[eigene Übersetzung aus: Militant International Review, Nr. 40 (Sommer 1989), S. 3-8]
Die jüngsten Verhandlungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten, einschließlich des Reagan-Gorbatschow-Gipfels, sollen den Weltfrieden bringen. Sie nährten die Illusion, dass Frieden durch „guten Willen“ und den aufrichtigen Wunsch, eine Einigung zu erzielen, erreicht werden könne. Aber dies ist grundlegend falsch. Der Boom in den kapitalistischen Ländern in den letzten acht Jahren, gepaart mit den Widersprüchen innerhalb des Imperialismus und der Krise in den stalinistischen Staaten, haben zu einem vorübergehenden Wunsch der Supermächte geführt, eine Einigung zu erzielen. Aber die zugrunde liegende Realität sind zwei grundlegend gegensätzliche Gesellschaftssysteme, die die Existenz des anderen nicht auf Dauer dulden können. Ihr grundlegender Antagonismus kann nur vorübergehend „aufgeweicht“ werden.
Im Westen sind die Produktivkräfte, d.h. die Mittel zur Erzeugung von Reichtum, über die Grenzen des Privateigentums und der Nationalstaaten hinausgewachsen. Im Osten gibt es eine Krise der bürokratischen Kontrolle und Planung in den Ländern des proletarischen Bonapartismus. Hinzu kommt die verschärfte Krise der imperialistischen Ausbeutung der verarmten Länder der Dritten Welt. Krieg und Armut sind eine unvermeidliche Begleiterscheinung der Widersprüche des Kapitalismus.
Die Rüstungsausgaben belaufen sich alle zwei Jahre auf 1.000 Milliarden Dollar. Wenn diese Ausgaben für produktive Zwecke verwendet würden, könnten damit zweifellos alle wirtschaftlichen und sozialen Probleme der schrecklich verarmten unterentwickelten Länder, der kapitalistischen Länder und der Sowjetunion selbst gelöst werden. Aber die Vorstellung, dass dies durch „guten Willen“ erreicht werden könnte, bedeutet zu den Ideen der utopischen Sozialist*innen zurückzukehren, die glaubten, dass Kapitalist*innen durch Appelle an ihren „guten Willen“ davon überzeugt werden könnten, den Sozialismus anzunehmen.
Die Rüstungsausgaben sind eine erdrückende Belastung für die Volkswirtschaften des Westens sowie der Sowjetunion und ihrer Satelliten. Dennoch sind die imperialistischen Mächte nicht bereit, die Rüstungsproduktion durch ein Abkommen mit der Sowjetunion zu stark zu reduzieren. Eine massive Kürzung würde sich auf den militärisch-industriellen Komplex in den NATO-Ländern auswirken. Sie würde einen lebenswichtigen Markt für diese kapitalistischen Unternehmen verkleinern, die für die Produktion von Metallschrott bezahlt werden, indem sie neue Waffen entwickeln, während die alten veraltet sind. Jede wesentliche Kürzung würde die sich entwickelnde Wirtschaftskrise ernsthaft verschärfen.
Andererseits ist es der einzigen Macht, die eine geringe Rüstungslast hat, Japan, gelungen, innerhalb von 40 Jahren zur zweitgrößten imperialistischen Macht der Welt zu werden. Japan gibt nur 1,6 Prozent seines BSP für Waffen aus, während andere imperialistische Mächte fünf, sechs oder sieben Prozent ausgeben. Japan hat seine Überlegenheit auf dem Gebiet der Autos, Computer usw. unter Beweis gestellt, weil die japanischen Kapitalist*innen in der Lage waren, den Überschuss, der sonst in die Rüstung geflossen wäre, in die produktiven Sektoren der Wirtschaft zu stecken.
Japan wird seine niedrigen Rüstungsausgaben nicht ewig beibehalten. Um seine Märkte in jeder Rezession zu erhalten und seine politischen „Muskeln“ in der Weltarena zu stärken, wird Japan unweigerlich versuchen, durch den Aufbau einer Militärmaschinerie in der Luft, zur See und zu Lande sowohl eine militärische als auch eine wirtschaftliche Vorherrschaft zu erlangen. Schon jetzt ist der Anteil des BSP, den Japan für Waffen ausgibt, in absoluten Zahlen größer (30 Milliarden Dollar) als die sechs Prozent des BSP, die Großbritannien ausgibt.
