Lynn Walsh: Blairs Atomwaffen-Weiterverbreitung

(eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr. 107, März 2007)

Blair und Brown peitschen ihren Plan zur Modernisierung der britischen Atomwaffen durch das Parlament. Bei anfänglichen Kosten von 20 Milliarden £ werden die 160 Sprengköpfe zusammen die Zerstörungskraft von 1.280 Hiroshimas haben. Alternativ könnte man mit diesem Geld Hunderttausende von Krankenschwestern und Lehrer*innen bezahlen und andere wichtige soziale Dienste bereitstellen. Lynn Walsh berichtet.

Tony Blair ist entschlossen, Großbritannien auf ein neues Trident-Raketensystem festzulegen, bevor er Ende des Jahres das Amt verlässt. Gordon Brown unterstützt dieses Programm, das während seiner Laufzeit voraussichtlich 76 Milliarden £ kosten wird.

Es gibt die Farce einer öffentlichen Debatte, während in Wirklichkeit das Weißbuch „The Future of the UK’s Nuclear Deterrent“ (Die Zukunft der atomaren Abschreckung des Vereinigten Königreichs) vom Kabinett ungeprüft abgenickt wurde und zweifellos im März mit Unterstützung der Tories vom Parlament ungeprüft abgenickt werden wird.

Blair schlägt ein neues Arsenal von etwa 160 Atomsprengköpfen vor, die von amerikanischen Trident-Raketen auf vier britischen U-Booten abgefeuert werden sollen. Derzeit hat jeder Trident-Sprengkopf etwa die achtfache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, die über 80.000 Menschen tötete.

Dieses groteske Arsenal, behauptet Blair, sei als „ultimative Versicherungspolice“ in einer „unsicheren und gefährlichen“ Welt notwendig. Aber die Argumentation im Weißbuch und von Blair ist völlig fadenscheinig. Blair selbst bezeichnet das Risiko einer Bedrohung Großbritanniens durch eine bestehende Atommacht (vermutlich entweder Russland oder China) oder durch eine aufstrebende Regionalmacht (wie Nordkorea oder Iran) als „nicht inexistent“. Es wird nicht anerkannt, dass eine solche atomare Bedrohung Großbritanniens nur im Rahmen einer internationalen Krise auftreten könnte – in der das relativ kleine britische Atomwaffenarsenal ein völlig unbedeutender Faktor wäre. Darüber hinaus bezeichnet Blair das Risiko für Großbritannien, dass Schurkenstaaten atomaren Terrorismus sponsern, als „nicht völlig abwegig“. Doch aufgrund dieser angeblichen Risiken wird den britischen Steuerzahler*innen die teuerste atomare Versicherung aller Zeiten in Rechnung gestellt.

Die Regierung schätzt, dass das neue Trident-System zwischen 15 und 20 Milliarden £ kosten wird (die hauptsächlich in den Jahren 2012-27 anfallen). Andere Expert*innen berechnen, dass das System mindestens 25 Mrd. £ kosten wird. Rechnet man die gesamten Kosten für die Inbetriebnahme und den Betrieb während der gesamten Lebensdauer des neuen Systems zusammen, so belaufen sich die Gesamtkosten auf etwa 76 Milliarden £.

Die öffentlichen Gelder, die für Trident ausgegeben werden, werden klar nicht für die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und staatliche Grundrente verwendet werden. Die Campaign for Nuclear Disarmament [Kampagne für atomare Entwaffnung] (CND) hat errechnet, dass mit 25 Milliarden £ Folgendes bezahlt werden könnte: 120.000 Krankenschwestern jedes Jahr für die nächsten zehn Jahre, die Abschaffung der Studiengebühren für die nächsten zehn Jahre, 60.000 Lehrer*innen jedes Jahr für die nächsten 20 Jahre, 100.000 zusätzliche Feuerwehrleute jedes Jahr für ein Jahrzehnt, den Schutz von 360 Millionen Hektar Regenwald, 100.000 zusätzliche Hebammen jedes Jahr für zehn Jahre. Mit den 76 Mrd. £ Gesamtkosten für die Inbetriebnahme und den Betrieb könnte man viel mehr soziale Leistungen finanzieren.

Trident sollte jetzt verschrottet werden. Die sogenannte „unabhängige atomare Abschreckung“ hat nichts mit der Sicherheit und dem Wohlergehen der Menschen in Großbritannien zu tun. Beim Besitz eines Atomwaffenarsenals geht es nur um die Macht und das Prestige der herrschenden Klasse und ihrer politischen Elite.

