[eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr. 168, Mai 2013]
Das Rettungspaket der Troika ist eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe für das Volk Zyperns. Wie wurde Prosperität so plötzlich in Armut verwandeln? Lynn Walsh berichtet.
Nach dem Beitritt zur Eurozone übernahmen die zypriotischen Kapitalist*innen ein Finanz- und Bankenmodell für die Entwicklung der Wirtschaft. Der Euro war eine starke Währung, die von den großen europäischen Mächten gestützt wurde, und die Banken Zyperns boten einen sicheren Hafen für internationales Kapital, besonders für Bargeld aus Russland (seit 2008 flossen schätzungsweise 350 Milliarden Dollar russischen Kapitals aus Russland ab). Obendrein verfügt Zypern anders als Russland über ein entwickeltes, stabiles Rechtssystem, von dem die Einleger*innen annahmen, dass es ihre Gelder schützen würde.
Als die Einlagen jedoch auf das Vier- bis Fünffache von Zyperns BIP anwuchsen, war es der Regierung unmöglich, die Einlagensicherung für Beträge bis zu 100.000 Euro zu übernehmen. Dazu wären 30 Milliarden Euro erforderlich gewesen.
Einer der Hauptauslöser für den Zusammenbruch des Bankensystems war der Zusammenbruch des Werts griechischer Staatsanleihen, die von zypriotischen Banken in großem Umfang gekauft worden waren. Dies war eine Folge des Rettungspakets, das Griechenland von der Troika – der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) – auferlegt worden war.
Anfang dieses Jahres wurden zwei der größten Banken, die Bank of Cyprus und Laiki, zahlungsunfähig und ihnen wurde von der EZB Notfall-Liquiditätshilfe verweigert. Dies zwang die Regierung, sich an die Troika zu wenden, um Rettungsgelder zu erhalten.
Die russische Verbindung
Die Einlagen bei den Banken in Zypern wunden auf das Vier- bis Fünffache des BIP der Insel aufgebläht. Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel dieser Einlagen aus Russland stammte. Etwa zwei Drittel davon waren möglicherweise Schwarzgeld aus Drogenhandel, Steuerbetrug, Bestechung usw. Ein Teil der russischen Einlagen war jedoch „Geldverschiebung”. Mit anderen Worten: Das Geld der Oligarch*innen wurde in Zypern angelegt und dann über in Zypern ansässige Unternehmen wieder in Russland investiert. Dies bot den Oligarch*innen eine Rechtssicherheit, die sie in Russland selbst nicht hatten.
Mit dem Ausbruch der zypriotischen Bankenkrise hofften viele, dass Russland aufgrund der enormen russischen Beteiligung eingreifen und das Bankensystem der Insel retten werde. Der ehemalige Präsident der Kommunistischen Partei, Demetris Christofias, hatte den Kreml um Hilfe gebeten. Die Mächte der Eurozone warnten jedoch Wladimir Putin davor. Gleichzeitig schreckte Putin vor dem enormen Umfang der Verbindlichkeiten der zypriotischen Banken zurück. Eine Rettungsaktion würde mindestens 10 Milliarden Euro kosten, und wenn die Banken anschließend trotzdem zusammenbrechen würden, wären möglicherweise 20 bis 40 Milliarden Euro erforderlich, um das System zu retten. Obwohl die großen russischen Einleger*innen unter dem Troika-Paket „skalpiert” wurden, lohnte es sich für den Kreml nicht, für die Verbindlichkeiten der zypriotischen Banken zu bürgen.
Viele der Oligarch*innen, die offensichtlich im Voraus gewarnt worden waren, zogen ihre Gelder Anfang März ab, bevor die Krise ausbrach. Zweifellos werden die Oligarch*innen ihr Geld in neue Steueroasen verschieben.
Das verpfuschte Abkommen
Das erste Abkommen, das die Troika Anfang März vorgeschlagen hatte, war völlig verpfuscht. Zuvor hatte die Regierung im Fall Irlands, wo es ebenfalls eine Bankenblase gab (basierend auf dem spekulativen Immobilienboom), alle Einlagen garantiert – was sie sich einfach nicht leisten konnte. Sie musste sich daher wegen Finanzmitteln an die Troika wenden – auf der Grundlage brutaler Kürzungsmaßnahmen. Im Fall Zyperns schlug die Troika vor, dass die Einleger*innen selbst die Hauptkosten der Rettungsaktion tragen sollten – eine „Selbstrettung“. Zweifellos wollte die zypriotische Regierung auch die russischen Einleger*innen beschwichtigen und vermeiden, die gesamte Abgabe den Großsparer*innen aufzubürden.
