Lynn Walsh: Auf dem Weg zu einem Konjunktureinbruch

[eigene Übersetzung des englischen Artikels in Socialism Today, Nr. 24, Dezember 1997, S. 11-16]

Die weltwirtschaftliche Lage des Kapitalismus hat sich in ein paar Wochen dramatisch verändert. Bis vor kurzem präsentierten die kapitalistischen Kommentator*innen glühende Berichte über seine Gesundheit. Doch nun wird die Illusion eines „neuen Paradigmas“, einer Renaissance des Kapitalismus der „freien Marktwirtschaft“ zerschlagen, da die Weltwirtschaft auf einen Konjunktureinbruch zusteuert. Lynn Walsh schreibt.

Bis vor kurzem präsentierten kapitalistische Kommentator*innen glühende Berichte über die Aussichten für die Weltwirtschaft: „World’s future is rosy, says IMF“ [Die Zukunft der Welt ist rosig, sagt der IWF] („Financial Times“, 24. April 1997). Der Wirtschaftsausblick des IWF (April 1997) behauptete: „Es gibt nur wenige Anzeichen von Spannungen und Ungleichgewichten, die normalerweise einen Abschwung im Konjunkturzyklus im Voraus andeuten“.

US-Ökonom*innen, deren Aussagen Präsident Clinton wiederholte, verkündeten die Idee eines „neuen wirtschaftlichen Paradigmas“. Die günstige Kombination von Liberalisierung, Globalisierung, neuen Technologien und niedriger Inflation (so wurde behauptet) habe den Zyklus von Boom und Konjunktureinbruch überwunden und die Voraussetzungen für ein ständiges Wachstum, für Wohlstand ohne Grenzen geschaffen.

Doch in Südostasien bahnte sich bereits eine Krise an, die sich in einer Reihe von wettbewerbsbedingten Währungsabwertungen entlud. Diese Ereignisse waren alles andere als ein „Sturm im Wasserglas“, sondern beschleunigten die Entwicklung einer regionalen Rezession, lösten eine massive Schuldenkrise aus und führten zu Aufruhr auf den asiatischen Finanzmärkten. Im Oktober schlug dies auf die Wall Street und andere westliche Märkte durch und löste die größten Kurseinbrüche an den Börsen seit 1987 aus.

Anfänglich bezeichneten die führenden kapitalistischen Vertreter*innen die Börsenabstürze leichtfertig als willkommene Korrektur und die südostasiatische Krise bloß als eine „lokale Schwierigkeit“. Jetzt sind sie gezwungen, sich das wahre Ausmaß der sich abzeichnenden Krise vor Augen zu führen. Die bürgerlichen Illusionen in das „neue Paradigma“, in eine Renaissance des „freien Markt“-Kapitalismus, werden nun zerschmettert. Sie werden als das entlarvt, was sie waren: eine Fantasie, die durch den in den letzten Jahren durch neoliberale Politiken, die die Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse enorm verschärft haben, erreichten phänomenalen Anstieg der Profitabilität hervorgerufen wurden.

Krise in Südostasien

Die Krise in Südostasien hat die in den „Schwellenländern“ aufgebauten grandiosen Illusionen erschüttert. Bis vor kurzem wurden diese Volkswirtschaften von kapitalistischen Kommentator*innen als Modelle neoliberaler Dynamik gepriesen, als Lokomotiven, die die Weltwirtschaft ins 21. Jahrhundert ziehen würden. Ihr Enthusiasmus konzentrierte sich insbesondere auf die neue Generation der „Tiger“: Thailand, Malaysia, Indonesien, die Philippinen und China. Dies sind Extremfälle ungleichmäßiger Entwicklung, bei denen Elemente des fortgeschrittenen westlichen Kapitalismus in arme, unterentwickelte und bis vor kurzem überwiegend agrarische Gesellschaften eingebracht wurden. Die „freie Marktwirtschaft“ ging zudem mit repressiven, autoritären Regimen einher. Ein rasches Wirtschaftswachstum unter solchen Bedingungen war zwangsläufig höchst widersprüchlich und erzeugte extreme soziale Spannungen.

