Ted Grant: Marxismus gegen neuen Fabianismus

[The International Socialist. A Journal of Labour Opinion, Jg. 1 Nr. 4, November-Dezember 1952, S. 5-12 und Nr. 5, Mai-Juni 1953, S. 14-24, Nachdruck in The Unbroken Thread, eigene Übersetzung]

Eine politische und philosophische Grundlage für den linken Flügel

I

Die Veröffentlichung der „Neuen Fabianischen Essays“ mit einer Einleitung von Attlee kennzeichnet eine Etappe in der Entwicklung der Arbeiterbewegung in Großbritannien. In ihnen soll die Erfahrung der letzten 50 Jahre, durch die intellektuelle Elite der Labour Party einschließlich Crossman, Crosland, Strachey, Mikardo, Denis Healey, Austen Albu, Jenkins und andere national und international zusammengefasst werden.

Das alte Programm der Fabier, das weitgehend durch die Labour-Regierung zwischen 1945-50 durchgeführt wurde, wird als unzulänglich oder veraltet zur Lösung der Probleme der Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft erkannt. Gleichzeitig gibt es Gärung innerhalb der Reihen der Arbeiterbewegung; die Basis sucht nach einer theoretischen und praktischen Erklärung der Unzulänglichkeit der Regierung von 1945-50, eine Politik einzuführen, die den Weg für den Sozialismus frei macht.

Neues Erwachen

Die Veröffentlichung von Bevans Buch [In Place of Fear], die Publikation der neuen Socialist Union und die neuen Fabianische Essays sind alle symptomatisch für das Erwachen und die Suche nach einer frischen Politik. Die Bevan-Kontroverse, die die Bewegung von oben bis unten erschüttert hat, ist das beste Anzeichen dieser Suche nach einer Politik und einem Programm, das den Notwendigkeiten des Sozialismus dienen wird.

Alle Argumente in den Neuen Fabianischen Essays ausreichend zu analysieren und zu kritisieren, würde ein anderes Buch erfordern, das lang oder länger als die Essays selbst wäre, besonders da die Essays sich in vielen Grundfragen widersprechen und nicht ein harmonisches, philosophisches, theoretisches oder politisches Ganzes darstellen. Trotz der unterschiedlichen Ansichten und etwas gesunder Kritik an bürokratisierten verstaatlichten Industrien (aus dem Blickwinkel des Drängens auf größere Demokratie und größere Beteiligung der Arbeiter an der Kontrolle dieser Industrien), gibt es ein paar grundlegende Gedankenfäden, die allen Essays zugrunde liegen: die Idee, dass die Struktur der britischen Gesellschaft grundlegend durch die Verstaatlichung von ein paar der Grundindustrien und die Schaffung des „Wohlfahrtsstaates“ geändert wurde, die Zurückweisung des Marxismus, der mit der Doktrin des totalitären Stalinismus gleichgesetzt wird und die Theorie, dass dies die Epoche der sogenannten „Managerrevolution“ ist.

Die alte Inselsicht der Fabier abgelegt

Ein auffallendes Merkmal der Essays ist die Zurückweisung zumindest in Worten der engen und provinziellen Sicht der alten Fabier, die sich auf Großbritannien und die britischen Probleme beschränkten und die Weltentwicklungen ignorierten. Zu einer Zeit in der sogar kapitalistische Politiker durch die Wirklichkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung gezwungen sind, die gegenseitige Abhängigkeit der Welt anzuerkennen und die Ereignisse schlagend die Dringlichkeit der internationalen Probleme sogar aus dem Blickwinkel der Tagespolitik gezeigt haben, ist es nicht mehr möglich, solch eine provinzielle Sicht beizubehalten. Gleichzeitig wurde auch bei den innenpolitischen Problemen das Fabianische Tempo, das Schneckentempo, als Methode zum Erreichen des sozialistischen Ziels diskreditiert. Ohne eine drastische Überholung der Gesellschaftsbeziehungen muss Reaktion einsetzen.

Die Führung hält zurück

Richard Crossman gibt möglicherweise unwissentlich den Schlüssel zur Lösung des Dilemmas, vor dem die Arbeiter in der Arbeiterbewegung stehen, wenn er sagt, dass „zu dieser Zeit (erste Monate der Labourherrschaft) das britische Volk bereit war, die friedliche sozialistische Revolution zu akzeptieren; und wenn es bloß Wohlfahrts-Kapitalismus erhielt, lag die Schuld an den Politikern und nicht an der Öffentlichkeit.“ (S. 26)* So ging eine goldene Gelegenheit der Umwandlung Großbritanniens in eine Arbeiterdemokratie und der Erschütterung der Welt durch sein Beispiel durch die Feigheit und Kurzsichtigkeit der Führung verloren. Eine kühne und radikale Verstaatlichung der ganzen Industrie mit, möglicherweise, Entschädigung auf der Grundlage einer Bedürftigkeitsprüfung, ein Appell an die Arbeiter von Europa und Asien zur Verbindung und zur Errichtung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa und Asien hätte die Weltgeschichte geändert und den Übergang zum Sozialismus für die Völker und Staaten der ganzen Welt begonnen.

Das Volk von Großbritannien und der Welt wird mit Qual und Leiden für das Versagen zahlen müssen, den Sturz des Kapitalismus zu vollenden, die in der Reichweite der Labour-Regierung in Großbritannien lag. Das Wettrüsten und das Untergraben der Reformen der Labour-Regierung, selbst in der letzten Periode der Labour-Herrschaft, zeigen an, dass sich „Wohlfahrts-Kapitalismus“ nicht über einen ausgedehnten Zeitabschnitt behaupten kann. In der Lage des britischen und Weltkapitalismus werden Reformen unvermeidlich durch die Sackgasse des Systems selbst untergraben. Nur eine grundlegende Änderung, wirtschaftlich und politisch, kann Reformen stabilisieren und den Weg für eine neue sozialistische Gesellschaft stetig vorbereiten.

Alarm wegen Machtkonzentration

Die neuen Fabier werden durch die Erfahrung des Stalinismus in Russland, China und Osteuropa geängstigt. Dies führt sie dahin, die Gefahren der „Machtkonzentration in den Händen entweder des Industriemanagements oder der Staatsbürokratie“ zu betonen. Crossman sagt:

„Diese Aufgabe wurde durch die Labour-Regierung nicht einmal begonnen. Im Gegenteil, in den verstaatlichten Industrien wurde das alte Management fast unberührt bewahrt, und Ernennungen zu den nationalen, regionalen und beratenden Gremien wurden gemacht, als ob sie die ausdrückliche Absicht hätten, nochmals zu versichern, dass keine Änderung beabsichtigt wurde. Die Haltung der Regierung zur zentralen Planung war einfach. Bis 1947, wurde kein ernster Versuch, auch nur einen zentralen Mechanismus zum Feststellen der Ressourcen und Erfordernisse an Reichtum und Arbeitskräften und ihr Zuordnen zu den verschiedenen Notwendigkeiten zu konstruieren … es wurde auch kein Versuch gemacht, Volksbeteiligung am neuen Wohlfahrtsstaat anzuregen …, der Eindruck wurde gegeben, dass Sozialismus eine Angelegenheit für das Kabinett sei, das durch die vorhandenen Beamtenschaft handelt.“ (S. 27, 28)

Staatsmaschine bleibt intakt

Crossman und die anderen Fabier hätten hinzufügen können, dass die Macht der Kapitalisten weitgehend blieb, wie sie war. Während der Periode der Labour-Herrschaft erhöhten sich die Profite der Kapitalisten tatsächlich, während die Staatsmaschine: Armee, Polizei, Zivilbürokratie, in ihren obersten Schichten das Vorrecht der zuverlässigen Mitglieder und Anhänger der herrschenden Klasse blieb. In der Struktur der Herrschaft blieb die Macht der herrschende Klasse folglich praktisch intakt. Es ist dies, zumindest zum Teil, was die neuen Fabier anerkennen müssen und die aktive und direkte Teilnahme der Massen an der Industrie und, können wir hinzufügen, an der direkten Leitung des Staates von oben bis unten, fordern müssen, wenn Begeisterung und Aktivität erzeugt werden sollen.

