[Eigene Übersetzung des Artikels in Socialism Today, Nr. 116, März 2008]
Die Konjunkturabschwächung in den USA nimmt an Fahrt auf, begleitet von einem langsameren Wachstum in Europa und anderswo. Gleichzeitig verschärft sich die Kreditklemme und greift auf weitere Teile der Wirtschaft über. Lynn Walsh berichtet über die jüngsten Entwicklungen.
Im Januar wurden an den Weltbörsen 5 Billionen Dollar (2,7 Billionen Pfund) vernichtet, und 50 von 52 Börsen meldeten für diesen Monat Gesamtverluste. Diese Verluste an den Aktienmärkten sind zwar an sich schon ernst genug, aber sie sind nur ein Nebenschauplatz der tiefen Krise auf den grundlegenderen Kreditmärkten. Bislang haben die Banken Abschreibungen und Verluste aus dem US-Subprime-Hypotheken-Fiasko in Höhe von 164 Mrd. Dollar gemeldet, doch die führenden Vertreter*innen der G7 befürchten, dass die Gesamtsumme 400 Mrd. Dollar sein könnte – und selbst das könnte eine Unterschätzung sein. Gleichzeitig breitet sich die Krise der komplexen Finanzinstrumente auf immer mehr Bereiche der Finanzmärkte aus.
Der wirtschaftliche Abschwung und die Vertiefung der Kreditklemme entwickeln sich Hand in Hand. Ausgehend von der Analyse in Socialism Today Nr. 115 (Februar 2008) behandelt dieser Artikel einige der jüngsten Entwicklungen.
Das scharfe Bremsen der US-Wirtschaft (mit einem BIP-Wachstum mit einer Jahresrate von nur 0,6% im dritten Quartal) hat bereits begonnen, eine Auswirkung auf Europa zu haben, und die Angst vor einer Verlangsamung in Japan wächst.
Die Europäische Kommission hat ihre BIP-Wachstumsvorhersage für die 27 EU-Länder gegenüber der Prognose vom letzten November von 2,4% auf 2% gesenkt. Es wird nun von der Kommission erwartet, dass die 15 Länder der Eurozone mit einer Rate von 1,8% im Jahr 2008 wachsen, ein Rückgang gegenüber der vorherigen Prognose von 2,2%. „Die jüngsten Korrekturen des Ausblicks“, kommentiert das „Wall Street Journal“ (22. Februar), „zeigen, dass das, was ein ,Worst-Case“-Szenario war, sich bewahrheiten könnte, und die aktuelle Prognose könnte sogar noch nach unten korrigiert werden“. „Einige der Abwärtsrisiken, die wir vor drei Monaten in Betracht gezogen haben, sind eingetreten. Die Verlangsamung in den USA ist jetzt deutlicher als im November“. (Joaquim Almunia, EU-Wirtschaftskommissar)
Für Großbritannien erwartet die EU-Kommission eine Verlangsamung des Wachstums auf 1,7% im Jahr 2007, verringert gegenüber ihrer November-Vorhersage von 2,2%. (Die britische Wirtschaft wuchs im Jahr 2007 um 3,1%.)
In Japan wuchs im Unterschied dazu die Wirtschaft um 3,7% im vierten Quartal, mehr als die nur 1,3% im dritten Quartal. Jedoch der Hauptfaktor für dieses Wachstum waren die Exporte, während das Binnenwachstum schwach war. Naoki Iizuka, Wirtschaftsexperte bei Mizuho Securities, kommentierte: „Eine Verlangsamung im Wirtschaftswachstum in den USA wird wahrscheinlich im ersten Quartal 2008 beginnen, die japanische Wirtschaft zu beeinträchtigen und könnte in Verbindung mit einem schwächeren Dollar zu einem deutlich langsameren oder sogar negativen Wachstum beitragen“. („Financial Times“, 14. Februar)
Entwicklungen innerhalb des US-Kapitalismus bleiben trotz der „Abkoppelungstheorie“ (wonach die Nachfrage aus Schwellenländern wie China und Indien die Weltwirtschaft während eines US-Wirtschaftsabschwungs stützen würde) der Schlüssel zur Richtung der Weltwirtschaft.
