(eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr. 126, März 2009)
Am 17. Februar unterzeichnete Barack Obama in Denver seinen ehrgeizig betitelten American Recovery and Reinvestment Act [Amerikanisches Wirtschaftserholungs- und Reinvestitionsgesetz]. Es war nur drei Wochen nach seiner offiziellen Übernahme der Präsidentschaft, jedoch mehr als ein Jahr nach dem Beginn eines schweren Wirtschaftsabschwungs, der sich, wie Obama selbst warnte, zu einer „Katastrophe“ ausweiten könnte, wenn er nicht eingedämmt wird.
Das 789-Milliarden-Dollar-Paket ist im Umfang beispiellos – etwa 5,8% des BIP, verteilt über zwei Jahre, verglichen mit Roosevelts New-Deal-Paket von 1-2% des BIP. Das Congressional Budget Office (CBO [Budgetamt des Kongresses]) schätzt jedoch, dass die „Produktionslücke“, d.h. die Differenz zwischen der Kapazität der US-Wirtschaft und ihrer wahrscheinlichen tatsächlichen Produktion, in den nächsten drei Jahren 2,9 Billionen Pfund betragen wird. Das CBO kommentiert, dass die Auswirkungen des Pakets „ungewiss“ sein werden.
Von dem Paket entfallen 281 Mrd. USD auf Steuersenkungen, die zum Teil „arbeitenden Familien“ zugute kommen, aber auch erhebliche Steuervergünstigungen für Unternehmen und rund 70 Mrd. USD (9% des Gesamtbetrags) für die Anpassung des Schwellenwerts der alternativen Mindeststeuer (AMT) umfassen, um zu verhindern, dass diese Steuer Familien der oberen Mittelschicht belastet. Dies hat nichts mit Konjunkturbelebung zu tun und wurde auf Druck der Republikaner*innen eingeführt, obwohl die AMT in den kommenden Monaten ohnehin geändert worden wäre.
Für zusätzliche Staatsausgaben (Reparaturen von Brücken und Straßen und andere Infrastrukturprojekte) sollen 308 Milliarden Dollar bereitgestellt werden. Darin enthalten sind etwas mehr als 50 Milliarden Dollar an zusätzlichen Hilfen für die Regierungen der Bundesstaaten, was angesichts der Steuerausfälle in vielen Staaten allerdings ein winziger Betrag ist. Allein Kalifornien hat ein Defizit von 42 Milliarden Pfund, und der republikanische Gouverneur Arnold Schwarzenegger erlegt massive Kürzungen und Entlassungen im öffentlichen Dienst auf.
Knapp 200 Mrd. Dollar des Pakets sind für höhere Leistungen vorgesehen, z. B. für Lebensmittelmarken und die Verlängerung der Arbeitslosen[unterstützung] von 26 auf 36 Wochen. Während es einige Zeit dauern wird, bis sich die Infrastrukturausgaben auf die Wirtschaft auswirken, werden die zusätzlichen Leistungen für Arbeitslose und Familien mit geringem Einkommen eine viel unmittelbarere Wirkung haben. Das Paket enthält jedoch keine Bestimmung, die sicherstellt, dass die geschaffenen Arbeitsplätze nach Tarif bezahlt werden oder dass der Mindestlohn erhöht wird. Diese Maßnahmen wären weitaus wirksamer als Steuererleichterungen, um die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen rasch anzukurbeln.
Die Republikaner*innen im Kongress kämpften, um das Steuersenkungselement zu erhöhen und die zusätzlichen öffentlichen Ausgaben zu kürzen, trotz Obamas Versuch, sie in parteiübergreifende Verhandlungen einzubeziehen. Im Repräsentant*innenhaus, wo die Demokrat*innen eine klare Mehrheit haben, stimmten keine Republikaner*innen für das Paket. Im Senat gelang es Obama, die Unterstützung von drei Republikaner*innen auf der Grundlage von Zugeständnissen zu gewinnen und so die Gefahr einer Verschleppung durch die Republikaner*innen zu vermeiden. Die Republikaner*innen im Kongress halten immer noch an der neoliberalen Ideologie fest und behaupten, dass Steuersenkungen für die Reichen das Wundermittel für alle wirtschaftlichen Probleme seien. Im Unterschied dazu hat die Mehrheit der republikanischen Bundesstaaten-Gouverneur*innen, die mit der Krise klarkommen müssen, Obamas Paket unterstützt.
