[eigene Übersetzung nach: Militant International Review’, Nr. 1, Herbst 1969, S. 36-59]
Das Dokument der im Juni abgehaltenen Kommunistischen Weltkonferenz markiert eine neue Etappe in ihrem Auseinanderbrechen in ihre Bestandteile. Viele Arbeiter*innen, die nach links schauen, werden von der von [der britischen KP-Zentrale] King Street befürworteten scheinbar leichten Politik angesteckt. Tatsächlich ergänzen sie nur die Politik des rechten Flügels und leiten viele linke Arbeiter*innen irre, die den Weg zum Marxismus zu finden versuchen. Sie verstärken die Vorurteile des Tribune-Flügels und der Gewerkschafts„linken“. Deshalb entschuldigen wir uns nicht dafür, dass wir dieses angeblich marxistische Dokument ausführlich zitieren und analysieren. Mitglieder der Kommunistischen Partei, die gewissenhaft versuchen, die marxistische Methode anzuwenden, müssen es zu ihrer Pflicht machen, die gegenwärtig bestehenden Unterschiede innerhalb und zwischen den Kommunistischen Parteien und den „sozialistischen“ Ländern zu untersuchen und zu erklären.
Das Dokument konzentriert sich auf drei Dinge: Den Kampf gegen den Imperialismus, den Kampf für Frieden und den Vietnamkrieg und die Beziehungen zwischen „kommunistischen“ Ländern und Parteien.
Imperialismus
„Das Treffen diskutierte dringende Aufgaben des Kampfs gegen den Imperialismus und Probleme der Aktionseinheit von Kommunisten und allen anderen antiimperialistischen Kräften.“
Viele richtige Aussagen werden gemacht, aber keine wirkliche Erklärung für die Ursachen des Imperialismus und die Mittel für den Kampf gegen ihn wird vertreten. Eine Aussage, die gemacht wird, ist, dass
„es dank der wachsenden wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht und friedliebenden Außenpolitik der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten; der Aktion des internationalen Proletariats und aller Kämpfer gegen den Imperialismus; dem Kampf für nationale Befreiung; und auch der massiven Friedensbewegung möglich gewesen ist, den Ausbruch eines Weltkriegs zu verhindern. Der Sozialismus, der auf einem Drittel des Erdballs triumphiert hat, hat im weltweiten Kampf um die Herzen und Hirne der Menschen neue Erfolge eingefahren.“
Es ist wahr, dass die mächtigen Wirtschaftskräfte, die in der Sowjetunion wegen der Oktoberrevolution und wegen der Zerstörung von Großgrundbesitz und Kapitalismus in einem Drittel der Welt aufgebaut werden konnten, ein Faktor in der Lage sind. Aber das erklärt nicht, warum seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs jedes Jahr Krieg im lokalen Maßstab stattgefunden hat und warum gegenwärtig in Vietnam und Nigeria Kriege wüten. Wenn kein Weltkrieg ausgebrochen ist, dann war das trotz der sogenannten „friedliebenden“ Politik der russischen Bürokrat*innen, die durch ihre Politik gegenüber China (und umgekehrt) und durch ihren Einmarsch in der Tschechoslowakei [1968] und die brutale Unterdrückung der ungarischen Revolution [1956] in die Hände des Imperialismus gespielt haben.
Nirgendwo in dem Dokument wird eine wirkliche Analyse des Imperialismus unternommen. Es wird nicht erklärt, dass er direkt aus dem Kapitalismus erwächst und sowohl von demokratischer als auch reaktionärer Politik untrennbar ist. Wie Lenin in seinem Buch zu dem Thema sorgfältig erklärte, ist Imperialismus ein notwendiges Produkt der Entwicklung des Kapitalismus und des Kapitalexports, den sie einschließt.
Es ist nicht angeborene Schwäche oder Erbsünde, die die Politik der kapitalistischen Mächte bestimmt, sondern sie ist das notwendige Ergebnis von inneren und äußeren Widersprüchen. Der Kapitalismus hatte seit dem Zweiten Weltkrieg einen ungeheuren Wirtschaftsaufschwung,* obwohl ein Drittel der Welt nichtkapitalistisch ist und trotz des Kampfes der Völker der Kolonialländer für nationale Freiheit und sogar in untergeordnetem Maße wegen dieser Faktoren. Dieser Aufschwung war die Grundlage für die Zunahme der „liberalen“ Politik der kapitalistischen Klasse im letzten Vierteljahrhundert. Der Anteil der Arbeiter*innenklasse am gesamten Nationalprodukt ist zwar, wie das Dokument richtig sagt, relativ gefallen, aber große Teile der Arbeiter*innenklasse in den führenden kapitalistischen Ländern haben ihren Anteil absolut erhöht. So wird die wirtschaftliche Grundlage geschaffen für Reformen und die Stärkung der Arbeiter*innenklasse und gleichzeitig für die Ausdehnung der Macht der herrschenden Klasse. Aber der Kampf gegen den Imperialismus kann nur erfolgreich geführt werden, wenn der Arbeiter*innenklasse eine klare antiimperialistische Führung gegeben wird. Es stimmt, dass
„jede imperialistische Macht ihre eigenen Ziele verfolgt. Gleichzeitig bilden sie die Kette des Weltsystems des Imperialismus.“
„Der heutige Imperialismus, der versucht, sich an die Bedingungen des Kampfs zwischen den zwei Systemen und die Anforderungen der wissenschaftlichen und technologischen Revolution anzupassen, hat ein paar neue Merkmale. Sein staatsmonopolistischer Charakter ist ausgeprägter geworden. Er greift noch dringlicher zu solchen Instrumenten wie staatlich angeregter monopolistischer Konzentration von Produktion und Kapital, Umverteilung eines immer mehr wachsenden Teils des Volkseinkommens durch den Staat, Kriegs[rüstungs]verträge für Monopole, Finanzierung von industriellen Entwicklungen und Forschungsprogrammen durch Regierungen, das Entwerfen von wirtschaftlichen Entwicklungsplänen im landesweiten Maßstab, die Politik der imperialistischen Integration und neue Formen des Kapitalexports.“
„Die staatsmonopolistische Regulierung, die in Formen und in einem Ausmaß ausgeübt wird, die den Interessen des Monopolkapitals dient und auf die Bewahrung seiner Herrschaft abzielt, ist jedoch unfähig, die spontanen Kräfte des kapitalistischen Marktes zu kontrollieren. Praktisch kein kapitalistischer Staat konnte beachtliche zyklische Schwankungen und schwere Krisen in seiner Wirtschaft vermeiden, in manchen Ländern wechseln Perioden von schnellem industriellen Wachstum mit Perioden ab, in denen die Produktion langsamer wächst und oft zurückgeht. Das kapitalistische System ist im Griff einer akuten Geld- und Finanzkrise.
Die wissenschaftliche und technologische Revolution bietet der Menschheit beispiellose Möglichkeiten, die Natur umzugestalten, ungeheuren materiellen Reichtum zu erzeugen und die kreativen Fähigkeiten des Menschen zu vervielfachen. Diese Möglichkeiten sollten dem allgemeinen Wohlstand dienen, aber der Kapitalismus verwendet die wissenschaftliche und technologische Revolution, um seine Profite zu steigern und die Ausbeutung der arbeitenden Menschen zu intensivieren …
… Selbst in den entwickeltesten kapitalistischen Ländern leiden Millionen Menschen unter der Qual von Arbeitslosigkeit, Mangel und Unsicherheit. Im Gegensatz zu Behauptungen über ,Revolution in den Einkommen‘ und ,Sozialpartnerschaft‘ nimmt die kapitalistische Ausbeutung tatsächlich zu. Der Lohnanstieg bleibt weit hinter den Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität und Arbeitsintensität, hinter den gesellschaftlichen Bedürfnissen und noch mehr hinter dem Wachstum der Monopolprofite zurück. Die Stellung der Kleinbauern verschlechtert sich weiter und die Lebensbedingungen eines beachtlichen Teils der Mittelschichten werden schwieriger.
Wachsende Krise
Die Instabilität des kapitalistischen Systems hat zugenommen. Gesellschaftliche und politische Krisen brechen in vielen Ländern aus, in deren Verlauf sich die arbeitenden Menschen der Notwendigkeit tiefgehender und entscheidender Änderungen bewusst werden.