US-Rezession vertieft sich
Jüngst veröffentlichte Daten zeigen, dass die US-Wirtschaft tiefer in die Rezession rutscht. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im letzten Quartal 2007 mit einer Jahresrate von nur 0,6%, verglichen mit 4,9% im dritten Quartal. Insgesamt lag das BIP-Wachstum 2007 bei 2,2%, dem schwächsten Wachstum seit fünf Jahren. Auch die Verbraucher*innenausgaben, die 70% des US-BIP ausmachen, verlangsamten sich (auf 2% im vierten Quartal von 2,8% im dritten Quartal). Die Reuters/University of Michigan-Umfrage zum Verbraucher*innenvertrauen verzeichnete zwischen Januar und Februar einen Fall um 11%: „Rückgänge dieses Ausmaßes waren in der Vergangenheit immer mit nachfolgenden Rezessionen verbunden“, sagte Richard Curtin, der Leiter der Umfrage. Ein Ökonom von Global Insight kommentierte, der Bericht deute „auf einen sich beschleunigenden Abschwung hin. Es sieht gerade nicht so aus, als würde man jetzt allmählich die Luft aus dem Ballon lassen“. („Financial Times“, 15. Februar)
Die US-Verbraucher*innen wurden von einer Kombination aus wachsenden Schuldenniveaus, zusammengepressten Einkommen (sowohl der Stunden- als auch der Wochenverdienst fielen 2007 inflationsbereinigt real um ein Prozent) und einer sich beschleunigenden Inflation getroffen. Der Verbraucher*innenpreisindex stieg um 4,1% 2007, besonders die Lebensmittel- und Energiepreise steigen mehr als die durchschnittliche Inflation. Im Januar zum Beispiel „stiegen die Importpreise für Lebensmittel, Energie und andere Rohstoffe um 13,7% gegenüber dem Vorjahr, der stärkste Anstieg seit Aufzeichnungen im Jahr 1982 begannen“. („Financial Times“, 15. Februar) Mit der Verlangsamung der Weltwirtschaft werden sich die Preise für Lebensmittel, Energie und Rohstoffe mit ziemlicher Sicherheit abschwächen, aber es kann durchaus eine zeitliche Verzögerung geben. Kurzfristig könnten die Rohstoffpreise weiter steigen, während sich die US-Wirtschaft noch mehr verlangsamt. Einige Importpreise steigen natürlich als Ergebnis des kontinuierlichen Rückgangs des Dollars.
Der größte Faktor bei der Verlangsamung der Verbraucher*innenausgaben mit all ihren Auswirkungen ist die schnelle Deflation der Immobilienblase. Zwischen 1995 und 2006 war die Immobilienblase (als die Immobilienpreise um mehr als 70% mehr stiegen als die Preise im Allgemeinen) für etwa die Hälfte des US-Wirtschaftswachstums verantwortlich. Der Bau von Häusern, Wohnungsdienstleistungen und -einrichtungen usw. machten einen Teil des Wachstums aus. Aber viele Hausbesitzer*innen nutzten die Vorteile billiger Kredite, um mit Hilfe ihrer Hypotheken das Eigenkapital aus ihren Häusern abzuschöpfen und so ihre Kaufkraft zu erhöhen. Für viele war dies eine Methode, um die langfristige Stagnation der Einkommen der meisten Lohn- und Gehaltsempfänger*innen auszugleichen. Auf dem Höhepunkt der Blase im Jahr 2005 zogen die Hausbesitzer*innen insgesamt 780 Milliarden Dollar zusätzliche Kaufkraft aus ihren Häusern ab.