Eine Reihe von Demokrat*innen im Senat haben erfolgreich Klauseln in Obamas Gesetzgebung eingefügt, die Beschränkungen für Gehälter und Boni von Banken und Unternehmen vorsehen, die Mittel aus dem TARP-Bankenrettungsprogramm erhalten. Diese neue Bestimmung verbietet Barprämien und fast alle anderen Formen von Anreizen für die fünf ranghöchsten Vorstandsmitglieder und die 20 bestbezahlten Führungskräfte von Großunternehmen, die Gelder aus dem TARP-Programm erhalten. Obwohl Obama vor kurzem die Rücksichtslosigkeit und Verantwortungslosigkeit von Top-Banker*innen anprangerte und eine Begrenzung der Boni forderte, lehnten der Präsident und sein Finanzminister Tim Geithner diese Maßnahme tatsächlich ab!
Obama behauptet, dass sein Paket vier Millionen Arbeitsplätze schaffen werde. Die meisten Wirtschaftskommentator*innen gehen jedoch davon aus, dass es höchstens eine bis drei Millionen Arbeitsplätze schaffen wird.
Aber selbst vier Millionen gerettete oder geschaffene Arbeitsplätze – Obamas „Saldo“ – wären nur ein sehr begrenztes Polster für Millionen von arbeitslosen Arbeiter*innen. Durch den sprunghaften Anstieg der Arbeitsplatzverluste um mehr als eine halbe Million im Januar stieg die Zahl der seit Beginn der Rezession im Dezember 2007 verlorenen Arbeitsplätze auf 3,6 Millionen. Das bedeutet 11,6 Millionen Arbeitslose (7,6% der Erwerbsbevölkerung), aber wenn man Teilzeitbeschäftigte, die eine Vollzeitstelle benötigen, und Arbeitslose, die die Suche aufgegeben haben, mit einbezieht, steigt die Gesamtzahl auf 21,7 Millionen Arbeiter*innen (13,9% der Erwerbsbevölkerung).
Als Widerspiegelung des protektionistischen Drucks fügten die Demokrat*innen im Repräsentant*innenhaus eine „Kauft amerikanisch“-Klausel in das Konjunkturprogramm ein. Das zielt vor allem darauf ab, sicherzustellen, dass in den USA hergestellter Stahl für Infrastrukturprojekte verwendet wird. Stahlhersteller*innenverbände in Kanada und Europa protestierten sofort gegen diese Politik „zu Lasten der Nachbar*innen“. Die Klausel wurde im Senat abgemildert, indem es hieß, die protektionistische Bestimmung solle „in einer Weise angewandt werden, die mit den Verpflichtungen der Vereinigten Staaten im Rahmen internationaler Abkommen vereinbar ist“. Aber wie Jagdish Bhagwati, ein Berater der WTO, warnte, ist es den USA immer noch möglich, den Handel innerhalb der WTO-Regeln zu beschränken: „Ich würde alles, was ich habe, darauf setzen, dass ein Handelskrieg innerhalb der WTO-Regeln ausbricht“, sagte er. Es besteht wenig Zweifel daran, dass andere stahlproduzierende Länder mit ähnlichen Maßnahmen zurückschlagen werden, wenn ernsthafte Beschränkungen für die Verwendung von importiertem Stahl eingeführt werden.