Diese Widersprüche haben die imperialistischen Mächte dazu gezwungen, einen „Kompromiss“versuch zu machen. Alle imperialistischen Mächte spüren die Last der Rüstung und würden die Rüstungsausgaben gerne, wenn nicht drastisch, so doch zumindest in irgendeiner Weise reduzieren. In der Sowjetunion, insbesondere während der Breschnew-Ära, wurde Produktion in die Rüstung gesteckt, bis zu 15 Prozent des BSP, was das Wachstum bremste. Diese Politik steht im Kontrast zu den relativ geringen Rüstungsausgaben des Sowjetstaates unter Lenin und Trotzki, die sich zur Verteidigung ihrer Grenzen auf eine Politik des sozialistischen Internationalismus und die Unterstützung der internationalen Arbeiter*innenklasse stützten. In der Erkenntnis, dass die Entwicklung der Produktivkräfte der Schlüssel zur Stabilität einer jeden Gesellschaft ist, will Gorbatschow die Rüstungsausgaben reduzieren, um mehr Konsumgüter zu produzieren, die den Lebensstandard des zunehmend unruhigen sowjetischen Volkes erhöhen. Deshalb ist Gorbatschow bereit, in Verhandlungen mit dem Imperialismus mehr zu geben, als ihm im Gegenzug angeboten wird.
Ein weiterer Grund für die vorübergehende Entspannung zwischen dem Imperialismus und den stalinistischen Bürokratien sind die gefährlichen sozialen Folgen der fortgesetzten Superausbeutung der neokolonialen Länder, die räuberischer und parasitärer ist als je zuvor in der Geschichte. Die Schulden der kolonialen Länder beim Imperialismus haben 1300 Milliarden Dollar erreicht. Steigende Zinssätze und die wachsende Kluft zwischen den relativ niedrigen Preisen für Rohstoffe und Lebensmittel, der vorherrschenden Produktionsform in den unterentwickelten Volkswirtschaften, und den relativ hohen Preisen für Kapitalgüter und Industrieprodukte, die in den Metropolen produziert werden, haben die Arbeit der Massen der Dritten Welt ausgebeutet.
Diese unbarmherzige Ausbeutung der Kolonialvölker hat sie in eine Armut gestürzt, die größer ist als je zuvor in den letzten 50 Jahren. Dies ist eine Formel für Explosionen und Revolutionen: Guerillakriege auf den Philippinen, in Peru und El Salvador, soziale Umwälzungen in Haiti, Venezuela, Algerien, Tunesien, Ägypten und jetzt Jordanien.
Das ist während des Booms der 1980er Jahre geschehen. Was wird bei der unvermeidlichen Entwicklung von schweren Wirtschaftskrisen in der kommenden Zeit oder sogar im Laufe der nächsten paar Jahre geschehen?
Dass die Lage für die imperialistischen Mächte nicht schon völlig unbeherrschbar geworden ist, liegt an der Rolle der stalinistischen Bürokratien. Sie haben als konterrevolutionäre Kraft gewirkt, sowohl gegen die soziale Revolution im Westen als auch gegen die nationalen und kolonialen Befreiungskriege in der Dritten Welt.
Um sich mit dem Westen zu arrangieren, sind sie bereit, die Kolonialvölker zu verraten. Die Mai-Ereignisse in Frankreich 1968 haben gezeigt, dass die sowjetische Bürokratie eine sozialistische Revolution in den Industrieländern grundsätzlich ablehnt, weil dies ihren Einfluss auf die Gesellschaft in der Sowjetunion beeinträchtigen würde.
Es gab eine völlige Degeneration der stalinistischen Parteien im Westen und in den ehemaligen Kolonialgebieten. Sie setzen sich nicht einmal mehr offen für die Revolution und die Umgestaltung der Gesellschaft in den westlichen Ländern ein. Sie sind auch nicht für die Entwicklung der sozialistischen Revolution, sei es durch eine Arbeiter*innendemokratie oder auch nur in deformierter Form durch einen Guerillakrieg in den ehemaligen Kolonialländern. So unterstützte die philippinische „kommunistische“ Partei Marcos und denunzierte die NPA-Guerillas.
In einem verzweifelten Versuch, eine Einigung mit den kapitalistischen Mächten zu erzielen, hat die sowjetische Führung offen auf die Strategie der Revolution verzichtet und die Bedeutung des Klassenkampfes geleugnet. Dies widerspricht allem, wofür Marx, Engels und Lenin jemals gestanden haben – Ideen, die die eigentliche Grundlage des Sowjetstaates waren.