Ist der Kapitalismus umgewandelt worden?

Dennoch erscheint als Ergebnis der Vollbeschäftigung in Großbritannien als Folge des Nachkriegsbooms das Trugbild einer Änderung in der kapitalistischen Wirtschaft, die sich in eine nachkapitalistische „Manager“- oder „kontrollierte“ Wirtschaft verwandelt habe, in der die Gesetze der kapitalistischer Wirtschaft nicht mehr funktionierten und so Krise und Boom beseitigt seien. Dies erhält seinen fertigen Ausdruck im Essay von C. A. R. Crosland.

Er beginnt mit einer völligen Verzerrung der marxistischen Analyse, hauptsächlich weil er, milde gesagt, in den wirtschaftlichen und philosophischen Lehren von Marx unwissend ist. Es ist schade, dass er sich nicht an Engels’ Rat hielt: „wer beabsichtigt, wissenschaftliche Fragen zu diskutieren, sollte vor allem lernen, die Arbeiten des Autors zu lesen, den er studieren möchte, gerade so wie sie geschrieben sind, und besonders in ihnen nichts zu finden, was sie nicht enthalten“. Z.B. die Idee, dass „der Kapitalismus aus seinem eigenen Antrieb zusammenbrechen würde“. Eine Idee, die der Methode des Marxismus fremder ist, wäre schwer vorzustellen. Und einige Absätze nach der Behauptung, dass die marxistische Prognose falsch sei (wie die Revolutionen in China, Russland und Osteuropa auf dieser Grundlage erklären?), behauptet er: „der Widerstand gegen Änderung wurde außerdem durch die Tatsache geschwächt, dass die kapitalistische Bourgeoisie nicht mehr so selbstsicher wie in ihrer Blütezeit ist.“ (S. 36) Und wieder: „Massive Einkommens- und Eigentumsbesteuerung und Verstaatlichung der Privatindustrien haben kaum mehr Opposition geweckt als Maßnahmen zur Begrenzung der Kinderarbeit vor hundert Jahren.“ (S. 37)

Es kommt ihm nie in den Sinn, dass es die Abenddämmerung des Kapitalismus national und international ist, die das Vertrauen der Kapitalisten untergraben hat; die Entwicklung des Kapitalismus über dem Rahmen des Privateigentums hinaus, die die Kapitalistenklasse zwingt, begrenzte Verstaatlichungsmaßnahmen zu schlucken, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Es sind die durch den Kapitalismus ruinierten Industrien, die mit den alten Methoden zu kostspielig zu regenerieren sind, in denen die Kapitalisten Verstaatlichung als notwendiges Übel schlucken. Aber, sobald eine günstige Gelegenheit eintritt, werden profitable Industrien wie Stahl- und Straßentransport dem Großkapital zum Schnäppchenpreis zurückgegeben.

Dies macht die Zufriedenheit Croslands und anderer in der Labour Party so gefährlich, die wie er denken, dass die Kapitalisten unvermeidlich andere Reformen so zahm wie in der letzten Labour-Amtszeit schlucken. Kurzsichtigkeit könnte nicht weiter gehen bei der Analyse der Reaktion durch die Kapitalisten auf die Reformen. Man kann die Krallen eines Tigers stutzen, aber seine gefährliche Stärke bleibt, besonders wenn seine Zähne unberührt sind. Schlimm ergeht es dem Unvorsichtigen, der seinen Körper der Gnade wilder Tiere der Hochfinanz ausliefert.

Nach dem ersten Weltkrieg akzeptierte der Kapitalismus in Westeuropa, besonders in Deutschland, viele Reformen, um auf der revolutionären Welle zu reiten und das System vor dem völligen Zusammenbruch zu sichern. Das hinderte sie nicht, später aus Verzweiflung Hitler zu finanzieren und zu unterstützen. 1936 willigten die französischen Kapitalisten nach den Streiks mit Betriebsbesetzung aus Furcht vor den Massen in viele Reformen ein. Dies hinderte sie nicht, zum Angriff zurückzugehen und die Reformen zu stutzen, sobald die Massenaufwallung vorbei war. Nach 1918 wurden in Großbritannien viele Reformen erreicht, die Baldwin später nicht an einem allgemeinen Angriff hinderten, der den Generalstreik von 1926 auslöste.

Unter Croslands Nase und während er schrieb, stutzte die konservative Regierung Churchills vorsichtig die Errungenschaften, die von den Arbeitern 1945-49 gemacht wurden. Und dies, während „Vollbeschäftigung“ weiterbesteht!

Ist „Kapitalkonzentration“ etwas Neues?

In einer Formulierung, die ohne Zweifel eine humorvolle Ader hätte, wenn Crosland auch nur eine oberflächliche Bekanntschaft mit marxistischer Lehre hätte, sagt er, dass „die Eigentümerklasse ihre traditionelle kapitalistische Funktion verloren hat – die Ausbeutung der Produktionstechnik mit ihrem eigenen Kapital – und mit dem Verschwinden der Funktion entgleitet die Macht.“ (S. 37) Abgesehen vom Fehler in den letzten Wörtern, hatte Marx bereits den Prozess beobachtet und das Ergebnis etwa vor einem Jahrhundert vorausgesagt. Der „moderne“ Crosland hinkt ein bisschen hinterher! Und als ob die Notwendigkeit der Änderung von einem Gesellschaftssystem zum anderen nicht durch den Verlust der Funktion der alten herrschenden Klasse in der Produktion (wie Marx tausendmal erklärte) signalisiert wird! So der Funktionsverlust der Feudalherren, die vor der Cromwellschen und besonders Französischen Revolution Schmarotzer wurden, wie sogar Carlyle beobachtete. Und als ob die Vergesellschaftung der Arbeit unter dem Kapitalismus, die Zentralisierung des Kapitals, die Schaffung der Aktiengesellschaften – nicht von Marx und Engels analysiert worden wäre. Auch die konsequente Umgestaltung der Unternehmer von einer notwendigen Funktion in der Produktion zu völligen Schmarotzern und Drohnen ist als unvermeidliches Resultat des kapitalistischen Produktionsprozesses gezeigt worden:

„Die Aktienunternehmungen überhaupt – entwickelt mit dem Kreditwesen – haben die Tendenz, diese Verwaltungsarbeit als Funktion mehr und mehr zu trennen von dem Besitz des Kapitals, sei es eigenes oder geborgtes; ganz wie mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft die richterlichen und Verwaltungsfunktionen sich trennen von dem Grundeigentum, dessen Attribute sie in der Feudalzeit waren. Indem aber einerseits dem bloßen Eigentümer des Kapitals, dem Geldkapitalisten, der fungierende Kapitalist gegenübertritt und mit der Entwicklung dieses Kredits dies Geldkapital selbst einen gesellschaftlichen Charakter annimmt, in Banken konzentriert und von diesen, nicht mehr von seinen unmittelbaren Eigentümern ausgeliehen wird; indem andererseits aber der bloße Dirigent, der das Kapital unter keinerlei Titel besitzt, weder leihweise noch sonst wie, alle realen Funktionen versieht, die dem fungierenden Kapital als solchem zukommen, bleibt nur der Funktionär und verschwindet der Kapitalist als überflüssige Person aus dem Produktionsprozess.“ (Kapital, Band 3,S. 456. Marx [Marx Engels Werke, Band 25, Seite 401])

Ironisch genug sind es genau Crosland und seine Kollegen, die glauben, dass der Kapitalismus automatisch zusammenbricht, indem er sich in etwas anderes umwandelt, sobald die Unternehmerfunktion verschwunden ist! Marx verwies im Gegenteil auf die Notwendigkeit unter diesen Bedingungen für das in der Arbeiterbewegung organisierte Proletariat, bewusst das sterbende System des Kapitalismus zu stürzen. Die Reaktion auf diese Bedingungen würde trotz vieler Fehler und verlorener Gelegenheiten die Partei und die Führung, erzeugen, die schließlich den Kapitalismus zerstören würden. Das Vorhandensein solcher Bedingungen würde für einen Marxisten bloß den extremen Zerfall des Kapitalismus und die Reife des Gesellschaftssystems für die sozialistische Revolution beweisen.