Dies wird vor allem durch die Ereignisse in Frankreich im Mai und Juni 1968 deutlich, aus der mächtigen Streikbewegung dort, in der die Kommunisten eine wichtige Rolle spielten und die Arbeiterklasse beachtliche Erfolge erzielte. In diesem Land fand ein ernsthafter Zusammenstoß zwischen der Arbeiterklasse und beachtlichen Teilen der Intellektuellen und Studenten auf der einen Seite und dem gaullistischen Regime und der Monopolherrschaft auf der anderen Seite statt. Dieser Zusammenstoß eröffnete neue Möglichkeiten für den Kampf für Demokratie und Sozialismus.“
All diese Faktoren sollten die Kommunistischen Parteien im Westen dazu führen, den Weg für den Kampf um die Macht vorzubereiten, wenn sie revolutionäre Strömungen geblieben wären. Die Mittelschicht der Bäuer*innen, Angestellten, Kleinunternehmer*innen und Ladenbesitzer*innen kann nur durch unversöhnlichen Kampf gegen den Kapitalismusgewonnen werden, der der Vater des Imperialismus ist. Die Politik der Kommunistischen Parteien, die die Zustimmung Moskaus hat, ist im Gegenteil für eine Vereinbarung mit sogenannten „fortschrittlichen“ Teilen der kapitalistischen Klasse. Das Dokument stellt zustimmend fest, dass die finnische Kommunistische Partei in der Regierung ist. Lenin kämpfte sein ganzes Leben lang gegen die „Koalitionspolitik“ oder, in ihrer modernen Version, „Volksfrontpolitik“. Hinter dem Rücken der Volksfront wird die Reaktion ihre Kräfte vorbereiten. Nur ein Klassenprogramm, eine Erklärung der Widersprüche des Kapitalismus und sozialistischer Lösungen in Klassenausdrücken können die Probleme der arbeitenden Menschen lösen. Sogenannte Regierungen der „demokratischen Front“ können nur den Weg für Desillusionierung und Verzweiflung innerhalb der Arbeiter*innenklasse und der Volksmasse bereiten. Es ist nicht genug, die Theorien und Unzulänglichkeiten des Kapitalismus zu „entlarven“, man muss auch eine Alternative bieten. Es ist kein Zufall, dass ständig auf den Imperialismus Bezug genommen wird, wo Kapitalismus ein besseres Wort wäre. Aber mit der demagogischen Forderung nach einer Volksfront wird vermischt, dass „die Monopolkapitalisten überall die Illusion zu schaffen versuchen, dass alles, was die arbeitenden Menschen erstreben, ohne eine revolutionäre Umgestaltung des bestehenden Systems erreicht werden kann.“ Aber wie kann eine revolutionäre Umgestaltung ohne den Sturz des Kapitalismus und die Vorbereitung der Menschen auf diesen Sturz erreicht werden? Wie die ganze Geschichte zeigt, ist Koalition eine riesige Falle für die Arbeiter*innenklasse. Sie findet nur statt, wenn die Kapitalist*innen keine anderen Mittel finden können, um die Masse des Volks unter Kontrolle zu halten. Koalitionen oder Volksfronten finden nur in Zeiten großer Schwierigkeit und gesellschaftlicher Krise für den Kapitalismus statt. Warum sollten die Kapitalist*innen oder die sogenannten „Fortschrittlichen“, die den Kapitalismus vertreten, mit den Kräften der Arbeiter*innenklasse eine Vereinbarung treffen wenn die Arbeiter*innenklasse und die sie unterstützenden Massen nicht stark genug für ihren Sturz sind? Wenn sie auf der anderen Seite stark genug für den Sturz des Kapitalismus sind, warum sollten sie sich dann darauf einlassen, gerade kurz vor dem Sturz des Kapitalismus und der Durchführung einer „revolutionären Umgestaltung des bestehenden Systems“ haltzumachen? Wenn die Kapitalist*innen zustimmen, Kommunist*innen und Sozialist*innen in der Regierung zu haben, kann das nur den Zweck haben, sie in den Augen der Arbeiter*innenklasse zu diskreditieren. Was würde zum Beispiel in Italien geändert, wenn die „Kommunist*innen“ der Koalition aus Christdemokrat*innen und Sozialist*innen hinzugefügt würden, die bisher die Macht hatten?
Es ist nicht genug, die Verbrechen des Imperialismus aufzulisten, die „Schuld an zwei Weltkriegen“, die durchgeknallten Rassist*innen, Hitler und Mussolini. Es ist der Kapitalismus, der den Imperialismus hervorbrachte. Daher kann nur die Zerstörung des Kapitalismus den Aufstieg neuer durchgeknallter Rassist*innen unter Bedingungen gesellschaftlicher Krise verhindern. Das Großkapital finanzierte, bewaffnete und organisierte die faschistischen Banden zum Zweck der Zerstörung der Organisationen der Arbeiter*innenklasse. Es ist ein Verbrechen, eine Falle und eine Täuschung der Arbeiter*innenklasse, sich einzubilden, dass den Bedürfnissen der Arbeiter*innenklasse, den Interessen der Arbeiter*innenklasse anders gedient werden kann als durch die Machtübernahme und die Errichtung einer Arbeiter*innendemokratie. Es ist nicht ohne Grund, dass nirgends in der Propaganda und „Theorie“ der sogenannten Kommunistischen Parteien eine Analyse für den Sieg des Faschismus in Deutschland, Italien und Spanien gemacht wurde. Auch nicht davon, was mit den Nachkriegskoalitionen „fortschrittlicher Kräfte“ mit den Kommunistischen Parteien in Westeuropa wurde. Sobald sie die Drecksarbeit der Rettung des Kapitalismus vor der unmittelbaren gesellschaftlichen Krise gemacht hatten, wurden sie unrühmlich aus der Regierung geschmissen. Sie spielten dieselbe Rolle, die die Menschewiki und Sozialrevolutionär*innen in der Russischen Revolution spielten. Alle bewussten Labour- und kommunistischen Arbeiter*innen sollten die Lehren des revolutionären Sieges von 1917 und die vernichtenden Niederlagen studieren, die vom Stalinismus und Reformismus in den fortgeschrittenen Ländern herbeigeführt wurden.
„Friedliche Koexistenz“
Der Abschnitt über die innerimperialistischen Widersprüche zeigt die wirklichen Ideen der herrschenden Clique in Moskau und der Satelliten.
„Auch innerhalb der herrschenden Kreise der imperialistischen Länder werden die Widersprüche tiefer zwischen den kriegerischsten Gruppen, die mit extremen Maßnahmen, mit Krieg, spielen, und denen, die das neue Kräfteverhältnis der Klassen in der Welt und die wachsende Macht der sozialistischen Länder berücksichtigen und tendenziell eine realistischere Herangehensweise an die internationalen Probleme übernehmen und sie im Geiste der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit verschiedenen Systemen lösen.“
Es ist notwendig und sogar zwingend, dass die deformierten Arbeiter*innenstaaten in ihrer Diplomatie wie Russland unter Lenin und Trotzki diplomatisch vorgehen, um die kapitalistischen Länder zu spalten und sie nach Möglichkeit daran zu hindern, den bonapartistischen Arbeiter*innenstaaten geschlossen entgegenzutreten. Lenin und Trotzki betrieben eine solche Politik. Aber Lenin sprach offen davon, dass es notwendig sei, sich mit den Banditen einer Gruppe von kapitalistischen Ländern gegen die Gangster einer anderen Gruppe von Ländern zu verbinden. Gleichzeitig erklärte er, dass es für die Parteien des Proletariats einschließlich der russischen Kommunistischen Partei notwendig war, der Arbeiter*innenklasse zu erklären, dass dies nur ein vorübergehendes Kräfteverhältnis darstellt. Unter keinen Umständen dürften sich die Kommunistischen Parteien den „guten“ kapitalistischen Mächten gegen die „schlechten“ kapitalistischen Mächte unterordnen. Die Tatsache, dass die Sowjetunion zum Völkerbund gehörte, verhinderte das Auseinanderbrechen dieser Organisation und die Teilnahme der meisten Länder der Welt an der blutigen Katastrophe des Zweiten Weltkriegs nicht und konnte es nicht verhindern. Alle kapitalistischen Mächte waren für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich, so wie sie für den Ersten verantwortlich waren. Es war nicht nur der deutsche Kapitalismus, der Hitler unterstützte und an die Macht brachte (wenn man die kriminelle Verantwortung der Kommunistischen und Sozialdemokratischen Parteien für Hitlers Sieg außen vor lässt), sondern die Kapitalist*innen von Frankreich, Großbritannien und Amerika. Sie halfen Hitler bei der Wiederbewaffnung, der Einnahme Österreichs und der Tschechoslowakei, weil sie Angst vor der Alternative hatten. Der Faschismus kam an die Macht, weil die herrschende Klasse in diesem bestimmten Stadium das Vorhandensein der Arbeiter*innenorganisationen nicht mehr dulden konnte. In der nächsten Epoche wird sich das Problem neu stellen, dass entweder die Arbeiter*innenklasse die Kontrolle in ihre eigenen Hände nimmt oder neue und schrecklichere Niederlagen erleidet. Es ist unmöglich, dass Vereinbarungen zwischen den Mächten die Entwicklung der gesellschaftlichen Widersprüche innerhalb der kapitalistischen Länder verhindern. Die Vereinten Nationen – oder in Wirklichkeit die Veruneinten Nationen – stellen bloß ein Forum für die Lösung zweitrangiger Probleme dar. Sie konnten nicht einmal den Ausbruch eines Krieges zwischen Honduras und El Salvador verhindern! Sie wurden im Kongo und in Korea im Interesse des Imperialismus genutzt. Sie können ebenso wie diplomatische Vereinbarungen nur zweitrangige Probleme lösen, können aber das Problem der sogenannten Koexistenz der Staaten nicht lösen.
