Lynn Walsh: Nein zum Club der Bosse! Kämpft für ein Europa der Arbeiter*innen!

[Militant Nr. 570, 25. September 1981, S. 12 und 14, als Teil eines dem Labour Parteitag 1981 gewidmeten Features]

Von Lynn Walsh

Mit Hilfe einer fast beispiellosen Presse- und Propagandakampagne schafften es die britischen Großkonzerne, beim Referendum 1975 ein „Ja“ zum EWG-Beitritt zu erreichen.

Aber wie viele Menschen, vor allem arbeitende Menschen, unterstützen heute den Gemeinsamen Markt? All die Versprechungen der Großkonzerne und deren rechten Unterstützer*innen in der Arbeiter*innenbewegung, dass der EWG-Beitritt einen wundersamen Aufschwung für die britische Wirtschaft bewirken würde, wurden als hohler Betrug entlarvt.

Die Arbeiter*innen machen die EWG speziell für den enormen Anstieg der Lebensmittelpreise verantwortlich. Die Lebenshaltungskosten sind auf ein französisches oder deutsches Niveau angestiegen, während die britischen Arbeiter*innen mit die niedrigsten Löhne im industrialisierten Westen erhalten.

Der britische Kapitalismus ist zu spät eingetreten, um alle Vorteile eines integrierten europäischen Marktes zu nutzen. Die Tories traten ein, als der Nachkriegsboom bereits am Abklingen war und Großbritannien gegenüber seinen Hauptkonkurrent*innen bereits in einen „unumkehrbaren Niedergang“ eingetreten war.

Die Behauptungen der Labour-Rechten und der jetzigen Tory-Regierung, die EWG könne „von innen heraus reformiert“ werden, sind ebenfalls leer. Die Verhandlungsstärke wird letztlich durch die Wirtschaftskraft bestimmt, und Großbritannien ist in der Euro-Liga ganz nach unten gerutscht.

Thatcher z.B. posaunt ihren Sieg heraus, dass sie eine Senkung des britischen EWG-Beitrags durchsetzte. Dies wird jedoch durch die von ihrem Landwirtschaftsminister akzeptierten Erhöhungen der Lebensmittelpreise in der EWG mehr als wettgemacht.

Die Probleme des britischen Kapitalismus können innerhalb der EWG nicht gelöst werden. Aber er wird auch außerhalb keine Lösungen finden.

Die Parteivorstands-Erklärung selbst räumt ein, dass „der Austritt aus der EWG nicht alle wirtschaftlichen und industriellen Probleme Großbritanniens lösen wird.“ Aber wir müssen noch weiter gehen.

Über 40% des britischen Handels werden mit EWG-Ländern abgewickelt. Industrie, Verkehr, Finanzen und Handel haben sich zunehmend auf die EWG ausgerichtet.

Für den britischen Kapitalismus hätte ein Rückzug jetzt verheerende Folgen. Dies wiederum hätte enorme Auswirkungen auf eine Labour-Regierung. Labour würde versuchen, die radikalen Reformen umzusetzen, die noch in der „Sozialistischen Alternative“ skizziert sind, aber sie würde versuchen, im Rahmen eines kranken Kapitalismus zu arbeiten.

Heute würde eine Mehrheit der Arbeiter*innen mit ziemlicher Sicherheit den Austritt aus der EWG befürworten, den Kurs, der in der Erklärung des Parteivorstands nachdrücklich befürwortet wird. Die Arbeiter*innenbewegung muss jedoch die Folgen eines Austritts sorgfältig prüfen.

Was ist das Argument der Erklärung?

Das Parteivorstands-Dokument argumentiert, dass die EWG nicht nur die wirtschaftliche Position Großbritanniens verschlechtert hat, indem sie die britische Wirtschaft mit enormen Haushaltsbeiträgen (3.000 Mio. £ netto über 5 Jahre) im Gegenzug für begrenzte Vorteile belastet hat, sondern dass die EWG auch ein großes Hindernis für die Umsetzung sozialistischer Politik in Großbritannien darstellt.

Das Dokument scheint den Gesetzen und Institutionen der EWG ein enormes Gewicht und eine enorme Solidität zuzuschreiben: Der Parteivorstand nimmt sie offenbar viel ernster als die nationalen Kapitalist*innen, die wenig Ehrfurcht vor „supranationalen“ Einrichtungen haben.

