[eigene Übersetzung des englischen Artikels in Socialism Today, Nr. 196, März 2016]
Die Tory-Regierung drückt die Erneuerung der Trident durch – zu enormen Kosten. Hinter den vorgetäuschten Verteidigungsansprüchen geht es vor allem darum, den Schein Großbritanniens als „Großmacht“ aufrechtzuerhalten. Lynn Walsh berichtet über diese kolossale Verschwendung von Ressourcen.
Die Tory-Regierung beabsichtigt, das Trident-Atomraketensystem zu aktualisieren, worüber das Parlament noch in diesem Jahr abstimmen soll. Die Aufrüstung wird den Bau von vier neuen Atom-U-Booten umfassen, die jeweils acht Raketen mit 40 Sprengköpfen tragen sollen. Jede Rakete würde die 266-fache Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe haben, die 1945 80.000 Menschen tötete.
Dieser Vorschlag hat eine Schlacht in der Labour-Partei ausgelöst. Jeremy Corbyn, der mit fast 60% der Stimmen zum Parteichef gewählt wurde, unterstützt die einseitige nukleare Abrüstung und lehnt Trident ab. Die Mehrheit der Labour-Fraktion unterstützt die „unabhängige nukleare Abschreckung“ Großbritanniens und eine Aufrüstung von Trident. Der Schattenaußenminister Hilary Benn ist der führende Verfechter dieser Politik.
Die Kosten für die Aufrüstung von Trident werden phänomenal sein. Geld, das für Atomwaffen ausgegeben wird, kann nicht für die Verbesserung des Gesundheitsdienstes, des Bildungswesens oder anderer wichtiger öffentlicher Dienste verwendet werden. Für frühere Systeme, Polaris und die bestehende Trident, wurden bereits enorme Ausgaben getätigt. Es wird geschätzt, dass die Kosten für die vier neuen U-Boote 31 Milliarden £ über einen Zeitraum von fünf Jahren betragen werden, wobei weitere 10 Milliarden £ für „unvorhergesehene Ereignisse“ vorgesehen sind. Nahezu 4 Milliarden £ wurden bereits für die Entwurfsphase ausgegeben.
Jedoch sind die Projekte des Verteidigungsministeriums für ihre massiven Ausgabenüberschreitungen berüchtigt. Die Campaign for Nuclear Disarmament schätzt, dass sich die Ausgaben über einen Zeitraum von 40 Jahren auf 100 Milliarden £ belaufen werden. Der Tory-Abgeordnete Crispin Blunt, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Unterhauses und ehemaliger Armeeoffizier, der Trident ablehnt, schätzt die Kosten auf 167 Milliarden £ im Zeitraum 2028-60, „zu hoch, um rational oder vernünftig zu sein“. Im Falle einer schottischen Unabhängigkeit wäre die Regierung zudem gezwungen, die Trident-U-Boot-Basis vom Clyde nach Devonport im Südwesten Englands zu verlegen. Dies könnte weitere 4 Milliarden £ kosten.
In vielerlei Hinsicht ist die Debatte über Trident eine Farce. Das System ist bereits in Betrieb, die überwältigende Mehrheit der Tories unterstützt seine Erneuerung, und Premierminister David Cameron kann sich darauf verlassen, dass die meisten Labour-Abgeordneten seinen Vorschlag ebenfalls unterstützen werden. Im Jahr 2007 war Tony Blair in ähnlicher Weise zuversichtlich, dass er die Unterstützung einer Mehrheit der Tory- und Labour-Abgeordneten für die neuen Atomsprengköpfe hatte.
Ende letzten Jahres erklärte Hilary Benn offen, dass die Labour-Partei Trident unterstützen und die Maßnahme trotz Jeremy Corbyns Opposition durch das Parlament gehen würde. Benn behauptet, er sei für die Abschaffung aller Atomwaffen, aber in Erwartung multilateraler Verhandlungen über deren Reduzierung und schließlich Abschaffung befürworte er die Beibehaltung eines Atomwaffenarsenals und den Verbleib Großbritanniens in der NATO.