Eine vollendete Tatsache

Blair behauptet, er begrüße eine Debatte über die Erneuerung der britischen „atomaren Abschreckung“. Oberflächlich betrachtet, das stimmt, war Blairs Herangehensweise tatsächlich offener als die früherer Labour- oder Tory-Premierminister. Im Jahr 1947 setzte der Labour-Premierminister Clement Attlee einen speziellen Kabinettsunterausschuss ein, der den Bau einer britischen Atombombe beschloss. In den 1970er Jahren verwies der Labour-Premierminister James Callaghan die Frage der Aufrüstung der britischen Atomsprengköpfe an eine informelle Vierergruppe von Ministern, die insgeheim das so genannte Chevaline-Programm beschloss, eine Entscheidung, die erst unter der nachfolgenden Regierung Thatcher öffentlich wurde. Margaret Thatcher selbst setzte eine fünfköpfige Trident-Gruppe ein, um die Atomwaffenpolitik zu diskutieren. Die Entscheidung, das Trident-System einzuführen, wurde erst etwa ein Jahr später durch einen Bericht der „New York Times“ bekannt. Im Kontrast dazu hat Blair, der von Brown voll unterstützt wird, seine Absicht, eine neue Generation von Trident-U-Booten und -Raketen in Auftrag zu geben, offen bekundet.

In der Vergangenheit waren weder die führenden Labour- noch die Tory-Vertreter*innen bereit, wichtige verteidigungspolitische Fragen, die für die herrschende Klasse von vitalem Interesse sind, der Infragestellung, geschweige denn eines Vetos durch das Parlament zu überlassen. Blair war offen, weil er zuversichtlich ist, dass er sie mit einem Minimum an Kontrolle durch das Parlament bringen kann.

In der Tat hat Blair sein Kabinett und das Parlament mit der Ersetzung des Trident-Systems vor vollendete Tatsachen gestellt. Die öffentliche Debatte wird auf die Entscheidung folgen, die Regierung auf ein massiv teures Trident-Ersatzprogramm zu verpflichten. Die öffentliche Diskussion ist nur Schönfärberei.

Sogar der Tory-freundliche „Daily Telegraph“, der den Ersatz von Trident unterstützt, kritisierte Blairs „ungebührliche Eile“: „Eine Kabinettsdiskussion von weniger als einer Stunde vor zehn Tagen wurde gestern Morgen in Downing Street abgesegnet. Eine Abstimmung im Unterhaus wird Anfang des neuen Jahres folgen. Warum die Eile?“ (5. Dezember 2006) Das Kabinett durfte das Thema erst erörtern, nachdem bereits ein Weißbuch zur Verteidigung veröffentlicht worden war, das als einzige Option für eine neue Generation von Trident eintritt.

Blair war entschlossen, alle alternativen Optionen zu verhindern, wie z.B. eine viel billigere Option der Aufrüstung der derzeitigen Trident-U-Boote und -Raketen. Diese Option wird von einigen Spitzenmilitärs favorisiert, die befürchten, dass die Ausgaben für ein neues Trident-System den konventionellen Streitkräften, die durch Blairs Interventionspolitik in Afghanistan, im Irak und anderswo überfordert sind, Geld entziehen würden.

Das Trident-System besteht aus in den USA hergestellten Raketen, die mit in Großbritannien hergestellten Atomsprengköpfen bewaffnet sind und auf vier in Großbritannien hergestellten U-Booten stationiert sind. Die Sprengköpfe werden in der Atomic Weapons Research Establishment [Atomwaffenforschungseinrichtung] (AWRE) in Aldermaston in Berkshire hergestellt und gewartet. An diesem Standort wurde bereits mit einer massiven Neuentwicklung begonnen, die eindeutig der Vorbereitung einer neuen Generation von Atomwaffen dient. Das AWRE-Projekt soll in der Größenordnung des neuen Terminals fünf in Heathrow liegen, 4,2 Mrd. £ kosten und wird als „eines der größten Bauprojekte, die je in Großbritannien durchgeführt wurden“ beschrieben.

Der Beginn dieses massiven AWRE-Projekts zeigt an, dass Blair und Brown bereits davon ausgehen, dass die Erneuerung der Trident-Raketen in Angriff genommen werden wird. Blair ist bezüglich einer Mehrheit im Parlament zuversichtlich, da die Tories die Atompolitik von New Labour unterstützen werden. Es wird erwartet, dass nur etwa 50 Labour-Abgeordnete gegen ein neues Trident-System stimmen werden – ein Hinweis darauf, wie weit die Labour-Partei nach rechts geschwenkt ist.

Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als führenden Labour-Vertreter*innen die CND unterstützten? Im Jahr 1983 sagte Blair: „Wir brauchen keine gefährlichen und teuren Trident und Cruise Missiles“. Im Jahr 1984 bezeichnete Brown Atomwaffen als „inakzeptabel, teuer, wirtschaftlich verschwenderisch und militärisch untauglich“.

Begründung?

Was ist Blairs Begründung für die Modernisierung von Trident? Während des „Kalten Krieges“ vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion nach 1989 war die Argumentation der führenden kapitalistischen Vertreter*innen für Atomwaffen relativ klar. Zwei rivalisierende Blöcke konkurrierten um wirtschaftlichen, strategischen und politischen Einfluss: der vom US-Imperialismus beherrschte Westen und der von der Sowjetunion, einer bürokratischen Diktatur mit zentraler Planwirtschaft, beherrschte Ostblock. Es gab einen Wettlauf, immer ausgefeiltere und zerstörerische Atomwaffen zu stapeln, angeführt von den USA, gefolgt von der sowjetischen Bürokratie. Die „Gegenseitig Gesicherte Zerstörung“, die Fähigkeit zu massiven Vergeltungsmaßnahmen auf jeden „Erstschlag“, schloss einen Atomkrieg als rationale Entscheidung aus. Die Gewissheit der Vergeltung machte die Entscheidung für einen Atomschlag für das betreffende Regime gleichbedeutend mit einem Selbstmord. Dennoch ist heute klar, dass die Welt der atomaren Vernichtung mehrfach gefährlich nahe kam, insbesondere während der Kubakrise 1962.

Auch wenn Atomwaffen – von einem schrecklichen Unfall abgesehen – einen Weltkrieg zwischen den Supermächten ausschlossen, konnten die Atomwaffenarsenale der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Russlands, Chinas und Israels eine ganze Reihe „kleiner“ Kriege (einschließlich der Korea- und Vietnamkriege) nicht verhindern, die während des sogenannten Kalten Krieges zwischen 20 und 30 Millionen Menschenleben forderten. Dennoch konnten die führenden politischen Vertreter*innen im Westen, einschließlich Großbritanniens, auf die Bedrohung durch den „totalitären Kommunismus“ – d.h. die stalinistischen Systeme der Sowjetunion, Osteuropas und Chinas – verweisen, um die Aufrechterhaltung der Atomwaffenarsenale als „Abschreckung“ gegen Angriffe zu rechtfertigen.

Selbst in der Periode des Kalten Krieges war Großbritanniens sogenannte „unabhängige britische Abschreckung“ in Wirklichkeit ein teures Anhängsel des mächtigen US-Arsenals. Die britischen Atomwaffen waren im Vergleich zu denen der USA und der Sowjetunion mickrig. Die britischen Waffen waren praktisch von den USA geleast, und ihr Betrieb hing von der technischen Unterstützung der USA ab. Außerdem war es unvorstellbar, dass Großbritannien in wichtigen strategischen Fragen unabhängig von den USA handeln würde. Das unglückselige Suez-Abenteuer der Eden-Regierung im Jahr 1956 war das letzte Mal, dass der britische Imperialismus einen Alleingang ohne die Zustimmung der USA versuchte (siehe Artikel in Socialism Today Nr. 104, Das Suez-Fiasko).

Von der Nachkriegsregierung Attlee an unterhielten die aufeinanderfolgenden britischen Regierungen Atomwaffenarsenale nicht in erster Linie zur Verteidigung, sondern um die Mitgliedschaft im Atomklub zu erhalten und die Illusion von Großbritannien als „Großmacht“ fortzusetzen.

In der Welt nach dem Kalten Krieg ist es für führende kapitalistische Vertreter*innen viel schwieriger, ein plausibles Argument für Atomwaffen vorzubringen. Das im Dezember vorgelegte Weißbuch argumentiert: „Wir können nicht ausschließen, dass entweder eine größere direkte atomare Bedrohung für die vitalen Interessen des Vereinigten Königreichs wieder auftaucht [von Russland? oder China?] oder dass neue Staaten entstehen, die zwar über eine begrenztere atomare Kapazität verfügen, aber eine ernsthafte Bedrohung für unsere vitalen Interessen darstellen könnten“. Die zweite Bedrohung bezieht sich vermutlich auf regionale „Schurkenstaaten“ wie Nordkorea und den Iran, die über Atomwaffen verfügen oder dabei sind, diese zu entwickeln.