Das Wachstum seit den späten 1980er Jahren wurde durch massive Kapitalzuflüsse aus den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern angeheizt, als Investor*innen mit einem Überfluss an liquiden Mitteln nach profitableren Investitionsfeldern in einer ausgewählten Gruppe von Ländern der Dritten Welt suchten. Die Liberalisierung von Handel und Investitionen öffnete die Tore für die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte, billiger Materialien und eines wachsenden Verbraucher*innenmarktes, insbesondere unter den aufstrebenden Mittelschichten. Private Kapitalströme (nach Abzug der Kapitalabflüsse) nach Asien (ohne China) stiegen von durchschnittlich 4,7 Mrd. Dollar pro Jahr in den 80er Jahren auf 33,45 Mrd. Dollar pro Jahr zwischen 1991 und 1996. Im Jahr 1996 selbst flossen 57 Mrd. USD nach Asien (ohne China), während 23 Mrd. USD nach China flossen. In der ersten Jahreshälfte 1997 war der Zustrom fast sicher noch höher.

In der Anfangsphase erfolgte der größte Teil dieser Investitionen durch multinationale Konzerne (ausländische Direktinvestitionen), die Produktions-, Montage- und Vertriebsanlagen errichteten. In jüngerer Zeit ist ein zunehmender Anteil auf „Portfolio“-Investitionen zurückzuführen, d.h. auf sehr viel unbeständigere, kurzfristige Investitionen in Aktien und Anleihen. Die Börsen in diesen Ländern sind wie Pilze aus dem Boden geschossen und ziehen auch einheimische Investor*innen an (die meisten von ihnen investieren auf der Grundlage von Krediten aus dem Ausland). Das beschleunigte Wachstum der großen Städte führte zu einem Immobilienboom mit massiven spekulativen Investitionen in Immobiliengesellschaften. Die Regime der Region, insbesondere Indonesien und Malaysia, konkurrierten miteinander um den Bau der größten Prestigeprojekte (das höchste Gebäude der Welt, der Bakun-Staudamm, neue Flughäfen usw.).

Die hohen Wachstumsraten der letzten Jahre hingen von der hohen Investitionsrate ab, die mit durchschnittlich 20% pro Jahr (in Malaysia sogar deutlich höher) etwa dreimal so hoch war wie die Wachstumsrate. Dies konnte nicht lange aufrechterhalten werden. Bereits 1996 gab es Anzeichen dafür, dass die überstürzten Investitionen zu regionalen Überkapazitäten (bei Autos, Mikrochips usw.) und zu einer Schwemme an neuen Immobilien führten. Die Verlangsamung der Exporte führte zu wachsenden Handelsdefiziten, da die Importe weiter anzogen.

Der „Schock“, der die Krise auslöste, war eine Reihe von regionalen Währungsabwertungen, die durch die Abwertung des thailändischen Baht im Juli ausgelöst wurde. Die meisten südostasiatischen Volkswirtschaften hatten ihre Währungen an den US-Dollar gekoppelt. Dies ermutigte ausländische Investor*innen, die sich sicher sein konnten, dass der Wert ihrer Vermögenswerte erhalten bleiben würde. Während der US-Dollar in der Anfangsphase dieses Konjunkturzyklus fiel, wirkte sich die Dollarbindung nicht nachteilig auf die südostasiatischen Exporte aus. Doch nach 1995 machte der Anstieg des US-Dollars die Exporte der Region auf den Weltmärkten teurer. Gleichzeitig wurden sie durch die Abwertung des Yuan durch China um 35% im Jahr 1994 getroffen. Mit dem Vorteil noch niedrigerer Arbeits- und Materialkosten begann China, seinen Anteil an den regionalen und weltweiten Exporten auf Kosten der südostasiatischen Volkswirtschaften zu erhöhen. Sie erlitten 1996 eine deutliche Verlangsamung, und ihre Handelsdefizite begannen alarmierend zu wachsen. Angesichts der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise beschloss die thailändische Regierung, den Baht freizugeben, was rasch zu einer erheblichen Abwertung führte.

Dies löste eine Reihe von regionalen Abwertungen aus, da andere Regierungen versuchten, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporte zu erhalten. Anstatt ihnen einen Ausweg zu bieten, lösten die Abwertungen eine Kettenreaktion in Richtung Rezession aus. Die Exporte wuchsen aufgrund der Überkapazitäten in der Region nicht nennenswert. In dem Bemühen, einen Kapitalabfluss als Reaktion auf die Abwertung zu verhindern, erhöhten die Regierungen zudem die Zinssätze scharf. Dies traf sofort alle Schuldner*innen, ob Hersteller*innen, Exporteur*innen, Bauunternehmen oder die Regierung selbst, zumal ein großer Teil der Schulden auf US-Dollar lautete. In jedem Fall setzte bereits eine Kapitalflucht ein: eine „Flucht in die Qualität“, d. h. in weniger riskante Anlagen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Die Finanzblase platzte: Viele Banken wurden zahlungsunfähig und wurden von den Regierungen geschlossen, die Immobilienpreise stürzten ab und Finanzunternehmen wurden liquidiert. Auch der Verbraucher*innenmarkt, der in hohem Maße von Krediten abhängig ist, wurde stark zusammengedrückt.