Krisen Beendet?

Crosland übertrifft sich jedoch in seiner Analyse der wirtschaftlichen Lage des Kapitalismus. Nachdem er die marxistische These der Widersprüche des Kapitalismus leichtfertig abtut, beobachtet er, dass „die Depression 1931 zwar ungewöhnlich schwer, aber nicht die erste Depression solcher Schwere war – die berühmte Krise von 1873-7 war mindestens so schlimm.“ Dies heißt, die Wirkung einer Erkältung in der Jugend mit einer Lungenentzündung im hohen Alter vergleichen. Die Krise von 1873-7 kennzeichnete einen großen wirtschaftlichen Krampf des Kapitalismus. Sie schaffte es, ihren Wirkungen durch die intensive Ausdehnung der kalifornischen Goldfelder, der Öffnung Afrikas und Asiens, die Entwicklung des Imperialismus zu entgehen. Dies waren einige der Gründe, warum es nach der Krise von 1873 einen relativen Aufstieg des Kapitalismus gab. Schumpeter sagt**: „Die wesentliche Tatsache der großen Stetigkeit in der langfristigen Zunahme … bleibt sowohl in dem Sinne der groben Konstanz der Steigung der Tendenz und in dem Sinne von dem, was wir bloß nach dem optischen Eindruck die allgemeine Herrschaft der Tendenz über die Schwankungen nennen können … In keinem Land sieht 1873 sehr katastrophal aus (meine Hervorhebung). In Amerika erzeugt 1844 fast überhaupt keinen Fall. Die Krisen der frühen neunziger Jahre zeigen für Deutschland nur eine beträchtliche Einbuchtung. In der langen englischen Serie geschieht es nur zweimal, dass dieser absolute Fall sich über zwei Jahre erstreckt. Im Fall von Deutschland trat dieses nur 1868, 1869 und 1870 auf; in Amerika auch nur einmal.“

Aber jeder maßgebliche kapitalistische Ökonom und Beobachter war zutiefst über das Schauspiel der Krise von 1931-33 erschrocken. Die Periode des aufsteigenden Kapitalismus kam 1914 zu einem Ende. Nach 1873-77 gab es Depressionen aber keine, die die Wirtschaft von oben bis unten erschütterten. Nachdem der Zusammenbruch 1929-33 schmerzlich überwunden war, verhinderte nur der Aufrüstungsboom und der Krieg eine sogar noch erschütterndere Wiederkehr der Krise. In wirtschaftlichen Begriffen war es dies, was dem Zweiten Weltkrieg von 1939-45 vorausging. Dies ist kaum ein Symptom der Gesundheit des Wirtschaftssystems. Periodische Zerstörungskriege, die die Städte, die Menschen gebaut haben, und die erzielten technischen Errungenschaften zu vernichten drohen, sind kaum eine anspornende Alternative, die der Kapitalismus zu periodischen Überproduktionskrisen anbietet. Aber hier leugnen Crosland, Strachey und andere, oder leugnen halb, dass Überproduktion oder Krise auftreten. Sie werden denken, die Vollbeschäftigung, die Großbritannien unter der Labour-Regierung (und in etwas geringerem Umfang auch unter der Regierung Churchills) erreicht, sei eine Folge der Politik der Labour-Regierung.

Dies war nur in zweiter Linie so. Vollbeschäftigung gibt es in Amerika, der letzte Hochburg des Kapitalismus, auch seit 1945. In beiden Fällen liegt dies am Boom, der normalerweise jedem Krieg folgt. Krieg hat die gleiche Wirkung wie eine Krise, wo der Ruin, die Zerstörung und der Verschleiß von Kapital und Verbrauchsgütern den Weg für eine Erholung bereitet, aber in einer enorm verstärkten Form.

Die kapitalistische Krise wird im Krieg durch die Zerstörung der Verbrauchs- und Produktionsgüter, durch die Produktion von fiktivem Kapital in Form von Waffen und Waffenproduktion überwunden, die nach dem Krieg von der Wirtschaft wettgemacht werden muss. Aber trotz „Regulierungs“- und „Kontroll“maßnahmen, trotz der enorm erhöhten Rolle des Staates und des Militarismus (übrigens von Marx und Engels vorhergesagt) werden dadurch weder die Probleme des Kapitalismus überwunden noch der Kapitalismus beseitigt. Wo, wie in Großbritannien, 80 Prozent der Wirtschaft Privateigentum sind, gehen die Gesetze des Kapitalismus grundlegend wie vorher weiter. Die Kapitalisten fahren fort, für Profit zu funktionieren, nicht um die Wirtschaft auf hohem Niveau zu halten. Jede Staatsausgabe mit sogenannten „keynesianischen Techniken“ kann nur die Wirtschaftskrise verschlimmern, sobald die Überproduktionskrise beginnt. Ein einfacher Punkt, den sogar die orthodoxen kapitalistischen Ökonomen verstehen können, ist, dass „Geld“ oder „Kredit“ nicht aus Nichts erzeugt wird. Es muss durch Steuern erlangt werden, das heißt, indemman in die Profite der Kapitalisten oder den Lebensstandard der Arbeiter schneidet, oder durch „Defizitfinanzierung“, die auf einem Umweg auch dahin kommt. Dies liegt daran, dass durch künstliche Erhöhung der Notenausgabe die Kaufkraft des Geldes durch Inflation verringert und folglich langfristig die gleichen Wirkung wie oben erreicht wird. Auf jede Weise ist ein Fall in der Profitrate unvermeidlich. Kaufkraft wird gesenkt und Bemühungen dieser Art können den Ausbruch der Massenarbeitslosigkeit und Krise nur verschlimmern.

Wirkung von Aufrüstung

In gewissem Sinne hat Aufrüstung im Weltmaßstab diese Wirkung in kapitalistischen Ländern. Die Aufwendung für Waffen schafft einen enorme Betrag an fiktivem Kapital, das seinen Anteil am Gesamtreichtum erhält, am von der Arbeiterklasse geschaffenen Mehrwert. Es hat einen Preisanstieg und normalerweise eine Abnahme im Lebensstandard der Arbeiter zur Folge. Das Injizieren eines weiteren Krankheitselements in den bereits verfallenden Organismus des Kapitalismus, kann den Ausbruch der Krise nicht verhindern, sondern nur verzögern.

Es ist wahr, dass viele in der Labour Party, besonders einige Bevanisten, denken, dass durch ein ausgedehntes „Punkt 4“-Programm Aufrüstung ersetzt und eine Krise vermieden werden kann. Aber sogar ein „Plan“ (wenn er von den europäischen Mächten und den USA vereinbart würde), der im Umfang größer als Punkt 4 [der Labour-Satzung bis Mitte der neunziger Jahre] wäre, wäre trotz des Propagandarummels winzig im Verhältnis zu den Notwendigkeiten von Asien und von Afrika. Er könnte sogar weniger die Produktion und potenzielle Überproduktion in der kapitalistischen Welt aufsaugen und würde die Krise nicht verhindern können.

Insbesondere leben Crosland und Gleichgesinnte im Wolkenkuckucksheim, wenn die Probleme des Weltmarkts in Betracht gezogen werden. Eine kleinere wirtschaftliche Rezessionoder ein Fall in der Produktion um einige Prozente, die kaum eine Kräuselung in Amerika erregen würden, bedeuten größere wirtschaftliche Krämpfe in Großbritannien und in Westeuropa. Man kann sich dann vorstellen, was die Wirkung eines großen Falls in der Produktion wäre. Dies wird sogar durch solche Zeitschriften wie den „Observer“ und den „Economist“ ängstlich anerkannt.

