Leo Trotzki: Brief an Jan Frankel

[29. April 1933, eigene Rückübersetzung des englischen Textes, „Empfehlungen an das IS“]

Lieber Jan,

hiermit antworte ich auf Ihren Brief vom 23. April. Ihre Malaria ist ein großes Unglück. Sie müssen auf jeden Fall einen guten Spezialisten aufsuchen.

1. Sie beklagen sich, dass die Redaktion von „Unser Wort“ keine Briefe beantwortet. Otto schreibt seinerseits, dass das Internationale Sekretariat seine Briefe nicht beantwortet. Es ist unmöglich, darin etwas zu verstehen. Ich denke, Sie geben unzuverlässige Adressen an, wo die Briefe herumliegen oder verloren gehen. Die meisten Länder schreiben an Raymond. Ist es nicht möglich, eine unbedenklichere Adresse zu finden? Es ist auch möglich, dass die Beschwerden über das IS aus der Zeit stammen, bevor Sie in Paris waren.

2. Wenn das Plenum nicht verschoben wird, kann ich keine Dokumente für das Plenum erstellen – so gerne ich das auch tun würde.

Zur Frage der alten und der neuen Partei in Deutschland sollte das Plenum natürlich seine Meinung äußern, aber nicht so, dass es den Anschein erweckt, der deutschen Sektion einen direkten „Befehl“ zu erteilen. Man muss ihnen Zeit geben, sich mit der neuen Lage vertraut zu machen und sich an die neue Perspektive zu gewöhnen.

3. Was die technischen Fragen im Zusammenhang mit Deutschland betrifft, so können sie nur unter der Voraussetzung gelöst werden, dass die Zeitung richtig herausgebracht wird. Die Lage in Deutschland ist so, dass die Zeitung hauptsächlich aus Mitteln außerhalb des Landes finanziert werden muss. In allen deutschsprachigen Ländern und überall dort, wo es deutsche Emigranten gibt, müssen Abonnenten und Verteiler für die Zeitung gewonnen werden. Ich glaube, dass dies durchaus möglich ist.

4. Die von Ihnen aufgeworfene Überlegung, dass die linke Opposition in jedem Land mehr Eigenständigkeit und Initiative zeigen sollte, insbesondere gegenüber den linken Sozialdemokraten, ist absolut richtig. Wie der Brief, den ich von Krieger aus Österreich erhalten habe, zeigt, wächst die linke Opposition innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie rasch, und die Sympathie für uns wächst in ihrer Mitte. Wir müssen auf ähnliche Entwicklungen in anderen Ländern achten. Diese Frage muss als besonderer Punkt auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt werden. Jede Sektion muss verpflichtet sein, die Vorgänge innerhalb der Sozialdemokratie in ihrem Land genau zu verfolgen, ihre eigenen Kerne [innerhalb der sozialdemokratischen Partei] zu bilden und Aufrufe zu erlassen, die keinen abstrakten Charakter haben, sondern sich an den tatsächlichen inneren Vorgängen innerhalb der Sozialdemokratie orientieren. Das ist jetzt eine sehr wichtige Frage.

5. Ich habe gerade einen großen Artikel für die russischen „Biulleten“ und die ausländische Presse fertiggestellt, „Probleme des Sowjetregimes: Die Theorie der Degeneration und die Degeneration der Theorie“. Er wird gerade ins Französische und Deutsche übersetzt und wird Ihnen morgen oder übermorgen zugeschickt.

6. In Deutschland beklagen sich die Provinzen – alle, nicht nur Leipzig – über die Führung in Berlin. Diese Beschwerden sind nicht sehr ernst. Die Führung kann unter den gegenwärtigen Umständen keine sehr großen Initiativen ergreifen; sie hat weder die Leute noch die Mittel noch die technischen Ressourcen. All diese Dinge können nur schrittweise auf der Grundlage von Initiativen in den Provinzen aufgebaut werden. Die lokalen Organisationen verwandeln ihre eigene Ohnmacht oft in an die Zentrale gerichtete Beschwerden. Dagegen müssen wir ankämpfen und die lokalen Organisationen auffordern, selbst Initiativen zu ergreifen.

7. Zur SAP habe ich einen Artikel in Briefform geschrieben, der Ihnen auf Russisch zugesandt wurde. Dieses Stück wurde hier nicht ins Deutsche übersetzt.

Ich habe von Thomas‘ möglicher Reise hierher gehört, allerdings in äußerst unklarer Form.

Für die Verbindungen zur SAP sollte das Sekretariat meines Erachtens auf Neurath zurückgreifen, der all diese Leute gut kennt und ein hohes Interesse daran hat, sie für uns zu gewinnen.

8. Es ist gut, dass Goldenberg von den Toten auferstanden ist. Ich hatte alles Material über ihn zusammengetragen (seine Artikel, seine Dissertation und seine Briefe an mich), um einen Nachruf über ihn zu schreiben. Es ist mir eine Freude, diese Arbeit fallen zu lassen. Richten Sie ihm meine Grüße aus, wenn Sie ihn sehen, und meine Hoffnung, dass er sich energisch dafür einsetzen wird, unsere Organisationen einander näher zu bringen.

9. Was Sie über die NOI berichten, finde ich äußerst erstaunlich. Ich habe keine Unterlagen über den Ausschluss von Blasco und den anderen erhalten. Mit welcher Begründung wurde dies getan? Aus Ihrem Brief kann man den Schluss ziehen, dass ein Bruch unvermeidlich ist und dass die Frage nur ist, in welcher Form er erfolgen soll. Ich bin aufs Höchste erstaunt. Von prinzipiellen Differenzen habe ich nichts gehört. Anscheinend liegt die Grundlage für den Konflikt in den Beziehungen zwischen der NOI und der Liga. Wenn das so ist, müssen wir der NOI ernsthafte Zugeständnisse machen, d.h. ihr erlauben, nicht der Liga beizutreten, sondern ihre Arbeit völlig unabhängig fortzusetzen. Mir scheint, dass in Bezug auf die NOI falsche Erklärungen abgegeben und falsche Schritte unternommen wurden, die die Empfindlichkeiten der Emigrantenkreise besonders tief verletzen mussten. Diese Fehler müssen korrigiert werden, anstatt sie zu vertiefen und bis hin zu einer Spaltung zu führen.

10. Die Erfolge in Südamerika sind sehr erfreulich, aber wir dürfen nicht vergessen, dass sich Südamerika zum größten Teil der spanischen Literatur bedient. Wir sollten die Aufmerksamkeit aller unserer südamerikanischen Sektionen besonders auf unsere Differenzen mit der spanischen Sektion lenken. Es wäre gut, ihnen meine Korrespondenz mit Nin und meine letzten beiden Briefe, die sich mit spanischen Angelegenheiten befassen, auf Spanisch zu schicken.

Grüße und beste Wünsche.

Ihr,

L.T.


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