Diese Wachstumsquelle hat sich nun erschöpft. Die Hausverkäufe fielen im vergangenen Jahr um rund 25%. In seinem Webkommentar „Beat the Press“ [Schlag die Presse] kommentierte Dean Baker: „Der Preis der Median-Häuser fiel im letzten Quartal 2007 gegenüber dem dritten Quartal mit einer Jahresrate von 21,8%. Der Preis für ein durchschnittliches Haus fiel mit einer Jahresrate von 17% … Wenn diese Rate des Rückgang anhält, hätte das enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die für den Medianhauspreis angegebene Rückgangsrate von 21,8% würde einen Verlust von mehr als 4 Billionen Dollar an Immobilienvermögen im Laufe des Jahres bedeuten. Das ist mehr als das 50-fache des Ausmaßes der vom Kongress als Teil eines Konjunkturpakets in Erwägung gezogenen Steuererleichterungen für Familien“. („Beat the Press“, 25. Januar)
„Die Zahl der Zwangsvollstreckungen in den USA, ein Vorbote von Leerständen, ist laut RealtyTrac im vergangenen Jahr um 75% auf 2,2 Millionen gestiegen. Allein im Dezember gab es 215.749 Zwangsvollstreckungsanträge, fast doppelt so viele wie im Dezember 2006“. („Wall Street Journal“, 17. Februar) Die Zahl der Menschen, die durch Schulden aus ihren Häusern gezwungen werden, wird im Laufe des Jahres 2008 zweifellos stark ansteigen, wobei ganze Landstriche in einigen Bundesstaaten wie Ohio und Michigan in vorstädtisches Ödland verwandelt werden.
Die Krise der Immobilienkredite beschränkt sich keineswegs auf den Sektor der Subprime-Hypotheken. „Menschen mit guter Bonität geraten mit ihren Hausraten, und auch mit Krediten und Kreditkarten immer schneller in Verzug“, berichtet die „International Herald Tribune“ (13. Februar). Der Chefvolkswirt von Moody’s Economy.com kommentierte: „Dieser Zusammenbruch der Immobilienwerte saugt alle Schuldner ein“. Ein anderer Wall-Street-Finanzier kommentierte: „Subprime war ein Symptom des Problems. Das Problem war, dass wir eine Schulden- oder Kreditblase hatten“. Die Ausfallquote für Subprime-Hypotheken hat inzwischen etwa 24% erreicht. Die Rate der Zahlungsausfälle und Zwangsvollstreckungen für alle Hypotheken ist jedoch mit 7,3% so hoch wie nie zuvor seit 1979, als die Daten erstmals gesammelt wurden.
Da die Möglichkeiten von Hausbesitzern, ihre Häuser zu beleihen, drastisch eingeschränkt sind, wenden sie sich zunehmend anderen Formen der Verschuldung zu, besonders Kreditkartenschulden. Im November 2007 stiegen die Kreditkartenschulden mit einer jährlichen Rate von 11,3% deutlich stärker an als die jährliche Rate von 2% bis 4% zwischen 2003 und 2005.
Die verschiedenen Maßnahmen, die von der Bundesregierung und einigen Bundesstaaten ergriffen werden, werden nur eine begrenzte Wirkung auf die Hypothekenkrise haben. Programme wie „Project Lifeline“ richten sich an Hausbesitzer, die mit ihren Zahlungen in Verzug geraten sind, und bieten ihnen eine Atempause, um zu versuchen, ihre Kredite zu refinanzieren. Diese Programme werden jedoch drei Vierteln der Schuldner*innen, die in Schwierigkeiten sind, nicht helfen, besonders nicht denjenigen, die ernsthaft säumig sind.
Auswirkung auf die Wirtschaft darüber hinaus
Bislang ist die Arbeitslosigkeit (nach offiziellen Angaben) nicht gestiegen, aber der geringe (17.000) Rückgang der Arbeitsplätze in den USA im Januar (nach vorläufigen Angaben) deutet auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit hin. Die Beschäftigung in der verarbeitenden Industrie ist am stärksten betroffen. GM, das kurz davor steht, von Toyota als weltgrößter Automobilhersteller überholt zu werden, gab kürzlich Verluste für das letzte Quartal 2007 bekannt. GM bietet seinen verbleibenden 74.000 gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen (nach 30.000 Entlassungen im Jahr 2006) nun Abfindungspakete an. Auch Ford und Chrysler versuchen, ihre Belegschaft stark zu reduzieren.