Dies bedeutete jedoch, dass die Einlagensicherung bis zu 100.000 Euro ein wertloses Versprechen war. Dies löste Empörung unter den Kleinsparer*innen aus, die mit einer Steuer von 3,5% auf ihre Ersparnisse konfrontiert waren.
Aber der Vorschlag einer Umlage für alle Sparer*innen sandte eine Schockwelle durch ganz Europa aus. Eine solche Maßnahme würde bedeuten, dass keine Einlagen sicher wären; Einlagensicherungsgarantien wären praktisch wertlos. Die Lage wurde durch die Erklärung Jeroen Dijsselbloems, des Vorsitzenden der Finanzminister*innen der Eurozone, verschlimmert, der erklärte, dass das vorgeschlagene Abkommen für Zypern als Vorlage für künftige Rettungsaktionen dienen würde. Er wurde bald als „Dimwit-bloem” (Dummkopf-Bloem) bezeichnet! Die Troika war schnell gezwungen, diesen Vorschlag zurückzuziehen, und Mario Draghi, Präsident der EZB, gab zu, dass es ein Fehler gewesen sei.
Das zweite Abkommen
Die Troika legte einen neuen Rettungsplan vor, der am 25. März bekannt gegeben wurde. Dieser sah keine Umlage auf versicherte Einlagen vor, sondern eine höhere Umlage für Beträge über 100.000 Euro (möglicherweise bis zu 40%). Die Laiki-Bank würde aufgelöst und Teile davon in die Bank of Cyprus integriert. Tausende von Bankarbeiter*innen verloren ihren Arbeitsplatz. Andere Banken würden zusätzliche Mittel erhalten, um sie zu stützen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Eurozone wurden Kapitalkontrollen gemäß den Notfallbestimmungen der EU-/Eurozone-Verträge verhängt.
Aber die 10-Milliarden-Euro-Rettung (9 Milliarden Euro von der EZB, 1 Milliarde Euro vom IWF) hatte einen hohen Preis. Wie in Irland, Portugal usw. würde es brutale Kürzungsmaßnahmen geben, mit Kürzungen bei den Sozialausgaben, umfassenden Privatisierungen, Massenentlassungen von Arbeiter*innen im öffentlichen Dienst und scharfen Steuererhöhungen.
Seit das ursprüngliche Rettungspaket am 25. März vereinbart wurde, haben sich die gesamten „Einsparungen”, die die zypriotische Regierung vornehmen muss, auf 13 Milliarden Euro verdoppelt. Diese Summe aus der Wirtschaft herauszupressen wird die Insel in einen langgezogenen Konjunktureinbruch stürzen. Obendrein kann ein Zusammenbruch des Bankensystems immer noch nicht ausgeschlossen werden. Auf der Grundlage kapitalistischer „Lösungen” wird es noch schlimmer werden.
Ein Ausweg?
Im Unterschied zu Griechenland brachte der Ausbruch der Krise in Zypern weit verbreitete Forderungen nach einem Ausstieg aus dem Euro und einer Rückkehr zum Zypern-Pfund. Dies würde eine Abwertung der Zypern-Währung ermöglichen und, so das bekannte Argument, dies würde die Exporte ankurbeln. Zypern ist jedoch nicht Argentinien: Es hat keine massive Rohstoffreserven für Exporte. Die um Zypern herum gefundenen Gasvorkommen mögen mit der Zeit Unterstützung für die Wirtschaft bieten. Aber es würde Zeit brauchen, diese Vorkommen zu erschließen, und es würde Abhängigkeit von den großen Öl- und Gaskonzernen für die Exploration und Erschließung bedeuten. Obendrein gibt es Streitigkeiten über territoriale Ansprüche zwischen Zypern und der Türkei, die möglicherweise nicht leicht zu lösen sind.
Angesichts dessen, dass ein großer Teil des Bedarfs Zyperns importiert wird (Treibstoff, Kleidung, die meisten Industriegüter), würde eine Abwertung einen Anstieg der Lebenshaltungskosten bedeuten. Das Leistungsbilanzdefizit ist bei etwa 5% des BIP, und angesichts der sehr begrenzten Devisenreserven würde dies schnell untragbar werden. Obendrein würde die Regierung zweifellos auf die Notenpresse zurückgreifen, um ihre Schulden zu bezahlen. Zusammen mit der importierten Inflation (durch Abwertung) würde dies die Ersparnisse der Bevölkerung weiter entwerten.
Auf kapitalistischer Basis gibt es keinen einfachen Ausweg. Innerhalb der Eurozone steht Zypern extremen Kürzungsmaßnahmen gegenüber, mit der Möglichkeit eines Falls der Produktion von 20% in den nächsten zwei Jahren – ein massiver Wirtschaftseinbruch in jeder Hinsicht. Andererseits würde ein Austritt aus dem Euro kein Entkommen vor Kürzungsmaßnahmen und Stagnation bedeuten.