Im Juli und August versuchten westliche Kommentator*innen, die Krise als ein „lokales Problem“ herunterzuspielen, das sich nicht auf die Weltwirtschaft auswirken würde. Aber es ist klar, dass ein umfassender regionaler Abschwung bereits begonnen hatte. An den Börsen der Region kam es zu extremer Unbeständigkeit. Dies blieb bis zum 23. Oktober regional begrenzt, als es an der Hongkonger Börse zu einem Krach kam. Dies löste die großen Kurseinbrüche an der Wall Street, in London und an anderen wichtigen Börsen aus.

Südostasien erlebt nun einen schweren Abschwung, der sich unweigerlich auch auf den Rest der Welt auswirken wird. Die durch die Krise in Asien bei den Investor*innen geweckten Ängste haben bereits zu einer Kapitalflucht aus Lateinamerika und den ehemaligen stalinistischen Staaten Osteuropas geführt. Eine Krise entwickelt sich jetzt zum Beispiel in Brasilien. Die Schrumpfung in Asien wird auch die US-Exporte in diese Region verringern (20% der US-Exporte gehen nach Ostasien, 12% nach Japan). die chinesische Wirtschaft hat in den letzten Monaten auch eine deutliche Abschwächung erfahren.

Der Abschwung wird eine starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem starken Rückgang der Einkommen von Arbeiter*innen und Bäuer*innen bedeuten. Es gab bereits große Protestdemonstrationen, die den Beginn einer Periode sozialer Unruhen und politischer Umwälzungen signalisieren. Die direktesten und verheerendsten Auswirkungen könnten jedoch auf Japan sein. Japan, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt (die 14% der Produktion der fortgeschrittenen Länder und 8% an der Weltproduktion erzeugt), stagniert seit 1992 und könnte nun wieder in eine Rezession abrutschen. 1996 gab es einen kurzen Wachstumsschub (3,6%), hauptsächlich aufgrund massiver staatliche Ausgaben für Infrastrukturprojekte. Seitdem hat die Regierung die Ausgaben gekürzt und die Steuern erhöht, wodurch die Wirtschaft wieder gebremst wurde. Der japanische Kapitalismus wird immer noch durch die enorme Schuldenlast herabgedrückt, den „Überhang“ aus der spekulativen Finanz- und Immobilienblase der späten 80er Jahre. Ein großer Teil der Buchwerte der Banken ist in Wirklichkeit durch den Verfall der Aktien- und Immobilienpreise massiv entwertet worden, was durch den 30-prozentigen Einbruch an der Tokioter Börse im Oktober noch verstärkt wurde. Die Zahl der Bankrotte steigt weiter an.

Der japanische Kapitalismus wurde durch das Wachstum seiner Exporte über Wasser gehalten, das durch den Fall des Yen gegenüber dem Dollar begünstigt wurde. Aber 46% der Exporte gehen in andere asiatische Volkswirtschaften, darunter 12,5% nach Thailand, Malaysia, auf die Philippinen und nach Indonesien. Diese werden nun ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Gleichzeitig stehen für das japanische Finanzkapital in diesen Ländern und auch in Korea, das selbst von einer massiven Schuldenkrise gelähmt ist, riesige Kredite auf dem Spiel. In diesem Jahr haben bisher sechs der 30 größten koreanischen Unternehmen Konkurs angemeldet – eine Katastrophe für die Großkonzerne. Es kann gewiss nicht ausgeschlossen werden, dass die Asienkrise auf Japan übergreift, und „Japans Unpässlichkeit ist viel ernster als die Malaysias“ („Daily Telegraph“, Business News, 8. November 1997). „Die Unpässlichkeit in Japan ist bedrohlicher … sein Einfluss auf den Westen ist sehr bedeutend. Japanische Unternehmen haben eine zentrale Stellung in Schlüsselindustrien wie der Automobilindustrie und den Finanzdienstleistungen und auch beträchtliche Portfolios“. Obendrein ist Japan ein wachsender Markt für Exporte aus den USA und anderen fortgeschrittenen Ländern. Eine Rezession in Japan, die jetzt wahrscheinlich ist, würde einen weltweiten Abschwung auslösen. Die japanische Regierung, der Sultan von Brunei und andere regionale Regierungen haben mit Finanzpaketen eingegriffen, um eine regionale Kernschmelze zu verhindern. Der IWF, der ein Stellvertreter für den US-Imperialismus ist, ist jetzt direkt beteiligt worden. „Es ist die komplexeste finanzielle Rettungsaktion jemals“, kommentiert „Business Week“ (17. November 1997), „auf dem Preisschild stehen mehr als 100 Milliarden Dollar. Auf dem Spiel steht: die globale wirtschaftliche Gesundheit“. Dies ist das Doppelte der Kosten der mexikanischen Rettungsaktion von 1995.