Marktwirtschaft immer noch dominierend

National und international beherrscht die Marktwirtschaft noch Großbritannien. In seiner verwirrten Weise hat sogar Crosland einen Schimmer des Problems. Er sagt, dass „unter der Nachkriegs-Labour-Regierung das Tempo der Änderung enorm beschleunigt wurde und 1951 Großbritannien in allen Wesensmerkmalen aufgehört hatte, ein kapitalistisches Land zu sein“ (meine Hervorhebung, S. 42). Und schon auf der nächsten Seite widerspricht er sich unbewusst. „Es („Wohlfahrtsstaat“ „gemischte Wirtschaft“) ist in dem Ausmaß kapitalistisch, in dem Privateigentum an der Industrie vorherrscht, die meiste Produktion für den Markt ist, und viele der alten Klassenspaltungen bestehen bleiben.“ In welchem Ausmaß? Wo 80 Prozent der Wirtschaft Privateigentum ist, überwiegen der Kapitalismus, seine Wirtschaft und seine Gesetze. Die öffentlichen Sektoren, wie die Postbehörde in der Vergangenheit, wird zum Nutzen des Privatsektors funktionieren. Kein finanzielles Jonglieren kann diese entscheidende Tatsache überwinden. Bis die vorherrschenden Höhen und der vorherrschenden Anteil der Industrie verstaatlicht sind, werden die Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft der Regierung diktieren, egal ob Labour oder Konservative.

Die Fehler und Träume von Crosland und anderem Fabiern fließen aus diesem grundlegenden Fehler. Keine Jarrows und Ebbw Vales [=Zentren der Industrie und des Klassenkampfs] mehr. „Sowohl der Bereich als auch die Bitterkeit des Gesellschaftskonflikts werden sehr verringert … keine eindeutig abgegrenzte herrschende Klasse, kein klar definierter Klassenkampf.“

Klassengegensätze verstärkt

In Wirklichkeit jedoch sind die Streiks der Stahlarbeiter und Bergleute in Amerika und die Lohnforderungen der Metallarbeiter, Bergleute und anderen Arbeiter in Großbritannien angesichts der ständig zunehmenden Lebenshaltungskosten die schwachen Donnergrollen des kommenden Sturms. Die Kapitalisten bereiten sich vorsichtig für den Kampf vor. Wenn in der Nachkriegsperiode in Großbritannien und Amerika (man beachte: nicht auf dem Kontinent) eine relative Ruheperiode gefolgt ist, war das wegen der internationalen Beziehungen, der Klassenbeziehungen innerhalb der Länder selbst, der mächtigen Stärke der organisierten Arbeiterbewegung, der Furcht der herrschende Klasse, aber vor allem, weil sich die herrschende Klasse Krümel von Zugeständnissen vom Fest der Profite im Nachkriegsboom leisten konnte.

Aber diese Periode nähert sich jetzt dem Ende. Weit von dem närrischen Traum der Klassenversöhnung entfernt, droht eine Periode von bitterem, unversöhnlicherem Klassenkonflikt in seinem ganzen harten Schrecken. Der „neue“ Fabier denkt vielleicht, dass ihre Themen wirklich „modern“, „realistisch“ und „neu“ sind. Tatsächlich hat jeder Boom in der einen oder anderen Form die Verbreitung dieser Trostpflästerchen und Utopien gesehen, von einer Änderung im Kapitalismus, einem neuen Stadium, der gelassenen, freundlichen und toleranten Milderung der Klassengegensätze, einer rosigen Periode der stufenweisen Änderung zum Besseren, der großen Reformen, die alle in der Katastrophe endeten. Auf der Grundlage der Themen der neuen Fabier könnte die Arbeiterbewegung nur eine Katastrophe finden.

Marxismus gegen Neuen Fabianismus

Zweierlei Moral gegenübergestellt

2.

Abscheu vor stalinistischem Totalitarismus

Der zweite Hauptfaden in allen „Essays“ ist eine Kritik der totalitären Regime in Russland, China und Osteuropa und die Gleichsetzung von Marxismus mit Stalinismus. Hier ist es notwendig, zwischen zwei tödlichen Fehlern Kurs zu halten. Der eine ist verkörpert durch die gemischte Gruppe von Mitläufern und verschiedenen Pro-Stalinisten, die in der Labour Party aktiv sind und ein langes und diskretes Schweigen über die Verbrechen des Stalinismus einhielten, mit nur der schwächsten Spur von „Kritik“ (Kritik, die wie eine Entschuldigung klingt); und jenen, die nicht zwischen den politischen Regimes des Stalinismus und der grundlegenden wirtschaftlichen Revolution unterscheiden können, auf der sich die stalinistische Bürokratie und ihre Satelliten stützen. Beide Fehler können für den sich entwickelnden linken Flügel in der Labour Party tödlich sein.

Internationale Sichtweise den Fabiern aufgezwungen

Die Haltung des Neuen Fabier wird in ihrer schärfsten Form durch den Essay Crossmans ausgedrückt. Die Ereignisse haben ihn (und die Neuen Fabier) gezwungen, den behaglichen Optimismus der viktorianischen Fabier, mit ihrer Illusion der schrittweisen Entwicklung, von unvermeidlichem langsamen Fortschritt zu einer immer besseren Welt zurückzuweisen. Eine 50jährige Epoche von Kriegen, Krisen, Umwälzungen, Faschismus und Stalinismus hat diesen Traum der ruhigen Entwicklung brutal zerschlagen. (Marx sagte übrigens genau solch eine Epoche der Turbulenz für den Kapitalismus voraus). Die Möglichkeiten fürchterlicher Reaktion und sogar ein Stürzen in Barbarei durch Atomkrieg, haben ihren Weg in das Bewusstsein aller erzwungen, die versuchen, sich über den zukünftigen Kurs der Gesellschaftsentwicklung klarzuwerden.

Notwendigkeit von Theorie

Crossman und die anderen neuen Fabier erkennen, dass der Mangel an Theorie innerhalb der Bewegung sie in ihre gegenwärtige Sackgasse und Krise getrieben hat. Aber sie weisen zwar den ehemaligen Empirismus der alten Fabier und der gegenwärtigen Führer unserer Bewegung zurück, ersetzen ihn aber nicht durch eine zusammenhängende und ausgearbeitete Philosophie. Das Vorurteil gegen den Marxismus ist schließlich nur ein Vorurteil der Unwissenheit und des Mangels an Studium. Theorie ist die Zusammenfassung der Erfahrung der Gesellschaft und der Arbeiterbewegung in Vergangenheit und Gegenwart, um die Gesetze ihrer Entwicklung aufzudecken und einen Leitfaden für die Politik der Bewegung zur Verfügung zu stellen; um soweit wie möglich die Fehler der Vergangenheit vermeiden und einen leichteren Übergang zur zukünftigen Gesellschaft vorzubereiten.

Die Philosophie der neuen Fabier, zusammengefasst von Crossman, ist keineswegs der der alten und gegenwärtigen Führer der Labour-Bewegung in Großbritannien überlegen. Ideenstücke werden von überall geborgt, eine fromme Anpassung von christlicher Moral gemischt mit einigen sozialistischen Ideen, Leihgaben von Farbtönen des Liberalismus, gekrönt mit dem ganzen Pessimismus der Philosophen des dekadenten Kapitalismus. Dieses ist der halbgare Ideeneintopf, der als Alternative zum „altmodischem“ Marxismus dargestellt wird.

