Lynn Walsh: Ein Wendepunkt für die US-Wirtschaft?

(eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr. 83, Mai 2004)

Bush & Co. waren schnell dabei, einen Wendepunkt in der Erholung der US-Wirtschaft zu verkünden, als die März-Zahlen des Bureau of Labor Statistics einen Zuwachs von 308.000 neuen Arbeitsplätzen zeigten. Die Zahlen für Februar wurden ebenfalls auf 87.000 nach oben korrigiert (ursprünglich waren nur 23.000 gemeldet worden). Zuvor lag der höchste monatliche Stellenzuwachs seit Beginn der Rezession im März 2001 bei 119.000 – es sind mindestens 150.000 neue Stellen pro Monat erforderlich, um mit dem Wachstum der Erwerbsbevölkerung Schritt zu halten.

Bedeutet dies wirklich das Ende der „arbeitsplatzlosen“ – oder vielmehr der „Arbeitsplatzverlust-“ – Erholung und den Beginn einer Phase von Wachstum auf breiter Basis? Die Entwicklung der Wirtschaft wird offensichtlich einen wichtigen, vielleicht entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Novemberwahlen haben.

Nach offiziellen Kriterien war die Rezession nach dem Platzen der Börsenblase außergewöhnlich mild und kurzlebig, sie dauerte von März bis November 2001. Was den Verlust von Arbeitsplätzen anbelangt, war sie jedoch die schlimmste Rezession seit den 1930er Jahren. Seit Anfang 2001 sind 2,4 Millionen Arbeitsplätze verschwunden.

Die März-Zahlen sind eine Verbesserung gegenüber den letzten Monaten, aber es gibt immer noch 1,8 Millionen weniger Arbeitsplätze in den USA als im Januar 2001, mit einem Nettoarbeitsplatzverlust von 1,5 Millionen im Jahr 2002 und 331.000 im Jahr 2003. Obwohl die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2003 mit einer Jahresrate von 6% wuchs, lag der durchschnittliche monatliche Beschäftigungszuwachs bei etwa 100 000. Das gleiche Wachstum des BIP in den 1990er Jahren führte zu 250.000 neuen Arbeitsplätzen pro Monat.

Bush hat wiederholt behauptet, dass seine Steuererleichterungen in Höhe von 3 Milliarden Dollar, hauptsächlich für die Superreichen, ein Konjunkturprogramm und ein Plan zur Schaffung von Arbeitsplätzen seien. Die Ergebnisse sind dürftig. Die Aufschlüsselung der März-Zahlen zeigt den uneinheitlichen Charakter des derzeitigen Wachstums, das vom Fortbestehen der Immobilienblase und anderen kreditgetriebenen Verbraucher*innenausgaben abhängt.

Der größte Zuwachs war im Baugewerbe (71 000 neue Arbeitsplätze), gefolgt vom Einzelhandel (+47 000) und den freiberuflichen und gewerblichen Dienstleistungen (+42 000). Die Zahl der Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie blieb unverändert und ist zum ersten Mal seit Juli 2000 nicht gesunken.

Für Millionen von Arbeiter*innen ist die Lage alles andere als rosig. Unter Bush sind 2,8 Millionen Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie verschwunden (das ist mehr als der gesamte Nettoarbeitsplatzverlust). Ohio, Michigan und Pennsylvania, Bundesstaaten, die früher eine starke Konzentration der Schwerindustrie aufwiesen, haben seit Januar 2001 jeweils 200.000 oder mehr Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie verloren. Diese Arbeitsplätze wurden zum Teil durch Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor ersetzt, von denen viele befristet, in Teilzeit, schlecht bezahlt und ohne Gesundheitsleistungen sind. Etwa 4,3 Millionen US-Beschäftigte waren 2003 gezwungen, Teilzeitstellen anzunehmen (eine Million mehr als 2000).

Die Boss*innen streben eine „Just-in-Time“-Belegschaft an. „Die Unternehmen versuchen, ihr Personal eher wie ein Inventar zu betrachten und die Dinge auf ein Minimum zu beschränken“, sagt John Challenger, Vorstandsvorsitzender von Challenger, Gray and Christmas, einer großen Arbeitsvermittlung. („Financial Times“, 10. März) Zeitarbeitskräfte können leicht entlassen werden, wenn es einem Geschäftsrückgang gibt.

Es gibt derzeit in den USA fast 15 Millionen Arbeitslose (5,7% der Erwerbsbevölkerung) und die offiziellen Zahlen untertreiben das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit. Seit Anfang des Jahres haben mehr als eine Million Arbeitslose ihre Arbeitslosenunterstützung ausgeschöpft, ohne eine Arbeit zu finden. Außerdem nimmt die Zahl der Insolvenzen von Kleinunternehmen zu, so dass immer mehr Selbstständige effektiv arbeitslos sind.

Die Erwerbsbeteiligung (der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, der tatsächlich erwerbstätig ist) ist auf den Stand von 1988 gesunken und liegt bei etwa 62%. Darin spiegelt sich die große Zahl der „entmutigten Arbeiter*innen“ wider, die Arbeit brauchen, aber nicht mehr suchen und deshalb aus den Statistiken über die Erwerbsbevölkerung verschwinden. Nahezu ein Viertel der Arbeitslosen haben seit mehr als sechs Monaten nach Arbeit gesucht.