Angesichts dieser Herausforderung scheinen Corbyn und seine Anhänger*innen in der Labour-Fraktion eher den Rückzug anzutreten, als für ihre Position zu kämpfen. Corbyn hat es versäumt, Benn zu entlassen, als dieser eine britische Beteiligung an der Bombardierung Syriens befürwortete, in direktem Widerspruch zur Politik des Labour-Chefs. Als die Labour-Fraktion kürzlich über Trident debattierte, nahm Corbyn nicht teil, um seine Schattenverteidigungsministerin Emily Thornberry zu unterstützen. Berichten zufolge argumentierte sie, dass es „Alternativen“ zu Trident gebe und ging nicht so weit, Atomwaffen abzulehnen.
Jeremy Corbyn sieht sich auch dem Widerstand mehrerer führender Gewerkschafter*innen gegenüber. Len McCluskey, Generalsekretär der Gewerkschaft Unite, und Sir Paul Kenny, der scheidende Vorsitzende der GMB, zwei der größten Gewerkschaften mit großem Einfluss innerhalb der Labour-Partei, befürworten die Verlängerung von Trident sehr. Sie argumentieren, dass sie abzuschaffen Arbeitsplätze kosten würde, vor allem in der Werft in Barrow, die die U-Boote bauen würde, und in den Marinewerften mit Trident-Anlagen. Auch bei Rolls Royce, das die Reaktoren und Turbinen bauen wird, könnte es zu Arbeitsplatzverlusten kommen.
Unter dem Druck dieser Opposition unterbreitete Corbyn einen Alternativvorschlag: Die U-Boote sollten zwar gebaut werden, aber keine Atomwaffen tragen. Dies wäre eine sehr teure Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme. Außerdem erschiene es völlig absurd, so wie die Lieferung von Gewehren ohne Kugeln, was die Corbyn-Führung der Lächerlichkeit preisgäbe.
Die Verteidigung von Arbeitsplätzen im Schiffbau und in verwandten Industriezweigen erfordert die Entwicklung alternativer Produktionszweige für gesellschaftlich nützliche Projekte. Werften könnten für den Bau von Offshore-Windkraftanlagen, Gezeitenkraftwerken usw. genutzt werden. Andere Bereiche der Maschinenbauindustrie sollten in die Herstellung von Anlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energien einbezogen werden. Die Wissenschaftler*innen, Ingenieur*innen und Techniker*innen, die heute in der Atomwaffenindustrie beschäftigt sind, könnten in der Entwicklung neuer Energietechnologien eingesetzt werden. In den 1970er Jahren haben die Gewerkschaften bei Lucas Aerospace beispielsweise einen Plan für die Herstellung von medizinischen Geräten, Geräten für Menschen mit Behinderungen usw. ausgearbeitet. Es war ein Pionierprojekt, das nun von der Arbeiter*innenbewegung in viel größerem Maßstab weiterentwickelt werden sollte.
Macht und Einfluss
Die Befürworter*innen von Trident versuchen, die Gegner*innen als nicht bereit, Großbritannien zu verteidigen, zu stigmatisieren. Hilary Benn wiederholt die alten Argumente für die Befürwortung eines Atomwaffenarsenals. Nuklearwaffen, so behauptet er, haben „große Kriege verhindert“. Aber sie haben eine Reihe von „kleinen“ Stellvertreterkriegen nicht verhindert, weder während des Kalten Krieges noch danach. Die Atomwaffenarsenale haben es den Großmächten nicht ermöglicht, den schrecklichen bewaffneten Konflikt in Syrien zu lösen. Auch haben sie das nordkoreanische Regime nicht daran gehindert, Atomwaffen oder Langstreckenraketen zu entwickeln. Trident hat dem britischen Staat nicht geholfen, den im russischen Exil lebenden Alexander Litwinenko vor einem „Atomschlag“ zu schützen, als russische Agent*innen ihn in einem Londoner Hotel mit radioaktivem Polonium vergifteten.
In Wirklichkeit steht hinter den Argumenten zur Verteidigung von Atomwaffen die Entschlossenheit der britischen herrschenden Klasse, ihr Prestige, ihre Macht und ihren Einfluss auf der Weltbühne zu erhalten. Sie wollen unbedingt, dass Großbritannien „über seiner Gewichtsklasse boxt“. In seinen Memoiren gab Blair zu, dass sich die Vor- und Nachteile von Trident die Waage hielten. Aber er sah als den entscheidenden Faktor an, dass „der Verzicht darauf eine zu große Herabstufung unseres Status als Nation und in einer unsicheren Welt ein zu großes Risiko für unsere Verteidigung bedeutet hätte … aber die gegenteilige Entscheidung wäre nicht dumm gewesen“.