So schrieb beispielsweise der DDR-Führer Honecker ohne mit der Wimper zu zucken im „Morning Star“ , dass:
„menschliche Wesen Menschen aus verschiedenen, selbst gegensätzlichen Gesellschaftsschichten umfassen. Sie reichen von der Arbeiterklasse bis zu den Kreisen des Monopolkapitals selbst. Wir sind weit davon entfernt, die internationalen Beziehungen auf ein Stereotyp des Klassenkampfes zu reduzieren.“
In ähnlicher Weise stellte der „Morning Star“ anlässlich des Besuchs Gorbatschows in Großbritannien (5. April) mit Freude fest, dass:
„das neue Denken legt nahe, dass es universelle menschliche Werte gibt – Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit; Werte, die uns allen gemeinsam sind, unabhängig von unserer Nationalität, Religion, Ideologie oder Klasse; Werte, die über all diese Unterschiede hinausgehen.“
Dies ist absoluter Utopismus schlimmsten Charakters. Es geht ein Jahrhundert zurück auf die utopischen Sozialist*innen, die sich einbildeten, sie könnten die Kapitalisten beschwichtigen und sie mit einer Bewegung in Richtung Sozialismus versöhnen.
Gorbatschow behauptet, mit Stalin gebrochen zu haben, dem er alle Verbrechen der Bürokratie in der Vergangenheit anlastet. Er hat jedoch die grundlegenden Ideen vom Stalinismus übernommen, von einer Gesellschaft in der Sowjetunion, die zwischen der Bürokratie auf der einen und der Arbeiter*innenklasse auf der anderen Seite gespalten ist. Er akzeptiert Stalins Unsinn, dass die „friedliche Koexistenz“ zwischen den kapitalistischen Staaten und der Sowjetunion, einem deformierten Arbeiterstaat, auf unbestimmte Zeit fortbestehen könne.
Die friedliche Koexistenz verschiedener Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme war Stalins, nicht Lenins Idee. „Wir leben nicht nur in einem Staat, sondern in einem System von Staaten„, sagte Lenin auf dem 8. Parteitag im März 1919, „und die Existenz der Sowjetrepublik neben den imperialistischen Staaten ist auf die Dauer undenkbar. Am Ende wird entweder das eine oder das andere siegen.“ (Lenin, „Bericht des Zentralkomitees“, 18. März 1919, in Werke, Bd. 29, S. 131-150, hier S. 138)
Wiederum nur ein Jahr später, nach der Niederlage der ausländischen Interventionsarmeen in der Sowjetunion, sagte Lenin:
„dass wir jetzt vom Krieg zum Frieden übergegangen seien; wir hätten jedoch nicht vergessen, dass der Krieg wiederkehren wird. Solange es den Kapitalismus neben dem Sozialismus gibt, können sie nicht in Frieden leben. Der eine oder der andere wird zuletzt siegen. Entweder wird man die Sowjetrepublik oder den Weltkapitalismus zu Grabe tragen. Das hier ist ein Aufschub des Krieges.“ (Lenin, „Rede in der Aktivversammlung der Moskauer Organisation der KPR(B)“, 6. Dezember 1920, in Werke, Bd. 31, S. 434-454, hier S. 452)
Zwei Jahre später fasste Lenin die Beziehungen zwischen dem neuen Sowjetstaat und den Imperialist*innen zusammen:
„Es entstand ein zwar äußerst unsicheres, äußerst labiles Gleichgewicht, aber immerhin ein Gleichgewicht, das der Sozialistischen Republik, natürlich nicht für lange Zeit, die Möglichkeit gibt, in der kapitalistischen Umwelt fortzubestehen.“ (Lenin, „Thesen zum Referat auf dem III. Kongress der Kommunistischen Internationale über die Taktik der KPR, 22. Juni bis 12. Juli 1921, in: Gesammelte Werke, Bd. 32, S. 475-484 hier S. 476)
Und Lenins Vorhersage erwies sich als richtig, als die „friedliche Koexistenz“ in der Explosion des imperialistischen Zweiten Weltkriegs endete.