Eine dritte Bedrohung, wird behauptet, „ist das Risiko, dass einige Länder in Zukunft versuchen könnten, von ihrem Boden aus atomaren Terrorismus zu unterstützen. Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Staaten unsere nationale Sicherheit bedrohen…“

Diese Argumente wurden von Roy Hattersley, einem ehemaligen Mitglied des rechten Flügels der „Old Labour“-Führung und einem eingefleischten „kalten Krieger“ (pro-amerikanisch, anti-sowjetisch), der Großbritanniens Atomwaffen unterstützte, beantwortet. Jetzt, sagt er, seien Atomwaffen „für die britische Verteidigung irrelevant“. In der Zeitung „The Guardian“ (4. Dezember 2006) argumentiert er: „Angenommen, wir werden sowohl von ,Schurkenstaaten‘ als auch von ,internationalen Terroristen‘ bedroht, glaubt irgendjemand wirklich, dass einer dieser Feinde in der Weise abgeschreckt wird, wie es einst die Sowjetunion war? Wenn bin Laden oder Al Qaida der Feind sind, wem sollen wir dann drohen, den Holocaust zu entfesseln? Wenn es der Iran und Nordkorea sind, die uns Sorgen machen, ist es dann überhaupt möglich, dass diese Länder auf das Gleichgewicht des Schreckens so reagieren, wie es die Sowjetunion in den 1950er und 1960er Jahren tat? Unser Vorwurf an sie lautet, dass sie sich nicht wie rationale Staaten verhalten. Warum sollten sie auf eine atomare Bedrohung vernünftig reagieren?

„Die ganze Idee ist klar eine Fantasie. Warum also schlägt die Regierung vor, Milliarden von Pfund zu verschleudern, die für die Erfüllung sozialer Zwecke verwendet werden könnten, die für Labour oberste Priorität haben sollten?“

In Bezug auf „Schurkenregierungen“, die möglicherweise Terrorist*innen „unterstützen“, musste Blair selbst zugeben: „Es ist unwahrscheinlich, aber niemand kann sagen, dass es unmöglich ist“. (Parlamentsdebatte, 4. Dezember 2006)

Blairs Argumentation entbehrt jeder Glaubwürdigkeit. Das britische Atomwaffenarsenal hat beispielsweise die Besetzung der Falklandinseln/Malvinas durch das argentinische Galtieri-Regime im Jahr 1982 nicht verhindert. Atomwaffen haben auch nicht verhindert, dass der im Exil lebende Litwinenko im vergangenen Jahr mit hochgiftigem radioaktivem Polonium ermordet wurde – von Attentätern, die offenbar entweder von einem Schurkenstaat oder einer kriminellen Organisation finanziert wurden.

Ein groteskes Arsenal von über 10.000 Atomwaffen hat den US-Imperialismus nicht vor der Niederlage im Irak gegen einen Aufstand mit Kleinwaffen und improvisierten Sprengsätzen bewahrt. Ebenso wenig konnten die atomar bewaffneten USA die Entwicklung von Atomwaffen durch Staaten wie Pakistan oder in jüngerer Zeit Nordkorea (das inzwischen zumindest über eine Art plumper Atomwaffe verfügt) verhindern.

Prestigewaffen

Mit dem Aufruf zur „Modernisierung“ von Trident tritt New Labour-Premierminister Blair in die Fußstapfen früherer Old Labour-Premierminister – Attlee, Wilson und Callaghan – und erneuert eine teure Verpflichtung zur „unabhängigen atomaren Abschreckung“ Großbritanniens. Das wahre Motiv, das nirgendwo im Weißbuch oder in Blairs Reden erwähnt wird, ist Prestige. Prestige ist der Nimbus der Macht, den die führenden Vertreter*innen über ihre eigentliche wirtschaftliche und strategische Basis hinaus aufblasen wollen. Prestige“ kommt von derselben lateinischen Wurzel wie ‚prestidigitation‘, dem altmodischen Wort für Zauberei und Taschenspielerei.

