(eigene Übersetzung des englischen Textes in Militant Nr. 1006, 31. August 1990, S. 8 und 9)
Lynn Walsh schaut auf die Auswirkungen auf die Welt
Die Kräfte für einen Krieg im Nahen Osten sind vorhanden. Das massive Konzentrieren von US-Waffen und Truppen geht Tag und Nacht weiter.
Für den Moment scheint US-Präsident Bush von der Kante zurückgetreten zu sein, und Verhandlungen unter UN-Schirmherrschaft haben begonnen. Dennoch sind die USA, wie der französische Präsident Mitterand sagte, in „die Logik des Krieges“ eingetreten.
Bush und seine Berater*innen hoffen, dass Saddam von Offizieren gestürzt wird, die sich aus Kuwait zurückziehen und so die Notwendigkeit eines Militärschlags vermeiden. Aber sie sind unmissverständlich auf einen Krieg vorbereitet – und ein Krieg ist immer noch das wahrscheinliche Ergebnis.
Durch Jahrzehnte von Ausplünderung und Intervention hat der westliche Imperialismus einen Krisenhexenkessel im Nahen Osten geschaffen. Wieder einmal droht der US-Imperialismus zur Verteidigung seiner Macht und seines Profits damit, die Region in einen Krieg zu stürzen.
Natürlich sind die Arbeiter*innen in Großbritannien und anderswo tief besorgt über das Schicksal von Saddams Geiseln. Aber wenn es zum Krieg kommt, drohen Hunderttausenden Tod, Zerstörung und unsägliches Leid. Die Verantwortung für die Krise liegt bei den kapitalistischen Mächten, vor allem bei den USA, und Sozialist*innen überall müssen sich einer imperialistischen Intervention völlig widersetzen. Es ist beschämend, dass die Labour-Führung die Politik von Bush und Thatcher ohne Umschweife unterstützt.
Aber Sozialist*innen können die brutale Militär- und Polizei-Diktatur von Saddam Hussein auch nicht unterstützen, die die Macht und den Reichtum einer selbstsüchtigen Elite aufrechterhält. Sein Regime und ähnliche Regime haben die Probleme der arabischen Völker verschärft. Die Arbeiter*innenbewegung im Westen muss den Arbeiter*innen und andere ausgebeutete Klassen der Region ihre Unterstützung geben, den einzigen Kräften, die in der Lage sind, die Spirale von Krise und Krieg zu durchbrechen.
Der UN-Generalsekretär hat eine Verhandlungsrunde eingeleitet. Dies geschieht jedoch im Anschluss an einen Beschluss des Sicherheitsrates, der die Anwendung von Gewalt erlaubt, „wenn dies erforderlich ist“, um die Sanktionen wirksam zu machen. Vorläufig scheinen sich die irakischen Schiffe den Inspektionen durch westliche Kriegsschiffe zu unterwerfen. Aber ein einziger Zwischenfall könnte Feindseligkeiten auslösen.
Das Konzentrieren der US-Streitkräfte, die größte Operation seit dem Zweiten Weltkrieg, macht an sich schon einen Krieg wahrscheinlicher. Nach der Entsendung einer massiven Eingreiftruppe wird Bush mehr und mehr unter Druck gesetzt werden, sie in den Einsatz zu schicken. Die US-Armee und andere westliche Armeen können nicht auf unbestimmte Zeit in der Wüste sitzen bleiben. Und wie kann sich Saddam zurückziehen? Wie bei Galtieri und den Falklandinseln steht sein eigenes Überleben auf dem Spiel. Wenn Saddam glaubt, dass ein US-Angriff unvermeidlich ist, könnte er versuchen, ihm zuvorzukommen.
Ob es einen Krieg geben wird, hängt nicht mehr allein vom Kalkül Bushs, Saddams oder anderer führender Politiker*innen ab. Wenn konkurrierende Seestreitkräfte, Armeen und Luftstreitkräfte mobilisiert werden, nehmen die Ereignisse eine Eigendynamik an, und viele nicht quantifizierbare Faktoren werden in die Waagschale geworfen.