Die EWG ist im Wesentlichen eine verherrlichte Zollunion oder Freihandelszone. Sie wurde auf der Grundlage des Nachkriegsbooms mit seiner beispiellosen Ausweitung der Produktion und vor allem des Handels gegründet.

Doch wann immer es ernsthafte Differenzen über Handel, Produktion oder das Geldsystem gab, haben sich die Mitgliedsstaaten immer auf ihre eigenen nationalen kapitalistischen Interessen zurückbesonnen. Dies war insbesondere bei der Landwirtschaft der Fall, von den französischen Einwänden gegen billige italienische Weine bis zu den aktuellen britischen Einwänden gegen billiges französisches Geflügel.

Eine „Belagerungswirtschaft“

Der lange Nachkriegsboom hat sich nun erschöpft. In der Zeit des allgemeinen Niedergangs und der Krise, in die wir jetzt eingetreten sind, werden sich die internationale Rivalität und die Tendenz zum Protektionismus auch in der Politik des „Jeder ist sich selbst der Nächste“ [wörtlich: „Mach deinen Nachbarn zum Bettler‘] innerhalb des Gemeinsamen Marktes zeigen.

Im Fall von neuen, tieferen Wirtschaftskrisen und selbst bei Phasen eines begrenzten Aufschwungs, in denen rivalisierende Staaten um Märkte konkurrieren, wird die EWG zerschmettert werden.

Das Dokument lehnt „sowohl … die Philosophie der freien Marktwirtschaft als auch des supranationalen Staates ab, die in den Römischen Verträgen so zentral sind“. Aber gerade die Tatsache, dass sie auf der „freien Marktwirtschaft“ basiert, was im Wesentlichen bedeutet, dass sie auf rivalisierenden Nationalstaaten beruht, schließt die Entwicklung eines „supranationalen Staates“ aus.

In diesem Zusammenhang zeugt die peinlich genaue Beachtung der Legalität des Austritts von einer, gelinde gesagt, übertriebenen Sorge um Formalitäten. Im Übrigen würden die vorgeschlagenen „Austrittsschritte“ eine Labour-Regierung über Monate, wenn nicht Jahre, in eine komplexe, undurchsichtige Gesetzgebung verwickeln.

In der Erklärung wird auch argumentiert, dass der Austritt notwendig sei, weil die EWG „unsere eigene Wirtschaftspolitik beschränkt, unsere Souveränität einschränkt und unsere demokratischen Prozesse unterminiert…“.

Es stimmt, dass die EWG eine enorm teure, schwerfällige und parasitäre Bürokratie hervorgebracht hat, die einfache Menschen abstößt. Aber liegen die Haupthindernisse für sozialistische Politik wirklich in Brüssel, Straßburg und anderen EWG-Zentren?

Die Angehörigen der Arbeiter*innenbewegung haben die Tatsache nicht aus den Augen verloren, dass der wirkliche Widerstand gegen radikale Reformen, geschweige denn gegen eine durchgreifende sozialistische Politik, aus einem viel näheren Umfeld kommt: von den Banken und Finanzinstitutionen in der Londoner City, von den Millionär*innen, die die großen Monopole leiten – kurz gesagt, von der eigenen herrschenden Klasse Großbritanniens, die auch den Apparat des Staatsdienstes, der Armee, der Justiz und der Polizei kontrolliert.

Die Kapitalist*innen würden sich natürlich mit ihren europäischen Kohorten zusammentun und unter anderem die EWG-Gremien nutzen, um zu versuchen, eine Labour-Regierung zu blockieren und zu unterminieren. Aber der Hauptfeind steht im eigenen Land.

In der Erklärung wird immer wieder darauf verwiesen, dass die EWG das Haupthindernis für die Umsetzung der sozialistischen Politik sei. Dabei verliert es die wirklichen Fragen aus den Augen: Es sind die Grenzen dieses verrotteten kapitalistischen Rahmens, die die grundlegende Beschränkung bilden, soweit es radikale Reformen und sozialistische Politik betrifft.

Die in dem Dokument vorgeschlagenen Politiken würden im Einklang mit der „Sozialistischen Alternative“ diese Beschränkungen nicht durchbrechen.

Die erwähnten Maßnahmen – Preiskontrollen, ausgewählte Beihilfen für die Industrie, Kontrolle der Kapitalinvestitionen und der Auslandsinvestitionen – machen deutlich, dass die Mehrheit der Banken, der Finanzinstitute und der großen Monopole in den Händen der Großkonzerne bleiben würde.