Wie man die Sowjetunion nicht verteidigen soll
„Das Hauptkettenglied der Aktionseinheit der antiimperialistischen Kräfte bleibt der Kampf gegen Krieg und für Weltfrieden, gegen die Drohung des thermonuklearen Krieges und der Massenvernichtung, die weiterhin über der Menschheit schwebt.“
Man sollte auch vermerken, dass Stalin in seiner Rolle als Diktator der Sowjetunion und Vertreter der Bürokratie mit dem Traum von „friedlicher Koexistenz“ und sogenannter „kollektiver Sicherheit“ bei der Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs half. Die Politik der Kommunistischen Parteien wurde dem Hirngespinst des Völkerbundes und der „friedliebenden Mächte“ untergeordnet. Fünf Jahre lang machten Kommunistische Parteien oder vielmehr die damals bestehende Kommunistische Internationale Propaganda für die falsche Vorstellung, die man kaum als „Theorie“ beschreiben kann, von „friedliebenden“ und „kriegslüsternen“ Mächten. Sie forderten ein Bündnis zwischen Frankreich, Großbritannien, Amerika und Russland, um Hitler unter Kontrolle zu halten. Dann machte Stalin einen Purzelbaum und unterzeichnete einen Pakt mit Hitler, der die Arbeiter*innen Frankreichs demoralisierte und den Weg für Hitlers Siege und den Angriff auf die Sowjetunion bereitete. Die Kommunistischen Parteien machten eine hundertprozentige Wendung und entdeckten die Kriegstreiber*innen unter den früheren „friedliebenden“ Mächten und forderten sogar einen Frieden zu Hitlers Bedingungen. Hitler wurde in einen „Friedensliebhaber“ verwandelt. Dann wurden mit dem Angriff auf die Sowjetunion die „Kriegstreiber des Imperialismus“, Großbritannien, Frankreich und Amerika, erneut „Demokraten und Friedensliebhaber“.
Während der ganzen Periode des Angriffs auf die Sowjetunion agitierte die Kommunistische Partei unermüdlich für eine zweite Front, um den dringenden Bedürfnissen der Sowjetunion zu helfen. Der Angloamerikanische Imperialismus stapelte weiter Ressourcen an Menschen, Material und Munition auf und versorgte die Sowjetunion widerwillig mit 3% seiner Produktion. Die Kalkulationen der herrschenden Klasse waren klar. Truman in Amerika, der später Präsident wurde, Moore-Brabazon, der in Großbritannien im Kabinett war, platzten mit der Wahrheit heraus, die die Kommunistischen Führer*innen verheimlichten, dass es für Großbritannien und Amerika, das heißt für die herrschenden Klassen dieser Länder, um so besser sei, je mehr Deutsche und Russ*innen einander töten. Beim kritischsten Punkt von Hitlers Einmarsch bat Stalin dass eine Million britischer Soldaten, die merkwürdig genug über Persien und den Nahen Osten verteilt waren und noch merkwürdiger einer Million russischer Soldaten gegenüberstanden, zusammen mit der Roten Armee an der Ostfront kämpfen sollten. Das sollte angeblich an Stelle einer zweiten Front sein, die Churchill damals für unmöglich erklärte. Churchill bot als Vertreter des britischen Kapitalismus „großzügig“ an, mit seiner Million Soldaten, die mit ihren Kameraden an der Ostfront Dienst tun sollten, den Kaukasus und die Ölfelder von Baku zu besetzen. Selbst Stalin verstand, was das hieß, und schlug das Angebot aus.
Der Krieg zog sich in Europa als ein Krieg auf Leben und Tod zwischen dem faschistischen Deutschland und der Sowjetunion hin. Die entwickeltesten Gebiete der Sowjetunion wurden verwüstet und die Sowjetunion ausgeblutet. Nur dank der Traditionen der Oktoberrevolution und der Vorteile der Planwirtschaft und der territorialen Größe Russlands überlebte die Sowjetunion den Angriff und ging dann zum Gegenangriff und zum 3000 km langen Vormarsch von Stalingrad nach Deutschland über. Die „Alliierten“ errichteten erst ihre zweite Front, als es deutlich wurde, dass sie den Russ*innen am Ärmelkanal begegnen würden, wenn sie sich nicht beeilten.
Russische Führer*innen platzten manchmal mit diesen Tatsachen heraus, die selbst von bürgerlichen Historiker*innen kommentiert werden, wenn sie gelegentlich Spannungen mit dem angloamerikanischen Imperialismus hatten. Aber weder damals noch seitdem wurde die Lage den Völkern der Welt erklärt, wie Lenin es gemacht hätte. Die Führer*innen der Kommunistischen Parteien des Westens haben begonnen ihre eigene Propaganda zu schlucken und sind von ihr angesteckt, während die russischen und die chinesischen Bürokratien zynisch mal die eine und mal die andere Melodie spielen, je nach den sich verändernden und schwankenden Gezeiten ihrer eigenen Interessen. Was nicht in Rechnung gestellt wird, ist die Klassenanalyse der nationalen Politik. Aus dem Blickwinkel der Arbeiter*innenklasse gibt es einen lebenswichtigen Unterschied zwischen Faschismus und Demokratie (die demokratischen Rechte der Arbeiter*innenklasse bilden die Elemente der neuen Gesellschaft, deren Beseitigung aus kapitalistischer Sicht die Aufgabe des Faschismus ist) aber sowohl demokratische als auch faschistische Länder bleiben wegen dem Klassencharakter des Staatsimperialistisch. Dieses Dokument sagt das auf verwirrte und inkonsequente Weise, wenn es die Länder des Imperialismus auflistet. Marx und Lenin betonten immer wieder die Notwendigkeit, nicht mit Begriffen zu spielen, sondern eine Klassenanalyse der Länder und der Politik vorzunehmen, die daraus abgeleitet ist. Solange die Monopolkapitalist*innen, die Banken und Finanziers die Wirtschaft kontrollieren, sind sie es, die die Politik des Staats bestimmen, egal wie komplex die Wechselwirkungen sind. Dies gilt um so mehr in dieser Epoche, wo unter modernen Bedingungen die Monopole in diesem Stadium mit dem verflochten sind, was das Dokument staatsmonopolitischen Kapitalismus nennt, mehr als zu jeder anderen Zeit in der Geschichte.
„Ein neuer Weltkrieg kann durch die vereinigten Anstrengungen der sozialistischen Länder, der internationalen Arbeiter*innenklasse, der nationalen Befreiungsbewegung, aller friedliebenden Länder, öffentlicher Organisationen und Massenbewegungen vermieden werden.
Die Verteidigung des Friedens ist untrennbar mit dem Kampf verbunden, die Imperialisten zum Akzeptieren friedlicher Koexistenz mit Staaten mit verschiedenem Gesellschaftssystem zu zwingen. Das beinhaltet die Beachtung der Prinzipien der Souveränität, Gleichheit, territorialen Unverletzlichkeit jedes Staats, egal ob groß oder klein, und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, Respekt für die Rechte jedes Volks, Freiheit, ihr Gesellschafts-, Wirtschafts- und politisches System zu entscheiden und die Lösung ausstehender internationaler Fragen mit politischen Mitteln durch Verhandlungen.“
Zunächst einmal wird bei jeder Gelegenheit von den Großmächten, besonders den Supermächten, auf diesen Prinzipien herumgetrampelt. Die russische Bürokratie selbst hat im Kampf für die nationalen Interessen der herrschenden Kaste brutal das Recht der tschechoslowakischen Völker und vorher des ungarischen Volks unterdrückt, zu „wählen“, im einen Fall ein Regime der Arbeiter*innendemokratie und im ersteren Fall selbst liberale demokratische Reformen, die den Grundcharakter des Staats nicht geändert hätten, aber den Totalitarismus von Novotny und Rakosi beendeten.
„Friedliebend“?