Blair ist entschlossen, dass der britische Imperialismus, der heute eine zweit- oder drittklassige Macht ist, weiterhin „über seiner Gewichtsklasse“ zuschlagen und Teil des Clubs der atomaren Großmächte bleiben soll. Dies wird von dem Tory-nahen „Daily Telegraph“, der sich für die Erneuerung von Trident ausspricht, offen ausgesprochen. Atomwaffen, kommentiert ein Leitartikel (5. Dezember 2006), „dienen neben der Abschreckung einem weiteren Zweck. Sie helfen auch, wirtschaftliche Macht in politische umzuwandeln“. Sie ignorieren natürlich die Tatsache, dass die massiven Ausgaben für Atomwaffen das wirtschaftliche Wohlergehen der Mehrheit der Menschen in Großbritannien untergraben.

Auf der anderen Seite nimmt die „Financial Times“, das vielleicht maßgeblichste Sprachrohr der britischen Großkonzerne, eine skeptische Haltung gegenüber der Zweckmäßigkeit eines neuen Trident-Systems ein.

„Wozu genau soll es gut sein?“, fragt ein Leitartikel (Unanswered Questions [Unbeantwortete Fragen], 5. Dezember 2006). „Es wird viel über die verwirrende Ungewissheit in der Welt nach dem Kalten Krieg geschrieben. Doch es ist schwer zu behaupten, dass sie gefährlicher ist als die gegenseitige gesicherte Zerstörung, mit der die Welt damals konfrontiert war. Was soll Großbritanniens Abschreckung abschrecken?“ Künftige, unvorhersehbare Bedrohungen aus Russland oder China würden sicherlich nur im Rahmen einer globalen Krise auftreten, in der das Vereinigte Königreich eine untergeordnete Rolle spielen würde“.

„Einfach ausgedrückt: Brauchen wir Trident als ,die ultimative Versicherung‘, wie Herr Blair sagt? Oder klammern wir uns an das letzte Überbleibsel der Großmachttrugbilder, zu denen dieser Premierminister besonders zu neigen scheint? Wenn wir Trident nicht schon hätten, würden wir sie dann von Grund auf neu anschaffen?“

Der Kolumnist der „Financial Times“, Philip Stephens, ist sogar noch bissiger. „Die Regierung kann nicht behaupten, dass eine strategische Atomwaffe für Großbritanniens zukünftige Sicherheit unerlässlich ist. Hätte Großbritannien die Bombe nicht bereits besessen, wäre es unvorstellbar, dass irgendeine Regierung jetzt ernsthaft deren Erwerb in Erwägung ziehen würde“. (The High Price of Nuclear Prestige [Der hohe Preis des atomaren Prestiges], 4. Dezember 2006) Stephens hält den Argumenten der Regierung zugunsten von Trident entgegen: „Die Abschreckungstheorie der Regierung sieht fadenscheinig aus, wenn sie Schurkenstaaten erreicht, die Atomterroristen bewaffnen. Das Beste, was Herr Blair sagen kann, ist, dass dieses Szenario ,nicht völlig abwegig‘ ist.“

Sind die Risiken plausibel genug, um die enormen Kosten für ein neues Trident-System zu rechtfertigen? Stephens deutet an, dass sie es nicht sind. „Die Kosten sind sowohl politischer als auch finanzieller Natur… Es kommt ein Punkt, an dem die Modernisierung ihrer Arsenale den bestehenden Atommächten jegliche moralische Autorität raubt“.

Größenwahn

Mit großspurigem strategischem Anspruch hat Blair versucht, die Militärpolitik von Bush zu imitieren. Wie Bush ist auch Blair entschlossen, das britische Atomwaffenarsenal auf den neuesten Stand zu bringen, einschließlich der Entwicklung so genannter taktischer Atomwaffen. Tatsächlich sehen die Pläne für die neue Trident die Bewaffnung einiger Raketen mit taktischen Sprengköpfen vor, die (nach Blairs verrücktem strategischen Denken) in einer Kriegssituation eingesetzt werden könnten. Wie Bush befürwortet auch Blair eine Politik der aggressiven Intervention in Krisengebieten auf der ganzen Welt. Trotz der jüngsten Ereignisse und einer Flut von Berichten von Militär- und Strategieexperten weigert sich Blair immer noch zuzugeben, dass die Bedrohung durch terroristische Anschläge im Westen durch die amerikanisch-britischen Interventionen in Afghanistan, Irak, Somalia und anderswo enorm gestiegen ist.