Die Produktion kann nicht geplant werden, solange die „Kommandohöhen“ in privaten Händen bleiben. Auch der Handel kann nicht geplant werden.

Das Dokument spricht von „geplantem Handel“ und „verwaltetem Handel“. Es argumentiert, dass eine Expansion der britischen Wirtschaft durch die alternative Wirtschaftsstrategie einen vergrößerten Markt schaffen würde. Dies, besagt es, würde günstige Bedingungen für die Neuverhandlung von Handelsbeziehungen mit den derzeitigen EWG-Staaten und für die Aufnahme neuer Handelsbeziehungen mit Nicht-EWG-Ländern, einschließlich unterentwickelter Länder, schaffen.

Das Dokument kommt jedoch nicht wirklich mit dem katastrophalen Ausmaß des industriellen Niedergangs Großbritanniens zurande. Die EWG hat „die Entwicklung eines massiven Defizits in unserer Handelsbilanz mit Industriegütern mit der EWG zur Folge, das der britischen Industrie einen immensen und dauerhaften Schaden zugefügt hat und noch immer zufügt“ (S. 64).

Dieses Defizit ist in der Tat eine brennende Anklage für das Versagen des britischen Kapitalismus, zu investieren und zu modernisieren.

Großbritanniens Außenhandelsdefizite können jedoch nicht ausschließlich der EWG angelastet werden. Das größte Handelsdefizit des Vereinigten Königreichs bestand 1979/80 mit 1,7 Mrd. £ gegenüber Nordamerika. Auch gegenüber den westeuropäischen Nicht-EWG-Ländern hatte das Vereinigte Königreich ein geringes Handelsdefizit.

Andererseits hat das Vereinigte Königreich zwar ein Defizit bei den Industrieerzeugnissen mit der EWG, konnte aber im vergangenen Jahr das Gesamtdefizit des Vorjahres von 26 Mrd. £ in einen Überschuss von 700 Mio. £ verwandeln, was vor allem auf den Nettoexport (im Wert von 2,651 Mrd. £) von Erdöl und Erdölprodukten zurückzuführen ist.

In einigen Schlüsselindustrien verzeichnete das Vereinigte Königreich darüber hinaus erhebliche Handelsüberschüsse, z. B. 175 Mio. £ bei chemischen Erzeugnissen und verwandten Produkten und einen Überschuss von 50 Mio. £ bei Textilien.

Ohne den zollfreien Zugang zum EWG-Markt würden sich diese Überschüsse zweifellos in Defizite verwandeln. Würden die Märkte in der EWG durch gleichwertige oder sogar größere Märkte in anderen Ländern ersetzt werden, wie das Dokument nahelegt?

Auf der Grundlage der Großkonzerne mit ihrer extrem niedrigen Profitrate und der daraus resultierenden chronischen Unterinvestition in neue Verfahren und Techniken ist dies ausgeschlossen.

Wenn eine Labour-Regierung eine Zollmauer um die britische Wirtschaft errichten würde, sei es durch allgemeine Einfuhrkontrollen oder selektive Einfuhrkontrollen in verschiedenen Formen, würde es unweigerlich zu Vergeltungsmaßnahmen kommen, sowohl von Großbritanniens ehemaligen EWG-Partnern als auch von kapitalistischen Rivalen in der ganzen Welt.

Die Vorstellung, dass Großbritanniens Konkurrenten auf dem Weltmarkt britische Zölle im Interesse der Expansion vorübergehend tolerieren würden, mit dem Versprechen britischer Märkte für sie zu einem späteren Zeitpunkt – selbst wenn man davon ausgeht, dass die vorgeschlagene Politik zu dieser Expansion führen würde – ist utopisches Denken.

In Wirklichkeit schlägt das Dokument vor, dass Großbritannien nach dem Austritt aus der EWG in eine „Belagerungswirtschaft“ umgewandelt werden soll. Der britische Kapitalismus würde von einer Labour-Regierung hinter Schutzmauern verwaltet und wiederbelebt werden. Eine solche Strategie würde jedoch für die Arbeiter*innenklasse nach hinten losgehen. Weit davon entfernt, den britischen Kapitalismus wiederzubeleben und massive Neuinvestitionen anzuregen, würde der Protektionismus die Rückständigkeit des britischen Großkapitals abpolstern. Eine Labour-Regierung würde durch die Erhöhung der Zölle den rückständigen britischen Kapitalist*innen freie Hand geben, die Arbeiter*innenklasse in Großbritannien auszubeuten, die Inlandspreise in die Höhe zu treiben, die Löhne zu drücken und es ihnen ermöglichen, den maximalen Profit aus maroden und antiquierten Anlagen und Maschinen zu ziehen.