Börsenturbulenzen

Der Kurssturz an der Hongkonger Börse (23. Oktober) löste die größten Kursstürze an der Wall Street und anderen westlichen Börsen seit dem Börsenkrach im Oktober 1987 aus. Zu diesem frühen Zeitpunkt konnten die Kursstürze nicht auf die direkten Auswirkungen der Verluste an den asiatischen Märkten zurückgeführt werden. Sie spiegelten die wachsende Nervosität des internationalen Finanzkapitals wider. Vor allem spiegelten sie die massive Überbewertung der Aktien in den USA und an anderen wichtigen Börsen wider. Zu Beginn des Jahres gab es an der Wall Street Nervosität, da befürchtet wurde, dass der Vorsitzende der US-Notenbank, Greenspan, bei der US-Wirtschaft auf die Bremse treten würde.

Jedoch kehrten nach den Kursstürzen von Mitte Oktober die meisten großen Börsen schnell wieder fast auf ihr vorherigen hohen Niveaus zurück. Die Liebhaber*innen des Kapitals ließen die Episode als eine notwendige, willkommene Korrektur durchgehen. Gestärkt durch die Superprofite, die sie in der letzten Periode gemacht haben, ist die Bourgeoisie unglaublich selbstzufrieden. Sie hat den Börsenkrach von 1987 überlebt, der sich als eine kurze Unterbrechung der langen Hausse erwies. Warum sollten sie also nicht auch dieses Mal überleben? Die Stimmung an der Wall Street wird auch durch das anhaltende Wachstum der US-Wirtschaft gestützt, insbesondere durch hohe Profite und eine niedrige Inflation.

Als Korrektur waren die Oktober-Kursstürze jedoch völlig unzureichend, um die massive Überbewertung, die sich entwickelt hat, zu verringern. Trotz der Trugbilder, die immer auf dem Höhepunkt eines Aufschwungs auftauchen, steht eine weitere, viel stärkere Korrektur klar auf der Tagesordnung.

In den USA, die heute als Modell für die anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Länder dienen, ist die Gesamtkapitalisierung der Aktienmärkte von 53,8% des BIP im Jahr 1990 auf 108,7% im Jahr 1996 gestiegen und übertrifft jetzt wahrscheinlich 150% des BIP. Hyperreiche Investor*innen, die im Geld schwimmen (höhere Erträge, höhere Gehälter, niedrigere Steuern), haben ihr Geld in Firmenaktien gesteckt, um sich ihren Anteil an der Beute zu sichern. Die Profite der Großkonzerne wurden durch die verstärkte Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse (niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten, härteres Management), durch eine neue Welle von Fusionen und Übernahmen (Ausschlachten von Vermögenswerten, Verkleinerung von Unternehmen), Land- und Immobilienspekulationen, die verstärkte Superausbeutung der Dritten Welt und durch die fabelhaften Zinssätze des ständig wachsenden Schuldenbergs der Welt aufgebläht.

Die Jagd nach Aktien (die derzeit profitabler sind als Staatsanleihen in den USA) hat zwangsläufig die Aktienkurse in die Höhe getrieben – und zwar schneller als die Profite der großen Konzerne. Seit 1991 haben die im Standard & Poor’s 500 Index gelisteten Unternehmen ihre Profite im Durchschnitt um 20% pro Jahr gesteigert. Aber ihre Aktienkurse betrugen in letzter Zeit durchschnittlich das 23-fache der Erträge (aus Dividenden), verglichen mit einem Durchschnitt des 14-fachen seit 1928. Gillette-Aktien wurden zum 59-fachen des Ertrags verkauft, während Coca-Cola-Aktien zum 46-fachen des Ertrags gehandelt werden.