Noch entlarvender ist der Kommentar von Fergal Dalton, einem pensionierten Korvettenkapitän der Trident-Flotte: „Ich wusste 15 Jahre lang, dass es bei Trident darum ging, Großbritannien als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat zu halten, und die meisten der Männer, mit denen ich diente, wussten es auch. Wir hatten ein ausgeprägtes Gespür für ,wenn wir das vermasseln, wird das Vereinigte Königreich seinen Platz am Tisch der großen Jungs verlieren‘.“ (Ian Jack, Trident: The British Question [Trident: die britische Frage], „Guardian“, 11. Februar 2016)
Die Tory-Minister behaupten, dass Großbritanniens internationaler Status durch den Besitz einer „unabhängigen nuklearen Abschreckung“ aufgewertet werde. Doch die Unabhängigkeit ist eine Fiktion. Die neuen U-Boote werden in Barrow-in-Furness in Cumbria von BAe Systems (einem multinationalen Konzern) und Rolls Royce gebaut. Sie waren schon bisher von der technischen Unterstützung des US-Militärapparats abhängig. Die Trident-Raketen werden in den USA von Lockheed Martin in Kalifornien gebaut. Großbritannien wird bei der Wartung der Raketen von den USA abhängig sein. Die Sprengköpfe werden vom Atomic Weapons Establishment (AWE, früher AWRE) in Aldermaston und Burghfield in Berkshire gebaut und gewartet – AWE wird jedoch derzeit von einem Konsortium aus zwei US-Firmen und Serco geleitet. Die britische Regierung ist rechtlich Eigentümerin der Trident-Raketen und -Sprengköpfe. Doch die USA könnten beim Trident-System den Stecker ziehen, wenn sie wollten.
Veraltete Technologie
Das Trident-System wird auch in den nächsten Jahren wahrscheinlich technologisch veraltet sein. Als Emily Thornberry diesen Punkt in der Labour-Fraktions-Sitzung ansprach, wurde sie ausgepfiffen und als „im La-La-Land lebend“ beschimpft. Doch sie hat durchaus Recht. Die rasante Entwicklung von Unterwassersensoren und Unterwasserdrohnen könnte es durchaus ermöglichen, Atom-U-Boote tief im Ozean zu orten. Dies würde den ganzen Sinn der Trident-U-Boote zunichte machen, die unauffindbar sein sollen, um Angriffen zu entgehen und ihre Fähigkeit zu bewahren, einen Atomschlag in ihrem Heimatgebiet zu vergelten. Zweifellos wird intensiv daran geforscht, die „Tarnkappenrolle“ der U-Boote zu schützen.
Gewiss ist jedoch, dass die großen Mächte – die USA, Russland, China, Großbritannien und andere NATO-Staaten – intensive Anstrengungen unternehmen, um Technologien zur Ortung von U-Booten zu entwickeln. Solche Forschungen werden zum Beispiel im Zentrum für Maritime Forschung und Experimente in Norditalien durchgeführt. (Julian Borger, Trident is Old Technology [Trident ist alte Technologie], „Guardian“, 16. Januar) Zu der Zeit, wenn die neue Generation von U-Booten vom Stapel läuft, können neue Technologien sie Entdeckung und Angriff preisgeben.
Es werden auch riesige Anstrengungen unternommen, um Techniken zur Cyber-Kriegsführung zu entwickeln. Der russische Cyberangriff auf Estland im Jahr 2007, der das gesamte Land lahm legte, zeigt die potenzielle Macht dieser neuen Waffe, die auch gegen Atomwaffensysteme eingesetzt werden kann. Diese Entwicklungen werden das Trident-System wahrscheinlich zu einem gigantischen weißen Elefanten [Milliardengrab] machen.
Atomare Abrüstung?