Eine weitere Ursache für den Verlust von Arbeitsplätzen ist die Aus- und Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer, die unter den US-Arbeiter*innen zunehmend Besorgnis erregt. Nicht nur Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie werden ins Ausland verlagert, sondern auch Angestellten- (Buchhaltung, Kund*innendienst, Verkauf usw.) und Softwareentwicklertätigkeit. Die Kommunikationstechnologie macht es möglich, bisher „nicht verlagerbare“ Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Die Schätzungen für diese Art von „Auslagerung“ reichen von 500.000 bis 995.000 seit März 2001 (was zwischen 15% und 35% des gesamten Beschäftigungsrückgangs ausmachen würde). Bushs Chefökonom Gregory Mankiw sorgte für Empörung unter den Arbeiter*innen, als er den Verlust von US-Arbeitsplätzen an Unternehmen in Übersee als „nur eine neue Art, Handel zu treiben“ bezeichnete. („Associated Press“, 13. Februar)

Die Löhne haben während der schwachen Erholung im Allgemeinen stagniert und konnten nicht mit der Inflation Schritt halten. Mit anderen Worten: Die meisten Arbeiter*innen haben einen Fall bei den Reallöhne hinnehmen müssen. Für Arbeitsplätze in den wachsenden Wirtschaftssektoren werden durchschnittlich 20% weniger gezahlt als für Arbeitsplätze in den schrumpfenden Sektoren.

Niedriglohnarbeiter*innen sind sogar noch weiter zurückgefallen. „Dreißig Millionen US-Beschäftigte verdienen weniger als 8,70 Dollar pro Stunde, das offizielle US-Armutsniveau für eine vierköpfige Familie (die meisten Expert schätzen, dass eine Familie mindestens das Doppelte dieses Niveaus benötigt, um ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen)“. (Beth Shulman: Working and Poor in the USA [Arbeiten und Arme in den USA], „The Nation“, 9. Februar) Zu den Niedriglohnjobs gehören in der Regel Wachleute, Erzieher*innen, Einzelhandelsangestellte, Krankenhauspflegepersonal, Lehrer*innenassistent*innen, Hotelangestellte, Reinigungskräfte, Callcenter usw. Weniger als die Hälfte der Arbeiter*innen, die weniger als 20.000 Dollar verdienen, sind krankenversichert, und nur jede*r fünfte hat eine Rentenversicherung.

Die Profite der Großkonzerne wurden in die Höhe getrieben, vor allem durch „Kostensenkung“, d.h. durch Entlassungen von Arbeiter*innen und Herauspressen von mehr aus den verbleibenden Arbeitskräften. „In dem Maße, in dem die Unternehmen noch einen weiteren Tropfen Blut aus ihrer bestehenden Belegschaft herauspressen können, tun sie das auch. Irgendwann erreicht man den Punkt, an dem es kein Blut mehr zu geben scheint, aber den haben wir noch nicht erreicht“, sagt Joshua Shapiro, US-Chefökonom von Maria Fiorini Ramirez, einem New Yorker Wirtschaftsforschungsunternehmen. („International Herald Tribune“, 6. März)

Familien aus der Arbeiter*innenklasse sind mehr denn je auf Kredite angewiesen, um ihr Einkommen aufzubessern. Die Verschuldung beläuft sich inzwischen auf durchschnittlich 110% des Haushaltseinkommens, während der Schuldendienst einen Rekordwert von 13% des verfügbaren Einkommens erreicht. Dies ist eine der Hauptstützen des Konsumbooms, der die US-Erholung vorangetrieben hat.

Die andere Stütze ist die Immobilienblase. In den letzten acht Jahren hat der Anstieg der Immobilienpreise den allgemeinen Anstieg der Einzelhandelspreise um 40 Prozentpunkte übertroffen. Die Refinanzierung von Hypotheken auf der Grundlage höherer Immobilienwerte und niedriger Zinssätze hat mehr Geld in die Verbraucher*innenausgaben fließen lassen, etwa 200 Milliarden Dollar im Jahr 2003.

Um Bush zu helfen, hat die Federal Reserve unter Greenspan mit einem Leitzins von ein Prozent und einer massiven Ausweitung der Geldmenge Liquidität in die Wirtschaft gepumpt. Wie Steven Roach, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley NY, auf dem Wirtschaftsgipfel in Davos im Januar warnte, „pfeift der Hauptmotor der Weltwirtschaft, die USA, derzeit auf dem letzten Loch“. Die Schuldenblase kann jedoch nicht ewig anhalten. Ebenso wenig wie das riesige Haushaltsdefizit (500 Mrd. Dollar und steigend) oder das Zahlungsbilanzdefizit (550 Mrd. Dollar und steigend), die nicht tragbar sind. Bush betet einfach, dass keine dieser Blasen vor dem 9. November platzt – und zur Hölle mit den Folgen danach.

Lynn Walsh


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