[eigene Übersetzung des englischen Textes in The Socialist, Nr. 336, 28. Februar 2004]
Ökonom*innen weltweit greifen nach jedem Anzeichen für eine Wiederbelebung der kapitalistischen US- und Weltwirtschaft.
Aber es gibt Gefahren, dass die zunehmende Unbeständigkeit und die Turbulenz in der globalen Wirtschaft als Ergebnis der „Neuordnung“ der Währungen und der kapitalistischen Spekulation jede Erholung zunichte machen könnten.
Lynn Walsh, Herausgeber des Theoriemagazins Socialism Today der Socialist Party, erklärt den Hintergrund.
Führende Vertreter*innen der Eurozone, die an dem jüngsten G7-Gipfel der Finanzminister der reichsten kapitalistischen Nationen teilnahmen, stießen einen Aufschrei ohnmächtiger Verzweiflung aus. Die nach ihrem Treffen (7./8. Februar) in Boca Raton, Florida, veröffentlichte Erklärung beklagten die „exzessive Unbeständigkeit und die ungeordneten Bewegungen“ in den Wechselkursen.
Erneut forderten sie eine „Flexibilität“ der Wechselkurse einiger ostasiatischer Länder. Die führenden US-amerikanischen Vertreter*innen stimmten dieser Formulierung zu, doch in Wirklichkeit freuen sie sich über den Niedergang des Dollars, in der Hoffnung, dass dadurch die US-Zahlungsbilanz entlastet und die amerikanische Binnenwirtschaft angekurbelt wird.
Die Bush-Bande (wie es ein Kommentator formuliert) könnte sich einen „Schimpfwort entfernt“ um den Euro scheren. Die führenden europäischen Vertreter*innen hingegen befürchten, dass der Anstieg des Euro und des Pfunds (angetrieben durch den Rückgang des Dollars) den europäischen Exporthandel tötet.
In Dollar werden die europäischen Waren für die US-Verbraucher*innen jetzt viel teurer. In einem Bemühen, ihren Anteil am entscheidenden US-Markt zu halten, halten einige europäische Exporteur*innen ihre Dollarpreise niedrig – was bedeutet, dass ihre Profitspannen zusammengedrückt werden.
Die Hauptvolkswirtschaften der Eurozone, besonders Deutschland, Frankreich und Italien, haben bereits unter mehreren Jahren eines negativen oder sehr niedrigen Wachstums gelitten. Dies wurde verschärft durch die vom Stabilitätspakt der Eurozone auferlegten Beschränkungen der Staatsausgaben und auch durch die Weigerung der Europäischen Zentralbank (EZB), dem Beispiel der US-Notenbank zu folgen und die Zinssätze auf ein sehr niedriges Niveau zu senken.
Jetzt, wo die ersten Anzeichen einer Erholung auftreten, droht der starke Euro jegliches exportgestützte Wachstum zunichte zu machen.
Spekulatives Kapital
Der Ruf nach „Flexibilität“ (der auch auf dem G7-Gipfel in Doha im vergangenen September gemacht wurde) zielt auf Japan und besonders China. Der Fall des Dollars hat den Anstieg des Yen bedeutet, da unbeständiges Spekulationskapital, „heißes Geld“, vom Dollar in den Yen und den Euro geflossen ist.
Im Kontrast zur EZB, die nicht auf Devisenmärkten intervenierte, hat die Bank of Japan (BoJ) hektisch US-Dollar gekauft (um US-Staatsanleihen zu erwerben), um den Verfall des Dollars und den Anstieg des Yen zu verlangsamen. Die BoJ hat eine noch nie dagewesene Summe von 27.000 Milliarden Yen (256 Milliarden Dollar) seit Anfang 2003 ausgegeben in ihrem Bemühen, die Aufwertung des Yen einzudämmen.
Die japanische Regierung versucht verzweifelt, die japanischen Exporte vor einem weiteren Anstieg des Yen-Kurses zu schützen. „Sony, der japanische Elektronikgigant, rechnet, dass jeder Wertverlust des Dollars um 1 Y gegenüber dem Yen den Nettowert seiner Verkäufe um 30 Milliarden Y und seine Nettoprofite um 5 Milliarden Y verringert. („Financial Times“, 7. Februar)
Obendrein verfolgen die japanischen Kapitalist*innen seit einiger Zeit eine bewusste Politik der Unterstützung der US-Wirtschaft durch den Kauf von US-Finanzanlagen, besonders von Staatsanleihen.
