nationalistischer und rechter Kräfte rechnen müssen.
Wie können die erschreckenden Probleme der Rückständigkeit in Südostasien überwunden und die nationalen Konflikte gelöst werden?
Nur eine Sozialistische Föderation Südostasiens, die sich auf die geschwisterliche Zusammenarbeit der beteiligten Staaten stützt und eine internationalistische Zusammenarbeit mit der Arbeiter*innenklasse der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder eingeht, kann einen Ausweg bieten.
Dies würde die Beseitigung der parasitären Bürokratien voraussetzen, die die Errungenschaften der Planwirtschaft veruntreuen und verschleudern – und die Errichtung einer demokratischen Herrschaft durch die Arbeiter*innen und Bäuer*innen erfordern.
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