In diesem Gebiet, das die russische Bürokratie als ihre Einflusssphäre betrachtete, erlaubte sie den Völkern Osteuropas nicht, selbst zu entscheiden. Wenn dies der Fall in Ländern ist, wo der Kapitalismus zerstört wurde (wo es allerdings beweist, dass es weder Demokratie noch Freiheit in der Sowjetunion und den anderen bonapartistischen Arbeiter*innenstaaten gibt, um wie viel mehr gilt es dann für kapitalistische Länder? Auch das wenig erbauliche Bild von Grenzgefechten zwischen Russland und China mit der konventionellen Methode des modernen Krieges, Panzern, Flugzeugen und Gewehren bildet für die Arbeiter*innenklasse der USA, Westeuropas und Japan kein anregendes und begeisterndes Beispiel von friedlicher Koexistenz.) um wie viel mehr ist es der Fall in Ländern des Imperialismus, die gerade in dieser Broschüre so scharf angeklagt werden. Man bringt einem Tiger nicht bei, Gemüse zu fressen. Der Imperialismus kann genauso wenig gezähmt werden, ohne die Grundlage des Imperialismus zu zerstören. Was sind „friedliebende“ Länder im Vergleich zu „kriegsliebenden“ Ländern? Die Frage zu stellen, zeigt den lächerlichen Charakter der Beschreibung. Wie lange wiederholte Lenin unermüdlich die Idee von Clausewitz, dass der „Krieg de Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist. Das Dokument klagt die französischen, westdeutschen, italienischen, amerikanischen, britischen und japanischen Imperialist*innen an, Aber sie haben in all diesen Ländern die Macht. Welche von den Großmächten ist dann „friedliebend“? Manchmal werden die kapitalistischen Mächte den Frieden unterstützen, zu anderen Zeiten den Krieg, je nach ihren Interessen und dem gesellschaftlichen Druck. Das Dokument ist durch und durch von Widersprüchen durchsetzt. Auf der einen Seite eine Beschreibung des Imperialismus und seiner Verbrechen, auf der anderen Seite mysteriöse „friedliebende Länder“. Die Klassenanalyse von Ländern und Politiken ist aufgegeben. Wer wird Frieden bringen? Wie wird der Frieden aufrechterhalten? Mit welchen Mitteln kann der Frieden erfolgreich verteidigt werden? Lenin sagte viele Male, dass das richtige Stellen einer Frage eine richtige Lösung des Problems der Arbeiter*innenklasse und der arbeitenden Menschen liefert. Es ist wahr, dass moderne Waffen, besonders die der Supermächte, ein noch schrecklicheres Dilemma schaffen als das, vor dem die Menschen vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg standen. Das einzige, was den Ausbruch dieser Kriege hätte verhindern können, wäre der Sieg der sozialistischen Revolution in den kapitalistischen Hauptländer gewesen. Lenin sagte, dass es ein Märchen sei, dass der Erste Weltkrieg der „Krieg zur Beendigung der Kriege“ sei. Die Niederlage des deutschen und japanischen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg hat nicht das Blühen von Frieden und Kultur bedeutet. Sie hat zu einem noch schrecklicheren Rüstungswettlauf und der Vergeudung der Substanz der Völker für noch schrecklichere Zerstörungsmittel geführt. Bakteriologische, chemische und Atomwaffen werden hergestellt. Der feierliche Versuch der Supermächte, die Atomwaffen für sich allein zu reservieren, war nicht erfolgreich. China, Frankreich und Großbritannien haben auch Atomwaffen. Wenn noch kein Weltkrieg stattgefunden hat, dann ist das, weil ein Krieg gegenwärtig nichtim Interesse der Imperialist*innen wäre. Er würde unausweichlich zu einem nuklearen Holocaust führen. Er würde die Gans zerstören, die die goldenen Eier legt, indem er nicht nur die Zivilisation und die Arbeiter*innenklasse zerstört, sondern möglicherweise auch die ganze Menschheit und den Planeten in eine radioaktive Zone verwandeln würde. Aber der wichtigste Grund, warum es keinen Krieg gegeben hat, ist das Kräfteverhältnis der Klassen. Als Russland 1945 im Vergleich zum angloamerikanischen Imperialismus am schwächsten war, war es die Bewegung der Völker Europas, Asiens und Afrikas und die Radikalisierung der Arbeiter*innenklasse in Amerika und Großbritannien, die es für den angloamerikanischen Imperialismus unmöglich machten, die Sowjetunion anzugreifen. Aber in der Zwischenkriegsperiode führten die Niederlagen der Arbeiter*innenklasse zum Sieg des Faschismus in Italien, Spanien und Deutschland und die Niederlage der Arbeiterbewegung in Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern lähmte die Arbeiter*innenklasse und erlaubte den Imperialist*innen, den Weg des Krieges zu beschreiten. Gegenwärtig gibt es ein Erwachen und eine Radikalisierung der Völker in den führenden kapitalistischen Ländern. Aber wenn diese Radikalisierung, die die Mittelschicht und die Bäuer*innenschaft mit sich zieht, nicht Früchte trägt in Form der Machtübernahme durch die Arbeiter*innenklasse, dann wird unausweichlich der Weg für die Reaktion und den Aufstieg neuer Hitlers und Mussolinis bereitet. Wenn man sich vorstellt, dass die Arbeiter*innen Amerikas, Japans und Westeuropas es in der kommenden Periode nicht schaffen würden, die Macht in ihre eigenen Hände zu nehmen, dann könnte der Sieg der Reaktion, den dadurch bereitet würde, zum Dritten Weltkrieg führen. Ein Wahnsinniger, ein amerikanischer Hitler, würde nicht zögern, einen „Erstschlag“ zu versuchen, wenn er an der Macht wäre. Es gäbe keinen anderen Weg als den Krieg, wie es bei Hitler und Mussolini war. Demokratie und die Rechte der Arbeiter*innenklasse sind Elemente eines neuen Gesellschaftssystems innerhalb des Kapitalismus, deren Zerstörung die Aufgabe des Faschismus bleibt. Aber das instabile Kräftegleichgewicht, das gegenwärtig zwischen den Klassen besteht, kann nicht ewig aufrechterhalten werden. Solange der Wirtschaftsaufschwung weitergeht, können die kapitalistischen Mächte Vereinbarungen unter Räubern untereinander und mit den sowjetischen und chinesischen Bürokratien schließen. Aber wenn auf den Wirtschaftsaufschwung unausweichlich ein Abschwung folgen wird, werden sie das bloße Vorhandensein der Arbeiter*innenorganisationen als unannehmbare Einschränkung ihrer Ausbeutung der arbeitenden Menschen betrachten. Gegenwärtig machen sie Superprofite und können daher verschiedene Reformen dulden. Die Stunde wird schlagen, wo sie das nicht länger machen können, wenn die Arbeiter*innenklasse es nicht schafft, die nationalen und internationalen Widersprüche des Kapitalismus auszunutzen und die Macht in ihre eigenen Hände zu nehmen.
Nur eine sozialistische Revolution kann einen Dritten Weltkrieg und die Zerstörung der Menschheit verhindern. Das Dokument besagt: „Massenaktion gegen den Imperialismus ist eine Bedingung, um die Politik der friedlichen Koexistenz umzusetzen. Da diese Politik gegen die Kriegstreiber, Reaktionäre und die monopolistischen Rüstungsfabrikanten gerichtet ist, trifft sie sich mit den allgemeinen Interessen des revolutionären Kampfes gegen jede Form von Unterdrückung und Ausbeutung und fördert Freundschaft zwischen allen Völkern und die Entwicklung fruchtbarer wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, technologischer und anderer Bereiche der Zusammenarbeit zwischen Ländern mit verschiedenen Gesellschaftssystemen im Interesse des gesellschaftlichen Fortschritts.“ Wer sind die Kriegstreiber*innen, wer sind die Reaktionär*innen und wer sind die monopolistischen Rüstungsfabrikant*innen? „Jüngste Klassenschlachten haben den von Parteigängern des Neokapitalismus und Reformismus verbreiteten Illusionen einen Schlag versetzt und haben die Grundannahmen des Marxismus-Leninismus bestätigt. Im Unterschied zu den rechten und linken Opportunisten stellen die Kommunistischen und Arbeiterparteien den Kampf für tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Forderungen und für fortgeschrittene Demokratie nicht dem Kampf für Sozialismus entgegen. Die radikalen demokratischen Veränderungen, die im Kampf gegen die Monopole und die wirtschaftliche Herrschaft und politische Macht erreicht werden werden, werden unter den Völkern das Bewusstsein über die Notwendigkeit von Sozialismus fördern.“ Der erste Teil dieses Zitats ist in völligem Widerspruch zu dem davor und dem danach. Nur durch die Verbindung der Kämpfe der Industriearbeiter*innen und Angestellten mit dem Kampf für Sozialismus können auch nur die wirtschaftlichen Interessen und Forderungen der Arbeiter*innen und der Mittelschichten für irgend einen Zeitraum verwirklicht werden. Es gibt keinen besonderen Teil der kapitalistischen Klasse, der an und für sich reaktionär ist. Gegen eine Bedrohung durch die Arbeiter*innenklasse wird die gesamte kapitalistische Klasse die Reihen schließen. Freundschaft zwischen Völkern ist keine Frage von frommem pazifistischem Gewimmer, wie die traurigen Beispiele von China, Russland und der Tschechoslowakei zeigen. Die Interessen der Arbeiter*innenklasse aller Länder sind ein und dieselben, weil der Feind derselbe ist, Kapitalismus-Imperialismus. Es ist keine Frage eines abstrakten Internationalismus, sondern der tatsächlichen weltweiten Arbeitsteilung, die durch den Kapitalismus geschaffen wurde und im letzten Vierteljahrhundert eine beispiellose Intensität erreicht hat, die die Grundlage der Vereinigung der Völker schafft. Es ist rührselige Sentimentalität, auch nur von Zusammenarbeit zwischen den kapitalistischen Mächten selbst zu reden, außer von vorübergehender, ganz zu schweigen „zwischen Ländern mit verschiedenen Gesellschaftssystemen im Interesse des gesellschaftlichen Fortschritts“. Es ist wie die Tiraden der Pfaffen und Priester über die Notwendigkeit, den Armen, Hungrigen und Obdachlosen in der „unterentwickelten“ Welt zu helfen. Das heißt gerade, gesellschaftliche Wirklichkeiten zu ignorieren und in die Falle der Befürworter von Neokapitalismus und Reformismus zu fallen.