Wenn sie keinen ausreichenden Zufluss von ausländischem Kapital erhält, um ihr riesiges Handelsdefizits (derzeit etwa 500 Milliarden Dollar pro Jahr) zu decken, könnte die US-Wirtschaft einen erheblichen Einbruch erleiden. Ohne den hochprofitablen US-Markt würde jedoch auch der japanische Kapitalismus eine ernsthafte Schrumpfung erleiden. Tokio hat daher ein eigennütziges Interesse an der Aufrechterhaltung des US-Leistungsbilanzdefizits.
Die Beschwerde der führenden europäischen Vertreter*innen über die „unflexible Währungspolitik“ richtet sich besonders gegen China. Die chinesische Währung, der Renminbi (RMB), auch bekannt als Yuan, ist seit einiger Zeit zu einem festen Wechselkurs von 8,27 an den Dollar gekoppelt.
Wenn also der Dollar fällt, fällt der RMB automatisch mit ihm. Das bedeutet, dass Chinas relativ billige Exportgüter als Ergebnis des Rückgangs des Dollars nicht teurer werden. Anders als Europas Exporte auf den US-Markt wurden Chinas also nicht durch den Wechselkurs negativ beeinflusst.
Unter dem intensiven Druck Europas und der Bush-Regierung (die Chinas massiven Handelsüberschuss von 124 Mrd. $ gegenüber den USA verzweifelt abbauen will) hat die chinesische Regierung kürzlich angedeutet, dass sie eine Aufwertung des RMB um 5 bis 10% in den kommenden Monaten in Betracht ziehen könnte.
Dies würde die chinesischen Exporte in die USA in Dollar ausgedrückt teurer machen und könnte das Wachstum der chinesischen Wirtschaft verlangsamen.
Massive Interventionen der japanischen Regierung haben wahrscheinlich den Niedergang des Dollars und den Anstieg des Yen gebremst. Aber die Geschichte der Währungskrisen zeigt, dass solche Interventionen nur eine begrenzte, vorübergehende Wirkung haben können. Früher oder später werden sich die zugrundeliegenden Kräfte, die eine Neuausrichtung der Wechselkurse vorantreiben, durchsetzen.
Dies ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum die EZB nicht eingegriffen hat, um den Anstieg des Euro zu stoppen. Sie könnte zwar Milliarden von Euro ausgeben, hätte aber letztlich keine wirkliche Wirkung. Alles, was sie tun können, ist, die „Unbeständigkeit“ zu beklagen und für eine „flexible“ Politik zu plädieren – mit anderen Worten: Japan und China sollen ihre Währungen steigen lassen und den Schmerz der Dollarabwertung mit Europa teilen.
Marktkräfte
Anarchische Marktkräfte werden auch von den großen internationalen Spekulant*innen angefacht, die eine sehr aktive Rolle in diesem Prozess spielen. Sie werden von einer Handvoll so genannter Hedgefonds angeführt, die zusammen Währungsreserven im Wert von Billionen Dollar kontrollieren.
Ursprünglich beanspruchten die Hedgefonds, multinationale Unternehmen gegen plötzliche, ungünstige Wechselkursänderungen zu versichern. Sie nutzen eine ganze Reihe komplexer Finanzinstrumente wie Optionen, Futures, Derivate usw. In Wirklichkeit sind sie jedoch zu einer wichtigen Quelle für zusätzliche Unbeständigkeit geworden.
Indem sie stündlich Bruchteile der Kursunterschiede auf den Devisenmärkten der Welt ausnutzen, machen sie enorme Profite. Angesichts der enormen Mittel zu ihrer Verfügung können ihre Taktiken kurzfristige Auswirkungen auf die Wechselkursbewegungen haben. Mit anderen Worten: Sie sind in der Lage, die Chancen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Gegenwärtig glauben die großen spekulativen Akteur*innen, dass der Dollar noch viel weiter fallen wird, und ihre Marktspiele zielen darauf ab, ihn so schnell wie möglich nach unten zu treiben (was unweigerlich einen weiteren Anstieg des Euro, des Pfunds, des Yen usw. bedeuten wird).
Zählt das? In der Vergangenheit haben Episoden eines starken Dollarverfalls immer zu schweren Turbulenzen in der Weltwirtschaft geführt. Die derzeitige Neuausrichtung der Währungen erfolgt im Gefolge eines weltweiten Konjunktureinbruchs, der durch das Platzen der US-Spekulationsblase im Jahr 2000 ausgelöst wurde.
Bisher sind die Umschichtungen relativ reibungslos verlaufen, aber die vollen Folgen sind noch nicht zu spüren. Aber die Turbulenzen auf den weltweiten Geldmärkten könnten eine Erschütterung des globalen Finanzsystems und der gesamten Weltwirtschaft hervorrufen.
Im Kapitalismus ist das wirtschaftliche Wohlergehen der Arbeiter*innenklasse den Wirbeln anarchischer, unkontrollierbarer Marktkräfte unterworfen.