Das Center for Economic and Policy Research (CEPR) schätzt, dass „die nächste Rezession die Arbeitslosigkeit um 3,2 bis 5,8 Millionen Menschen und die Armut um 4,7 bis 10,4 Millionen erhöhen könnte, wobei mindestens 4,2 Millionen auch ihre Krankenversicherung verlieren würden. Die Spanne hängt davon ab, ob es eine milde bis mittelschwere Rezession wie bei den letzten beiden (2001 und 1990-91) oder um eine schwerere wie 1980-82 ist“. (Mark Weisbrot, Proposed Stimulus Package is Not Enough [Vorgeschlagenes Konjunkturpaket ist nicht genug], www.cepr.net) Angesichts der Kombination aus Bankenkrise und Wirtschaftsabschwung könnte die kommende Rezession jedoch noch schwerer sein als 1980-82.
Bislang hat die Kreditklemme vor allem den Bankensektor und den Wohnungsbau betroffen, doch nun beginnt sie, sich auf die Wirtschaft darüber hinaus auszuweiten. Die komplexen Wertpapiere (wie z. B. Asset-Backed Debt Obligations [durch Vermögenswerte abgesicherte Schuldverpflichtungen] und Credit Default Swaps [Kreditausfallversicherungen]) stehen nicht nur im Zusammenhang mit Subprime-Wohnungskrediten, sondern betreffen auch Kredite, die von Unternehmen in der verarbeitenden Industrie und im Dienstleistungssektor aufgenommen wurden.
„Angst vor hochrangigen Schulden“, warnte das „Wall Street Journal – Europe“ (22. Februar). „Die globale Finanzkrise… breitet sich rasch auf einen viel größeren Bereich aus: den Markt für Wertpapiere, die an die Kredite der Unternehmen der Welt gebunden sind. US- und europäische Indizes, die die Wahrscheinlichkeit von Unternehmensausfällen abbilden, blinken rot, da Händler und Investoren sich über die Aussichten für die Weltwirtschaft und die Möglichkeit von Verwerfungen bei etwa 6 Billionen Dollar an komplexen Wertpapieren, die an den Wert von Unternehmensanleihen gebunden sind, sorgen.“
Einige Kommentator*innen tun die Angst vor der Ausbreitung von Konzerninsolvenzen als Panikreaktion ab. „Das „Wall Street Journal“ berichtet jedoch, dass „die Zahlungsausfälle von Konzernen zugenommen haben und dass die Ratingagenturen für dieses Jahr einen deutlichen Anstieg voraussagen“.
Es gibt unausweichlich eine Wechselwirkung zwischen der Krise im Bankensektor und der Realwirtschaft. Es gibt bereits zahlreiche Anzeichen, dass die Kreditklemme den Abschwung der Wirtschaft verschärft, und eine Verschärfung der Krise im Finanzsektor wird das Abgleiten in die Rezession zweifellos beschleunigen.
Die Kreditklemme verschärft sich
Die Kreditklemmeverschärft sich und dehnt sich auf weitere Teile der Wirtschaft in den USA, Europa und anderswo aus. „Schwierigkeiten im Bereich der Subprime-Hypotheken sickern in andere Märkte wie Kreditkarten, Autokredite und College-Schulden, die an Personen mit riskantem Profil vergeben werden, hinein. (Gretchen Morganson, „International Herald Tribune“, 18. Februar) Derzeit belaufen sich die Verluste und Abschreibungen der Banken auf insgesamt 164 Mrd. Dollar (84 Mrd. Dollar in den USA und 40 Mrd. Dollar in Europa). Aber es wird klar schlimmer kommen. Nach dem Treffen der G7-Finanzminister sagte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, er fürchte, dass die Abschreibung von Verlusten aus Wertpapieren im Zusammenhang mit US-Subprime-Hypotheken 400 Mrd. Dollar erreichen könnte. Ängstliche Banker*innen und Spekulant*innen fragen sich: „Wo ist der Rest des Schreckens“ – die toxischen Kredite, die das gesamte weltweite Kreditsystem kontaminieren.