Dies ist eine völlig nationalistische Herangehensweise, die im Widerspruch zur internationalistischen Sichtweise der Arbeiter*innenklasse steht. Die Parteivorstands-Erklärung macht mehrere Versuche, diese Kritik zurückzuweisen, durch die Behauptung, die vorgeschlagenen Maßnahmen seien internationalistisch und keine „Kleines England“-Lösungen.

Doch was schlägt das Dokument in der Praxis vor? Darin heißt es, eine Labour-Regierung würde sich im Einklang mit ihrer innenpolitischen Strategie für eine expansive Politik einsetzen, und zwar über Gremien wie die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die EFTA (die mit der EWG konkurrierende europäische Handelszone) und die Europa-Kommission der Vereinten Nationen, die angeblich die politische Planung zwischen West- und Osteuropa umfasst.

Es schlägt auch vor, dass es mehr Handel mit den unterentwickelten Ländern der „Dritten Welt“ geben soll.

Diese Institutionen basieren alle auf bestehenden kapitalistischen Staaten, oder im Falle der UNO auf kapitalistischen und stalinistischen Staaten. Sie spiegeln unweigerlich die Herangehensweise und auch die Rivalitäten und Konflikte der verschiedenen Nationalstaaten wider.

Wie kann es möglich sein, eine „sozialistische“ Politik durch Gremien zu entwickeln, die von der kapitalistischen Klasse für ihre eigenen Zwecke eingerichtet wurden? Wie kann der Handel mit den unterentwickelten Ländern entwickelt werden, wenn die Dritte Welt mehr denn je von den imperialistischen Mächten und ihren multinationalen Konzernen ausgebeutet und beherrscht wird?

Eine solche Herangehensweise ist kein echter Internationalismus, der auf den gemeinsamen Klasseninteressen der Arbeiter*innenklasse und der ausgebeuteten Bäuer*innenschaft in der ganzen Welt beruht.

Als die britischen Großkonzerne, die Tories und ihre Schatten in der Arbeiter*innenbewegung den Beitritt zur EWG vorschlugen, warnte der „Militant“, dass der Gemeinsame Markt ein Club der Bosse sei, der die Probleme des britischen Kapitalismus nicht lösen und der Arbeiter*innenklasse zusätzliche Lasten aufbürden würde.

Aber unsere Opposition hatte nichts mit der nationalistischen Herangehensweise von einigen Linken wie die Kommunistische Partei und einige der „Tribune“-Linken gemein, die sich die Plattformen mit rechtsgerichteten Tories und anderen „Kleines England“-Nationalist*innen teilten.

Sozialistische Vereinigte Staaten von Europa

Wir lehnten den Beitritt zur EWG ab auf der Grundlage eines Aufrufs an die europäische Arbeiter*innenbewegung, zusammenzukommen, um eine Kampagne für die Sozialistischen Vereinigten Staaten von Europa zu diskutieren. Nur eine solche, auf sozialistischer Demokratie und geplanter Produktion in Großbritannien und den anderen europäischen Staaten basierte Föderation, mit der Perspektive einer sozialistischen Weltplanung, könnte der Arbeiter*innenklasse einen internationalistischen Weg nach vorn bieten.

Als ersten Schritt zu dessen Verwirklichung sollte die nächste Labour-Regierung die Arbeiter*innenklasse hinter einem Programm für die sozialistische Umgestaltung Großbritanniens mobilisieren.

Die Parteivorstands-Erklärung weist zu Recht darauf hin, dass die internationale Zusammenarbeit mit der Arbeiter*innenbewegung anderer Länder nicht von der EWG oder anderen kapitalistischen Institutionen abhängt. Die Verbindungen sollten zwischen den Arbeiter*innenorganisationen selbst auf einer Klassenbasis hergestellt werden.

Letztendlich muss eine wirksame internationale Einheit auf der Grundlage eines klaren sozialistischen Programms geschmiedet werden.

Die Arbeiter*innen in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und anderen europäischen Ländern stehen alle vor ähnlichen Problemen. Das relative Tempo der Ereignisse in den verschiedenen Ländern lässt sich nicht genau vorhersagen.

Aber es ist klar, dass die Arbeiter*innen aller europäischen Staaten ein gemeinsames Interesse an der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft haben.“


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