(Socialism Today, Nr. 3, November 1995, S. 5)
Im Kern des US-Plans ist eine zynische Fiktion für eine politische Lösung in Bosnien: dass Bosnien-Herzegowina als souveränes Gebilde fortbestehen werde, mit einer verfassungsmäßigen Struktur, die die Interessen von Muslimas/Muslimen, Kroat*innen und Serb*innen versöhnen und ausgleichen werde. In Wirklichkeit wird es de facto eine Teilung geben, mit dem Akzeptieren von drei „ethnisch gesäuberte“ Zonen: ein Großkroatien, ein Großserbien und ein autonomer bosnischer Rumpf – ein muslimisch dominierter Ministaat, der faktisch mehr oder weniger ein Anhängsel Kroatiens sein wird. Eine ausgeklügelte dreigliedrige Struktur hätte, selbst wenn sie unter dem Druck der USA zustande käme, nicht mehr Überlebenschancen als der Libanon, der im maronitisch-christlich-arabisch-palästinensischen Bürgerkrieg in den späten 1970er Jahren gesprengt wurde. Und ihre Halbwertszeit wäre viel kürzer.
Nur die bosnisch-muslimische Führung unter Izetbegović hat ein wirkliches Interesse an einer solchen Struktur, in der Hoffnung, dass sie ihr einen gewissen Status oder Prestige geben könnte. Sowohl Tudjmans kroatisches Regime als auch die serbische Achse Milošević-Mladić-Karadžić würden die Teilung weiter festigen.
Der derzeitige instabile Waffenstillstand ist nur möglich, weil keine der Kriegsparteien glaubt, durch fortgesetzte Kämpfe wesentliche Fortschritte erzielen zu können. Während die USA versuchen, die Landkarte am Verhandlungstisch zu bereinigen, werden die mörderischen sektiererischen Paramilitärs – kroatische, serbische und muslimische – weiterhin mit den verbleibenden Minderheiten in ihren Gebieten brutal „aufräumen“.
Als Ergebnis der jüngsten Kämpfe in Westbosnien wurde das von den Serb*innen kontrollierte Gebiet von 70 % auf einen Anteil reduziert, der dem von der westlichen Kontaktgruppe vorgeschlagenen Wert von 49 % nahe kommt. Milošević und Mladić befürchten, dass sie bei weiteren Kämpfen noch mehr an Boden verlieren könnten, während die kroatisch-bosnischen Streitkräfte bis an ihre Grenzen belastet sind und Tudjman wahrscheinlich befürchtet, dass weitere Kämpfe ihre jüngsten Erfolge gefährden könnten.
In den 42 Monaten des Krieges wurden in Bosnien mehr als 200.000 Menschen abgeschlachtet und 1,8 Mio. vertrieben, etwa 400.000 allein in den letzten drei Monaten. Die Zukunft muslimischer Enklaven wie Goražde, des kroatischen Ostslawoniens, das nach wie vor unter serbischer Kontrolle steht, das Schicksal gestrandeter Minderheiten und von Legionen inhaftierter oder „verschwundener“ junger Männer bleiben ungewiss. Leider wird eine Einigung nicht das Ende des Leidens bedeuten. Das von den USA vermittelte Abkommen wird weder historische Missstände beseitigen, noch die Menschen in die Städte und auf das Land zurückbringen, von wo sie vertrieben wurden, noch Lösungen für brennende wirtschaftliche und soziale Probleme bieten.
Der Ruf der UNO, die nun an den Rand gedrängt wurde, ist erschüttert. Die UNO hat sich als humanitäre Hilfsorganisation als völlig unwirksam und als friedenserhaltende Kraft als mehr als nutzlos erwiesen. Die USA haben nun mit eifriger Unterstützung des deutschen Kapitalismus die UNO beiseite geschoben, die kroatischen Streitkräfte verdeckt bewaffnet (entgegen der UN-Sanktionspolitik) und NATO-Truppen eingesetzt, um die von ihnen bevorzugte Lösung durchzusetzen.
Präsident Clinton wurde von der Notwendigkeit angespornt, in einem vor-Wahl-Jahr in den Augen der US-Wähler*innen außenpolitische Erfolge zu verbuchen. Gleichzeitig ist der US-Imperialismus bestrebt, eine kroatisch-bosnische Föderation (in Wirklichkeit einen Klienten der USA) als Bollwerk gegen Serbien aufzubauen, das Washington als Frontvertretung eines expansionistischen Russlands betrachtet, das versucht, seine Einflusssphäre auf dem Balkan zu etablieren. Der Plan der Westmächte, eine Regelung mit NATO-Truppen zu überwachen, birgt die Aussicht auf einen offenen Konflikt mit Russland, das nicht zustimmen wird, seine Streitkräfte unter das Kommando der NATO, in Wirklichkeit der USA, zu stellen.
In diesen Manövern sehen wir die Vorboten eines neuen Ost-West-Konflikts zwischen dem US-Imperialismus und einem aufstrebenden russischen Kapitalismus, der sich als Regionalmacht zu etablieren strebt.
Lynn Walsh
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