Die Idee der friedlichen Koexistenz, die von Lenin zurückgewiesen wurde, ist von Gorbatschow übernommen worden. Er gibt vor, dass diese Idee von Lenin und nicht von Stalin stamme. Obwohl Gorbatschow sich gegen Stalin und alle seine Verbrechen verwahrt hat, hält er an den grundlegenden Ideen Stalins fest, auf denen die Bürokratie beruht.
Es stimmt, dass für relativ kurze Zeiträume eine friedliche Koexistenz aufrechterhalten werden kann. Aber die Widersprüche zwischen zwei gegensätzlichen Gesellschaftssystemen müssen unweigerlich zu unüberbrückbaren Gegensätzen führen.
Gleichzeitig wurde Lenins Idee der internationalen Revolution von Stalin zur „Theorie“ des „Sozialismus in einem einzigen Land“ verzerrt. Wie Trotzki erklärte:
„Der Internationalismus ist kein abstraktes Prinzip, sondern Ausdruck einer ökonomischen Tatsache. Wie der Liberalismus national war, so ist der Sozialismus international. Ausgehend von der internationalen Arbeitsteilung, hat der Sozialismus zur Aufgabe, den internationalen Austausch von Gütern und Leistungen zur höchsten Blüte zu bringen.“ (Trotzki, „Sozialismus in einem Lande?“, in Die Geschichte der Russischen Revolution, Bd. 3, Anhang 2)
Die nationalistische Idee des Sozialismus in einem Land spiegelte die Interessen der russischen Bürokratie wider und wird von Gorbatschow immer noch akzeptiert. Doch der Bankrott des „Sozialismus in einem Land“ hat sich in der heutigen Krise Russlands gezeigt, die Gorbatschow selbst zugegeben hat.
Die einst mächtige Kommunistische Internationale gibt es nicht mehr. Gorbatschow hat sogar vorgeschlagen (Soviet News, 8. Mai), dass es gemeinsame Aktivitäten der sowjetischen „kommunistischen“ Partei und der westdeutschen Sozialdemokrat*innen geben solle, um den Jahrestag der Zweiten Internationale zu feiern! Offenbar gibt es keine Unterschiede mehr zwischen der sowjetischen Bürokratie und den westlichen reformistischen Parteien.
Die Parteien, die behaupten, „kommunistisch“ zu sein, sind heute degenerierte nationalistische Organisationen. In diesem Sinne sind sie reformistische Parteien eines anderen Charakters als die reformistischen Parteien der Sozialistischen Internationale. Sie sind das, was Lenin sozialpatriotische Parteien nannte. Ihre Führungen sind völlig degeneriert und haben nicht die Absicht, sich in Richtung der sozialistischen Revolution zu bewegen – auch wenn die Parteibasis eine ganz andere Einstellung haben mag.
All dies hatte eine Auswirkung auf die internationalen Beziehungen. Die Imperialist*innen haben keine Angst mehr vor der Möglichkeit einer Revolution im Westen, zumindest nicht vor einer, die von den kommunistischen Parteien angeführt wird. Sie erkennen, dass selbst in den Kolonialländern die kommunistischen Parteien nicht für den Sturz des Imperialismus und Kapitalismus sind.
Gorbatschow ist verzweifelt bemüht, eine Art Abkommen mit dem Weltimperialismus zu erreichen. Daher ist die sowjetische Bürokratie bereit, viele der regionalen Konflikte zwischen den Supermächten auf Kosten der Kämpfenden zu beenden.
Der jüngste Beweis dafür ist der Versuch, einen Kompromiss zu finden, um Namibia die „Unabhängigkeit“ zu bringen und die Frage Südafrikas durch die Diplomatie eines Abkommens zwischen der weißen herrschenden Klasse in Südafrika und der schwarzen Mehrheit zu lösen. Dies ist völlig utopisch und unmöglich. Die Kreml-Bürokratie versucht nun, den ANC vom „bewaffneten Kampf“ abzuhalten, der in Wirklichkeit ein vergeblicher Guerillakampf ist, den sie in der Vergangenheit unterstützt hat. Aber sie setzt nicht die Politik der Bewaffnung der schwarzen Massen an seine Stelle, sondern plädiert stattdessen für eine faktische Kapitulation vor dem Botha-De-Kerk-Regime.