Mechanismus mit Materialismus verwechselt

Statt Dinge zu Ende zu denken, macht Crossman einen Schritt rückwärts sogar im Vergleich mit den viktorianischen Fabiern, wenn er sagt (S. 8): „Diese materialistische Auffassung des Fortschritts beruhte auf Annahmen über menschliches Verhalten, von denen psychologische Forschung gezeigt hat, dass sie keine Grundlage in der Wirklichkeit haben, und auf einer Theorie der demokratischen Politik, welche durch die Tatsachen der letzten dreißig Jahre verwirrt worden ist. Es gibt weder eine natürliche Interessenidentität noch auch einen inneren Widerspruch im Wirtschaftssystem. Das Wachstum von Wissenschaft und Volksbildung erzeugt nicht automatisch eine „Aufwärts“entwicklung in der Gesellschaft, wenn mit „aufwärts“ von knechtischen zu demokratischen Formen gemeint ist; und die apokalyptische Annahme, dass eine proletarische Revolution nach einer Periode der Diktatur eine freie und gleiche Gesellschaft erzielen muss, ist gleichermaßen unzulässig. Die evolutionären und revolutionären Fortschrittsphilosophien haben sich beide als falsch erwiesenen. Wenn man nach den Tatsachen urteilt, kann man weit mehr von der christlichen Lehre der Erbsünde als von der Fantasie Rousseaus vom edlen Wilden oder Marx’ Vision der klassenlosen Gesellschaft halten.“ (seine Hervorhebung)

Soziale Moral das idealistische Kriterium

Er versucht, in einer übergeschichtlichen Moral, jenseits von Zeit, Klasse oder Ort Trost über die grausame und wilde Welt der Konflikte, vor der wir stehen, zu finden. Aber dies erklärt nichts und löst nichts. Marx war gelinde gesagt ein wenig zu vertraut mit den verschiedenen Strömungen von Gesellschaftsbeziehungen, um die naiven Ansichten zu vertreten, die ihm durch die neuen Fabier zugeschrieben werden. Zuerst, was kapitalistische Reaktion betrifft, hatte Marx bereits den Bonapartismus, den Vorläufer des Faschismus, in vielen Arbeiten analysiert. (Leider machen sich Crossman und andere Verunglimpfer nicht die Mühe, Marx zu lesen, um ihn zu widerlegen). In ihnen zeigte er, dass unter gewissen Umständen die in der Staatsmaschine liegende Macht sogar gegen die Klasse benutzt wird, die sie vertritt.

Zur Frage des Automatismus und des Anstiegs des sozialen Gewissens

Dann glaubte Marx wieder überhaupt nicht, dass der Sturz des Kapitalismus in einem Landautomatisch alle Probleme für die Arbeiterklasse lösen würde. Im Gegenteil lehnte er ausdrücklich die Theorie vom „Sozialismus in einem Lande“ ab, die Stalin später entwickeln würde. Die Entwicklungen der russischen Revolution sind überhaupt nicht durch „Moral“ oder Mangel an „Moral“ der bürokratischen stalinistischen Herrscher von Russland zu erklären. Im Gegenteil ist das Entgegengesetzte der Fall, die Moral der Bürokratie kann nur durch die Entwicklungen in Russland erklärt werden. Und dies stimmt genau mit marxistischer Lehre überein. Crossman sagt:

„Die Sowjetunion ist das extremste Beispiel von Managerismus, weil seine stalinistischen Herrscher bewusst den Vorrang der Moral gegenüber Zweckmäßigkeit ablehnen, und so die Möglichkeit eines aktiven sozialen Gewissens zerstören, das sie von der Korruption der Macht retten könnte. Die Kapitalistenklasse machte das nie, und deshalb erfüllte die kapitalistische Entwicklung nicht die Prophezeiungen von Marx. Kein kapitalistisches Land war je theoretisch und methodisch so kapitalistisch, wie Russland heute stalinistisch ist. Dies ist auch der Grund, warum die USA, beurteilt nach europäischen Standards, eine bessere Gesellschaftsform als die UdSSR ist. In Amerika haben liberale und christliche Moral und eine daraus abgeleitete Verfassungs- und politische Tradition, die volle Entwicklung des Kapitalismus behindert und leisten noch starken Widerstand gegen totalitäre Tendenzen. Amerika als kapitalistisches Land zurückzuweisen und das sowjetische Reich als Beispiel der sozialistischen Planung zu behandeln, macht aus jedem unserer Ideale Unsinn. In Wirklichkeit sind es zwei große Beispiele des modernen Managerstaats, der eine ist bewusst und systematisch managerisch, der andere bewegt sich unter dem Druck des Kalten Krieges auf das gleiche Ziel zu.

In jeder Zeile dieses Absatz gibt es einen Fehler, manchmal zwei oder drei. Versuchen wir jedoch, die Hauptfäden zu entwirren. Die russische Revolution wurde unter der Führung Lenins und Trotzkis mit Marx’ Ideen und Methoden begonnen. Die Idee dahinter war, die „Diktatur des Proletariats“ (ein anderer Name für die Demokratie der Arbeiterklasse) herzustellen. Es sollte übrigens beachtet werden, dass sogar die freieste kapitalistische Demokratie eine verschleierte Diktatur der Kapitalistenklasse bleibt, weil die Kapitalisten, abgesehen vom Eigentum an den Produktionsmitteln, in den Worten Crossmans, „Massenkommunikationsmittel und Zerstörungsmittel (Propaganda und Streitkräfte) kontrollieren“. Nach den marxistischen Ideen der Führer der russischen Revolution sollte Russland beginnen, Deutschland, Frankreich und England sollten die Arbeit vollenden. Jedoch aus vielen Gründen, die hier nicht behandelt werden können, blieb die russische Revolution isoliert. Aber Russland, das eins der rückständigsten Länder in Europa war, war die materielle Grundlage für Sozialismus innerhalb seiner Grenzen nicht vorbereitet. Die Revolution kann nur als Teil der internationalen Revolution verstanden werden. Die Isolierung und die groben materiellen Faktoren, die sie umfasste, nicht die subjektive Gemeinheit und die Unmoral von Stalin und seiner schmarotzerhaften Kaste (wie abstoßend sie auch sein mag) erklären die Entwicklung der stalinistische Bürokratie, einschließlich seiner gemeinen Moral.

Aber das ist in Übereinstimmung mit der marxistischen Theorie und nicht mit der Theologie. Engels erklärt den Aufstieg der Klassen in der Gesellschaft durch die niedrige Entwicklung der Produktivkräfte und die Notwendigkeiten der Arbeitsteilung.

Dass die Massen beteiligt sein müssen

Marxisten bestehen auf Demokratie – wirklicher Demokratie– im Übergang zum Sozialismus und der vollen Teilnahme der Massen an Industrie und Staat, genau weil „das Sein das Bewusstsein bestimmt“, weil, wenn Kunst, Wissenschaft und Regierung in den Händen von Wenigen bleiben, sie unvermeidlich ihre Position zur Förderung ihrer eigenen Interessen gegen die der Klasse gebrauchen (und übrigens eine Moral und Psychologie schaffen, um das zu rechtfertigen) und missbrauchen, die sie angeblich vertreten.

Auf wolkige Weise anerkennen Crossman und die anderen Essayisten dies, wenn Sie die Bilanz der Erfahrung der verstaatlichten Industrien ziehen – in ihrer Kritik an der Bürokratie und der Forderung nach Teilnahme der Arbeiter an Management und Kontrolle.

Erneut über „Moral“

Aber dies löst nicht das Rätsel. Crossman kritisiert die, die darauf beharren, dass Russland ein Arbeiterstaat bleibt. Er schaut nur auf den „Vorrang der Moral über die Zweckmäßigkeit“. Armer Kerl! Churchill und die Kapitalisten Großbritanniens (zusammen mit den Priestern – mit Gewissen und allem) unterstützten gestern Franco, Mussolini und Hitler als Retter vor dem Bolschewismus und sahen über die Konzentrationslager hinweg, in denen deren Gegner „umerzogen“ wurden. Am Tag danach gerieten sie (mindestens in der Öffentlichkeit) in Ekstase der Bewunderung für den „großen Krieger Stalin“ und übersahen solche Kleinigkeiten wie Sklavenlager und andere Schrecken. Die amerikanischen Kapitalisten und die Regierung taten trotz der „liberalen und christlichen Moral“ das gleiche unter dem liberalen Roosevelt. Christliche Moral verhinderte nicht Hiroschima oder die abstoßende Behandlung der Schwarzen im Süden [der USA].

