[eigene Übersetzung des englischen Textes, veröffentlicht in Militant Nr. 491, 22. Februar 1980, S. 11]
In diesem zweiten Teil eines zweiteiligen Artikels erklärt Lynn Walsh, warum „Militant“, das die russische Intervention verurteilt hat, jetzt nicht deren Rückzug fordert.
Obwohl der US-Imperialismus zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht direkt in Afghanistan intervenieren wird, verstärkt er bereits seine militärische Hilfe für das Regime von General Zia in Pakistan. Über Pakistan und sogar über die chinesische Führung werden die USA die rebellischen Aufständischen gegen das proletarisch-bonapartistische Regime in Kabul ermutigen und bewaffnen.
Was auch immer ihre unmittelbaren Motive sein mögen, ob stammesbezogen, nationalistisch oder religiös, ihr Erfolg gegen das Regime in Kabul würde unweigerlich einen Sieg der Reaktion bedeuten, mit der Wiederherstellung des Großgrundbesitzertums und des Kapitalismus in Afghanistan.
Jüngste Presseberichte – nachdem der Versuch, ein übertriebenes Bild von Massenaufständen zu zeichnen, weitgehend aufgegeben wurde – zeigen, dass viele der Rebell*innen kaum mehr als Bandit*innen sind, die hauptsächlich auf Beute aus sind. Auf jeden Fall hatten die früheren Regime in Kabul aufgrund der zerklüfteten Landschaft des Landes und des historischen Fehlens eines stark zentralisierten Staates nie die vollständige Kontrolle über das ganze Land.
Jedes Regime, das sich auf die Wiederherstellung privater Eigentumsverhältnisse stützt, wäre zwangsläufig ein Satellit des US-Imperialismus und könnte seine Herrschaft nur durch eine neue und noch repressivere Form totalitärer Diktatur aufrechterhalten.
Jede Vorstellung, der US-Imperialismus sei um die Rechte der Minderheiten-Nationalitäten Afghanistans oder das materielle Wohlergehen der Bäuer*innen und Stammesangehörigen des Landes besorgt, ist absurd. In der gesamten ex-kolonialen Welt haben die USA eine Reihe barbarischer Diktaturen unterstützt, die auf der Unterdrückung und Ausbeutung ihrer Völker basieren. Man braucht nicht weiter als bis zu Zia in Pakistan oder dem ehemaligen Regime des Schahs im Iran zu schauen.
In Pakistan bewaffnete die USA Zia in seinem Feldzug zur Unterdrückung der Bewegung der Belutschis, als diese in den letzten Jahren für nationale Autonomie kämpften.
Nachdem sich die russische Bürokratie zur Konsolidierung des Karmal-Regimes verpflichtet hat, hat sie offensichtlich nicht die Absicht, sich zurückzuziehen, und die vom Imperialismus verhängten Sanktionen, von denen einige nur Pseudosanktionen sind, werden sie nicht zum Rückzug zwingen.
Aber das Engagement der russischen Führung in Afghanistan wird nicht wie das katastrophale Engagement des US-Imperialismus in Vietnam sein, wie manche kapitalistischen Kommentator*innen zu argumentieren versuchen.
In Vietnam stützte sich die USA auf eine verrottete herrschende Klasse von Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen, die ihre Klassenherrschaft durch korrupte Marionetten-Diktaturen aufrechterhielten. Sie standen einer Massenbewegung der Opposition gegenüber, die auf den sozialen und nationalen Forderungen der Bäuer*innenschaft beruhte. Dies machte den Vietnamkrieg für Amerika ungewinnbar, und die Bewegung gegen den Krieg zu Hause zwang den Imperialismus zum Rückzug.
In Afghanistan verteidigt die russische Bürokratie zwar ein bonapartistisches Regime, das mit diktatorischen Methoden herrscht, aber sie verteidigt auch neue, grundlegend fortschrittliche soziale Verhältnisse.
Insbesondere die Landreformen, die Einführung der Wirtschaftsplanung und andere fortschrittliche Reformen werden immer mehr eine Massenbasis zur Unterstützung des Regimes schaffen.
Selbst jetzt verhalten sich die russischen Streitkräfte „niederschwellig“ und versuchen so weit wie möglich, über die afghanischen Streitkräfte zu arbeiten. Auf jeden Fall stammen die meisten russischen Truppen aus turkmenischen Völkern, die den Völkern Afghanistans nahe stehen.
Die sowjetische Bürokratie hat auch Druck auf die Karmal-Führung in Kabul ausgeübt, um einen Kompromiss mit Teilen der Mullahs zu erreichen, insbesondere indem sie ihre Opposition gegen religiöse Institutionen und Praktiken mäßigt und bei anderen Reformen, insbesondere der Bildung und Emanzipation von Frauen, langsamer und vorsichtiger vorgeht.
Wenn das proletarisch-bonapartistische Regime in Afghanistan gefestigt ist, was innerhalb einer überschaubaren Zeitspanne geschehen wird, wird die russische Führung wahrscheinlich ihre Truppen abziehen. Aber auf jeden Fall würden wir, wenn keine Gefahr durch konterrevolutionäre Kräfte bestünde, die das Regime und die durchgeführten sozialen Veränderungen bedrohen, den Abzug der sowjetischen Truppen fordern – so wie wir seit langem den Abzug der russischen Truppen aus Osteuropa fordern.
Marxist*innen können das neue Regime in Afghanistan jedoch nicht als „sozialistisch“ akzeptieren. Wegen der Isolation der sozialen Veränderungen in einem wirtschaftlich und kulturell rückständigen Land und der Tatsache, dass die bonapartistische Führung sich zwangsläufig das stalinistische Regime Russlands zum Vorbild genommen hat. Es ist eine groteske totalitäre Karikatur eines sozialistischen Staates.
Politische Revolution notwendig
Marxist*innen stehen für eine weitere ergänzende politische Revolution, um die bürokratische Kaste zu entfernen, die derzeit auf der Grundlage verstaatlichter Eigentumsverhältnisse herrscht, und um eine sozialistische Demokratie einzuführen, die auf der Kontrolle der Arbeiter*innen und Bäuer*innen durch sowjetähnliche Organisationen basiert.
Mit einer winzigen Arbeiter*innenklasse können die zukünftigen Entwicklungen in Afghanistan jedoch nicht isoliert von den Entwicklungen in Russland und Osteuropa betrachtet werden.
In Russland und den wirtschaftlich weiter entwickelten Gesellschaften Osteuropas hat die Bürokratie jede fortschrittliche Rolle, die sie in der Vergangenheit durch die Entwicklung der Planwirtschaft gespielt hat, überlebt.
Der Stalinismus ist in eine neue Krisenphase eingetreten. Neue Bewegungen der Arbeiter*innenklasse, wie 1956 in Ungarn und vor kürzerer Zeit [1970 und 1976] in Polen, als die Arbeiter*innen gegen die Militär- und Polizeiregime aufstanden und begannen, ihre eigenen demokratischen Formen der Kontrolle über Industrie und Staat zu etablieren, stehen auf der politischen Tagesordnung.
Es ist klar, dass eine politische Revolution in Russland und Osteuropa, bei der die inzwischen hoch entwickelte Arbeiter*innenklasse die Kontrolle über die Wirtschaft und den Staat in ihre eigenen Hände nimmt, Ländern wie Afghanistan eine völlig andere, wirklich sozialistische Entwicklungsperspektive eröffnen würde.
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