In Namibia wurden die Südafrikaner*innen zu Verhandlungen gezwungen, nachdem sie in Cuitocunaval eine militärische Niederlage gegen kubanische und angolanische Truppen erlitten hatten. Die sowjetische Bürokratie und die Kubaner*innen schlossen mit dem US-Imperialismus und dem südafrikanischen Regime ein Abkommen über die Köpfe der SWAPO, der nationalistischen Kraft in Namibia, hinweg. Namibia sollte die „Unabhängigkeit“ gewährt werden und Südafrika würde seine direkten Angriffe auf die Region einstellen. In Wirklichkeit wird Namibia weiterhin den südafrikanischen Interessen unterworfen sein. Südafrika wird weiterhin den größten Teil der namibischen Industrie und den wichtigsten Hafen in der Walfischbucht kontrollieren. Dieses Abkommen ist jedoch in sich instabil, da es, wie klar werden wird, in Wirklichkeit nicht den Bestrebungen des namibischen Volkes nach Unabhängigkeit von der südafrikanischen Kontrolle und wirtschaftlichen Vorherrschaft genügen wird.
In Afghanistan zog sich die sowjetische Bürokratie, um ein Abkommen mit dem Imperialismus zu erreichen, aus dem Land zurück als Gegenleistung für die Verpflichtung, dass Pakistan die Mudschaheddin nicht mehr beliefern würde. Doch kaum war das Abkommen in Genf unterzeichnet, brachen der pakistanische ISI und die Generäle der Armee das Abkommen, indem sie die Lieferung von „Beratern“ und Waffen an die Mudschaheddin-Guerilla verstärkten, um einen Angriff auf die afghanischen Städte zu starten. Doch entgegen allen Prahlereien der Guerillas und den Voraussagen der westlichen Regierungen hat das Nadschibullah-Regime überlebt. Die sowjetische Bürokratie hat bisher die Versorgung der Städte mit Militär und Lebensmitteln aufrechterhalten. Die von den Mullahs geführten Guerilla-Armeen sind eigentlich nur Räuber und Banditen. Es ist ihnen nicht gelungen, auch nur eine Stadt einzunehmen, und sie haben sich festgefahren. Sie sind entlang regionaler, ethnischer und religiöser Grenzen gespalten, und ihre Guerillatraditionen haben sich bei den Frontangriffen auf Dschalalabad, zu denen sie von der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst gedrängt wurden, als verhängnisvoll erwiesen.
In Nicaragua hat die sowjetische Bürokratie massiven Druck auf die sandinistische Regierung ausgeübt, sich um ein Abkommen mit dem US-Imperialismus zu bemühen, indem sie ihr Enteignungsprogramm aufgab und bis zu 60 Prozent Privatbesitz in der Industrie und in Teilen des Landes zuließ. Obwohl die Contras nachweislich keinen Rückhalt in der Bevölkerung haben, hat die sandinistische Regierung unter dem Druck des US-Imperialismus viele ihrer Forderungen zugestanden. Doch diese Zugeständnisse werden den US-Imperialismus nicht zufriedenstellen, denn selbst die nun entstellte Form, die die Revolution in Nicaragua angenommen hat, kann immer noch als Leuchtturm für die verarmten Massen anderer zentralamerikanischer Staaten dienen. Das langfristige Ziel der US-Regierung, die Sandinistas zu stürzen, bleibt also bestehen. Wenn es nicht gelingt, die sozialen Probleme des nicaraguanischen Volkes zu lösen, besteht die Möglichkeit eines internen rechten Putsches, oder die Sandinistas könnten gezwungen sein, weiter zu gehen, als sie es beabsichtigen, und den Großgrundbesitz und den Kapitalismus zu enteignen.
In Kambodscha hat die sowjetische Bürokratie in dem Versuch, die chinesische Bürokratie und nicht den Imperialismus zu besänftigen, Druck auf das von Vietnam unterstützte Regime ausgeübt, sich mit den pro-kapitalistischen Guerilla-Armeen und den Roten-Khmer-Kräften des ehemaligen Pol-Pot-Regimes zu arrangieren. Die kambodschanischen Massen würden eine Rückkehr von Pol Pot, der Millionen von Menschen massakrierte, niemals dulden, und es gibt keine wirkliche populäre oder militärische Basis für die pro-kapitalistischen Kräfte. Selbst wenn es dem Imperialismus, China und der Sowjetunion gelingen sollte, eine Koalitionsregierung durchzusetzen, würde die derzeitige pro-vietnamesische Gruppe weiterhin die dominierende Kraft sein.