Wer auch immer den ersten Schritt macht, ein umfassender Krieg in der Golfregion würde barbarische Verwüstungen bedeuten. Es käme zu einer Explosion im Nahen Osten mit weltweitem Nachhall.
Die Vorstellung, dass die USA einen schnell wirksamen „chirurgischen Schlag“ ausführen können, wie vom ehemaligen US-Außenminister Kissinger befürwortet, ist eine Illusion.
Die USA verfügen über eine überlegene Waffentechnik, insbesondere bei Flugzeugen und Raketen. Sie könnten viele wichtige Einrichtungen in Kuwait und im Irak schnell ausschalten.
Aber um Kuwait zurückzuerobern, würde dies nicht ausreichen. Die USA müssten Saddams Militärmaschine vollständig zerschlagen. Dies würde eine massive Offensive gegen die irakischen Streitkräfte sowohl in Kuwait als auch im Irak selbst erfordern. Der „chirurgische Schlag“ würde schnell zu einer umfassenden Offensive eskalieren.
Dies haben die US-Strateg*innen erkannt. Die zu Beginn entsandten Kriegsschiffe und leicht bewaffneten Eingreiftruppen werden durch eine enorme Konzentration von Bodentruppen verstärkt.
Wahrscheinlich sind etwa 60.000 Bodentruppen in Stellung. Bis Mitte September werden es wahrscheinlich über 150.000 US-Truppen sein: das Minimum, das für jeden Versuch, Kuwait einzunehmen, erforderlich ist.
Die US-Führung hofft, dass sie, wenn sie eine überwältigenden militärischen Übermacht gegen Saddam zusammenziehen, in der Lage sind, eine Rebellion innerhalb des irakischen Offizierskorps herbeizuführen. Zweifellos tut die CIA ihr Bestes, um Spaltungen innerhalb der irakischen Armee zu nähren.
Wenn Saddam jedoch an der Macht bleibt, wird die Aufstockung der amerikanischen und westlichen Streitkräfte Bush zu einer Entscheidung zwingen.
Eine Offensive gegen den Irak wird ein Blutbad bedeuten. Der achtjährige Golfkrieg zwischen Irak und Iran, der eine Million Menschenleben kostete, hat die schreckliche Zerstörungskraft moderner „konventioneller“ Waffen gezeigt. Ein Vorstoß der USA zur Besetzung Kuwaits würde eine entsetzliche Zahl von Todesopfern zur Folge haben.
Eine Offensivaktion der USA würde darüber hinaus einen Massenwiderstand in der irakischen Bevölkerung hervorrufen, der zu einem Gemetzel von schlimmerem Ausmaß als der Krieg zwischen Iran und Irak führen könnte. Der Einsatz von barbarischen chemischen Waffen ist nicht auszuschließen.
Das Gewicht der materiellen Ressourcen begünstigt die USA. Der Irak ist isoliert, und das Embargo wird Saddam wahrscheinlich den größten Teil der lebenswichtigen Nahrungsmittel und Waren entziehen, die der Irak importieren muss. Die USA können Verstärkung und Nachschub heranschaffen.
Wenn es eine lange Belagerung gibt, wird das Engagement jedoch zu einer ernsten Belastung für die schwächelnde US-Wirtschaft. Langwierige Kämpfe, insbesondere mit hohen Verlusten an US-Soldat*innen und Pilot*innen, würden eine Massenopposition innerhalb der USA hervorrufen, wie im Vietnamkrieg. Dennoch ist das strategische Kräfteverhältnis auf kurze Sicht zugunsten der USA.
Ein militärischer Sieg, selbst wenn er recht schnell erreicht würde, würde jedoch nicht alle Probleme der USA lösen. Was wäre, wenn Saddam zerschlagen würde – das eigentliche Ziel der US-Politik? Ein neues Regime würde einen Berg von Problemen übernehmen. In dem Maße, wie es von der Unterstützung der USA abhängig wäre, würde es sich der Feindseligkeit der irakischen Massen gegenübersehen.
Der US-Imperialismus hätte es mit einem weiteren wackeligen Klient*innenstaat zu tun, mit sehr schlechten Aussichten, die Schockwellen zu überstehen, die auf die gegenwärtige Krise folgen werden.