Wird der fallende Dollar die Erholung versenken?
Der Dollar fällt, sein Wechselkurs geht gegenüber anderen wichtigen Währungen wie dem Euro, dem Yen und dem Pfund stark zurück.
Die Bush-Regierung hat die Politik des „starken Dollars“, die ursprünglich mit dem Boom der späten 1990er Jahre verbunden war, nie offiziell aufgegeben. Aber in Wirklichkeit verfolgt sie eine Politik der „wohlwollenden Vernachlässigung“ und lässt die Marktkräfte (mit Hilfe der großen Währungsspekulant*innen) den Wert des Dollars international nach unten drücken.
Seit seinem Höchststand gegenüber dem Euro im Oktober 2000 fiel der Dollar gegenüber dem Euro um 35%. Gegenüber einem „Korb“ von Währungen der Haupthandelspartner*innen der USA ist der Dollar um etwa 25% gefallen. Im Oktober 2000 war der Euro 0,82 $ wert – heute (19. Februar) ist er 1,26 $ wert und es wird vorhergesagt, dass er bis Ende dieses Jahres auf 1,45 $ steigen wird.
Der Dollar fiel vor kurzem auf ein Dreijahrestief gegenüber dem japanischen Yen gefallen, liegt jetzt bei etwa 105 Yen und wird wahrscheinlich innerhalb weniger Monate auf 95 Yen fallen. Das Pfund ist auf einem Elfjahreshoch gegenüber dem Dollar mit 1,886 $.
Handelsdefizit
Warum hat Washington seine Politik gegenüber dem Dollar umgeschaltet? Selbst die mächtige US-Wirtschaft kann nicht unbegrenzt ein Handelsdefizit (Überschuss der Importe gegenüber den Exporten) von 500 Milliarden Dollar pro Jahr oder 4,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufweisen.
Der Einkommenszufluss (repatriierte Profite, Kapitalerträge usw.) ist auch negativ, was das Leistungsbilanzdefizit (oder Zahlungsbilanzdefizit) insgesamt auf 5,5% des BIP bringt.
Ein wiederkehrendes Zahlungsbilanzdefizit erfordert einen kontinuierlichen Kapitalzufluss aus dem Ausland, um die Lücke zu schließen. Gleichzeitig führt es zu einer enormen Anhäufung von Auslandsschulden. Während der jüngsten Rezession verlangsamte sich jedoch der Kapitalzufluss in die USA und sank im September und Oktober 2003 auf ein Rinnsal.
Im Dezember erholte er sich wieder, aber die führenden Vertreter*innen des US-Kapitalismus können das Zahlungsbilanzdefizit nicht länger als „Nicht-Problem“ abtun. Ein wiederkehrendes Leistungsbilanzdefizit von über 5,5% des BIP ist untragbar. Die Nachfrage von Ausländer*innen nach Dollars, um in Fabriken, Immobilien, Aktien, Anleihen etc. zu investieren, ging zurück, was einen Rückgang des Dollarkurses gegenüber den wichtigsten Währungen herbeiführte.
Hätten nicht eine Reihe von asiatischen Regierungen, besonders die Chinas und Japans, riesige Mengen an US-Staatsanleihen gekauft, um die US-Wirtschaft zu stabilisieren und ihren eigenen Exportmarkt zu schützen, wäre der Dollar inzwischen noch weiter gefallen.
Die Abwertung des Dollars kehrte den Trend der späten 1990er Jahre um. Während des Spekulationsbooms jener Periode flossen riesige Mengen ausländischen Kapitals in die USA und trieben den Wert des Dollars in die Höhe. Das machte importierte Waren relativ billig für US-Unternehmen und Verbraucher*innen.
Gleichzeitig wurden US-Exporte auf den Überseemärkten teurer. Die unvermeidliche Folge der schwachen Exporte in Verbindung mit einem Anstieg der Importe war ein massives Handels- und Zahlungsbilanzdefizit.
Verschiedene Wirtschaftskommentator*innen schätzten, dass der Dollar um 20-30% abwerten müsste, um das Handelsdefizit zu korrigieren. Aber ein schwacher Dollar (in Verbindung mit den vorherrschenden niedrigen Zinssätzen) hätte nicht die Flut von ausländischem Kapital angezogen, die die Blasenwirtschaft ankurbelte.
Der Kapitalzufluss hielt die US-Zinsen niedrig und erleichterte die billigen Kredite, die den Immobilienboom und den massiven Konsumrausch begünstigten. Ein Rückgang des Dollars hätte nicht nur zu einer deutlichen Verlangsamung der US-Wirtschaft geführt, sondern auch die anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Länder und auch halb entwickelte Niedrigkostenproduzent*innen wie die asiatischen „Tiger“ und China vom wichtigsten US-Verbraucher*innenmarkt abgeschnitten.