Solche Aktienkurse können nicht ewig Bestand haben. Die Renditen sinken zwangsläufig (die Dividenden, die letztlich von den Unternehmensprofiten abhängen, sind ein geringerer Prozentsatz der steigenden Aktienkaufpreise). Seit 1925 lag die durchschnittliche Rendite der S&P 500-Aktien bei 4,38%, während sie im August 1997 auf ein Allzeittief von 1,65% gesunken war.

In einem steigenden „Bullenmarkt“ kaufen und verkaufen die Investor*innen natürlich regelmäßig Aktien und erzielen bei den Verkäufen einen Kapitalprofit. Obendrein verteilten einige Unternehmen in den letzten Jahren Profite an die Aktionär*innen, indem sie ihre Aktien zu den aktuellen, überhöhten Preisen zurückkauften. Dennoch sind die Aktien auch nach dem Kurssturz im Oktober immer noch überbewertet, ein Symptom für das, was Greenspan als „irrationalen Überschwang“ bezeichnete, mit anderen Worten ein Symptom für eine Spekulationsblase, die unweigerlich platzen wird.

Im Juli dieses Jahres sagten einige wenige Spekulant*innen, die durch ihre jüngsten Gewinnmitnahmen weniger wahnsinnig waren als der Durchschnitt, einen Krach voraus. Zu ihnen gehörten George Soros und Barton Briggs, der Vorsitzende von Morgan Stanley Assets Management, der sagte: „Ich habe das Gefühl, dass wir bald etwas aus heiterem Himmel erleben werden. Etwas mit der verblüffenden Heftigkeit eines Schlags aufs Maul, wenn man nicht damit rechnet“. („New Yorker“, 28. Juli 1997).

Fundamentaldaten

„Die Fundamentaldaten sind stark“, beschwichtigte Präsident Clinton nach dem Absturz an der Wall Street. Eine Wirtschaftskrise werde es nicht geben. Greenspan gab ähnliche Töne von sich. Es ist wahr, das Wachstum in den USA liegt derzeit bei einer Jahresrate von etwa 4%, bei niedriger Inflation (2,2%) trotz niedriger Arbeitslosigkeit (4,9%).

Eine breite historische Betrachtung zeigt jedoch, dass es nur die Profite waren, die in den 90er Jahren stark gewachsen sind. Die Wachstumsraten, die Investitionen und das Produktivitätswachstum waren alle niedriger als in den 1980er Jahren und deutlich niedriger als in der Aufschwungperiode von 1950-73.

Der Bericht der UN-Kommission für Handel und Entwicklung (UNCTAD) von 1997 sagt als Kommentar zum Profitboom: „Das Kapital hat im Vergleich zur Arbeit gewonnen, und die Profitanteile sind überall gestiegen … Im Norden (den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern) ist eine bemerkenswerte Konvergenz der Profite zwischen den großen Industrieländern nach oben festzustellen. Die Kapitalrendite im Unternehmenssektor der G7-Länder zusammengenommen stieg von 12,5% Anfang der 1980er Jahre auf über 16% Mitte der 1990er Jahre. Dies ist wiederum das Gegenstück zu sinkenden Lohnanteilen“. Dies wurde erreicht durch die intensivierte Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse, nicht durch die extensive Ausweitung der Produktion. Die Löhne wurden zusammengedrückt, während sich die Wochenarbeitszeit verlängert hat. Immer mehr Arbeiter*innen sind teilzeit- oder befristet beschäftigt. Managementregime haben sich verschärft, während die Gehälter der Spitzenmanager*innen im Verhältnis zu den Durchschnittslöhnen enorm gestiegen sind.

Die niedrigen Niveaus von Investitionen und Produktivitätswachstum spiegeln sich in den schwachen Wachstumsraten der 90er Jahre wider. Die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder sind seit Anfang der 90er Jahre mit einem Durchschnitt von 1,8% pro Jahr gewachsen, was noch schlechter ist als die durchschnittlich 2,8% pro Jahr in den 80er Jahren. Trotz ihrer gegenwärtig hohen Wachstumsrate erreichten selbst die USA in den 90er Jahren nur ein durchschnittliches Wachstum von 2,3% pro Jahr, gegenüber 2,7% in den 80er Jahren. Die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder wuchsen während des Aufschwungs von 1950-73 mit einer durchschnittlichen Rate von 4,5% pro Jahr, während die USA mit 33% [??] pro Jahr wuchsen.

