Ted Grant: Das Ruhrstatut

[eigene Übersetzung des Artikels in Socialist Appeal, Februar 1949]

Das neue „Besatzungsstatut“, das auf Deutschland angewandt werden soll, gibt den britischen, französischen und amerikanischen Imperialisten die Kontrolle über das Ruhrgebiet, das Kraftzentrum Europas. In seinen Bestimmungen ist es weitaus drastischer als der Vertrag von Versailles.

Er behält den Alliierten das Recht vor, die Ruhrindustrien, die Art und Weise der Verteilung der Produkte, die Höhe der Produktion und der Exporte zu kontrollieren. Der Militärische Sicherheitsrat, in dem britische, französische und amerikanische Vertreter sitzen werden, wird die westdeutsche Industrie kontrollieren und inspizieren, um jede Art von Aufrüstung zu verhindern. Die internationale Kontrolle des Ruhrgebiets erstreckt sich auf die Verwaltung und Produktion sowie den Vertrieb von Kohle, Koks und Stahl. Die Stahlproduktion soll auf 10.800.000 Tonnen begrenzt werden, verglichen mit einer Vorkriegsproduktion von 22.500.000 Tonnen. Der Militärische Sicherheitsrat und die Kontrolle über das Ruhrgebiet sollen auch nach Beendigung der Besatzung bestehen bleiben.

Das Ruhrstatut ist ein Kompromiss zwischen dem anglo-amerikanischen Imperialismus und Frankreich. Die Franzosen wollen eine rigide nationale Unterdrückung Deutschlands als Garantie gegen sein Wiedererstarken. Der anglo-amerikanische Block ist gespalten zwischen der Notwendigkeit, Deutschland als Konkurrenten zu begrenzen, und dem Wunsch, das Ruhrgebiet als Basis für den künftigen Kampf gegen Russland zu nutzen.

Bitternis in Deutschland

Die Massen in der Westzone haben heftig reagiert. Die deutschen politischen Parteien haben darauf hingewiesen, dass nur dieses eine Gebiet für die internationale Kontrolle ausgewählt werden soll. Carlo Schmid, Sozialdemokrat, protestiert, dass es „keine deutsche Demokratie geben kann, wenn das Wirtschaftsleben des Landes nicht selbstbestimmt ist“. Der deutsche Arbeiter, sagte er, sei seit 1918 dreimal um den Sozialismus betrogen worden. („Times“, 9. Januar).

Die Desillusionierung über die Politik der Alliierten hat zu einer Welle von nationalistischen Gefühlen geführt. Im Ruhrgebiet hat die Verbitterung über die Demontage der Stahlwerke des Bochumer Vereins ihren Höhepunkt erreicht. Der Militärregierung ist es gelungen, einige wenige dazu zu bewegen, die Demontage dieser großen Fabrik in Angriff zu nehmen. Aber der Massenwiderstand von 11.000 Maschinenbauern des Werks führte dazu, dass selbst einige der wenigen Arbeiter, die zur Übernahme dieser Arbeit bewegt werden konnten, sich weigerten, dies zu tun. Diese Arbeiter wurden nun zu kurzen Haftstrafen verurteilt.

Stalinisten versuchen, verlorenen Boden zurückzugewinnen

Die Stalinisten versuchen, aus der Situation Kapital zu schlagen. Ihre Politik in Berlin, die Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen, die brutale Vertreibung der Deutschen aus Polen, die Annexion Ostpreußens und eines Teils von Deutsch-Schlesien durch Polen und Russland, das Verhalten der Roten Armee in Deutschland und die Reparationspolitik in Ostdeutschland – all das hat den Stalinisten in Westdeutschland Verluste eingebracht. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr verloren sie fast die Hälfte ihrer vergleichsweise geringen Stimmenzahl. Bei der letzten Wahl verloren sie alle ihre Sitze im Vorstand der Bergarbeitergewerkschaft.