„Gesellschaftliche Differenzierung entwickelt sich in den neu unabhängig gewordenen Ländern. Es gibt einen sich verschärfenden Konflikt zwischen der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und anderen demokratischen Kräften, einschließlich der patriotisch gesinnten Teile des Kleinbürgertums, auf der einen Seite, und auf der anderen dem Imperialismus und den Kräften der einheimischen Reaktion, den Elementen der nationalen Bourgeoisie, die zunehmend eine Übereinkunft mit dem Imperialismus akzeptieren.“
Und wieder: „Die drängenden Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung dieser Staaten sind Gegenstand nicht nur eines scharfen Kampfes zwischen den Neokolonialisten und den Völkern dieser Länder, sondern auch von innerem gesellschaftlichem Konflikt.“
Dies ist völlig wahr, stellt aber an und für sich die Frage des Kampfs des Proletariats um die Macht, das wie in der russischen Revolution die Aufgaben der demokratischen Revolution zu Ende führen kann; dann kann es zu den Aufgaben der sozialistischen Revolution weitergeben, die wiederum nicht allein im nationalen Maßstab gelöst werden können. Wenn die Bourgeoisie in diesen rückständigen Ländern die Aufgaben der bürgerlichen Revolution nicht lösen kann, die in der Vergangenheit in den industriell entwickelten Ländern gelöst wurden, wie kann es dann auch nur formuliert werden, dass die „fortschrittliche“ Bourgeoisie von Frankreich, Italien, Amerika zum Beispiel in der Epoche des imperialistischen Niedergangs die in jenen Ländern gestellten gesellschaftlichen Aufgaben lösen könne? Die inneren gesellschaftlichen Konflikte sowohl in rückständigen als auch in fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ergeben sich nicht aus der willkürlichen Laune dieses oder jenes reaktionären Politikers, sondern aus den wirtschaftlichen Beziehungen der Kapitalist*innen national und international.
„Länder, die den kapitalistischen Weg eingeschlagen haben, waren unfähig, irgend eines der gesellschaftlichen Probleme zu lösen, vor denen sie standen.“ Dies gilt ganz genau so für die führenden kapitalistischen Länder wie für die rückständigen Länder. Das Dokument sagt dann weiter: „Die Imperialisten zeigen besondere Feindschaft gegenüber Staaten mit fortschrittlichen Regimes … [Sie] organisieren konterrevolutionäre Aktivitäten durch ihre Agenten und unterstützen reaktionäre Elemente im Staatsapparat und den Streitkräften. Sie versuchen, die antikommunistischen Vorurteile zu nutzen, um Uneinigkeit unter den Patrioten zu verbreiten.“ All dies ist zweifellos wahr. Aber es bringt uns überhaupt nicht weiter vorwärts. Wenn „die inneren reaktionären Kräfte in diesen Ländern konfrontiert mit der steigenden Volksunzufriedenheit ihren Angriff auf die demokratische Freiheit mit imperialistischer Unterstützung erhöhen“, wenn „sie Konflikte zwischen nationalen, ethnischen, religiösen, Stammes- und Sprachgruppen entfachen“, wenn die Imperialist*innen all dies in rückständigen Ländern machen und unter den örtlichen Kapitalist*innen Verbündete finden, dann ist es klar, dass nur der unversöhnliche Kampf für den Sturz von Großgrundbesitz und Kapitalismus national und international die Probleme von Asien, Afrika und Lateinamerika lösen kann. Und nebenbei ist selbst die viel verleumdete Theorie der Permanenten Revolution in karikierter Form in den Abschnitt über Lateinamerika eingeschmuggelt worden – „der Kampf für wirkliche nationale Souveränität und wirtschaftliche Unabhängigkeit ist verflochten mit einem akuten Klassenkampf gegen die kapitalistische Ausbeutung und vor allem gegen die ausländischen oder örtlichen Monopole der Latifundien.“ Das einzige Problem ist, dass dies nicht mit der Idee der sozialistischen Revolution als dem einzigen Mittel der erfolgreichen Erreichung und Festigung von wirtschaftlichen, demokratischen und sozialen Forderungen verbunden ist. Statt dessen werden wir wie in den imperialistischen Ländern mit unbestimmten Formeln abgespeist. Aber wenn die nationale Bourgeoisie in den kolonialen und ex-kolonialen Ländern eine reaktionäre Rolle spielt, was in diesem Dokument angedeutet ist, wie kann man dann auch nur vorschlagen, dass es in den führenden kapitalistischen Ländern eine „fortschrittliche“ Bourgeoisie geben könne, die nicht wie in Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland die Bestrebungen des Volks im Augenblick der Gefahr an die Reaktion verraten wird?
„Stöcke und Steine“
Nachdem sie die Schrecken des Imperialismus gezeigt haben, was beiläufig auf praktisch jeder Seite wiederholt und betont wird, gehen sie dann dazu über, was dagegen getan werden solle. Mit unbewusstem Humor erklären sie: „Die Kommunistischen und Arbeiterparteien, die auf dem Treffen vertreten sind, sind sich ihrer geschichtlichen Verantwortung bewusst und schlagen allen Kommunisten der Welt, allen Gegnern des Imperialismus und allen, die bereit sind, für Frieden, Freiheit und Fortschritt zu kämpfen, Aktionseinheit vor.“ Die Tatsache, dass die „Kommunist*innen“ in grundlegenden Fragen nicht einig sind, ist für sich genommen schon ein Kommentar dazu. Sie fahren fort, indem sie zuversichtlich erklären, dass „ein neuer Weltkrieg durch die verbundenen Anstrengungen der sozialistischen Länder, der internationalen Arbeiter*innenklasse, der nationalen Befreiungsbewegung, aller friedliebenden Länder, öffentlicher Organisationen und Massenbewegungen vermieden werden kann.“ Wir haben schon gefragt: was sind „friedliebende Länder“? Und wir fügen jetzt hinzu: Was sind „öffentliche Organisationen“? In dieser pathetischen Erklärung wird nur eine Kleinigkeit übersehen und das ist die Frage des Wie? Mit dem Finger den Imperialist*innen drohen und „ungezogen, ungezogen“ sagen, wird nicht ein Haar auf ihrem Kopf zu Berge stehen lassen. Es ist kein Zufall, dass in den seriösen Organen der kapitalistischen Presse in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern sehr ruhig über diese Konferenz berichtet wurde. Es erinnert einen an das alte Schlaflied „Stöcke und Steine brechen die Gebeine, aber Namen verletzen mich nie“. Die einzige Bedrohung, die die Imperialist*innen interessiert, ist die Bedrohung ihrer Macht, Privilegien, Einkommen und Prestige, so wie bei allen herrschenden Klassen und Kasten in der Geschichte. Sie sind bereit, für vorübergehende Zeiträume einen Teil ihres Einkommens zu opfern, um ihr Recht zu herrschen zu verteidigen, und zur Verteidigung ihrer Profite. Aber wenn es eine Bedrohung gibt, dann kann es keine Frage von Worten bleiben, weil die Imperialist*innen unausweichlich ihre Ressourcen für die Reaktion organisieren werden, wenn auch nur ein Teilangriff gemacht wird. In Frankreich wurde zum Beispiel schon ein großer Teil der von der Arbeiter*innenklasse erreichten Erfolge durch die Inflation wieder zunichte gemacht. Dies wird eine weitere Bewegung der Arbeiter*innenklasse hervorrufen, die den Weg für schlimmste Reaktion und Bürgerkrieg mit zahllosen unnötigen Opfern bereiten wird, wenn sie nach dem Prinzip der Volksfront zum Entgleisen gebracht wird.
Während diese Zeilen geschrieben werden, schallt das Echo der Demonstrationen und der schlimmen Unterdrückungsgesetzgebung aus der Tschechoslowakei zurück. Der nächste Absatz nach dem oben zitierten erklärt fromm und heuchlerisch: „Die Verteidigung des Friedens ist untrennbar mit dem Kampf verbunden, die Imperialisten zum Anerkennen friedlicher Koexistenz von Staaten mit verschiedenen Gesellschaftssystemen zu zwingen, was die Beachtung des Prinzips der Souveränität, Gleichheit, territorialen Unverletzlichkeit jedes Staats, egal ob groß oder klein, und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, Respekt für die Rechte jedes Volks, Freiheit, ihr Gesellschafts-, Wirtschafts- und politisches System zu entscheiden und die Lösung ausstehender internationaler Fragen mit politischen Mitteln durch Verhandlungen.“ (Ihre Hervorhebung) Wir fragen wieder, wer wird das durchsetzen und wie? Wenn die Sowjetbürokratie zur Verteidigung dessen, was sie als ihre Interessen betrachtet, bereit ist, sich über die öffentliche Meinung der internationalen Arbeiter*innenklasse und der „fortschrittlichen“ öffentlichen Meinung hinwegzusetzen, um wie viel mehr würden die Imperialist*innen auf die gleiche Weise handeln, wenn sie ihre Interessen für bedroht halten? Der Einmarsch in der Tschechoslowakei betraf zwei Staaten mit dem selben Gesellschaftssystem, wo Kapitalismus und Großgrundbesitz gestürzt waren und die den selben Typ von herrschender Bürokratie haben. Die „Verteidigung des Friedens“ ist untrennbar mit dem Kampf für den Sturz des Monopolkapitals und der faulenden Sowjetbürokratie verbunden.
Die Handlungen der chinesischen und russischen Bürokratie haben den Kapitalist*innen dabei geholfen, ihren Zugriff auf die öffentliche Meinung in der Mittelschicht und selbst großen Teilen der Arbeiter*innenklasse aufrechtzuerhalten. Deshalb klingen Erklärungen wie das folgende so schal.