Jede Analyse dieser regionalen Konflikte zeigt, dass trotz der enormen Zugeständnisse, die der Imperialismus anstrebt und denen die Sowjetbürokratie zustimmt, die sozialen Ursachen, die diesen Konflikten zugrunde liegen, nicht weggewischt werden können. Die Abkommen stehen also auf schwachen Grundlagen und können nur vorübergehend sein.
Der Kapitalismus hat seine Probleme nicht gelöst, und auch der Stalinismus hat die Probleme in der Sowjetunion nicht gelöst. Tatsächlich spricht Gorbatschow jetzt von „Reformen“, die sich über Jahrzehnte erstrecken. Lange vorher werden sich die Gegensätze zwischen dem Westen und Russland verschärfen, und in der Dritten Welt wird es zu sozialen Explosionen kommen, sowohl in den Gebieten, in denen man sich vorübergehend arrangiert hat, als auch in neuen Gebieten.
Die Verschrottung einiger weniger Atomwaffen, während 96 Prozent der Bestände erhalten bleiben, ist ein Hinweis auf die unerbittliche Entschlossenheit des US-Imperialismus und der anderen imperialistischen Mächte, Atomwaffen in Reserve zu halten. Unter den Bedingungen von kapitalistischer Krise, wenn im Westen Militär- und Polizeidiktaturen errichtet werden könnten, bestünde zweifellos die Möglichkeit eines weltweiten Atomkrieges, der die Vernichtung der Menschheit und allen Lebens auf dem Planeten bedeuten würde.
In der Vergangenheit sprachen Marx, Engels, Lenin und Trotzki von entweder der Errichtung des Sozialismus in der ganzen Welt oder von der unausweichlichen Entwicklung der Barbarei. In der gegenwärtigen Epoche können wir sagen, dass die Alternative sogar noch krasser ist: entweder die Errichtung der demokratischen sozialistischen Herrschaft der Arbeiter*innenklasse oder die Möglichkeit der Auslöschung allen Lebens auf dem Planeten. Das ist die Entscheidung für die Zukunft.
All das zuckersüße Gerede der kommunistischen Parteien der Welt, der so genannten demokratischen Parteien und der reformistischen Parteien der Arbeiter*innenklasse über die Erzielung eines Abkommens durch die so genannten Vereinten Nationen ist eine Illusion. Alle Vereinbarungen unterliegen dem Veto der im UN-Sicherheitsrat vertretenen imperialistischen Großmächte und der chinesischen und sowjetischen Bürokratie. Sie alle verfügen über Atomwaffen. Die westlichen Mächte haben nicht die Absicht, ihre riesigen Atomwaffenarsenale abzuschaffen. Sie wollen lediglich ihre nuklearen und konventionellen Waffen verringern.
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nur 15 Tage Frieden gegeben. In der kolonialen Welt finden ständig Kriege statt. Darin spiegelt sich das Gerangel um die Position der Supermächte wider. Die Weltgeschichte seit 1914 ist die Geschichte von Versuchen, zu Vereinbarungen und Kompromissen zu gelangen, die in weiteren Explosionen enden. Die vorübergehende Einigung zwischen den so genannten demokratischen Mächten und der Sowjetunion während des Krieges gegen Hitler hatte nach dem Zusammenbruch des Naziregimes und Japans nicht lange Bestand.
Gegen Ende des Krieges gab es eine Vereinbarung zwischen den alliierten Mächten, dass die Sowjetunion in den Krieg gegen Japan eintreten sollte. Aber die imperialistischen Mächte änderten diese Politik. Die Japaner*innen waren bereit zu kapitulieren, aber Präsident Truman ordnete dennoch den Abwurf von zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki an. Die Bomben waren eine Warnung an die Sowjetunion, was mit ihr geschehen könnte, wenn sie nicht täte, was der US-Imperialismus wollte. Stalin erkannte jedoch, dass die Truppen des Imperialismus kriegsmüde waren und verlangten, nach Hause geschickt zu werden, sobald der Krieg vorbei war. Die russischen Truppen rückten in die Mandschurei ein und besiegten die japanische Armee. Die Bomben erfüllten also ihren Zweck nicht.