Der Handel wuchs in den 1990er Jahren schneller als die Produktion, was die zunehmende Globalisierung widerspiegelt. Die weltweiten Ausfuhren stiegen zwischen 1989 und 1996 um 6% pro Jahr (nach Volumen) und 1995 um über 10%. Im Jahr 1996 kam es jedoch zu einer starken Verlangsamung, die zum Teil die beginnende Krise in Asien widerspiegelt, und in diesem Jahr dürfte das Wachstum nicht über 4,5% steigen.

Niedrige Investitionen und vor allem die Deindustrialisierung haben unweigerlich zu höherer Arbeitslosigkeit geführt. Die Erholung der 90er Jahre war weitgehend arbeitsplatzlos, abgesehen von den USA, wo Arbeitsplätze auf der Grundlage von Niedriglöhnen, Gelegenheitsarbeit usw. geschaffen wurden. Letztes Jahr hatten die Ländern der Europäischen Union über 18,7 Millionen Arbeitslose (ein leichter Rückgang gegenüber dem Höchststand von 19 Millionen im Jahr 1994). In den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern insgesamt gab es 36,3 Millionen Arbeitslose (Höchststand 1993: 37,7 Millionen). Obendrein unterschätzen die offiziellen Zahlen die Zahl der Arbeitslosen, Unterbeschäftigten, Halbbeschäftigten usw. ernsthaft. Die Internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass es im weltweiten Maßstab mindestens 800 Millionen Arbeitslose gibt.

Die Dritte Welt wuchs in den 90er Jahren schneller als die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder, aber immer noch mit einer langsameren Rate als in den 80er Jahren. Das Wachstum lag hauptsächlich an dem außergewöhnlich hohen Wachstum in Asien. Die Dritte Welt verzeichnete ein durchschnittliches Wachstum von 4,8% pro Jahr (3,9% ohne China). Jedoch Lateinamerika wuchs im Durchschnitt um weniger als 3% pro Jahr, während Afrika weiterhin stagnierte und einige Länder in barbarische Armut glitten.

Von den drei fortgeschrittenen kapitalistischen Regionen haben nur die USA in den 90er Jahren den Anschein eines Aufschwungs erlebt. Japan hat stagniert, während die Europäische Union ein erbärmliches Wachstum von 1,7% pro Jahr erreicht hat. Einer der Hauptfaktoren in Europa war die äußerst restriktive Politik, die durch die Annahme der Maastricht-Kriterien für die Wirtschafts- und Währungsunion auferlegt wurde.

Diese Daten sind weit davon entfernt, „starke Fundamentaldaten“ zu zeigen, sie zeigen vielmehr, dass der Weltkapitalismus in einer Periode der Depression, der langfristigen Stagnation der Produktivkräfte ist. Es gibt natürlich immer noch zyklische Erholungen und Wachstumsschübe in gewissen Regionen, wie z.B. in Süd- und Ostasien. Nichtsdestotrotz lässt jede Rezession den Weltkapitalismus in einer schwächeren Position zurück, mit akuteren Widersprüchen innerhalb des Systems.

Auf dem Weg zu einem Konjunktureinbruch

Die Krise, die sich jetzt entfaltet, enthüllt die zugrunde liegenden Widersprüche der neoliberalen Phase des Weltkapitalismus seit 1980. Gerade die Merkmale wie Globalisierung und neue Technologien, die als dynamische Wachstumsfaktoren gepriesen wurden, sind nun zu Agenten von Instabilität und Krise geworden.

Im Prozess der Globalisierung gab es massive Kapitalströme aus den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern in eine Handvoll halb entwickelter Länder (während etwa hundert unterentwickelte Länder weiter hinter die fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern zurückfielen). Die Kapitalströme wurden zunehmend von kurzfristigem, spekulativem Kapital dominiert. Jetzt hat der Prozess begonnen, sich umzukehren, mit einer Kapitalflucht nicht nur aus Südostasien, sondern auch aus Lateinamerika und den „Schwellenländern“ in Russland und Osteuropa. Es gibt eine so genannte „Flucht in die Qualität“, da Investor*innen nach sicheren Häfen suchen. Die zunehmende Integration der Weltmärkte bedeutet, dass sich die Asienkrise rasch auf den Rest der Welt übertragen hat und bereits eine Auswirkung auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder zu haben beginnt, deren „Fundamentaldaten“ bei weitem nicht stark sind.

