[Eigene Übersetzung des Artikels in Socialism Today, Nr. 116, März 2008]
Nach Monaten des Hin und Her, in denen verzweifelt versucht wurde, die gefürchtete Verstaatlichung zu vermeiden, war Alistair Darling, Gordon Browns Finanzminister, schließlich gezwungen, die „vorübergehende Verstaatlichung“ von Northern Rock anzukündigen (17. Februar). Sie hatten wirklich keine Alternative. In Wirklichkeit war, wie Vincent Cable, der finanzpolitische Sprecher der Liberaldemokrat*innen, schon die ganze Zeit betont hatte, Northern Rock seit dem Zeitpunkt faktisch verstaatlicht, als die Regierung die Bank mit einem 25-Milliarden-Kredit und Garantien für weitere 30 Milliarden Pfund rettete.
Die Regierung hätte die Bank natürlich auch für bankrott erklären und ihre Vermögenswerte verkaufen können, um einen möglichst großen Teil des Kapitals zurückzuerhalten. Aber das hätte leicht eine viel größere Krise im Bankensektor auslösen können. Stattdessen versuchte Darling unter dem Druck Browns verzweifelt, einen privaten Käufer für Northern Rock zu finden. Aber diese „Lösung“ hätte darauf beruht, dass die Regierung das gesamte Risiko durch die Bereitstellung von Krediten und Garantien übernommen hätte, während der private Käufer möglicherweise einige Jahre später einen riesigen Gewinn hätte einfahren können.
Warum hat die New-Labour-Regierung eine so verworrene Taktik gewählt, um eine Verstaatlichung zu vermeiden? „Der Grund für die Ausflüchte war deutlich genug“, kommentierte Philip Stephens. „Selbst nach einem Jahrzehnt im Amt wird die New-Labour-Regierung noch immer von der Old-Labour-Symbolik der Verstaatlichung heimgesucht. Niemand glaubt wirklich, dass Brown das zurückerobern will, was die Linke früher als die Kommandohöhen der Wirtschaft bezeichnete. Aber wenn man die 1970er Jahre erwähnt, schaudert der Premierminister immer noch. (Later not Sooner [Später, nicht früher], „Financial Times“, 18. Februar)
Obwohl Verstaatlichung bei weitem keine „sozialistische“ Maßnahme ist, bleibt sie für die Ex-Sozialdemokrat*innen von New Labour das ultimative Tabu. Und das trotz des Umstands, dass führende Stimmen des Großkapitals, einschließlich sowohl die „Financial Times“ als auch der „Economist“, klar akzeptieren, dass Verstaatlichung die einzig wirksame Maßnahme sei.
Die letzte Hoffnung Darlings und Browns war, Northern Rock an ein von Richard Bransons Virgin-Gruppe geführtes Konsortium zu verkaufen. Andere mögliche Käufer*innen, einschließlich der Private-Equity-Gruppe Olivant und Northern-Rock-Manager*innen, die versuchten, einen Aufkauf zu organisieren, haben sich schon vor einiger Zeit aus dem Rennen verabschiedet. Branson war jedoch auf ein Superschnäppchen auf Kosten der Steuerzahler aus. Er schlug vor, zwischen 300 und maximal 500 Millionen Pfund zu zahlen und im Gegenzug staatliche Kredite und Garantien in Höhe von 54 Milliarden Pfund zu erhalten. Wenn Virgin schaffte, die Bank zu sanieren, hätte Branson mit einem Profit zwischen 1 und 1,5 Milliarden Pfund rechnen können! Der „Economist“ bezeichnete dies treffend als eine „Einwegwette“. „Mit den ätzenden Worten von Vincent Cable … hätte einen privaten Verkauf zu zeichnen bedeutet, das Risiko zu behalten und gleichzeitig potenzielle Profite zu privatisieren“. („Financial Times“, 18. Februar)
Die Verstaatlichung von Northern Rock zeigt zwar das Versagen der Marktkräfte, ist aber keine sozialistische Maßnahme. New Labour (und die Teile der Großkonzerne, die die Verstaatlichung unterstützen) sehen die Maßnahme klar als einen vorübergehenden Ausweg zur Überwindung der Krise von Northern Rock. Die Bank wird nach rücksichtslosen Methoden des Großkapitals geführt, mit dem Ziel, sie so bald wie möglich wieder an den privaten Sektor zu verkaufen. Darling hat Ron Sandler zum geschäftsführenden Vorsitzenden ernannt, mit einem Gehalt von 90.000 Pfund im Monat (und zweifellos vielen Vergünstigungen). Der in Finanzkreisen bekannte Sandler ist ein „Non-Dom“, d.h. für Steuerzwecke ein „Nichtansässiger“, der im Vereinigten Königreich keine Steuern auf seine Offshore-Einkünfte zahlt.