Kehrtwende in der UdSSR
Die herrschende Bürokratie der UdSSR hat im Gefolge der Politik Gorbatschows den USA im Nahen Osten freie Hand gegeben.
Zuvor hatte Moskau unter Breschnew Klient*innendiktaturen wie die Saddams als Hebel für den Einfluss und das Prestige der Bürokratie in der Region aufgerüstet.
Diese Politik hatte nichts mit sozialistischem Internationalismus gemein, der die Unterstützung von Arbeiter*innenkämpfen einschließt. Die irakische Kommunistische Partei, die loyal zur stalinistischen Linie Moskaus stand, wurde von Saddam brutal unterdrückt.
Gorbatschows Hinwendung zu einer prokapitalistischen Marktpolitik innerhalb der Sowjetunion ging jedoch mit einer zunehmenden Annäherung an den Imperialismus auf der Weltbühne einher. Die Wirtschaftskrise in der Sowjetunion, die durch die enorme Last einer Militärmaschinerie, die es mit der der Vereinigten Staaten aufnehmen will, noch verschärft wird, macht es unmöglich, die Politik der Aufrüstung und Subventionierung der Klient*innen in der Dritten Welt fortzusetzen.
Der Kreml hat die Politik fallen gelassen, die militärische Gleichstellung Syriens mit Israel aufrechtzuerhalten. Dieser Wandel liegt hinter Assads jüngstem Kurswechsel: freundliche Annäherung an Mubarak, der zuvor wegen seiner pro-amerikanischen und pro-israelischen Haltung angeprangert wurde, und die Entsendung einer symbolischen syrischen Truppe nach Saudi-Arabien.
Der Niedergang Syriens als Regionalmacht hat das Anwachsen von Saddams militärischer Macht nur noch unterstrichen und seinen Ehrgeiz, die Region zu dominieren, weiter angeheizt.
Die Sowjetunion unterstützt nun die Position der UNO und erklärt, sie habe ihre Berater*innen und die Unterstützung für das irakische Militär zurückgezogen. Dies hat die Kritik eines Teils der militärischen Führung hervorgerufen, der ihre strategische Unterstützungspunkte aufgegeben sieht.
Die in letzter Zeit zunehmende Unterstützung des Westens bei der Konfrontation mit dem Iran hat Saddam zunehmend unabhängig von seinen Moskauer Patron*innen gemacht. Dennoch stammte die Hälfte seiner Waffenimporte im Wert von 13 Milliarden Dollar aus der UdSSR, der der Irak noch 3,8 Milliarden Pfund für Waffenkredite schuldet, die jetzt wahrscheinlich nicht zurückgezahlt werden.
Die gegenwärtige Lage unterstreicht den zynischen Opportunismus der Bürokratie. In der Vergangenheit unterstützte sie Regime wie das Saddams, sowohl gegen ihre eigenen ausgebeuteten Werktätigen als auch gegen den Imperialismus. Jetzt lässt sie unter dem Deckmantel der Unterstützung des Völkerrechts und der UNO dem US-Imperialismus praktisch unbegrenzten Spielraum für Interventionen. In Anlehnung an das wiedererwachte Vertrauen des Kremls in die UNO fordern Teile der Arbeiter*innenbewegung, dass alle Maßnahmen in den Händen des Sicherheitsrates liegen sollten. Aber die UNO sind in Wirklichkeit die Veruneinten Nationen, unfähig, nationale Gegensätze und grundlegende Klassenkonflikte zu versöhnen. Die derzeitige Einigkeit wird die Golfkrise nicht überleben.
Bush begrüßt natürlich die Legitimität, die die UNO der US-Politik verleiht. Die US-Strateg*innen fürchten die Massenreaktion im Nahen Osten und anderswo, die durch ein militärisches Eingreifen der USA ausgelöst werden würde.
Sie wissen auch, dass es wachsende Opposition im eigenen Land geben wird, wenn es zu einem langwierigen Konflikt kommt. Daher ist es weitaus besser, wenn die Verantwortung von der UNO geschultert wird.