Die Zurückweisung des Vorschlags Clintons, seine „Fast-Track“-Befugnisse für Handelsabkommen (insbesondere mit Lateinamerika) zu verlängern, durch den US-Kongress spiegelt die wachsende Empörung gegen Konzernverschlankung, prekäre Beschäftigung, niedrigere Lohnniveaus usw. wider, die der Globalisierung, einschließlich der Nordamerikanischen Freihandelszone, angelastet werden. In Asien ist der Ausbruch des malaysischen Premierministers Mahathir Mohammed gegen „unmoralische Spekulanten“ wie George Soros und Mahathirs Drohung, Finanzspekulationen zu verbieten und Kapitalkontrollen wieder einzuführen, ein weiteres Zeichen für eine Reaktion gegen die Liberalisierung und Deregulierung des Welthandels und des Finanzwesens. Diese Maßnahmen sind zweifellos ein Vorbote einer Wendung zum Protektionismus, der bei einem Konjunkturabschwung wahrscheinlich eher auf der Grundlage der wichtigsten Handelsblöcke als auf der Grundlage einzelner Nationalstaaten entstehen wird. Die Globalisierung kann, wie jede andere Phase der kapitalistischen Entwicklung, Produktion und Handel eine Zeit lang beschleunigen. Aber sie stößt unweigerlich an Grenzen, bei denen es eine Tendenz zur Umkehrung des Trends geben wird.

Die neuen Technologien haben sich auch als ein gemischter Segen für den Kapitalismus erwiesen. Billige, schnelle Kommunikation und Transport auf der Grundlage neuen Technologien haben die Globalisierung vorangetrieben. Modernste Produktionsanlagen können nun, zumindest in bestimmten Produktionszweigen, in halb entwickelten oder sogar in den ärmsten unterentwickelten Ländern errichtet werden. Die großen multinationalen Konzerne haben Teile ihrer Produktion und ihres Vertriebs verlagert, um die Vorteile billiger Arbeitskräfte, billiger Materialien und Energie zu nutzen. Dies hat jedoch zum Aufbau massiver Überkapazitäten in einigen Bereichen wie der Automobilindustrie, der Mikrotechnologie, der Textil- und Bekleidungsindustrie usw. geführt.

Die durch den Freihandel geförderte intensive Konkurrenz macht es den Hersteller*innen obendrein immer schwerer, einen zufriedenstellenden Kapitalertrag zu erzielen, vor allem wenn das Innovationstempo einen raschen Austausch der Produktionsanlagen erfordert, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Obwohl die neuen Technologien zweifellos ein enormes produktives Potenzial besitzen, haben sie weltweit nicht zu einem dramatischen Anstieg des Produktions- oder Produktivitätswachstums geführt. Im Gegenteil hat sich der langfristige Trend zu niedrigeren Wachstumsraten mit einer Handvoll Ausnahmen in den 1990er Jahren fortgesetzt.

Als die Börsen im Oktober abstürzten, sagten die führenden kapitalistischen Vertreter*innen zuversichtlich eine rasche Erholung voraus, wie nach dem Krach von 1987. Damals führte eine koordinierte Konjunkturankurbelung durch die wichtigsten kapitalistischen Mächte zu einem Wachstumsschub in den Jahren 1988-89. Dies verzögerte jedoch den Abschwung nur: Mit dem Anstieg der Inflation trat die US-Notenbank 1989 auf die Bremse und stürzte den Weltkapitalismus in eine weltweite Rezession, die zwar relativ flach war, aber auch länger als frühere Rezessionen.

Aber die Stellung des Weltkapitalismus ist heute schwächer als 1987. Damals stützten sich die G7-Länder auf Deutschland und Japan mit ihren massiven Überschüssen, um eine globale Rettungsaktion zu finanzieren. Jetzt braucht Japan selbst (ebenso wie sein Satellit Korea) die Rettung.