„Die Versuche der Imperialisten, die inneren Konflikte zu überwinden, indem sie internationale Spannungen aufbauen und Brutstätten des Krieges schaffen, werden durch die Politik der friedlichen Koexistenz behindert. Dies Politik beinhaltet weder die Bewahrung des gesellschaftlichen und politischen Status quo noch eine Abschwächung des ideologischen Kampfes. Sie hilf bei der Förderung des Klassenkampfes gegen den Imperialismus im nationalen und weltweiten Maßstab.“
Man kann wieder sofort die Frage stellen, wie das gemacht wurde. Es ist natürlich offensichtlich, dass die Sowjetunion und China nicht daran interessiert sind, einen Weltkrieg zu provozieren. Selbst die bürokratischen Herrscher*innen dieser Länder haben wegen der Abschaffung von Kapitalismus und Großgrundbesitz nicht das selbe drängende Bedürfnis nach Märkten und Rohstoffquellen. Es stimmt, dass sie zur Teilnahme am Weltmarkt und der weltweiten Arbeitsteilung gezwungen sind, aber solch eine Teilnahme wird durch das Außenhandelsmonopol und das Staatseigentum an den Produktionsmitteln eingeschränkt. Aber für die kapitalistischen Mächte, und das ganze Dokument ist angeblich gegen den Imperialismus, ist Imperialismus eine Existenzbedingung von nationalen Identitäten. Indem sie gegeneinander kämpfen haben sie letztlich eine gemeinsame Solidarität gegen die Arbeiter*innenklasse und jene Länder, in denen der Kapitalismus abgeschafft wurde. Das Dokument sagt schon in dem nächsten Absatz nach dem zitierten:
„Entschlossener Klassenkampf für die Abschaffung der Monopole und ihrer Herrschaft, für die Einrichtung eines wirklich demokratischen Systems und für die Errichtung der sozialistischen Macht, welcher Weg auch immer zur Erreichung dieses Ziels führen mag, ist ein unveräußerliches Recht und eine unverzichtbare Pflicht des arbeitenden Volkes und der kommunistischen und Arbeiterparteien in den kapitalistischen Ländern. Die Kommunisten der Welt sind solidarisch mit diesem gerechten Kampf.“
Dies sind wieder leere Worte, die im Widerspruch zu den vorherigen Ideen stehen. Es ist eine Sache, dass die Staaten, in denen der Kapitalismus gestürzt wurde, den kapitalistischen Staaten eine friedliche Koexistenz anbieten. (Und selbst hier kommt es auf das Kräfteverhältnis an, national und international. Hätten die Kommunist*innen und Sozialist*innen Deutschlands eine andere Politik verfolgt, so wäre es die Pflicht der Roten Armee gewesen, den deutschen Arbeiter*innen zu Hilfe zu kommen, um die Machtergreifung Hitlers zu verhindern, wenn sie der Doktrin, auf der sie gegründet worden war, treu geblieben wäre. Eine solche Politik, verbunden mit einer korrekten internationalen Politik der Sowjetunion und der Kommunistischen Internationale, hätte zum Sieg der Revolution in Deutschland und Europa geführt und damit den Zweiten Weltkrieg verhindert). Aber der Zynismus der Bürokraten kennt keine Grenzen. Während des Zweiten Weltkriegs marschierte die Rote Armee in das kleine finnische Land ein, um die Flanke von Leningrad zu schützen. Dies brachte die finnischen Kapitalist*innen auf der Seite Hitlers in den Krieg und versetzte dem Ansehen und der Unterstützung der Sowjetunion in den Augen der Weltarbeiter*innenklasse einen schweren Schlag. Aber wie bei den tschechischen Ereignissen wurde der Einmarsch nicht von der Notwendigkeit diktiert, die Unterstützung der Weltarbeiter*innenklasse aufrechtzuerhalten, sondern rein von den unmittelbaren Bedürfnissen der nationalen Bürokratie.
Wenn man die Frage unter dem Gesichtspunkt stellt, ob man für oder gegen den Frieden ist, würde nur ein Verrückter, insbesondere unter den modernen Bedingungen, für den Krieg sein. Aber jeder Krieg in der modernen kapitalistischen Welt wurde unter dem heuchlerischen Banner des „Kampfes für Frieden“ geführt. Das hat den Ausbruch der Kriege nicht verhindert. Die Bedingung für den Frieden ist gerade das Führen des Klassenkampfes bis zum Ende und die Beseitigung der Kriegsursachen. Die „friedliche Koexistenz“, wie zuvor die „kollektive Sicherheit“, kann nur eine Atempause bieten. Wenn die Arbeiter*innenklasse und ihre Führung diese Atempause nicht nutzen, wie langwierig sie auch sein mag, ebnen sie den Weg für die Reaktion, einen neuen Weltkrieg und vielleicht die Vernichtung der Zivilisation und sogar der Menschheit.
Das Dokument ist durchweg voller Widersprüche. Nicht eine einzige Frage wird in der Art von Marx oder Lenin zu Ende gedacht. Widersprüchliche Aussagen werden übereinander gestapelt und ergeben einen schrecklichen Ideenbrei. Gleich im nächsten Absatz des zitierten Textes findet sich diese Aussage, die ihr völlig entgegengesetzt ist:
„Massenaktion gegen den Imperialismus ist eine Bedingung für die Umsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz. Da diese Politik gegen die Kriegstreiber, Reaktionäre und die monopolistischen Rüstungsfabrikanten gerichtet ist, trifft sie sich mit den allgemeinen Interessen des revolutionären Kampfes gegen jede Form von Unterdrückung und Ausbeutung und fördert Freundschaft zwischen allen Völkern und die Entwicklung fruchtbarer wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, technologischer und anderer Bereiche der Zusammenarbeit zwischen Ländern mit verschiedenen Gesellschaftssystemen im Interesse des gesellschaftlichen Fortschritts.“
Wer sind die Kriegstreiber*innen, Reaktionär*innen und monopolistischen Rüstungsfabrikant*innen? Es stimmt, dass es Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Teilen der kapitalistischen Klasse gibt, aber angesichts des Kampfs gegen die Arbeiter*innenklasse verblassen sie zur Bedeutungslosigkeit. Die Politik der friedlichen Koexistenz, die die diskreditierte Theorie der „kollektiven Sicherheit“ ersetzte, wurde jetzt fast ein Vierteljahrhundert lang befolgt. Aber nie in der Geschichte wurden mehr materielle Mittel der Zivilisation im Rüstungswettlauf in allen Bereichen vergeudet. Die Erklärung, die wir vorher über die militärische Stärke der Sowjetunion zitierten, zeigt, dass sie, teils wegen der reaktionären Politik der Sowjetbürokratie, teils wegen den Verteidigungsnotwendigkeiten, gezwungen war, riesige Mengen aller Waffen einschließlich Atomwaffen aufzustapeln, und zu einer Konkurrenz mit dem amerikanischen Imperialismus. Also sollte die Politik der Sowjetunion und Chinas die Idee der „Förderung der Freundschaft zwischen allen Völkern und die Entwicklung fruchtbarer wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, technologischer und anderer Bereiche der Zusammenarbeit“ sein. Aber wie? Durch das Aufgeben revolutionärer Methoden? Aber selbst hier ist der ganze Zweck nicht-revolutionär und in der Ideologie antisozialistisch. Über Freundschaft zwischen Völkern zu schwatzen ohne die Klassenfragen aufzuwerfen, ist leeres Geschwätz. Massenaktion gegen den Imperialismus zu fördern, würde bedeuten, einem gemeinsamen Produktionsplan über eine Reihe von Jahren für die Integration der Wirtschaft der führenden kapitalistischen Länder mit der der Sowjetunion oder von China, je nachdem, anzubieten. Das wäre im Interesse der Hebung des Lebensstandards aller. Dies wäre ein Mittel zur Mobilisierung der Völker der westlichen Länder und Japans gegen den Kapitalismus. Dies ist einer der Gründe, warum weder die chinesische noch die russische Bürokratie, die in der nationalen Sicht der bürokratischen Bedürfnisse gefangen sind, auch nur die Frage auf diese Weise stellen können. In der Tat ist es ein soziologischer Kommentar von größter Bedeutung, dass in dieser Epoche, in der die Produktivkräfte über die Grenzen des vom Kapitalismus geschaffenen Nationalstaats ebenso wie über das Privateigentum hinausgewachsen sind, die Bürokratien Osteuropas sich als unfähig erwiesen haben, die nationalen Grenzen abzuschaffen und eine sozialistische Föderation des Balkans und Osteuropas zu organisieren, zusammen mit Russland und China. Dass sie in Osteuropa nicht dazu fähig sind, die begrenzte wirtschaftliche Integration zu erreichen, die die sechs Länder des Gemeinsamen Marktes erreicht haben, so zerbrechlich und schwach diese Zusammenarbeit auch ist. Was bringt es, sich demagogisch auf ein einziges „sozialistisches“ System zu beziehen, wenn sie nicht einmal ihre Wirtschaften zu einem einzigen harmonischen und fruchtbaren wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Plan vereinigen können?