Um einen Teil des verlorenen Terrains zurückzugewinnen, haben die Stalinisten das Ruhrstatut als imperialistischen Versuch der Annexion des Ruhrgebiets angeprangert und eine Agitation gestartet, die den sofortigen Abschluss eines Friedensvertrags und den Abzug aller Truppen aus Deutschland fordert. Sie haben alle, die das Statut akzeptieren, als Quislinge denunziert.

Max Reimann wurde wegen einer aufrührerischen Rede gegen die Besatzungsmächte verhaftet. Er wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

„Er brandmarkte das Besatzungsstatut als ein neues Kolonialgesetz, das Deutschland aufgezwungen wurde. ,Wir werden kämpfen, bis unser geliebtes deutsches Volk von den ausländischen Imperialisten und denen in Deutschland, die mit ihnen zusammenarbeiten, befreit ist.‘

Als er erklärte, dass die Amerikaner das Ruhrgebiet durch das Ruhrstatut annektiert haben, gab es erregte Rufe aus dem Publikum im Saal, unterbrochen von Äußerungen wie ,Sie haben hier nichts zu suchen‘ und ,Hängt sie auf!“ („Times“, 3. Januar 1949).

Dies hält die Kommunistische Partei Frankreichs natürlich nicht davon ab, die französischen nationalistischen Gefühle zu schüren und die strengsten Maßnahmen zur Kontrolle des Ruhrgebiets zu fordern.

In dem Bemühen, etwas von dem Odium, das die Russen in Deutschland umgibt, zu vermeiden, hat sich die deutsche KP in der Westzone formell von der Sozialistischen Einheitspartei getrennt.

Die Stimmung in Ostdeutschland ist so gut, dass jeden Monat 10.000 illegale Einwanderer aus der russischen in die britische Zone ziehen.

„Nach eigenen Angaben haben die Flüchtlinge die russische Zone aus politischen Gründen oder aus Gründen der persönlichen Sicherheit verlassen. Bei den jüngeren Jahrgängen sind es Hunderte, die diesen Weg einschlagen, um nicht in den sächsischen Uranbergwerken als Zwangsarbeiter eingesetzt zu werden. Dieser Zustrom von Flüchtlingen in die britische Zone hält an, und nach offiziellen Angaben ist vorläufig kein Ende abzusehen.“ (Times, 5. Januar 1949).

In der Ostzone wurden Konzentrationslager für Unzufriedene eingerichtet, und in der Sozialistischen Einheitspartei wurde eine Säuberungsaktion gegen so genannte „Agenten der Sozialdemokratischen Partei, Spione und Saboteure in ausländischem Sold“ eingeleitet.

„Strenge Maßnahmen“, um „die passive Haltung eines Teils der Mitglieder zu überwinden“ kündigte die Sozialistische Einheitspartei gegen Ende des letzten Jahres an.

Nachdem die Sozialistische Einheitspartei ein totalitäres Regime errichtet hat, das gegen die elementaren Grundsätze der Arbeiterdemokratie verstößt, hat sie eine Erklärung im Namen Piecks und Grotewohls abgegeben, in der sie die britische Militärregierung beschuldigt, „jedes demokratische Prinzip mit Füßen getreten zu haben“. Die Times berichtet ironisch:

„Die Betonung der deutschen nationalen Souveränität und territorialen Integrität hat selbst in den Reihen der Kommunisten einige Zweifel an der Oder-Neiße-Linie aufkommen lassen. Ein Parteisprecher entgegnet, dass Deutschland durch den Verlust seiner Ostprovinzen eigentlich besser dran sei und dass die produktivsten Länder die am dichtesten besiedelten seien, wobei insbesondere Holland und Belgien genannt werden. Die Berliner Zeitung von heute fordert die Deutschen auf, die Oder-Neiße-Linie als ,Friedensgrenze‘ zu akzeptieren. Die imperialistischen Mächte‘ hingegen ,reißen Deutschland in Stücke‘ und sind nicht an Grenzen, sondern an Fronten interessiert – nämlich daran, in Westdeutschland eine Front gegen ,den demokratischen Frieden‘ zu errichten.“