Die Probleme breiten sich klar auf andere Sektoren aus, und selbst die Schätzungen von Verlusten von 400 Milliarden Dollar könnten sich als zu niedrig erweisen. Andere Problembereiche umfassen:
Monoliner: Die Monoliner-Anleiheversicherer versichern derzeit Anleihen und andere Wertpapiere im Wert von rund 3,3 Billionen Dollar. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Garantie von AAA-Ratings der versicherten Wertpapiere. Einige der Monoliner sind jedoch jetzt in Schwierigkeiten. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit einiger Versicherer hat zu einer Herabstufung der von ihnen versicherten Wertpapiere geführt, was zu einer Blockade der Märkte (z. B. des Marktes für Kommunalobligationen) führte und die Inhaber*innen der versicherten Wertpapiere zu Wertberichtigungen zwang. Bislang ist ein Rettungsplan nicht zustande gekommen. Gelingt es jedoch nicht, die Monoliner zu stabilisieren, könnte dies verheerende Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. (Siehe Kasten)
Hedgefonds: Als unregulierte, private Clubs superreicher Investor*innen kontrollieren Hedgefonds Investitionen in Höhe von schätzungsweise 1,4 Billionen Dollar mit starker Beteiligung an den komplexesten Wertpapieren, Derivaten etc. Früher erzielten sie für ihre Mitglieder riesige Erträge, aber Berichte in diesem Jahr zeigen große Verluste einiger Hedgefonds. „Nach Jahren des explosiven Wachstums“, kommentiert Jenny Anderson, „tritt diese geheimnisvolle, manchmal unberechenbare Ecke der Finanzwelt in eine gefährliche neue Ära ein. Die anhaltenden Turbulenzen an den Märkten schüren die Angst, dass noch mehr dieser Fonds scheitern werden, einige vielleicht spektakulär“. („International Herald Tribune“, 13. Februar)
Credit Default Swaps (Kreditausfallversicherungen): Dies sind komplexe Finanzinstrumente, die zur Absicherung anderer Wertpapiere verwendet werden. Der Gesamtwert der ausstehenden Credit Default Swaps ist auf unglaubliche 45,5 Billionen Dollar angestiegen! Dies ist eine Bruttozahl, und die Versicherungsansprüche gegen den Ausfall versicherter Wertpapiere werden nur einen Bruchteil dieser kolossalen Summe ausmachen. Aber wie viel steht auf dem Spiel? Was werden die Verluste voraussichtlich sein? Niemand weiß es. Ängste wachsen daher nun vor einem Zusammenbruch des Credit-Default-Swap-Marktes – was eine Finanzkatastrophe von noch größerem Ausmaß als die Subprime-Hypothekenkrise sein könnte.
Leveraged Buy-outs (Kreditfinanzierte Aufkäufe): Bis die Kreditklemme im letzten Sommer zuschlug, kauften räuberische private Beteiligungskapital-Firmen fieberhaft Unternehmen auf, um sie umzustrukturieren und mit Gewinn weiterzuverkaufen. Diese Operationen wurden zunächst durch Bankkredite finanziert, und dann, nachdem die Unternehmen umstrukturiert waren, wurden die Bankkredite als Schuldverschreibungen verkauft. Seit letztem Sommer haben sich jedoch keine Käufer*innen für diese Wertpapiere gefunden, so dass die Investmentbanken mit rund 150 Milliarden Dollar Schulden belastet sind, die ihr Kapital binden. Einige Finanziers argumentieren nun, dass die Banken diese Schulden oder einen großen Teil davon als unverkäuflich abschreiben sollten. Dies würde weitere große Verluste bedeuten.
Lähmung des Marktes für Kommunalanleihen: Dies betrifft vor allem den US-Markt für Kommunalanleihen, könnte aber auch auf andere Länder übergreifen. Durch die Ausgabe von Anleihen beschaffen sich die Kommunen kurzfristige Kredite zur Deckung ihrer Ausgaben über so genannte „Auction Rate Securities“ [langfristige Anleihen mit variablem Zinssatz]. Diese wurden früher von den Monoliner-Anleiheversicherern versichert, um ihr erstklassiges Investment-Grade-Rating zu gewährleisten. Mit dem Aufkommen der Monoliner-Krise sind jedoch viele kommunale Anleihen in Wirklichkeit nicht mehr garantiert, so dass der Markt ins Stocken geraten ist. Es gibt jetzt eine wachsende Krise bei der Finanzierung der kommunalen Staatsausgaben.