Wie man Krieg verhindert
„Um den Frieden zu bewahren ist die dringendste Aufgabe die Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffenund die Durchsetzung des Nichtverbreitungsvertrages.“
Es war diese Politik, die einer der Gründe für den Bruch zwischen der russischen und chinesischen Bürokratie war. Als potentielle Supermacht war die chinesische Bürokratie entschlossen, alle der modernsten Zerstörungswaffen zu haben. Sie waren nicht bereit, sich unter den Schirm der Sowjetbürokratie zu begeben. Wie die herrschenden Klassen in kapitalistischen Ländern hassen und fürchten die Bürokratien der deformierten Arbeiter*innenstaaten einander, weil sie wissen, was sie von einander zu halten haben. Sie würden einander nicht vertrauen, wenn es um eine Frage ihrer grundlegenden Interessen geht. So haben Großbritannien und Frankreich trotz ihrer wirtschaftlichen Schwäche im Vergleich zu den Supermächten versucht, ihre eigenen Atomwaffen beizubehalten. Die Macht dieser Waffen ist allerdings im Vergleich zu der der Supermächte so, wie wenn man die Macht eines Revolvers mit dem eines Artilleriegeschützes vergleicht. Was kann die Verbreitung von Atomwaffen zu den kleinsten imperialistischen Mächten verhindern, wenn sie entscheiden, dass es in ihrem lebenswichtigen Interesse ist, sie zu bekommen? Was kann Westdeutschland, Japan, Schweden oder die Schweiz daran hindern, Atomwaffen herzustellen, wenn sie es erstreben? Und selbst wenn es möglich wäre, es gibt jetzt bakteriologische und chemische Waffen, die für die Völker eine genauso große Geißel sind und die jede entwickelte wissenschaftliche und technologische Macht herstellen kann.
Es ist eine Sache, Agitation für nukleare Abrüstung und die Vernichtung von Atomwaffen und Vorräten durchzuführen, um das Verständnisniveau der Masse der Bevölkerung zu heben, besonders der Mittelschicht. Es ist eine völlig andere Sache, sich einzubilden, dass so ein Verbot erfolgreich sein könne, so lange Kapitalismus und Imperialismus bestehen – also die Macht der kapitalistischen Klasse, die Wirtschaft zu kontrollieren und so die Politik zu bestimmen. Die ganze Idee bei solch einer Kampagne wäre aus einem leninistischen Blickwinkel, sie mit der Aufgabe des Sturz des Kapitalismus zu verbinden. So dass die Menschen im Kampf für das Verbot von Atomwaffen zu der Erkenntnis kommen würden, dass solch eine Forderung mit dem Vorhandensein der kapitalistischen Macht unvereinbar ist. Die Idee der sogenannten „Kommunist*innen“ ist anscheinend, nicht zu klären, sondern zu verwirren, denn sie führen den Kampf gegen Atomwaffen, als wäre er ein Selbstzweck und könnte erreicht werden, so lange der Kapitalismus bestehen bleibt.
„Das Grundinteresse der Völker fordert die Intensivierung des Kampfes gegen den Militarismus in all seinen Formen, besonders gegen den militärisch-industriellen Komplex der USA und anderer imperialistischer Staaten. Man muss alle friedliebenden Kräfte auffordern, einen Kampf für eine radikale Kürzung der Militärhaushalte und für allgemeine und völlige Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle zu führen, um die jetzt durch den Rüstungswettlauf verbrauchten Ressourcen in die Verbesserung der Leben der Menschen, die Förderung von Gesundheitsdiensten und Bildung und die Leistung von Unterstützung für die Entwicklungsländer zu leiten.“
Dies ist ein lobenswertes Ziel. Tatsächlich leisten alle Regierungen, Parteien und Kirchen dieser Utopie Lippendienste. Es ist wahr, dass Russland unter Lenin und Trotzki auch Propaganda für allgemeine und völlige Abrüstung machte. Aber dies war nicht zur Steigerung von Illusionen, sondern um die Heuchelei der Regierungen der kapitalistischen Staaten zu entlarven. Sie betonten immer und immer wieder, dass der einzige Weg zur Abrüstung in der sozialistischen Revolution liege, der Beseitigung aller Grenzen und der geschwisterlichen Zusammenarbeit der Völker. Immer wieder haben wohlmeinende Wissenschaftler*innen und Techniker*innen auf die ungeheuren Ressourcen verwiesen, die Überfluss für alle erzeugen könnten, wenn sie nutzbar gemacht, geplant und organisiert würden. Mangel, Armut und Entbehrung könnten beseitigt und der Planet in ein Paradies auf Erden verwandelt werden. So findet sich die Idee der Zusammenarbeit der Klassen und Nationen zum Nutzen aller im Repertoire von protestantischen Pfarrer*innen, Buddhist*innen, Bhikkhus, und katholischen Theolog*innen. Alle sollten in Harmonie mit allen zusammenarbeiten. Nur eine Kleinigkeit ist bei der Überlegung ausgelassen, die Dialektik von Interessenkonflikten; der Kampf zwischen Klassen und Nationen, der sich als ein unausweichliches Ergebnis aus dem Klassencharakter der Gesellschaft ergibt. Also könnte allgemeine Abrüstung nur durch den Sturz des militärisch-industriellen Komplexes, also des Kapitalismus erreicht werden.
„Die Interessen des Weltfriedens fordern die Auflösung der Militärblöcke.“ Es stimmt, dass in der Legende Josua in seine Posaune blies und die Mauern von Jericho stürzten ein. Aber Papierdonnerschläge werden in der wirklichen Welt nie das gleiche Ergebnis haben. Die Mauern des Kapitalismus sind mächtig. Sie können nur von der Arbeiter*innenklasse eingebrochen werden, wenn sie mit den Lehren von Marx und Lenin bewaffnet ist. Die Armee der Arbeiter*innenklasse kann nicht durch das Predigen leeren pazifistischer Illusionen gehärtet und vorbereitet werden, auch nicht durch die Täuschung, dass es durch Abkommen zwischen den kapitalistischen Herrschern und dem Sowjetblock und China leichte Wege zum Frieden gebe.
Die einzigen Verweise auf die Vereinten Nationen sind die Forderungen „nach Wiederherstellung der Rechte der Volksrepublik China in den Vereinten Nationen“ und „der völligen Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats vom November 1967“ (zum Nahen Osten). Die Papierresolutionen der Vereinten Nationen sind wie die Resolutionen dieser Konferenz wegen den unterschiedlichen Interessen der Teilnehmer*innen Totgeburten. Es ist lehrreich zu sehen, wie die Vereinten Nationen seit dem Krieg völlig unfähig waren, irgend eine Frage zu lösen, die von den Weltblöcken oder ihren Klientenstaaten für entscheidend wichtig gehalten wird. Wenn die Vereinten Nationen völlig unfähig zur Beilegung kleiner Kriege sind oder dazu, Länder wie Südafrika in der Frage der Einnahme Namibias zu zwingen, wie viel weniger können sie die Großmächte und noch weniger die Supermächte zwingen?
Das ganze Dokument ist mit kleinbürgerlicher Ideologie vermengt. Die Klassengrundlage von Rassismus, Imperialismus oder Krieg werden nicht einfach und klar dargelegt, so dass sie von allen Arbeiter*innen verstanden werden könnte, egal wie rückständig sie sind, oder von den neuen Schichten der Mittelschicht, wie den Student*innen, die zu radikalen Ideen erwachen. „Die Ausdrucksformen des Faschismus … erfordern die Aktionseinheit durch alle antifaschistischen Kräfte … auch größere internationale Unterstützung durch … demokratische und fortschrittliche Bewegungen in jedem Land.“ Die einzige Frage, die sich erhebt, ist, wer und was demokratische und fortschrittliche Bewegungen sind? Schließt es die ein, die aus den Spaltungen innerhalb der Arbeiter*innenklasse und den Völkern Nutzen ziehen? Wieder Mittelschicht-Vorstellungen, die die Quelle der Ideologie und Praktiken des Rassismus ignorieren. Alle Marxistinnen würden zwar demokratische Forderungen und die Erklärung unterstützen: „Wir Kommunisten sind überzeugt, dass es unmöglich ist, die Politik der imperialistischen Aggression zu beenden, Kolonialismus und Neokolonialismus ein für allemal abzuschaffen und Faschismus und rassische Unterdrückung mit der Wurzel auszureißen, ohne einen entschlossenen Kampf gegen die Macht des Monopolkapitals und für demokratische Forderungen, die die Stellung des Imperialismus insgesamt schwächen und der Grundlage seiner Herrschaft Schläge versetzen würden, wenn sie errungen sind. Solch ein Kampf würde günstige Bedingungen für die Erreichung der letztlichen Ziele der Arbeiterbewegung schaffen.“ Aber wieder kann man die Frage stellen – wird sich nicht das Monopolkapital auf seine Rache vorbereiten, wenn es nicht enteignet wird? Die Labour-Regierung in Großbritannien verabschiedete ein Gesetz, das die Information über Parteispenden von Firmen vorschrieb. Sie dachten wohl, das würde der Oligarchie Angst machen. Statt dessen erhöhen große und kleine Firmen ihre Zuschüsse an die Tory-Partei, die Partei des Großkapitals in Großbritannien. Der einzige Weg, gegen die Macht des Monopolkapitals zu kämpfen, ist seine Enteignung vorzubereiten. Die wirkliche Idee hinter dieser Phrasendrescherei zeigt sich, wenn sie alle Organisationen aufrufen, die nicht nur die Arbeiter*innen und Bäuer*innen vertreten, sondern „verschiedene Gruppen und Gesellschaftsschichten … realistisch eingestellte politische Führer der kapitalistischen Länder und alle demokratischen Parteien…Wir laden sie alle zur Teilnahme an einem breiten und konstruktiven Meinungsaustausch zu einer möglichst breiten Palette von Themen ein, die mit dem antiimperialistischen Kampf zusammenhängen … für … Aktionseinheit mit allen fortschrittlichen, patriotischen und friedliebenden Kräftenim nationalen, regionalen und internationalen Maßstab.“ (Unsere Hervorhebung) Wer sind diese realistisch eingestellten politischen Führer*innen der kapitalistischen Länder? Was sind die demokratischen Parteien? Wer sind die fortschrittlichen, patriotischen, friedliebenden Kräfte? Es ist klar, dass diese Erklärung nicht politisch realistisch eingestellt ist. Meinen sie etwa zum Beispiel in Großbritannien die Tory- und Liberale Partei oder ihre Gegenstücke in anderen Ländern? Aber das sind genau die Vertreter*innen des Imperialismus und Neokolonialismus, gegen die sie kämpfen. Sie bitten Beelzebub, gegen den Satan zu kämpfen, die Kräfte der Sünde, für die Sache der Tugend Partei zu ergreifen.