Benn argumentiert, dass die Atommächte ihre Atomwaffenarsenale erheblich reduziert hätten und dass der Atomwaffensperrvertrag (NPT) die Verbreitung von Atomwaffen erfolgreich verhindert habe. Es stimmt, dass es eine riesige Reduzierung der Zahl der Sprengköpfe weltweit von einem Höchststand von 68.000 im Jahr 1985 gegeben hat. Es wird geschätzt, dass es heute noch 4.000 aktive Atomwaffen gibt, während noch 10.300 gelagert werden. Der Atomwaffensperrvertrag hat jedoch weder Nordkorea daran gehindert, Waffen zu entwickeln, noch Indien und Pakistan, ihre Atomwaffenarsenale aufzustocken.
Mit dem Anstieg internationaler Spannungen zwischen den großen Mächten und den Konflikten, insbesondere im Nahen Osten, beginnen die großen Atommächte nun mit dem Ausbau ihrer Arsenale. Neue Technologien ermöglichen es dem Militär, alte Waffen aufzurüsten, um sie zu Gefechtsfeldwaffen mit geringerer radioaktiver Strahlung und genaueren Lenksystemen zu machen: „…geringere Wirkung und bessere Zielgenauigkeit können den Einsatz der Waffen verlockender machen – sogar zum Ersteinsatz, anstatt zur Vergeltung“. (Broad und Sanger, US Shifts Focus to Smaller Nuclear Bombs [Die USA verschieben den Schwerpunkt auf kleinere Atombomben], NYT, 13. Januar)
Laut „Guardian“ kommentierte William Perry, US-Verteidigungsminister (1994-97), dass „die Möglichkeit eines nuklearen Schlagabtauschs, der durch einen militärischen Zwischenfall ausgelöst wird, der außer Kontrolle gerät… immer noch weit weg, aber nicht länger trivial ist“. (Julian Borger, Nuclear Weapons Risk Greater than in Cold War Says Ex-Pentagon Chief [Atomwaffenrisiko größer als im Kalten Krieg, sagt der Ex-Pentagon-Chef], 7. Januar)
US-Präsident Barack Obama behauptet, dass er für die Abschaffung aller Atomwaffen stehe. Dennoch unterstützt er jetzt ein Programm zur massiven Erweiterung des US-Arsenals. Das Pentagon plant, im nächsten Jahrzehnt 355 Milliarden Dollar (243 Mrd. £) für eine Reihe von Atomwaffen, Raketen und U-Booten, atomar bewaffnete Marschflugkörper und mehr auszugeben. Dies ist ein neues atomares Wettrüsten. Indem die Regierung Cameron, unterstützt von Benn und seinen Anhänger*innen, die Erneuerung von Trident befürwortet, wird sie die Rolle Großbritanniens als teures Anhängsel des militärisch-industriellen Komplexes der USA fortsetzen.
Jeremy Corbyn hat Recht, Trident anzulehnen. Atomwaffen hängen wie eine dunkle Wolke über der gesamten Menschheit. Die Abzweigung von Ressourcen für Rüstungszwecke statt für lebenswichtige Sozialausgaben ist grotesk. Aber (wie in unserem nachgedruckten Artikel von 2007 ausgeführt) muss man auch erkennen, dass der britische Militärapparat und sein Atomwaffenarsenal organisch mit der Verteidigung der Interessen und des Prestiges der herrschenden Klasse verbunden sind. Die Beseitigung von Atomwaffen erfordert eine grundlegende Änderung des Gesellschaftssystems in Großbritannien und international. Nur eine demokratische sozialistische Planung kann eine Grundlage für die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie schaffen, um die Bedürfnisse der Mehrheit der Gesellschaft zu befriedigen. Nur eine globale sozialistische Zusammenarbeit kann die Ursachen von Krieg und weit verbreiteten militärischen Konflikten beseitigen.
Zunächst einmal sollte Trident zusammen mit allen anderen Atomwaffen verschrottet werden. Die Arbeitsplätze der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie sollten gesichert werden, nicht durch die Fortsetzung der Rüstungsproduktion, sondern durch die Entwicklung alternativer Technologien. Die großen Rüstungshersteller sollten verstaatlicht werden, als Grundlage für einen Produktionsplan, um die britische Fertigungsindustrie im Interesse der Mehrheit auszubauen.
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