Der scharfe Anstieg der Profitabilität der Großunternehmen, der mit einer deutlichen Vermögensverschiebung zugunsten der Kapitalist*innen auf Kosten der Arbeiter*innenklasse einherging, hat viel von dem „Fett“ verbrannt, das während der Nachkriegszeit angesammelt worden war. Die Sozialausgaben wurden gekürzt, die Reallöhne sind allgemein gesunken. Ein großer Teil der Arbeiter*innen wurde auf den Schrotthaufen der Dauerarbeitslosigkeit geworfen. Die ehemaligen Staatsindustrien, die durch von den Steuerzahler*innen finanzierte Investitionen aufgebaut worden waren, wurden an die Kapitalist*innen verkauft, wodurch sich hochprofitable Geschäftsfelder eröffneten. Aber auch dieser Prozess der Gegenreform, der durch den Zusammenbruch der stalinistischen Staaten beschleunigt wurde, stößt an seine Grenzen.

Obendrein haben diese Maßnahmen zwar die „Angebotsseite“ des Kapitalismus verbessert, aber die „Nachfrageseite“ zunehmend untergraben. Billigerer Input an Arbeit, Material und Energie in Verbindung mit niedrigeren Steuern und erweiterten Möglichkeiten zum Profitmachen haben einen Profitboom erzeugt. Aber Kürzungen bei Sozialausgaben, Löhnen und der Anstieg der Massenarbeitslosigkeit haben den Markt für den Kapitalismus stark beeinträchtigt.

Es ist diese fundamentale Schwäche, die den Kern der Widersprüche des Systems trifft, die letztlich die Krise der internationalen Finanzmärkte erklärt. Die Finanzkrise verschärft ihrerseits die Probleme der Realwirtschaft.

Die Welt bewegt sich auf eine Wachstumsverlangsamung zu. Der Zeitpunkt, das Tempo ihrer Entwicklung, die Tiefe der kommenden Rezession können nicht genau vorhergesagt werden. Vieles hängt von der US-Wirtschaft ab. Während sie gegenwärtig noch wächst, sagen die meisten kapitalistischen Agenturen für das nächste Jahr eine Verlangsamung voraus. Als Ergebnis der Krise in Asien (und in anderen „Schwellenländern“) könnte die US-Wirtschaft nun noch stärker einbrechen.

Eine US-Rezession würde zu einem Wertverlust des Dollars führen (es gibt bereits Anzeichen dafür, dass dies beginnt, mit einem Rückgang seit August). Wie bei früheren Episoden von Dollarrückgang würde dies fast gewiss zu Turbulenzen auf den Weltfinanzmärkten führen. Wenn die USA 1,3 Billionen Dollar an ausländische Kreditgeber schulden, wird ein Rückgang des Dollars ab einem bestimmten Punkt eine Flucht aus dem Dollar auslösen. Wie bei früheren Fluchten (die in der Regel zu Aufwertungen von „Zufluchtswährungen“ wie dem Schweizer Franken und der D-Mark führen, die dann weitere Zuflüsse aus anderen schwachen Währungen anziehen), würde es eine Phase der Wechselkursunbeständigkeit geben (die mit ziemlicher Sicherheit die Wirtschafts- und Währungsunion zunichte machen würde).

Wenn die US-Erholung zu Ende geht, wird auch der Rest der Welt in eine Rezession gestoßen werden. Die USA machen 36,5% des BIP der fortgeschrittenen Volkswirtschaften und 20,7% des weltweiten BIP aus. Diesmal wird es wahrscheinlich einen synchronen Abschwung geben, anders als 1990-93, als der gestaffelte Zyklus zwischen den USA, Japan und Deutschland die „ziemlich langwierige“ Rezession abfederte. Der kommende Abschwung könnte viel tiefer sein. Ob er durch einen großen Finanzcrash ausgelöst oder von einer Reihe von Abwärtsspiralen auf den Finanzmärkten begleitet wird, bleibt abzuwarten. Angesichts des Ausmaßes der internationalen Schuldenkrise ist ein Crash sicherlich nicht auszuschließen.

Während das Tempo und Tiefe des Abschwungs nicht im Voraus vorhergesagt werden können, ist eines sicher: Er wird die Illusionen in die Macht des Marktes und den Erfolg des Kapitalismus erschüttern, die durch den Zusammenbruch der stalinistischen Staaten nach 1989 verstärkt wurden. Es wird einen tiefgreifenden Rückschlag gegen die Barbarei einer neuen Krise, die auf eine lange Periode neoliberaler Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse folgt, geben.


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