US-Verbraucher*innenschulden: Die Ausfallquote bei Hypotheken, die keine Subprime-Kredite sind, Kreditkarten- und Autokrediten, Student*innenkrediten usw. beginnt zu steigen.
Gewerbliche Immobilienkredite in den USA und Großbritannien: Die Immobilienspekulation auf der Grundlage hoher Verschuldung (Leverage) boomte bis letztes Jahr. Diese Tätigkeit hing auch von der Verbriefung und dem Verkauf von Bankkrediten ab, die ursprünglich zur Finanzierung von Immobilienprojekten verwendet wurden. Immobilienunternehmen finden es nun immer schwieriger, ihre Kredite zu refinanzieren.
Ein neuer Boom bei Rohstoffen und Schwellenländern: Die Unbeständigkeit an den großen Börsen hat Hedgefonds und andere Großspekulant*innen dazu veranlasst, sich den boomenden Rohstoffmärkten und Aktien in „Schwellenländern“ wie China, Indien, Russland usw. zuzuwenden. Die meisten dieser Aktivitäten sind stark kreditfinanziert, wobei die Spekulant*innen die niedrigen Zinssätze nutzen, um mit billigen Krediten auf Öl, Gold, Platin, Eisenerz, Aluminium usw. zu spekulieren, deren Preise in die Höhe schnellen. Bislang wachsen die Wirtschaften Chinas, Indiens und der Erdölproduzent*innen noch, was die Spekulant*innen davon überzeugt, dass noch große Profite zu machen seien. In Wirklichkeit ist das eine neue Blase, die platzen wird, wenn die großen Wirtschaften in eine Rezession abgleiten und Länder wie China und Indien sich ebenfalls zu verlangsamen beginnen.
Die derzeitige Lage ist nicht nur ein Finanzcrash wie der sehr ernsthafte Börsenkrach von 1987 oder der Zusammenbruch der Dotcom-Blase im Jahr 2000/01. Es gibt eine tiefe Krise des zentralen Bankensystems, das zum Herzstück des kapitalistischen Finanzwesens gehört, des Sektors, der jetzt den globalen Kapitalismus beherrscht. In den letzten Jahren gaben die Banken die Verantwortung für die Kontrolle (Vermittlung) des globalen Kreditsystems an ein Schattenbankensystem ab, das von einem regellosen Markt für komplexe, hochliquide und weitgehend unregulierte Wertpapiere beherrscht wird. Über ihre eigenen „speziellen Investmentvehikel“ (oder außerbilanzlichen Aktivitäten) waren die Großbanken (zusammen mit Hedgefonds und anderen Investmentfirmen) jedoch unter den wichtigsten Akteur*innen in diesem Schattensystem. Dieses System globaler Finanzbeziehungen, das durch ein noch nie dagewesenes Verschuldungsniveau angeheizt wurde, ist nun in einer sehr tiefen Krise – und sie hat gerade erst begonnen, sich zu entfalten.
Kasten: Monoliner-Krise
Die Krise der Monoliner ist noch immer nicht gelöst. Was bisher im Dunkeln war, ist in jüngster Zeit klar geworden: dass diese Gebilde, die rund 3,3 Billionen Dollar an Anleihen und anderen Wertpapiere versichern, in einigen entscheidenden Bereichen der Finanzmärkte eine Schlüsselrolle spielen. Mehrere dieser Gebilde sind bereits faktisch insolvent, und die Pleite weiterer Unternehmen hätte das Potenzial, eine systemische Finanzkrise auszulösen. „Es ist entscheidend, dass der Anleihenversicherungsbranche so schnell wie möglich ausreichend Kapital zugeführt wird. Ihre Pleite oder der Verlust des AAA-Ratings ist eine potenzielle Quelle für systemische Risiken“. (Lawrence Summers, ehemaliger US-Finanzminister, „Financial Times“, 27. Januar)
Gillian Tett schrieb aus Davos und kommentierte: „Fast alle Finanziers, die ich bisher in Davos getroffen habe, glauben, dass es schwierig (nein, unmöglich) sein werde, das Vertrauen in die Finanzwelt ohne eine ,Lösung‘ für das Monoliner-Problem wiederherzustellen“. („Financial Times“, 24. Januar)
Die Monoliner-Krise könnte zu Verlusten für die Banken in der Größenordnung der Subprime-Hypotheken-Kernschmelze führen.