Ihre Erklärungen, dass sie die UN-Charta uneingeschränkt unterstützen, sind reine Heuchelei. Zwei der wichtigsten Verbündeten der USA besetzen seit Jahren unrechtmäßig Gebiete: Israel hat seit 1967 arabische Gebiete besetzt: Die Türkei hält den nördlichen Teil Zyperns seit ihrer Invasion im Jahr 1974 besetzt.
Bush selbst hat die illegale Besetzung Panamas angeordnet und diente unter Reagan, als die USA illegale verdeckte Operationen durchführten, um die sandinistische Regierung in Nicaragua zu stürzen.
Bush hat schon deutlich gemacht, dass die USA im Alleingang handeln werden, wenn die UNO ihre wichtigen strategischen Ziele nicht unterstützt. Da die Möglichkeit einer irakischen Invasion in Saudi-Arabien in den Hintergrund getreten ist, wurden starke US- und andere Streitkräfte in der Region aufgebaut, und der Sicherheitsrat hat die Anwendung von Gewalt zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftsembargos gebilligt. Bush hat erklärt, dass die USA nicht über die UN-Politik hinausgehen werden.
Aber wenn die USA zu dem Punkt kommen, wo sie ein militärisches Handeln als unumgänglich betrachten, wird Bush eine solche Aktion mit oder ohne Zustimmung der UNO anordnen. Im Moment erheben weder die UdSSR noch China Einwände. Andere Mitglieder des Sicherheitsrates unterstützen den Versuch Saddams, die Ölpreise in die Höhe zu treiben, nicht.
Aber es ist noch früh. Eine militärische Aktion und vor allem eine radikale Reaktion der Massen der arabischen Staaten auf einen militärischen Angriff auf den Irak wird die scheinbare Einigkeit der UNO erschüttern.
Sollten wir Saddam unterstützen?
Sollte das irakische Regime da es jetzt mit der drohenden Militärintervention des US-Imperialismus konfrontiert ist, dessen Interessen denen der internationalen Arbeiter*innenklasse diametral entgegengesetzt sind, nicht die Unterstützung der weltweiten Arbeiter*innenbewegung erhalten? Eine solche Position würde den wahren Charakter und die Rolle des Saddam-Regimes ignorieren.
Dem Baathistische Regime, von Anfang an eine bonapartistische Diktatur, wurde 1963 von den USA an die Macht geholfen. Es hat seine Herrschaft durchgängig durch Unterdrückung aufrechterhalten: Deportationen, Inhaftierungen und Hinrichtungen.
Es ist für den Völkermord am kurdischen Volk verantwortlich. Keine unabhängigen, demokratischen Organisationen der Arbeiter*innenklasse werden geduldet.
Die enormen Öleinnahmen des Landes wurden dazu verwendet, den Reichtum der Elite, insbesondere von Saddams Führungszirkel, zu vergrößern und einen Militärstaat aufzubauen.
Nach der iranischen Revolution, die die Interessen der USA in der Region bedrohte, verstärkten die USA erneut ihre Unterstützung für Saddam und bauten seinen Militärapparat noch weiter aus. Sein Einmarsch in den Iran, ein klarer Verstoß gegen die UN-Charta, hielt die USA nicht davon ab, ihn zu unterstützen.
Der Krieg gegen den Iran wurde nicht zur Verteidigung lebenswichtiger Interessen des irakischen Volkes geführt. Seit der Invasion in Kuwait hat Saddam mit der iranischen Regierung eine Vereinbarung über die Grenze getroffen, die angeblich im Mittelpunkt des Konflikts stand – eine zynische Kehrtwende in Bezug auf ein „Prinzip“, das eine Million Menschenleben gekostet hat. Eine von Saddams Bedingungen war zudem, dass der Iran die Unterstützung der Kurd*innen einstellen sollte.