Es ist immer noch Teil von Blairs Verteidigungspolitik (vorgeschlagen in New Labours Strategic Defence Review von 1998), eine verstärkte Kapazität für globale Interventionen zu entwickeln. Nach wie vor gibt es Pläne für den Bau von zwei neuen großen Flugzeugträgern, die den Kern von militärischen Einsatztruppen nach amerikanischem Vorbild bilden würden. Die phänomenalen Kosten für den Bau von zwei neuen Flugzeugträgern, den Kauf neuer Kampfflugzeuge (vor allem aus den USA) und den Bau der dazugehörigen Kriegsschiffe würden, wenn dieses Programm durchgeführt wird, sogar größer sein als die voraussichtlichen Kosten für das Trident-System.

Diese militaristischen Pläne beruhen auf Größenwahn. Unterdessen beklagen sich die britischen Militärkommandeur*innen immer häufiger über die mangelnde Grundausstattung ihrer Truppen (gepanzerte Landrover, Schutzwesten) und die mangelhafte Unterbringung der Soldat*innen und ihrer Familien.

Blair hat sich damit gebrüstet, dass die derzeit 200 Trident-Sprengköpfe im neuen System auf etwa 160 reduziert werden sollen – als ob dies einen Beitrag zur weltweiten atomaren Abrüstung leisten würde. Tatsächlich werden die Bemühungen Großbritanniens, der USA und anderer Mächte, ihre Atomwaffenarsenale zu modernisieren, die gegenteilige Wirkung haben, unabhängig von der genauen Anzahl der Sprengköpfe.

Die zunehmende Rivalität und die Spannungen zwischen den Groß- und Regionalmächten seit dem Ende des Kalten Krieges haben zu einer Beschleunigung der Weiterverbreitung geführt. Der Atomwaffensperrvertrag ist in Wirklichkeit ein toter Buchstabe.

Blair, Bush und andere führende westliche Vertreter*innen haben Nordkorea für die Entwicklung zumindest einer primitiven Atombombe und den Iran für den Beginn eines Atomprogramms verurteilt. Doch ihre Position ist völlig heuchlerisch. Die USA haben beispielsweise Indien ermutigt, Atomwaffen zu entwickeln (als Gegengewicht zu China), und vor kurzem beim pakistanischen Atomprogramm ein Auge zugedrückt. Führende westliche Vertreter*innen haben lange Zeit die Verschwörung des Schweigens über das Atomwaffenarsenal des israelischen Staates aufrechterhalten, das bereits in den frühen 1960er Jahren entwickelt wurde. Ohne Neuzugänge im Atomclub gibt es weltweit bereits rund 27.600 atomare Sprengköpfe – mehr als genug, um den Planeten zu zerstören und den umgebenden Raum zu verseuchen.

Durch ihre militaristische Politik haben die Großmächte die weitere Verbreitung von Atomwaffen provoziert, und sie sind nicht in der Lage, diese zu stoppen. Die Supermächte mögen Atomwaffen als absolut letztes Mittel betrachten. Aber kann es völlig ausgeschlossen werden, dass instabile Regime wie Nordkorea oder Pakistan angesichts interner Krisen und regionaler Konflikte zu einem Atomschlag gegen ihre Feinde greifen?

Die Welt wird ein immer gefährlicherer Platz. Das Scheitern der Vereinten Nationen und zahlreicher internationaler Rüstungskontrollverträge, die Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen, zeigt, dass atomare Abrüstung im Kapitalismus eine Utopie ist. Der Konkurrenzkampf der kapitalistischen Nationalstaaten um die eigenen Einflusssphären, um Märkte und Ressourcen, macht die Anhäufung von Waffen und Kriegen unvermeidlich.

Denn solange es Atomwaffen gibt, stellen sie eine große Bedrohung für die Menschheit dar. Doch die Abschaffung von Atomwaffen erfordert eine weltweite Veränderung des Gesellschaftssystems: demokratische Wirtschaftsplanung statt Marktanarchie. Sozialistische Demokratie anstelle der räuberischen Herrschaft von Kapitalist*innen und Großgrundbesitzer*innen. Nur die demokratische Kontrolle der Gesellschaft durch die Arbeiter*innenklasse kann die Grundlage für eine echte internationale Zusammenarbeit und globale Planung bilden.

Eine neue Generation von Trident ist bei weitem nicht die „ultimative Versicherungspolice“, sondern wird dazu beitragen, die Welt zu einem viel unbeständigeren und gefährlicheren Ort zu machen. Die alarmierende Verbreitung von Atomwaffen macht einen sozialistischen Wandel noch dringlicher.


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