Die „größte Unwägbarkeit“ bei Obamas Paket ist: „Wird der Plan funktionieren?“ („The Washington Post“, A Fiscal Gamble [Ein fiskalisches Glücksspiel], Leitartikel, 13. Februar) Es sind nicht nur linksdemokratische, keynesianische Kommentator*innen, die skeptisch sind bezüglich der wahrscheinlichen Wirksamkeit von Obamas Plan. Die Wirtschaftsanalysten von High Frequency Economics zum Beispiel schreiben in einer Mitteilung an ihre Kund*innen: „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das Paket, das jetzt im Kongress vorliegt, das bloße Minimum des Erforderlichen darstellt. Es wird sich letztlich als zu klein erweisen“.
Obamas Paket ist trotz seines Umfangs ein eilig improvisiertes Flickwerk. Das Konjunkturprogramm sieht keine nennenswerte Erhöhung der Ausgaben für das Gesundheits- oder Bildungswesen vor. Es gibt keine Maßnahmen, die das allgemeine Einkommensniveau der Arbeiter*innen deutlich anheben, und keine Maßnahmen zur Stärkung der Gewerkschaftsrechte der Arbeiter*innen. Abgesehen von der zeitlichen Verzögerung, mit der die meisten Konjunkturmaßnahmen ihre Wirkung entfalten werden, muss das Paket einem sich verschärfenden globalen Abschwung und der anhaltenden Kreditklemme entgegenwirken.
Die erste Tranche des TARP, die von George Bush und Hank Paulson umgesetzt wurde, hat bisher einen Domino-ähnlichen Zusammenbruch der Finanzinstitute verhindert, überwand aber die Lähmung der Kreditvergabe der Banken nicht. Obama hat verkündet, dass TARP 2 (die zweite 350-Milliarden-Dollar-Tranche) viel effektiver sein werde, aber bisher bleiben die Ankündigungen von Geithner äußerst vage. So oder so wird der größte Teil des Schuldenbergs vom Privatsektor auf den öffentlichen Sektor verlagert, wobei die Kosten der Arbeiter*innenklasse aufgebürdet werden.
Fünfzig Milliarden Dollar und mehr sollen zur Verhinderung von Zwangsversteigerungen von Immobilien verwendet werden, aber dies ist in erster Linie eine indirekte Form der Unterstützung für Banken, die mit einer steigenden Zahl von Hypothekenausfällen konfrontiert sind. Zunehmend negatives Eigenkapital (bereits 28% der Hauskäufer*innen) und ein Tsunami von Arbeitslosigkeit werden zu immer mehr Zahlungsausfällen und Zwangsversteigerungen führen. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, bestünde darin, dass die Bundesregierung ein Moratorium für alle Zwangsversteigerungen verhängt und die Refinanzierung von Hypotheken oder den Umstieg auf Mieten zu erschwinglichen Preisen subventioniert.
Obamas riesiges Paket wird eine gewisse abfedernde Wirkung haben, aber ob es tatsächlich neues Wachstum anregen wird, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch sicher: Die Staatsverschuldung wird in den nächsten Jahren in die Höhe schnellen. Das Congressional Budget Office (CBO) schätzt, dass die Staatsverschuldung (einschließlich der aktuellen Schulden und der Kosten für TARP und das Konjunkturpaket) von 41% des BIP im Jahr 2008 auf 70% des BIP im Jahr 2011 ansteigen werde.
Das CBO schätzt, dass das jährliche Haushaltsdefizit danach auf 2% des BIP sinken werde. Diese Schätzung beruht jedoch auf äußerst optimistischen Prognosen: ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 4% pro Jahr im Zeitraum 2011-14 und ein minimales Wachstum der öffentlichen Ausgaben im Einklang mit der Inflation. Sollte der weltweite Konjunktureinbruch über 2010 hinaus anhalten, würden die Haushaltsdefizite weiter ansteigen. Dies würde es für die USA sehr viel schwieriger machen, ihre Schulden auf den globalen Finanzmärkten zu finanzieren.
Lynn Walsh
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