Jetzt versucht die Rafsandschani-Führung im Iran – nicht ohne Widerstand der Fundamentalist*innen – die neue Lage zu nutzen, um freundlichere Beziehungen zum US-Imperialismus zu knüpfen. Die iranische Regierung möchte von den USA Unterstützung beim Wiederaufbau ihrer zerrütteten Wirtschaft erhalten, während die USA, die von ihrem früheren Haustier gebissen wurden, das Potenzial des Irans als Verbündeter neu einschätzen. Das ist Realpolitik – eine Politik, die vom Streben nach Reichtum und Macht bestimmt wird, unbelastet von unbequemen Prinzipien.
Für Saddam stand im Golfkrieg in Wirklichkeit die Macht und das Prestige seines Regimes und sein Streben nach Vorherrschaft in der Golfregion auf dem Spiel. Jetzt kann er die formalen Ziele des Krieges aufgeben, denn mit Hilfe der USA hat er sein eigentliches Ziel bereits erreicht: die dominierende Militärmacht der Region zu werden.
Die USA intervenieren für ihre eigenen Ziele. Daraus folgt jedoch keineswegs, dass Saddam die Interessen der ausgebeuteten Massen der Region verteidigt.
Anfänglich mag Saddam Unterstützung der von den Klient*innenregimen der USA Unterdrückten gewinnen. Aber er vertritt eine nationale bonapartistische Elite, nicht die Interessen der arabischen Massen.
Er hat eine korrupte, autokratische königliche Clique in Kuwait vertrieben, aber er subventioniert und unterstützt die haschemitische Monarchie Husseins in Jordanien – ein Grund für das Zögern des letzteren, die Sanktionen gegen den Irak strikt durchzusetzen, trotz seiner nominellen Unterstützung der UN-Politik.
Militärische Konfrontation der USA mit Saddam wird keine Niederlage Israels und Rückgabe der besetzten Gebiete an das palästinensische Volk herbeiführen. Die nationale und soziale Befreiung der Palästinenser*innen und der arabischen Völker hängt generell von ihren eigenen Massenkämpfen ab – ein Gräuel für einen Militär- und Polizeidiktator wie Saddam.
Saddams militärisches Abenteuer, das selbst in den vom Imperialismus geschaffenen Widersprüchen wurzelt, wird die Region erneut in Aufruhr versetzen. Selbst wenn die USA Saddam militärisch besiegen können, wird der Imperialismus vor neuen Umwälzungen stehen.
Regime, auf die sich die USA für Unterstützung gestützt haben, wie Mubaraks in Ägypten und Husseins in Jordanien, könnten in diesem Strudel untergehen. Revolutionäre Massenbewegungen könnten im Gefolge des Krieges ausgelöst werden, wenn die Krise zum Krieg führt: aber das wird ein Nebenprodukt von Saddams Abenteuer sein, nicht das Ergebnis einer Strategie, die in irgendeiner Weise fortschrittlich ist.
Die langfristigen Kosten
Der Ölpreis ist auf über 32 Dollar pro Barrel gestiegen, den höchsten Preis seit 1982. Real ist das immer noch die Hälfte des Höchstpreises von 1974. Die OPEC ist in Unordnung. Saudi-Arabien und Venezuela haben bereits angedeutet, dass sie ihre Produktion einseitig erhöhen und die Preise senken werden, wenn die OPEC sich nicht auf höhere Förderquoten einigt.
Ein solches Vorgehen würde die Auswirkungen der durch den UN-Boykott bedingten Produktionsausfälle im Irak und in Kuwait ausgleichen. Die Preise an den Zapfsäulen im Westen steigen jedoch, weil die großen Ölgesellschaften trotz der massiven Vorräte, die sie in der Zeit sehr niedriger Preise angelegt haben, ihre aktuellen Verkaufspreise auf der Grundlage der Kosten für die Wiederbeschaffung ihrer Vorräte heute und morgen festlegen. Wie nach den Preiserhöhungen von 1974 und 1979 werden sie ihre Profite zweifellos erheblich steigern.
Höhere Preise an den Zapfsäulen werden wiederum schnell zu höheren Transport- und Produktionskosten führen, was die Inflation in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern beschleunigt – und verheerende Auswirkungen auf die schuldengeplagten unterentwickelten Länder hat.