Definition von Moral

S. 10 lässt Crossman sich aus: „Der Sozialist misst diesen Fortschritt der Sozialmoral durch den Grad an Gleichheit und Respekt für die Einzelperson, ausgedrückt in der Machtverteilung und in den Einrichtungen von Gesetz und Eigentum innerhalb eines Staates. Diesen Standard meinen wir in der Tat mit dem sozialistischen Ideal.“ Er sieht nicht, dass alle diese Ideen die Widerspiegelung der Entwicklung der Gesellschaft sind, die wiederum das Ergebnis der Entwicklung der Produktivkräfte in der Vergangenheit ist. Die „christliche Moral“, an die Crossman gegen die Unmoral des Stalinismus appelliert, befand sich überhaupt nicht im Konflikt mit der Einrichtung der Sklaverei unter dem römischen Reich, sondern rechtfertigte sie im Gegenteil. Unter dem Feudalregime fand sie nichts unmoralisch an Jahrhunderten Leibeigenschaft der Bauernschaft. Sie rechtfertigte und rechtfertigt weiter die verhüllte Sklaverei des Kapitalismus. [Südafrikas Ministerpräsident] Doktor Malan findet es überhaupt nicht im Konflikt mit seinem christlichen Gewissen, die „gottgewollte“ Unterdrückung der südafrikanischen Schwarzen durch die Weißen zu unterstützen. Mit dem Segen des Papstes findet es der christliche Franco überhaupt nicht unvereinbar mit den Lehren der Kirche sein totalitäres Regime in Spanien aufrechtzuerhalten.

Christliche Ethik kann daher keinen zuverlässigen Moralstandard für die sozialistische Bewegung zur Verfügung stellen. Auch Crossmans besonderer „Definition“ geht es nicht besser.

Proletarische Moral“

Aus dem Blickwinkel des Marxismus ist moralisch, was der materiellen, sozialen und intellektuellen Entwicklung der Massen dient; was diesem Prozess in Richtung Sozialismus hilft, ist moralisch; was der organisierten und bewussten Tätigkeit der Massen zum Sturz des Kapitalismus hilft, ist moralisch. Was auch immer dagegen diesen Prozess hindert oder fesselt ist falsch und unmoralisch.Dies sind die Verhaltensregeln für die, die zum Sozialismus streben. Aber an und für sich muss solch eine Definition eine materielle Grundlage haben. Die Klassenposition und die Interessen des Proletariats innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft und im Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft sind die materielle Grundlage für solch eine Moral. Dies wird verschwinden mit der Auflösung der Klassengesellschaft im Sozialismus. Kapitalistische Moral oder Unmoral in ihren verschiedenen Graden und Äußerungen ist auch eine Widerspiegelung des Klasseninteresses der Kapitalistenklasse an einer Klassengesellschaft. Stalinistische Moral oder Unmoral spiegelt das Interesse eines bestimmten Kaste innerhalb der gegebenen Gesellschaft wider.

Obgleich sich Crossman dessen nicht bewusst ist, hat die Moral, die er vorbringt, auch ihre Klassenwurzeln. Es ist überhaupt keine Moral ewiger Wahrheiten, sondern eine Variante der Mittelschichtmoralund eine Widerspiegelung der Stellung der intellektuellen und professionellen Elite innerhalb der Arbeiterbewegung.

Marxistische Sozialisten haben angefangen mit Marx und Engels immer Demokratie gegenüber jeder möglichen Form von Despotismus unterstützt. So haben sie Republikanismus gegen Monarchismus, kapitalistische Demokratie gegen kapitalistische Diktatur unterstützt. Aber sie erkennen immer die Beschränkungen von obigem. Crossman widerspricht sich, wenn er darauf hinweist, dass die Demokratie, die er so sehr rühmt, die Frucht der Revolution in Großbritannien und des Bürgerkrieges in Amerika in der Vergangenheit ist. Er sagt: „Sogar in Westeuropa fand die Zerstörung des Feudalismus nicht unter den Formen der Repräsentativregierung statt.“

Die Inkonsequenz des Kapitalismus lange erkannt

Es ist jedoch wahr, dass alle Kräfte des Kapitalismus-Imperialismus in ihrer ganzen krassen Reaktion nie voll verwirklicht wurden, ausgenommen möglicherweise in Nazi-Deutschland. Aber das ist in der Tradition des Marxismus, und spricht überhaupt nicht gegen ihn. Der grobe mechanische Materialismus oder wirtschaftliche Determinismus, den Crossman und die anderen angreifen, haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit den wirklichen Lehren von Marx.

Kapitalismus – die amerikanische Version

Der Grund, warum der Kapitalismus in Amerika die besondere Form angenommen hat, die es hat, liegt in der Geschichte das Land – seinem Reichtum und seinen Ressourcen, seinen Ursprüngen und Anfängen, seinen Traditionen, dem Unabhängigkeitskrieg, dem Bürgerkrieg und der Weise, wie er sich entwickelte, dem Aufstieg der Gewerkschaftsbewegung – und alle im Konflikt stehenden Kräfte kämpfen gegeneinander in der gegebenen Gesellschaft.

Crossman durchdenkt nichts bis zum Ende. Einige richtige Ideen werden mit total sinnlosem Geschwätz gemischt, aber nie mit einer klaren Auffassung des Geschichtsprozesses oder der Rolle von bewussten Sozialisten in ihm verbunden. Er kann S. 31 richtig sagen, „Wir leben nicht in einem Zeitalter des stetigen Fortschritts in Richtung Weltwohlfahrtskapitalismus sondern der Weltrevolution…“ Er möchte die Kräfte des Stalinismus auf der einer Seite und die Kräfte des amerikanischen Imperialismus auf der anderen bekämpfen, mächtig bewaffnet wie ein moderner Don Quixote mit … einer sozialistischen Ethik!

Möglichkeiten des kapitalistischen Totalitarismus oder der sozialistischen Demokratie sind in den im amerikanischen Kapitalismus unterschwellig vorhandenen Kräften zur Zeit enthalten. Im drohenden Konflikt wird die liberale christliche Maske von ihren Herren wie in Deutschland fallengelassen beim Versuch, das kapitalistische System zu retten. Christliche Moral wird nicht das Massaker an den Schwarzen verhindern, so wenig wie das an den Juden durch die Nazis in Europa, wenn die Kräfte der Reaktion in Amerika die Oberhand gewinnen. Die Verfassung und die daraus abgeleitete politische Tradition sind nicht mehr als die des Weimarer Deutschland an sich Hindernisse für solch eine Entwicklung. In Amerika, wie in Großbritannien und der Welt ist nur die Arbeiterklasse die Wächterin von Demokratie und Freiheit, weil dies die lebenswichtigen Bedingungen für ihre Entwicklung sind – für die Erreichung der wirtschaftlichen und politischen Emanzipation. In dieser groben materiellen Tatsache ist die proletarische Moral verwurzelt.

Sozialmoral

Laut Crossman „wachsen Sozialmoral, Freiheit und Gleichheit nicht durch irgendein Gesetz der Wirtschaft oder Politik, sondern nur mit der sorgfältigsten Pflege. Bis jetzt sollten wir folglich Geschichte nicht als unveränderlichen Fortschritt zur Freiheit betrachten, sondern Ausbeutung und Sklaverei als normalen Zustand des Menschen und die kurzen Epochen der Freiheit als gewaltige Errungenschaften.“ Woher entspringen sie dann? Fallen sie vom Himmel oder aus dem Großmut von Intellektuellen wie Crossman, die anscheinend eine Mission als Wächter des allgemeinen Gewissens haben? Sind dies ewige Moralgesetze, die merkwürdigerweise verschiedene Bedeutungen in den verschiedenen Epochen für verschiedene Klassen zu verschiedenen Zeiten erhalten? Religiöse Menschen behaupten wenigstens, dass ihre Moral durch göttliche Vorsehung jenseits von Zeit und Ort gegeben ist. Crossman sagt uns, dass seine „Moral“, „Freiheit“ und „Gleichheit“, wie die der Christen, nicht durch irgendein Gesetz der Wirtschaft oder Politik wächst, sondern nur durch die sorgfältigste Pflege. Die einzige Frage ist, wer pflegt und wie? Und was pflegen sie? Jeder Bauer wird ihm sagen, dass Saat auf steinigem Boden nicht keimt. Die Bedingungen müssen da sein, bevor diese Ideen mächtige Unterstützung empfangen können. Aber die sorgfältigste Pflege wird kein Ergebnis erzielen, wenn nicht die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen entwickelt sind, das heißt, die materiellen Bedingungen bereitet sind.