Globale Auswirkungen
Zypern ist ein kleines, fragiles Element in der Kettenreaktion in Zeitlupe, die innerhalb der Eurozone stattfindet und früher oder später zum Zusammenbruch der Einheitswährung führen wird. Das jüngste Rettungspaket für Zypern wird die Lage dort nicht stabilisieren. Wirtschaftlich werden sich die Kürzungsmaßnahmen und die Schuldenlast als untragbar erweisen. Politisch wird die Lage immer unerträglicher werden und zu Massenrebellionen gegen das von der Troika aufgezwungene brutale Kürzungspaket führen.
Aber Zypern ist nur ein Teil der Eurozonenkrise, auch wenn es eine größere Krise auslösen könnte. Irland und Portugal wurden nun weitere sieben Jahre Zeit gegeben, um die Rettungskredite der Troika zurückzuzahlen. Aber auch diese Pakete werden immer noch nicht tragbar sein. Die unerbittliche Kürzungspolitik wird unweigerlich zu einer immer tieferen Rezession führen.
Christine Lagarde fordert in ihrer Funktion als Chefin des IWF die stärkeren Volkswirtschaften der Eurozone, besonders Deutschland, regelmäßig auf, Maßnahmen zum Ankurbeln des Wachstums zu ergreifen. In ihrer Funktion als Vertreterin der Troika unterstützt sie jedoch die Kürzungsmaßnahmen, die die europäische Wirtschaft strangulieren und als Bremse für die Weltwirtschaft wirken.
Die spanische Wirtschaft steckt auch in einem Konjunktureinbruch mit einer verheerenden Arbeitslosenquote von 26% und einer Jugendarbeitslosigkeit von 50% fest. Ministerpräsident Mariano Rajoy fordert eine direkte Kreditspritze der EZB an die spanische Wirtschaft nach dem Vorbild der Intervention der Federal Reserve in den USA. Es gibt jedoch keine Garantie, dass dies funktionieren würde: Es gab in Großbritannien keine echte Erholung trotz der massiven Quantitativen-Lockerungs-Politik der Bank of England. Auf jeden Fall wird diese Art der geldpolitischen Stimulierung durch die EZB von Deutschland entschieden abgelehnt, das sie als etwas betrachtet, was eine Gefahr der Inflation schafft (obwohl in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern im Allgemeinen eine deflationäre Lage herrscht).
Trotz der Intervention der Troika in Zypern bleiben die Banken des Landes instabil. Zweifellos werden viele wohlhabende „Sparer*innen” ihre Bareinlagen aus Zypern abziehen, sobald die Lockerung der Kapitalkontrollen dies zulässt. Das Geld wird in andere Steueroasen fließen, möglicherweise einschließlich Luxemburg und Malta, deren Bankeinlagen weit über ihrem BIP liegen (Luxemburg sechsfach, Malta dreifach).
Der Vorschlag für eine Bankenunion in der Eurozone war seit mehreren Jahren auf der Tagesordnung. In der Theorie würde die Union eine einzige Bankenaufsichtsbehörde für die Eurozone einführen, die die Banken regulieren und (in der Theorie) die Art von Krisen, die in den letzten Jahre geschehen sind, ausschließen würde. Dies ist jedoch wenig mehr als ein grandioser Plan. Frankreich und mehrere andere Länder der Eurozone erwägen, dass eine Bankenunion innerhalb der bestehenden Vertragsstrukturen eingeführt werden könnte. Deutschland besteht nun darauf, dass eine Bankenunion Vertragsänderungen erfordern würde. Politisch läuft dies auf eine unüberwindbare Hürde hinaus. Vertragsänderungen würden Zustimmung in den Ländern der Eurozone entweder in den Parlamenten oder durch Referenden erfordern – in einer Zeit, in der die Feindseligkeit gegenüber der Eurozone und der EU in der Bevölkerung stärker wird.
Die Krise der Eurozone ist eine besondere Krise innerhalb der Weltwirtschaft. Laut der „Financial Times“ (15. April) folgerte die US-amerikanische Brookings Institution kürzlich: „Die Weltwirtschaft steckt in einer Sackgasse fest, unfähig, eine angemessene Erholung aufrechtzuerhalten, und anfällig für einen plötzlichen Stillstand.“ Die Eurozone hat nicht die von den führenden europäischen Vertreter*innen versprochenen Stabilität und Wohlstand gebracht. Im Gegenteil, sie hat die Krise in Europa verschärft und hat gleichzeitig das Potenzial, einen neuen Abschwung der Weltwirtschaft auslösen.
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