Darling behauptet, dass die Bank als „laufendes Unternehmen“ geführt werde und nicht, wie von einigen Vertreter*innen der City gefordert (sie befürchten „unfaire“ Konkurrenz durch eine Bank, die durch staatliche Garantien abgesichert ist), den Betrieb einstellen werde. Es ist jedoch bereits klar, dass die Bank unter Sandler versuchen wird, den Umfang ihrer Geschäftstätigkeit zu verringern. Zunächst einmal sind 3.000 Arbeitsplätze von Northern Rock-Mitarbeiter*innen unmittelbar bedroht. Das neue Management wird versuchen, die ausstehenden Kredite von rund 110 Milliarden Pfund auf etwa 50 Milliarden Pfund zu reduzieren. Auf die eine oder andere Weise wird Druck auf die Inhaber*innen von Northern-Rock-Hypotheken ausgeübt werden, sich anderweitig umzusehen.
Es ist jedoch keineswegs gewiss, dass Sandler, selbst mit dem Vorteil staatlicher Garantien, fähig sein wird, das Geschäft in drei bis fünf Jahren zu sanieren. Der Rückgang der Hauspreise und ein Anstieg der Zahlungsrückstände bei Hypotheken könnten verheerende Auswirkungen auf Northern Rock sowie auf andere Banken und Bausparkassen haben. Im letzten Quartal 2007 stiegen die Zahlungsrückstände von Northern Rock um 25%, wovon über 9.000 Haushalte betroffen waren. Northern Rock verfügt derzeit über einen Pool von 1.100 Häusern, die kürzlich wieder in Besitz genommen wurden. Dies ist nur der Anfang der britischen Immobilienkrise.
Ein weiterer, wirklich skandalöser Aspekt der Regierungsübernahme kam erst mit der Ankündigung der Verstaatlichung ans Licht. Es stellt sich heraus, dass mindestens ein Drittel der Vermögenswerte von Northern Rock nicht direkt der Bank gehört und nicht von der Verstaatlichungsmaßnahme erfasst wird. Diese Vermögenswerte in Höhe von rund 45 Mrd. Pfund (von der Gesamtbilanzsumme von 110 Mrd. Pfund) sind in Granite, einem auf Jersey ansässigen Trust, investiert. Eine Reihe von Kommentator*innen sagen, dass Granite die qualitativ besten Vermögenswerte hält, während die riskanteren Vermögenswerte (z. B. 125%-Hypotheken) bei Northern Rock selbst liegen.
Cable kommentierte: „Was uns jetzt gesagt wird, ist, dass dies auf irgendeine Weise zugunsten einer oder mehrerer unbekannter Personen ausgegliedert wurde. Es scheint sich nicht um öffentliches Eigentum an Northern Rock zu handeln, sondern um eine Auslagerung von Vermögenswerten zugunsten von wem auch immer, das wissen wir nicht. Dies ist eine sehr ernste Entwicklung“.
„Zu den ,Vermögenswerten‘ von Northern Rock gehören laut Cable auch ungesicherte Schulden, wie Teile von Hypotheken, die den Wert der betreffenden Immobilien übersteigen. Mit anderen Worten, der Müll“. („Evening Standard“, 20. Februar)
Der ehemalige Konservative Schatzkanzler Kenneth Clarke sagte: „Die besten Anlagen befinden sich in Granite. Es sieht so aus, als gäbe es einen Vertrag, der es ermöglicht, weitere Vermögenswerte einzuziehen, und es ist der Müll in den Vermögenswerten, den wir jetzt verstaatlichen“.