Das Auftreten der Monoliner-Krise war ein wichtiger Faktor für den starken Kurssturz an den Weltbörsen nach dem 21. Januar. Die Rating-Agenturen stuften die Kreditwürdigkeit dreier großer Monoliner herab, was die Befürchtung erzeugte, dass es zu einem totalen Zusammenbruch der Monoliner-Versicherung mit unabsehbaren Auswirkungen kommen könnte. Im letzten Quartal 2007 waren zwei der größten US-Monoliner, MBIA und Ambac, gezwungen, Verluste in Höhe von 8,5 Milliarden Dollar abschreiben.
In der Vergangenheit versicherten Monoliner vor allem die Emittent*innen kommunaler Anleihen, indem sie sich verpflichteten, im Falle eines Ausfalls die Zinszahlungen während der gesamten Laufzeit der Anleihe fortzusetzen. Dies garantierte den versicherten Anleihen ein AAA-Rating, das sie für Investor*innen attraktiver machte. Obendrein war es wesentlich, dass die Monoliner selbst ein AAA-Rating hatten, da sonst ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestanden hätte. In der Vergangenheit versicherten die Monoliner vor allem kommunale Anleihen, die relativ wenig riskant waren. Dies bedeutete, dass sie nur ein relativ dünnes Kapitalpolster benötigten, um sich gegen ein geringes Maß an Zahlungsausfällen abzusichern. In jüngster Zeit sind die Monoliner jedoch dazu übergegangen, viel riskantere Anleihen und Wertpapiere zu versichern, darunter forderungsbesicherte Wertpapiere, besicherte Schuldverschreibungen und andere „strukturierte Finanz“-Wertpapiere der Art, die mit dem Subprime-Immobilienmarkt verbunden waren.
Seit der Subprime-Krise letzten Sommer ist das Risiko von Zahlungsausfällen in diesen wesentlich riskanteren Sektoren erheblich gestiegen. Die Rating-Agenturen entschieden, dass die Kapitalbasis der Monoliner in Höhe von rund 22 Mrd. Dollar angesichts des gestiegenen Risikos bei den Anleihen und Wertpapieren im Wert von 3,3 Billionen Dollar, für die sie garantieren sollen, völlig unzureichend sei. Daher stuften die Rating-Agenturen den Kreditstatus der Monoliner herab.
Aber die Herabstufung der Monoliner hatte zur Folge, dass auch die Kreditwürdigkeit der versicherten Anleihen und Wertpapiere herabgestuft wurde.
Zum Beispiel stufte die Ratingagentur Fitch nach der Herabstufung des Monoliners Ambac Ende Januar 137 500 Anleihen herab. Einige der Eigentümer*innen dieser Anleihen, z. B. Pensionsfonds, waren daraufhin gezwungen, sie zu verkaufen, da sie nur Wertpapiere mit AAA-Rating halten dürfen. Banken und andere Investmentvehikel waren gezwungen, den Buchwert ihrer versicherten Anleihen und Wertpapiere zu senken, wodurch ein Teil ihrer Kapitalbasis vernichtet wurde.
Die Monoliner versichern rund 2,4 Billionen Dollar an Anleihen und Wertpapieren, davon rund 1 Billion Dollar an nicht-kommunalen Anleihen, mit anderen Worten: Wertpapiere mit höherem Risiko.