Im Kampf zwischen West und Ost ist es nicht ausgeschlossen, dass ein vorübergehender Kompromiss zwischen Amerika und Russland zustande kommt, bei dem die Russen sogar einen Sitz in dem Gremium erhalten, das die Kontrolle über das Ruhrgebiet ausübt. In diesem Fall würde sich die gegenwärtige Opposition der KP sofort ändern, da die Politik der Stalinisten in der Vergangenheit im Zickzack verlaufen ist.

Briten fürchten Konkurrenz

Die Briten sind ernsthaft besorgt über die Gefahr einer erneuten Überschwemmung des Weltmarktes mit deutschen Billigprodukten.

Harold Wilson, Präsident des Board of Trade, hat für den 2. Februar ein Treffen mit Arbeitgebern und Gewerkschaftsführern aus den Bereichen Schiffbau und Maschinenbau anberaumt, um die Frage der Konkurrenz aus Deutschland und Japan zu erörtern. „Wenn deutsche Firmen in diesem Land Dumping-Waren anbieten würden, könnten sofort Maßnahmen bei den Kontrollbehörden ergriffen werden“, sagte Wilson. Die Deutschen beginnen, sich auf einen Vorstoß auf die Weltmärkte vorzubereiten, der zwangsläufig mit den verstärkten britischen Exportbemühungen kollidieren wird.

Im Leitartikel der „Daily Mail“ vom 24. Januar heißt es:

„Einige deutsche Waren werden auf ausländischen Märkten 40 Prozent billiger verkauft als vergleichbare britische Waren. Der Durchschnittslohn in Deutschland beträgt 3 Pfund pro Woche, während er in Großbritannien durchschnittlich 6,14 Pfund beträgt. Dies verschafft den deutschen Industriellen den Vorteil billiger Arbeitskräfte. Zur Vorbereitung dieser Aktion wurden von deutschen Industriellen umfangreiche Kataloge kostenlos in den Westen geschickt. Die in den Katalogen erwähnten Artikel umfassen Schmuck, Kosmetika, elektrische Uhren, Armbanduhren und Präzisionsinstrumente, Kameras, Lampenschirme, Lederwaren, Möbel und Kunstgegenstände.“

Dr. Ollrath von Maltzahn, Leiter der Außenhandelsabteilung der Anglo-U.S.-Zone in Frankfurt, wies darauf hin, dass die westdeutschen Exporte im Jahr 1948 fast das Dreifache der Zahlen von 1947 betrugen. „Großbritannien wird uns als Konkurrenten im Welthandel anerkennen müssen“, sagte er.

Scheitern der Politik der Labour-Regierung

In einer gesunden sozialistischen Gesellschaft würde die Produktion keineswegs eingeschränkt, sondern bis zum Äußersten gesteigert werden. Aber die Großmächte fürchten vor allem die kommerzielle Konkurrenz, die sich auf Deutschlands hervorragende Industrie stützt, und die Wiederbelebung seiner militärischen Macht. Deutschlands industrielles Potential bietet die Perspektive der größten Gefahr für die rivalisierenden kapitalistischen Länder; es bietet auch die größten Möglichkeiten für die Arbeiterklasse Europas, wenn es für einen demokratischen sozialistischen Plan nutzbar gemacht wird, der in die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa integriert ist. Hier versagt die Labour-Regierung in ihrer Außenpolitik. Eine Senkung des Standards der deutschen Massen stellt die größte Bedrohung für die britische Arbeiterklasse dar. In ihrem eigenen Interesse muss die britische Labour-Bewegung den Plan ablehnen, Deutschland in Ketten zu legen, die deutschen Fabriken zu demontieren und Reparationen zu zahlen. Die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht für alle Völker gilt für Deutschland wie für alle anderen Länder in jeder sozialistischen Politik.


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