Der Labour-Abgeordnete John McDonnell sagte: „Die Leute, die gewinnen werden, sind die Beteiligten von Granite, die Leute, die verlieren werden, sind die Steuerzahler*innen und die Mitarbeiter*innen von Northern Rock, die dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren könnten“.
Schon jetzt behaupten einige Northern Rock-Aktionär*innen, dass ihr Eigentum gestohlen werde, und fordern exorbitante Entschädigungen. Zwei Hedgefonds, RAB Capital und SRN, die von dem berüchtigten Vermögensverwalter Jon Wood, einem britischen Multimillionär, der jetzt in der Schweiz lebt, geleitet werden, führen das Rudel an. Beide Fonds haben ihre Beteiligungen nach Ausbruch der Northern-Rock-Krise massiv aufgestockt (sie halten derzeit rund 20% des Aktienkapitals) und wollen eindeutig von der Lage profitieren. Sie fordern, dass sie mit 4,50 Pfund pro Aktie entschädigt werden, obwohl die Northern-Rock-Aktien unmittelbar vor der Verstaatlichung für nur 90 Pence verkauft wurden. Obendrein, da die Bank ohne staatliche Unterstützung völlig bankrott gewesen wäre, waren die Aktien in Wirklichkeit wertlos.
Darling hat angekündigt, dass er einen unabhängigen Gutachter ernennen werde, der den Wert der Northern Rock-Aktien unter der Annahme berechnet, dass die Bank nicht als „laufender Konzern“ weitergeführt werden könnte – mit anderen Worten, dass sie tatsächlich bankrott wäre. Auf dieser Grundlage müsste die Regierung wenig oder gar nichts an die Aktionär*innen zahlen. RAB Capital und SRN rechnen jedoch offensichtlich damit, dass sie, wenn sie ähnlich wie die Railtrack-Aktionär*innen mit einer Klage gegen die Regierung drohen, diese zu überhöhten Zahlungen zwingen werden, um die Komplikationen eines langwierigen Gerichtsverfahrens zu vermeiden. Die Railtrack-Aktionär*innen forderten £4 pro Aktie und einigten sich schließlich auf £2,50 – trotz der Tatsache, dass Railtrack faktisch bankrott war. James Hamilton von Numis Securities kommentierte: „Wir glauben, dass dieser Wert [der Northern Rock-Aktien] sehr nahe bei Null liegt. Wir glauben jedoch, dass eine Zahlung an die Aktionäre erfolgen wird, damit die Regierung eine Railtrack.2-Lage vermeiden kann“.
Es spricht viel dafür, dass die Regierung eine angemessene Entschädigung für die Mitarbeiter*innen von Northern Rock und die Kleinaktionär*innen, die ihre Lebens-Ersparnisse in Northern-Rock-Aktien angelegt haben, in Betracht zieht. Aber es gibt überhaupt keinen Grund, räuberische Hedgefonds zu entschädigen, die zweifellos mit der Absicht investiert haben, von einem ,Notverkauf‘ der Northern Rock-Aktiva zu profitieren.
Sowohl die Großkonzerne als auch die New-Labour-Minister*innen sind in der Frage der Verstaatlichung äußerst empfindlich. Die „Financial Times“ akzeptierte die Verstaatlichung als die „am wenigsten schlechte der begrenzten Optionen“ (Leitartikel, 17. Februar). Für den „Economist“ (18. Februar) war sie ebenfalls „die am wenigsten schlechte von mehreren schlechten Optionen“. Dennoch fürchten sie eindeutig die Folgen einer Verstaatlichung, deren Notwendigkeit im Fall von Northern Rock das Versagen des Marktes zeigt, alle Probleme zu lösen. Die Journale der Großkonzerne trennen diese Verstaatlichungsmaßnahme vehement von jeder Ausweitung der wirtschaftlichen Macht des Staates. „Die Unterschiede zwischen dieser Verstaatlichung und gescheiterten Verstaatlichungen in der Vergangenheit sind klar. Northern Rock wird sich nur vorübergehend in öffentlichem Besitz befinden. Es wird am langen Arm gemanagt werden … Jeder, der behauptet, die Labour-Regierung sei zum Sozialismus der 1970er Jahre zurückgekehrt, verdient Spott. Sie hat eine vernünftige, nüchterne, nicht-ideologische Wahl getroffen“. (Leitartikel der „Financial Times“, 17. Februar)
„Kritiker, die die Regierung beschuldigen, zu ihren alten sozialistischen Neigungen aus den 1970er Jahren zurückgekehrt zu sein“, kommentierte der „Economist“, „liegen schlichtweg falsch“. (18. Februar)
Die von vergangenen Labour-Regierungen durchgeführten Verstaatlichungen waren keine „sozialistischen“ Verstaatlichungen: Der Staat übernahm gescheiterte Industrien, um sie im Interesse der gesamten kapitalistischen Wirtschaft besser zu verwalten. Dennoch verübelten die Großkonzerne diesen Eingriff in ihre wirtschaftliche Macht und den damit verbundenen größeren Einfluss, den es Regierungen, besonders Labour-Regierungen, gab, die in der Vergangenheit den Druck der Arbeiter*innenklasse widerspiegeln konnten.