Es ist nichts geheimnisvoll an der Tatsache, dass Sklaverei und Ausbeutung des Menschen der „normale“ Zustand und die Epochen der „Freiheit“ kurz gewesen sind. Es entsteht weder aus dem Fehlen noch der Notwendigkeit einer Übermoral heraus, sondern aus der Klassenstruktur der Gesellschaft. Dies ist so, obwohl in bestimmten Perioden ein Gleichgewicht zwischen den Klassen beibehalten werden konnte (ohne offene Unterdrückung und Gewalt), weil das vorübergehend reichte und wegen dem Kräfteverhältnis der Klassen zu einer bestimmten Zeit.

Dieses ständige Herumreiten auf einem formlosen sozialen Gewissen, das in der Stratosphäre zu existieren scheint, führt Crossman genau in den Fehler, für den er den Stalinismus verurteilt. Nach starker moralischer Verurteilung der stalinistischen Elitegesellschaft findet er die Pfleger seiner Moral… nur in einer „Elite“!

Die Gesellschaft, sagt Crossman, muss „… polizeilich überwacht(unsere Hervorhebung) werden durch die Sozialmoral, die sich nur in einer Minderheit von Bürgern befinden kann.“ Hier haben wir bis zum Äußersten entwickelte Gedankenverwirrung. Crossman verschlimmert das, indem er erklärt, dass „Schule, Presse, Radio, Parteimaschine, Armee, Fabrik, alle Instrumente sind durch die Menschen (welche Art Menschen?) Macht über die Gedanken ihrer Mitmenschen ausüben, wenn sie nicht durch ein mit Sanktionen bewaffnetes Sozialgewissen kontrolliert werden.“ Welche Sanktion und welcher Mensch? Welche Moral und wie und durch wen bestimmt?

Moral ändert sich mit dem Gesellschaftssystem

Unmoral ist nichts Neues in der Geschichte. Sie nimmt normalerweise in einer Periode des Zusammenbruchs des alten Gesellschaftssystems und des Übergangs zu einem neuen Gesellschaftssystem Form an. Mit dem Funktionsverlust der alten herrschenden Klasse, brechen die Moralvorschriften, die ihre Herrschaft betreffen, auch zusammen. Und ähnlich braucht in einer Periode des Übergangs die neue Moral, die auf neuen Produktionsbeziehungen beruht, auch Zeit sich herauszubilden.

Historische Präzedenzfälle

So fanden Scheußlichkeiten, ähnlich wie die Hitlers und Stalins, in der Periode des Niedergangs des römischen Sklavensystems und des Übergangs zum Feudalismus statt. Wer hat nicht von Nero und seinem Hof gehört? Im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus haben wir trotz des Ruhms der Renaissance wieder das Schauspiel der Borgias. So brauchen wir keine mystischen Theorien, um diese Ereignisse zu erklären, sondern können sie nur auf einer materialistischen Grundlage erklären.

Regime verurteilt, aber Potenzial anerkannt

Aber sie zu verstehen, rechtfertigt weder die Borgias noch die modernen Borgias im Hof des Kreml. Es bedeutet nicht, dass sie nicht verurteilt werden müssen. Geschichte, sagte Marx, ist eine grausame Göttin, an deren Wagen Haufen menschlicher Schädel befestigt sind. Stalin, der moderne Dschingis Khan, hat alle seine Vorgänger übertroffen. Ungeachtet alles dessen und trotz Stalinismus hat es eine beispiellose Entwicklung der Produktivkräfte in Russland gegeben. Dies bereitet wiederum wegen der Widersprüche, die es unvermeidlich während der Zeit entwickelt, die Zeit vor, in der diese Wucherung in einer mächtigen Bewegung des russischen Proletariats entfernt werden wird und alle hässlichen und abstoßenden Eigenschaften, die das Regime entstellen, mit dem Regime selbst verschwinden werden und durch ein Regime der Arbeiterdemokratie ersetzt werden, diesmal auf festen wirtschaftlichen Grundlagen wegen dem materiellen Fortschritt, der gemacht worden ist.

Ähnlich war die Renaissance trotz aller Kriege, Massaker, Verschwörung, Blut und Grausamkeiten eine Periode der Vorbereitung des Fortschritts auf allen Gebieten der menschlichen Bestrebung – in der Industrie, Kunst, Wissenschaft, Technik und … in der Moral! Schließlich wurden der Fortschritt des 19. Jahrhunderts, von dem Crossman spricht und seine Einstellungen zu Demokratie und Freiheit, vorbereitet durch die enorme Hebung der Produktivkräfte in der Aufstiegsperiode des Kapitalismus. Dies gab die Illusion des unbegrenzbaren Fortschritts unter dem Regime des Privatunternehmertums.

Obwohl Crossman Amerika und Russland zusammenschmeißt, sagt er: „wir können mit den Amerikanern als Verbündete zusammenarbeiten und ihre Politik trotz ihrer überlegenen Stärke beeinflussen. Es wäre Torheit, solch ein Verhältnis zur Sowjetunion zu erwarten. Koexistenz, ja. Gegenseitig vorteilhafte Vereinbarungen, ja. Aber nie Zusammenarbeit.“ S. 13 Wo findet Crossman den Grund dafür? In seiner sozialistischen Moral oder in der christlichen Ethik von Amerika? Er vergisst, dass Großbritannien und Amerika es nicht unmöglich fanden, mit dem stalinistischen Russland während des Krieges zusammenzuarbeiten – als es den Interessen jener Länder entsprach. Nazi-Deutschland und das stalinistische Russland arbeiteten auch für eine Weile im Nazi-Sowjet-Pakt zusammen, als es der Bürokratie in Russland und den Naziimperialisten in Deutschland passte. In Wirklichkeit hatte keine der Vereinbarungen mit „Moral“ oder „Freiheit“ zu tun, aber alles mit den Interessen der beteiligten Klassen und Kasten in den verschiedenen Stadien. Nicht anders ist die Zusammenarbeit zwischen dem kapitalistischen Großbritannien und dem kapitalistischen Amerika gegenwärtig. Es sind die Interessen der Wall Street, nicht christliche Moral, die beim Entscheiden der amerikanischen imperialistischen Politik den Ausschlag geben.

Die interessante Frage kommt auf, wen Crossman im Sinn hat, wenn er von „uns“ spricht. Wer ist dieses „wir“? Ist es die Kapitalistenklasse oder die Arbeiterklasse? Ist es ein mystisches nationales Interesse, getrennt und abgesehen von diesen Klassen? Es ist genau dieser Mangel an Präzision, der für diesen ganzen Mischmasch (christliche Ethik und alles) typisch ist, den Crossman uns statt der klaren Ideen des Marxismus andrehen möchte.

Er sagt, dass die Managergesellschaft (er schließt Amerika und Russland ein), in demokratischen Sozialismus zivilisiert werden kann. Wie? Durch die Macht seiner „sozialistischen Ethik“ vielleicht? Wie seine Ethik hängt die Frage mitten in der Luft ohne materielle Grundlage.

Amerika – ein Kontrast

In Amerika haben die Produktivkräfte trotz der Freiheiten in Wirklichkeit seit 1929 in den Widersprüchen des Privateigentums stagniert. Nur vorübergehend auf der Grundlage von Krieg, Kriegsproduktion und Kriegsvorbereitung gab es dort eine wichtige Entwicklung der Produktivkräfte.

Aber früher oder später wird die Krise eingreifen und wir werden sehen, dass die christliche Moral (der Kapitalisten) als dünner Lack abfällt und das hässliche innere Wesen des Imperialismus aufgedeckt wird. Dann werden entweder die Arbeiter das Problem erkennen und die Macht nehmen und die Produktionsmittel verstaatlichen, oder ihnen droht eine neue Sklaverei und eine neue Barbarei von Seiten des Kapitalismus.