Die großen Banken besitzen rund 615 Mrd. Dollar an strukturierten Wertpapieren, die von den Monolinern versichert werden. Eine Herabsetzung der Kreditratings dieser Wertpapiere von AAA auf AA würde ihren Wert um 20-25 Mrd. Dollar verringern. Wenn ihr Status auf A verringert würde, wären die Verluste zwischen 140-150 Mrd. Dollar belaufen.
Einige Analysten berechnen, dass jeder Wertverlust von ein Prozent der versicherten Wertpapiere Verluste von 10 Mrd. Dollar erzeugen würde. Dies würde für das gesamte Anleiheportfolio Verluste von zwischen 150-200 Mrd. Dollar bedeuten, was den derzeitigen Subprime-Verlusten entspricht (die sich in den kommenden Monaten noch erhöhen könnten).
Im Januar begannen die US-Behörden einen Versuch eines Rettungspakets für die Monoliner. Als dies nach dem 21. Januar bekannt wurde, gab es eine kurze Erholung der US- und weltweiten Börsen. Bislang wurde jedoch noch kein Rettungspaket vereinbart, und manche bezweifeln, dass es überhaupt konkrete, gangbare Pläne gibt.
Die Rettungsaktion wird von Eric Dinallo, dem Versicherungsregulator des Bundesstaates New York, geleitet, der seit dem 23. Januar mit rund einem Dutzend New Yorker Banken Gespräche führte. Im Wesentlichen schlägt Dinallo vor, dass die Banken 15 Mrd. Dollar an Kapital in die Monoliner einbringen. Dies ist eine verrückte Situation. Die Banken werden aufgefordert, riesige Summen zu zahlen, um die Unternehmen zu retten, die sie eigentlich gegen Verluste versichern sollen.
Der Rettungsversuch steht vor mehreren anscheinend unlösbaren Problemen. Weder die Monoliner noch die Banken scheinen großes Vertrauen in Dinallo zu haben, der ein Regulierer des Finanzsektors, kein Banker ist. Sie würden es bei weitem vorziehen, wenn die New Yorker Federal Reserve die Operation leiten würde, wie bei der Rettung von Long Term Capital Management im Jahr 1998. Bisher hat sich die Fed sehr zurückhaltend gezeigt, sich zu engagieren.
Dann gibt es das Problem, dass die verschiedenen Banken sehr unterschiedliche Maße Belastung durch von den Monolinern versicherten Anleihen und Wertpapieren haben. Für einige könnte es besser sein, sich an einem Rettungsplan zu beteiligen, als die Verluste eines totalen Zusammenbruchs der Monoliner zu tragen. Andere Banken sind jedoch nicht in dieser Lage und sehen nicht ein, warum sie sich beteiligen sollten.
Gleichzeitig sind die Banken infolge der Subprime-Hypothekenkrise und der darauf folgenden Kreditklemme extrem kapitalschwach. Einige haben Kapitalspritzen von chinesischen Banken und Staatsfonds erhalten. Aber sie zögern, einen großen Teil davon durch eine Monoliner-Rettung zu verschlingen.
Der Veteran Finanziers-Milliardär Warren Buffett hat kürzlich drei der wackeligsten Monoliner-Versicherer ein Angebot unterbreitet, bis zu 800 Milliarden Dollar an von den Monolinern versicherten Kommunalanleihen rückzuversichern. Die Monoliner-Versicherer lehnten dies mit der Begründung ab, dass ihnen dies das sicherste Geschäft wegnehmen würde und ihnen nur noch das riskanteste Versicherungsportfolio bliebe. Auf gleiche Weise wehren sich die Monoliner gegen Vorschläge der Behörden, ihr Geschäft in „Gute-Bank“- und „Schlechte-Bank“-Abschnitte aufzuteilen und so die Versicherung von Kommunalobligationen vom risikoreicheren Sicherheitssektor zu trennen.
Fünfzehn Milliarden Dollar sind ein riesiger Geldbetrag, selbst auf den heutigen Finanzmärkten. Viele Kommentator*innen bezweifeln jedoch, dass er ausreichend sein wird, um die Monoliner vor einer Insolvenz zu schützen. Doch die Auswirkungen eines Monoliner-Zusammenbruchs sind unberechenbar.
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