Heute sind die Befürworter*innen des ultra-freien Marktkapitalismus rasend wegen der Verstaatlichung von Northern Rock, auch wenn sie als einmalige Notmaßnahme dargestellt wird. In der „Financial Times“ (18. Februar) behauptet Tim Congdon, ein rechter Ökonom, dass die Verstaatlichungsmaßnahme der Regierung „rechtlich ungültig und moralisch empörend“ sei und einen Verstoß gegen die „Grundsätze des Privateigentums“ darstelle, wenn die Regierung nicht 1,5 bis 2 Milliarden Euro an die Aktionär*innen verteile – was er als wahrscheinlichen Erlös aus einer künftigen Reprivatisierung berechnet. Besonders wütend sind die Befürworter*innen des freien Marktes, dass der von Darling vorgelegte Verstaatlichungsentwurf der Regierung die Befugnis gibt, innerhalb der nächsten zwölf Monate jede Bank zu verstaatlichen. Dies wird als ein Komplott Browns angeprangert, sich große Teile des Finanzsektors anzueignen. Das ist natürlich lächerlich. Dennoch zeigt die Zwölfmonatsregelung, dass die Regierung befürchtet, dass andere Banken (möglicherweise die bereits wackelige Alliance and Leicester oder Bradford and Bingley) der Northern Rock folgen könnten, und dass sie mit Befugnissen ausgestattet werden will, um sie schneller als im Fall der Northern Rock zu retten.
New Labour hat sogar begrenzten Maßnahmen früherer Labour-Regierungen abgeschworen. Zum Beispiel verstaatlichte die Regierung von Harold Wilson in den 1960er Jahren Sektoren des Schiffbaus und der Stahlerzeugung, um diese Grundindustrien vor dem Bankrott zu retten. Sie fuhren fort, nach kapitalistischen Grundsätzen geführt zu werden. Eine echte sozialistische Regierung würde die großen Banken und Finanzhäuser verstaatlichen, als Schlüssel, um die Wirtschaft zu kontrollieren. Dies wäre der einzige Weg, die katastrophalen Auswirkungen einer Kernschmelze des Finanzsektors zu vermeiden. Um wirksam zu sein, müsste die Verstaatlichung der Banken in Verbindung mit der Verstaatlichung der Kommandohöhen der Wirtschaft, der großen Produktionsmonopole, der Bauunternehmen und des Transports erfolgen. Entschädigungen würden an Kleinanleger*innen auf der Grundlage erwiesener Bedürftigkeit gezahlt. Die verstaatlichten Firmen würden nicht von den Finanziers der City und den Direktor*innen der Großkonzerne geleitet, sondern von demokratisch gewählten Vorständen mit demokratischer Arbeiter*innenkontrolle. Dann wäre es möglich, eine demokratische, sozialistische Planung der Produktion zu entwickeln, um die Bedürfnisse der überwältigenden Mehrheit der Gesellschaft zu erfüllen.
Die kommende Krise des britischen und globalen Kapitalismus wird immer mehr Menschen dazu führen, eine Alternative zu einem System zu suchen, das auf der brutalen Anarchie des Marktes und dem Profitstreben des Großkapitals basiert. Die sozialistische Idee der Wirtschaftsplanung unter Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung wird zunehmend als die einzig gangbare Alternative zum Kapitalismus ansprechen.
Lynn Walsh
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