Sehr schnell traten die internationalen Beziehungen in die Periode des „Kalten Krieges“ ein. Dies wiederum führte zu einem Wettrüsten, das selbst das massive Aufrüstungsprogramm Hitlers zwischen 1933 und 1939 zwergenhaft erscheinen lässt. Aber das Wettrüsten hat sich selbst aufgehoben. Der Versuch der einen Supermacht, sich in dem einen oder anderen Bereich einen Vorteil zu verschaffen, wurde von der anderen sofort konterkariert. Auf den Kalten Krieg folgte eine Periode relativer „Entspannung“, die jedoch sehr wackelig ist und nur den Weg für ein neues und noch größeres Wettrüsten bereiten kann.
Der Rüstungswettlauf hatte für den Westen und die Sowjetunion auch den Zweck, die Masse der Bevölkerung davon abzulenken, einen Feind außerhalb der Grenzen des eigenen Landes zu suchen. So versuchte der amerikanische Imperialismus, die ganze Schuld für die Explosionen in der Dritten Welt der Sowjetunion und der sowjetischen Bürokratie in die Schuhe zu schieben. Die sowjetische Bürokratie wiederum stellte sich (mit mehr Berechtigung) als belagerte Festung dar, die vom Imperialismus bedroht wird.
Der Imperialismus war nicht in der Lage, einen Krieg gegen die Sowjetunion zu führen, weil diese eine überwältigende Überlegenheit an konventionellen Waffen aufgebaut hat und eine strategische Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent besitzt, während ein Atomkrieg gegenseitigen Selbstmord bedeuten würde. Die Macht der Arbeiter*innenklasse, die in der bürgerlichen Demokratie, den Gewerkschaftsrechten und den Rechten der politischen Parteien verankert ist, wirkt als Abschreckung für die herrschende Klasse des Westens davor, einen Angriff auf die Sowjetunion zu starten. Wenn es jedoch nicht zu einer sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft kommt, werden die herrschenden Klassen irgendwann versuchen, die Organisationen der Arbeiter*innenklasse zu zerschlagen. Sollte ihnen dies durch eine Art militärisch-polizeiliche Diktatur gelingen, so würde dies die Möglichkeit eröffnen, dass ein verrückter General einen „Erstschlag“ gegen die Sowjetunion führt, der zu einem Weltkrieg führen würde.
Andererseits können die Sowjets ihre konventionelle Waffenüberlegenheit nicht nutzen, teils weil jeder konventionelle Krieg in Europa unweigerlich zum Einsatz von Atomwaffen führen würde. Am wichtigsten ist jedoch, dass die sowjetische Bürokratie nicht einmarschiert ist, weil die Rote Armee die Massen in Westeuropa nicht niederhalten könnte. Wenn die Bürokratie nicht in der Lage ist, die polnischen Massen zu bändigen, kann sie kaum die europäische Arbeiter*innenklasse unterdrücken.
Es gibt noch einen weiteren grundlegenden Antagonismus, der die Weltbeziehungen untergräbt: die Spaltungen zwischen den imperialistischen Mächten selbst. Früher oder später werden die Rivalitäten zwischen Japan und den USA, zwischen der EG und den USA und zwischen der EG und Japan an die Oberfläche kommen. Diese Rivalitäten zeigen sich bereits im Keim in den Auseinandersetzungen um Zölle und Beschränkungen für die gegenseitigen Exporte.
Der US-Imperialismus hat seine militärische Macht nicht nur deshalb aufgebaut, um Waffen anzuhäufen oder einen Markt für seinen militärisch-industriellen Komplex zu erhalten. Er brauchte militärische Macht, um die koloniale Welt für den Imperialismus zu beherrschen. Doch seit 1945 haben sich alle alten Kolonialmächte in Kolonialkriegen die Finger verbrannt – in Vietnam, Algerien, Mittelamerika und Indonesien. Sie waren gezwungen, die direkte Kontrolle aufzugeben, um im Gegenzug eine kollektive wirtschaftliche Vorherrschaft mit Hilfe der Waffengewalt der USA zu erlangen.
Aber der Imperialismus ist kein homogenes Ganzes. Es gibt Unterschiede zwischen den nationalen kapitalistischen Staaten, sogar bei den Waffen. Der US-amerikanische und der britische Imperialismus wollen die nuklearen Kurzstreckenwaffen modernisieren, was auch immer Gorbatschow zuzulassen bereit ist. Westdeutschland lehnt dies jedoch ab. Während der Markt der Sowjetunion derzeit nur 2-3 Prozent der westdeutschen Exporte ausmacht, wollen die Deutschen die Handelsbeziehungen mit den Bürokratien Osteuropas als wichtigen Zukunftsmarkt ausbauen. Jede neue Eskalation im Wettrüsten würde dies gefährden.