Bei der Rückkehr zum Problem Russlands erkennen wir den Fall als als etwas anders. Trotz Vergeudung, Chaos und der Unwirtschaftlichkeit der bürokratischen Diktatur haben wir dennoch auf der Grundlage von Staatseigentum und Planung der Produktionsmittel, eine ununterbrochene Entwicklung der Produktionsmittel. Dies trotz der Rückschläge, die verursacht sind durch Krieg und die Fehler und die Verbrechen der Führung, wie Zwangskollektivierung und die großen Säuberungen. Ungeachtet des Bestehens von Sklavenarbeit (auch ein Übergangsmerkmal der Gesellschaft in der Vergangenheit) und die anderen verdorbenen Eigenschaften der stalinistischen Gesellschaft, haben wir einen stetigen Rhythmus und eine Entwicklung der Produktivkräfte. Die Widersprüche sind das Gegenteil von denen unter dem Kapitalismus. Die Bürokratie ist gezwungen, einen totalitären Terror mit seiner Unmoral etc. nicht durch Zufall beizubehalten, sondern weil ihre Privilegien nur dadurch aufrechterhalten werden können.

Die Bürokratie hat anders als die Kapitalisten keine wesentliche Funktion

Unter dem Kapitalismus waren die Kapitalisten notwendig und hatten eine notwendige Funktion mit dem Privateigentum an den Produktionsmittel und dienten als Träger der Produktionsmittel oder in den Worten von Marx als „Treuhänder der bürgerlichen Gesellschaft“.

In Russland dient der Staat als Träger der Produktionsmittel, und die ganze Bürokratie hat aus dem Blickwinkel ihrer wirtschaftlichen Funktion in Produktion und Staat Anspruch auf Oberaufsicht- und Managementlöhne, wie Manager und Techniker im Kapitalismus. Aber sie verbrauchen weit mehr als dies und dienen dazu als wirtschaftliche Schmarotzer an der Produktion. Dies erklärt ihre Rolle und ihre Moral.

Der Zynismus, die Heuchelei und die Lügen, mit denen die Bürokratie einerseits herrscht, während sie den totalitären Terror andererseits beibehält, sind ein Ausdruck ihrer Rolle in der Gesellschaft. Wenn unter dem „demokratischen“ Kapitalismus Heuchelei, Zynismus und Lügen gerade so offensichtlich sind, sind die Methoden anders wegen der Kontrollen und Gleichgewichte, die durch die verschiedenen in ihm konkurrierenden Kräfte geliefert werden. Wenn man die Organisationen und Rechte, die durch den generationenlangen Kampf der Arbeiterklasse gewonnen wurden, beseitigt, erhält man das Ergebnis, das in Nazi-Deutschland zu sehen ist. Die Moral der Kapitalisten in Weimar, im Naziregime und heute waren nicht wirklich grundlegend verschieden, nur die Bedingungen unter denen das Regime funktionierte. Unterdrückung und Lügen sind bloß verschiedene Seiten der Notwendigkeit, Ausbeutung und Herrschaft über die Massen beizubehalten. Sie sind Symptome einer Gesellschaft, die durch und durch von Widersprüchen durchzogen ist. Dies erklärt die Inkonsequenz und Heuchelei der christlichen Moral in einer Gesellschaft, die auf Klassengegensätzen beruht. Ähnlich beruht die Moral des Stalinismus auf den Widersprüchen innerhalb der russischen Gesellschaft, die nicht einfach durch die Zerstörung des Kapitalismus gelöst worden sind. Ihre bestialische Moral wird durch den unsicheren Zugriff bedingt, den sie in der russischen und Satellitengesellschaft haben und die Furcht, die aus ihren unsicheren und künstlich beibehaltenen Eigeninteressen – ihrem privilegierten Zugriff auf die russische Gesellschaft entspringt.

Der Fehler Crossmans und der anderen Fabiern ist, diesen Widerspruch und alles, was sich aus ihm ergibt, nicht zu erkennen. Eine neue Revolution wird in Russland notwendig sein, aber eine politische, keine soziale Revolution, bevor von neuem Schritte in die Richtung des Sozialismus unternommen werden können.

Mehr als eine politische Form möglich (auf einer neuen ökonomischen Basis)

Aus marxistischer Sicht der Entwicklung der Weltgeschichte sollte uns dies überhaupt nicht beunruhigen. Marx erklärte nie, dass zu einem Produktionssystem nur eine Überbauform oder Staat gehört. Die oberflächlichste Bekanntschaft mit der Geschichte würde zeigen, dass diese falsch wäre. Bei jedem System ist eine große Zahl politischer Formenmöglich, abhängig von einer ganzen Reihe grundlegender und zweitrangiger Faktoren.

In den modernen Zeiten haben sich (mit dem ganzen extrem wichtigen, wenn auch zweitrangigen Ergebnissen) verschiedene Formen der Diktatur und Demokratie gezeigt, aber alle auf einer kapitalistischen Basis. Faschismus, Militärdiktatur, Demokratie, Monarchie, Republik und andere Varianten. Sie waren alle derselbe Gesellschaftstyp aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Grundlagen trotz der extremen, scharfen und auffallenden Unterschiede, „moralisch“ und in jeder anderen Weise.

Beziehungen zum stalinistischen Russland

Eine wirkliche Arbeiterdemokratie würde das gleiche Verhältnis zum stalinistischen Russland wie Hitlers Deutschland zur Weimarer Republik oder zum demokratischen kapitalistischen Großbritannien haben. So sollten die sozialistischen Arbeiter unter allen Umständen das Staatseigentum an den Produktionsmittel und die geplante Wirtschaft in Russland verteidigen, und zugleich einen unversöhnlichen Kampf gegen die Clique führen, die die Kontrolle an sich gerissen und eine Arbeiterdemokratie (mit all ihren Beschränkungen und Fehlern) in einen totalitären stalinistischen Staat umgewandelt hat.

Der Ferne Osten

Die Haltung gegenüber der kolonialen Revolution des Ostens ist auch etwas verschieden. Die Neuen Fabier erkennen den fortschrittlichen Charakter des Untergrabens des Imperialismus im Osten und dehnen halbherzige Unterstützung auf diese Bewegung aus.

Bedeutung der Chinesischen Revolution

Ohne Zweifel ist die chinesische Revolution in ihrem Potential für die Zukunft das größte Ereignis in der Geschichte seit der Umgestaltung in Russland im Oktober 1917. Sie wird zur Modernisierung und Industrialisierung Chinas führen, das unter dem Kapitalisten-Großgrundbesitzer-Regime von Tschiang Kai-schek stagnierte. Aber Mao Tse-tung und die chinesischen Stalinisten haben das Regime Stalins als ihr Modell genommen, nicht das Lenins. Angesichts der Rückständigkeit von China wird langfristig ein ähnliches Regime installiert werden.

Wenn die Demokratie und die Freiheit des Westens beibehalten, erhöht und ausgedehnt werden soll, kann er nur durch die soziale Revolution zu Hause und Internationalismus auswärts vollendet werden.

In der Vergangenheit schien der Internationalismus ein utopisches Ideal. Jetzt ist er für die Arbeiter Großbritanniens, Europas und der kolonialen Welt eine lebenswichtige wirtschaftliche Notwendigkeit. Besonders ist dies so im Fall Großbritanniens. Mit dem Verlust seiner imperialistischen Oberhoheit über die Welt eröffnen sich vor der Arbeiterklasse auf einer kapitalistischen und nationalistischen Grundlage nur Verfall und Niedergang ihrer Standards und Rechte. Nur Vereinigte Sozialistische Staaten Europas und der Welt können Kultur, Demokratie, Freiheit und steigenden Lebensstandard garantieren und den Weg für den Sozialismus bereiten.

Crossman sagt richtig, dass der kalte Krieg gegenwärtig der vorherrschende Faktor in den Weltbeziehungen ist. Aber Sozialismus, revolutionärer demokratischer Sozialismus, kann nur einen Ausweg finden, wenn er die Ausdehnung von Revolution und Staatseigentum unterstützt, und zugleich die Deformation des Stalinismus ablehnt.

Weder Washington noch Moskau hat einen Ausweg für die Arbeiterklasse. Nur ein kämpferisches sozialistisches Programm und eine solche Politik können eine Antwort auf beide liefern. Die Arbeiterbewegung in Großbritannien kann die Probleme unserer Zeit nicht lösen, indem sie den Marxismus zurückweist, sondern indem sie sich auf seine grundlegenden Ziele stützt.

*New Fabian Essays

** Konjunkturzyklen, McGraw-Hill, Band 2, Seite 494, unsere Hervorhebung


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