Weltbörsen haben wegen der Angst um die Ölversorgung starke Kursrückgänge erlebt. Eine militärische Intervention der USA, die letztlich auf die Sicherung der Ölversorgung abzielt, könnte tatsächlich zu einer ernsthaften Unterbrechung der Versorgung und sogar zur Zerstörung von Ölfeldern im Irak, in Kuwait und Saudi-Arabien führen. Die Verknappung der OPEC würde dann den Rohölpreis in die Höhe treiben.
Auch wenn der derzeitige Preisanstieg viel geringer ausfällt als die ersten beiden „Ölschocks“, könnte er – zusammen mit den Befürchtungen über die künftige Versorgung – „der letzte Strohhalm sein, der die US-Wirtschaft in die Rezession stürzt“, so die „Financial Times“.
Eine langgezogene Militärpräsenz im Nahen Osten, die bereits jetzt schätzungsweise 1 Milliarde Dollar pro Tag kostet, wird die „Friedensdividende“ des Abbaus der US-Streitkräfte in Westeuropa zunichte machen.
Eine Militäroperation gegen Saddam würde die Finanzen der US-Regierung noch stärker belasten. Ob mit oder ohne Krieg, es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis die jetzt an den Golf entsandten Streitkräfte abgebaut werden können.
Die gegenwärtige Krise unterstreicht die Tatsache, dass die USA militärisch immer noch die vorherrschende Supermacht in der Welt sind. Dies wird durch den Rückgang der Fähigkeit der UdSSR unterstrichen, in der Weltarena zu intervenieren.
Wirtschaftlich jedoch genießt der US-Kapitalismus nicht mehr die unbestrittene Vormachtstellung, die er nach dem Zweiten Weltkrieg hatte. Er hat seinen massiven Vorsprung bei Produktivität und technischer Kapazität eingebüßt und nun konkurrieren Deutschland und Japan mit ihm, die nicht durch massive Rüstungsausgaben belastet wurden.
Das Geltendmachen der militärischen Macht der USA im Nahen Osten wird den Widerspruch zwischen der strategischen Macht des US-Imperialismus und seiner geschwächten wirtschaftlichen Position verschärfen.
Letztlich werden die US-Arbeiter*innen, die bereits seit über einem Jahrzehnt unter einem sinkenden Lebensstandard leiden, die zusätzlichen Kosten der militärischen Intervention bezahlen.
Bushs Politik mag im Moment populär erscheinen. Aber es gibt keine schnellen, schmerzlosen, billigen Lösungen für den US-Imperialismus.
Die Auswirkungen von Bushs Nahostpolitik innerhalb der USA, insbesondere wenn höhere Steuerrechnungen ausgestellt werden und wenn Leichensäcke aus dem Golf eintreffen, werden auf die herrschende Klasse zurückschlagen. Bush trägt dazu bei, die Bedingungen für eine massive Bewegung der US-Arbeiter*innenklasse in Opposition zur Politik der Großkonzerne zu schaffen.
Saddam könnte sein jüngstes militärisches Abenteuer durchaus bereuen. Doch für den US-Imperialismus wird sich ein erneutes Engagement im Cockpit des Nahen Ostens trotz seiner Supermacht weitaus schmerzhafter und kostspieliger erweisen, als Bush und Co. sich vorstellen können. Die Region ist ein Hexenkessel explosiver Stoffe, der darauf wartet, zu explodieren, und die Schockwellen werden die gesamte kapitalistische Welt erschüttern.
Die blutige Rolle des Imperialismus, die durch die Verbrechen der Marionetten-Diktatoren der Region noch verschärft wird, lässt nur einen Schluss zu: Nur die Arbeiter*innenklasse kann die Gesellschaft aus dem Sumpf von Armut, Unterdrückung und schrecklichem Krieg herausziehen.
Wir lehnen die Intervention der USA und anderer kapitalistischer Mächte ab. Wir geben weder Saddams Polizeistaat noch rivalisierende Diktator*innen Unterstützung. Wir stehen für einen demokratischen und sozialistischen Irak. Nur ein internationalistisches Programm kann einen Ausweg aus den vom Imperialismus geschaffenen nationalen Fallen bieten. Deshalb stehen wir für eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens.
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