Das US-Handelsdefizit war mit anderen Worten ein wesentlicher Bestandteil des weltweiten Wachstums der späten 1990er Jahre, auch wenn es einen Schuldenberg hinterlassen hat.
Ankurbelung für Exporte
Bush hofft, dass ein schwächerer Dollar das Defizit verringern und die Exporte ankurbeln wird, was dem US-Wachstum in einer Zeit, in der die Verbraucher*innennachfrage nachlässt, zusätzliche Impulse verleihen würde. Nach den Standard-Wirtschaftslehrbüchern sollte dies auch geschehen. In der Realität sind die Dinge jedoch nicht so einfach.
Importe aus Ländern wie China, deren Währungen an den Dollar gekoppelt sind, mögen nicht gekürzt werden. Exporteur*innen in Ländern mit stärker werdenden Währungen könnten sich bemühen, ihre Kosten zu senken, um den Anstieg ihrer Dollarpreise zu kompensieren. Sie könnten sogar eine Verringerung ihrer Profitspannen in Kauf nehmen, um ihren Anteil am lukrativen US-Markt zu halten.
Ein schwächerer Dollar könnte zunächst die US-Ausfuhren ankurbeln (obwohl das Handelsdefizit im Dezember 2003 einen neuen Höchststand erreicht hat). Bush versucht natürlich verzweifelt, das Wachstum in der Zeit vor den Präsidentschaftswahlen im November anzukurbeln. Aber über eine etwas längere Periode hinweg wird das Wachstum der US-Ausfuhren durch das fehlende Wachstum in den Volkswirtschaften, die bisher von den USA als wichtigstem Exportmarkt abhängig waren, begrenzt.
Ein schwacher Dollar bedeutet automatisch einen stärkeren Euro, Yen, Pfund, usw. Der Grund dafür ist, dass das internationale Kapital (und besonders das spekulative heiße Geld), das aus dem Dollar abfließt, in andere wichtige Währungen fließt, besonders in den Euro, der jetzt die zweitgrößte Währung der Welt ist. Dies wird jede Wiederbelebung des Wachstums in Europa und Japan zunichte machen und auch die britische Wirtschaft treffen.
Wirtschaftsabschwächung
Nach dem Platzen der Dotcom-Blase in den USA Anfang 2000 trat die kapitalistische Weltwirtschaft ihren schlimmsten Abschwung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Mit Ausnahme des Wachstumsschubs in den USA Ende letzten Jahres (der vor allem durch Bushs Steuererleichterungen und den anhaltenden Immobilienboom angekurbelt wurde), hat sich die Weltwirtschaft nur sehr schwach erholt. Diese könnte nun durch die laufenden Währungsanpassungen zum Entgleisen gebracht werden.
Der Niedergang des Dollars trifft auch die Rohstoffproduzent*innen, deren Waren in Dollar gehandelt werden. Öl ist der entscheidende Fall. Da der Dollar fällt, erhalten die Ölproduzent*innen in anderen Währungen weniger Geld für Öl und Gas. Das ist gut für die USA, bedeutet aber eine wirtschaftliche Katastrophe für die Produzent*innen.
Der Generalsekretär der Opec, Alvaro Silva, sagte kürzlich: „Wir sprechen über Verhandlungen über Rohöl in Euro. Es ist möglich, dass die Organisation dies diskutieren und zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Entscheidung treffen wird. („Daily Telegraph“, 10. Februar) Auch die Putin-Regierung, die nicht in der Opec ist, hat einen solchen Schritt in Erwägung gezogen. Die Bepreisung von Öl und Gas in Euro würde die Importrechnung der USA enorm erhöhen.
Ein Niedergang des Dollars wird dem US-Kapitalismus keinen einfachen Ausweg bieten, um die Weltwirtschaft rasch aus ihrer derzeitigen Stagnation herauszuholen. Einen weiteren deutlichen Rückgang des Dollarkurses zuzulassen – was die derzeitige Haltung des Bush-Regimes zu sein scheint – ist ein Versuch, eine US-Erholung auf Kosten der übrigen Welt zu fördern. Eine solche Politik wird für die USA nach hinten losgehen.
Abgesehen von allem anderen wird die fortgesetzte Neuausrichtung der Hauptwährungen (ein abstürzender Dollar, steigende Euro, Yen und Pfund usw.) wahrscheinlich kein reibungsloser, geordneter Prozess sein. Im Gegenteil, dies bedeutet eine Zeit enormer Turbulenzen in der kapitalistischen Weltwirtschaft.
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