Die wichtigste Überlegung für Kohl und die westdeutsche Regierung ist jedoch, dass in den Augen der westdeutschen Bevölkerung die atomaren Kurzstreckenwaffen ihr Land zum Schauplatz eines jeden Krieges machen. Der Gedanke an einen taktischen Atomkrieg, der die Wirtschaft zerstören und die westdeutsche Bevölkerung auslöschen würde, ohne andere NATO-Länder oder den Warschauer Pakt direkt zu treffen, stößt auf massive Opposition. Kohl hat also nicht die Absicht, für seine lieben Verbündeten die Kastanien aus dem Feuer zu holen, wenn es ihn die Wahl kosten könnte.
Thatcher und Bush wollen diese Modernisierung noch vor den Wahlen im nächsten Jahr in Westdeutschland durchsetzen, nach denen jede gewählte sozialdemokratische Regierung unter großem Druck stünde, diese nukleare Eskalation zu beenden. Kohl sträubt sich vor den Wahlen gegen eine Modernisierung, obwohl es möglich ist, dass er oder ein neuer CDU-Führer, wenn die Christdemokraten wieder an die Macht kommen, einem Kompromiss mit Bush und Thatcher zustimmen würden, sobald die Wahlen sicher aus dem Weg sind.
Allein diese Spaltung der NATO zeigt die Spannungen innerhalb des Imperialismus, die stabile Weltbeziehungen bedrohen. Die wachsenden Gegensätze werden zu neuen Erschütterungen und neuen Revolutionen führen, nicht nur in den Kolonialländern, sondern auch im Westen.
Der kapitalistische Westen und die bürokratischen Arbeiterstaaten des Ostens befinden sich in einer wachsenden Krise. Sie werden sich in Zukunft unweigerlich gegenseitig an die Gurgel gehen. Die gesamte Geschichte des Kapitalismus in den letzten 200 Jahren hat gezeigt, dass alle getroffenen Vereinbarungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben wurden. Sobald sich die Beziehungen zwischen den Mächten ändern, werden die alten Vereinbarungen zum alten Eisen geworfen – wie Hitler zeigte, als er systematisch die Bedingungen des Versailler Vertrags brach, der Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg auferlegt wurde und angeblich die Garantie für einen ewigen Frieden war.
Die Dialektik der Geschichte hat die gegenseitige Abhängigkeit aller Nationen in den letzten vier Jahrzehnten ins Unermessliche gesteigert. Die Weltwirtschaft ist zu einem einzigen, voneinander abhängigen Ganzen zusammengewachsen. Dennoch behindert die stalinistische Bürokratie die Entwicklung der Produktivkräfte im Osten, und die imperialistischen Mächte halten den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt im Westen zurück.
In der nächsten Epoche wird es keine kontinuierliche und dauerhafte Zusammenarbeit zwischen den Westmächten und den stalinistischen Staaten geben. Im Gegenteil, es wird eine Epoche wachsender Gegensätze sein, insbesondere mit dem Ende des gegenwärtigen Wirtschaftsbooms, der bisher acht Jahre angedauert hat. Es wird unweigerlich zu Handelskriegen zwischen den Nationen kommen, aber auch zu Kämpfen zwischen den Klassen innerhalb der Nationen.
Diese Konflikte innerhalb des Imperialismus werden sich ihrerseits in den Ländern des proletarischen Bonapartismus auswirken. Dies wiederum wird zu neuen gegenseitigen Beschuldigungen und zu neuen Kriegsvorbereitungen zwischen den Mächten führen.
Das Schicksal der Welt wird nicht durch Vereinbarungen zwischen den Mächten, sondern durch den Kampf der Klassen entschieden werden. Die zuckersüßen Illusionen in die Entspannung werden durch die Ereignisse zunichte gemacht werden.
Auf dem Weg des Sturms und Drangs, auf dem Weg des Kampfes, wird eine Lösung der Weltprobleme erreicht werden. Die geschwisterlichen Beziehungen zwischen den Völkern können nur durch die Machtübernahme der Arbeiter*innenklasse und die internationale Zusammenarbeit der Arbeiter*innen aller Länder in einem sozialistischen Produktionsplan garantiert werden.
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