Ohne eine gründliche Analyse der Klassenwurzeln von Faschismus und Rassismus ist es unmöglich, einen erfolgreichen Kampf gegen sie zu führen. Im Verlauf der Jahrzehnte sind die sogenannten Kommunistischen Parteien immer mehr degeneriert, teils als Ergebnis der Bürokratien der deformierten Arbeiter*innenstaaten, teils als Ergebnis des Drucks des Kapitalismus und Reformismus in den fortgeschrittenen Ländern und teils als Ergebnis des Aufgebens der marxistischen Theorie unter dem Druck des Stalinismus in der Vergangenheit. Der ins Auge springende Eindruck, den das Dokument auf alle mit marxistischer Schulung macht, ist das Fehlen von Übergangsforderungen, die das gegenwärtige Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse mit der Notwendigkeit der sozialistischen Revolution verbinden. Der Kampf für Frieden, für Brot und für Land wurde von Lenin und Trotzki 1917 unlöslich mit der Notwendigkeit der Oktoberrevolution verbunden. Es gibt zwar heute keine revolutionäre Lage, aber in Italien gibt es eine vor-vorrevolutionäre Lage und die Kommunistische Partei sabotiert den Kampf, indem sie ihn auf wirtschaftliche und demokratische Forderungen beschränkt. Man sollte sich daran erinnern, dass die Bourgeoisie von der Verwendung einer demokratischen Fassade, allerdings mit wichtigen Zugeständnissen an die Arbeiter*innen, wenn sie ihr unpassend erscheint, zur Unterstützung faschistischer Parteien umschaltet und, wenn die Lage es erfordert, zurück zur Unterstützung „demokratischer“ Parteien. Sie ziehen die Demokratie vor, weil ein faschistisches Regime und selbst eine bonapartistische Diktatur ungeheuer teuer ist. In einem faschistischen Regime haben sie die Macht nur indirekt inne. Aber ihre Macht kann nur völlig gebrochen werden, indem man ihnen durch die Vollendung der sozialistischen Revolution die wirtschaftliche Macht aus der Hand nimmt. Es gibt keinen anderen Weg, um Frieden, höheren Lebensstandard und ein Ende von Imperialismus und Rassismus zu garantieren. Das ist die einzige Sicherung gegen Reaktion und Faschismus.
Ideen von Marx und Lenin
„Der Aufstieg und die Entwicklung des sozialistischen Weltsystems, das aus 14 Staaten besteht, und der begeisternde Einfluss des Sozialismus auf die ganze Welt haben die Vorbedingungen für die Beschleunigung des geschichtlichen Prozesses geschaffen und neue Aussichten für den Vormarsch und Triumph des Sozialismus auf der ganzen Welt geschaffen.“
„Der Sozialismus hat der Menschheit die Aussicht auf Befreiung vom Imperialismus gezeigt. Das neue Gesellschaftssystem auf der Grundlage von öffentlichem Eigentum an den Produktionsmitteln und der Macht der Arbeiterklasse ist fähig, eine geplante, krisenfreie Entwicklung der Wirtschaft im Interesse des Volks zu sichern, den arbeitenden Menschen soziale und politische Rechte zu gewährleisten, die Bedingungen für wirkliche Demokratie zu schaffen, für wirkliche Beteiligung der breiten Massen des Volks an der Verwaltung der Gesellschaft, für eine abgerundete Entwicklung des Individuums und für die Gleichheit und Freundschaft der Nationen.“
Dies wäre wahr, wenn die Arbeiter*innen und Bäuer*innen wirkliche Kontrolle über die Wirtschaft und den Staat in ihrem eigenen Händen hätten. Dies wäre eine Gesellschaft, wie sie sich Marx und Lenin als Übergangsgesellschaft zum Sozialismusvorstellten. Aber jeden Tag kommen aus allen Ländern des sogenannten weltsozialistischen Blocks neue Beweise, dass gegenwärtig nur das Staatseigentum an den Produktionsmitteln und der Plan bestehen, das bloße Knochengerüst eines Arbeiter*innenstaats. Die Einsperrung der Schriftsteller*innen in der Sowjetunion, die fortgesetzte Verfolgung der Krimtatar*innen, das Fehlen jeder wirklichen Freiheit und Kontrolle durch das Volk, das Chaos in der Planung und die Verschwendung in der Wirtschaft, zeigen, dass Erklärungen dieser Art auf blankestem Zynismus beruhen. Die Machtmissbräuche und schlimmen Praktiken der Bürokratie endeten mit der Enthüllung von Stalins Verbrechen nicht. Die Privilegien, Macht und Einkommen der herrschenden Manager*innen, Parteiführer*innen, Staatsbeamt*innen und Armeegeneräle, die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Verhältnis zwischen Arbeiter*innen und den herrschenden privilegierten Schichten ist so groß wie oder größer als zu Stalins Zeit. In China und Kuba dreht sich der „Personenkult“ um die Gestalten von Mao und Castro. Die Beziehungen zwischen Russland und China und Russland und der Tschechoslowakei sind bloß Symptome für die Beziehungen innerhalb dieser Länder selbst. Dies ist so 13 Jahre nach dem XX. Parteitag, der angeblich solche Missbräuche beenden sollte. Wenn der Sozialismus in der Sowjetunion und den anderen Ländern aufgebaut wäre, wäre der Staat abgestorben und Geld, Warenproduktion und selbst das Vorhandensein von Klassen und Kasten hätte aufgehört. Der Prozess hätte zumindest begonnen und würde sich beschleunigen. Die schnelle wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder, die die wirtschaftliche Entwicklung der kapitalistischen Länder übertrifft, ist Beweis für die Überlegenheit von Staatseigentum und einem Plan im Vergleich mit Privateigentum und der Anarchie des Marktes. Aber die Tatsache, dass in den entscheidenden Feldern die Arbeitsproduktivität die Sowjetunion hinter der mächtigsten kapitalistischen Macht, den Vereinigten Staaten, zurückbleibt, beweist, dass in diesen Ländern noch nicht einmal die Grundlagen des Sozialismus gelegt worden sind. Aber sie prahlen gegenwärtig in der Sowjetunion mit dem Übergang zum Kommunismus, wo es keineswegs ein Absterben des Staates und eine Ausdehnung der Freiheit gibt; in einem üblichen Zickzack werden die Zügel angezogen und selbst das Ausmaß von Reformen, das es unter Chruschtschow gab, wird begrenzt. Abgesehen von der Tschechoslowakei begann die Revolution in rückständigen Ländern, was das Versagen in den fortgeschrittenen Ländern bedeutete; die Revolution wurde in diesen Ländern mit einer Schicht von abstoßenden und monströsen Merkmalen bedeckt, die in jeder totalitären Gesellschaft bestehen. Nur die Wiederherstellung [der Arbeiter*innendemokratie] und ihre Einführung in den anderen Ländern des sogenannten sozialistischen Blocks durch eine politische Revolution kann zwar nicht den Sozialismus, aber eine höhere Version der lebendigen Demokratie der Sowjetunion unter Lenin und Trotzki einführen. Seine Nachfolger*innen wie Stalin vertreten die oben erwähnten herrschenden Schichten. Es ist in ihrem Interesse, dass die Ideen des Sozialismus und Internationalismus pervertiert und korrumpiert werden. Die ganze Erklärung ist ein Beweis für die Degeneration der Kommunistischen Parteien, besonders wenn man die Erklärung des Dokuments vom „Übergewicht der Kräfte von Frieden, Demokratie und Sozialismus über den Imperialismus“ ernst nimmt!
Die Fiktion, dass in diesen Ländern der „Sozialismus“ aufgebaut sei, führt dazu, dass alle Arten von unvereinbaren Aussagen gemacht werden. „Der Aufbau des Sozialismus und seine weitere Entwicklung beruht auf der Unterstützung, Beteiligung und Initiative der arbeitenden Menschen, die von der Arbeiter*innenklasse angeregt und geführt werden“! Diese Zeilen sind von Widersprüchen durchsetzt. Im Sozialismus wird der Staat verschwunden sein. Und wie könnte es unter dem Sozialismus die Notwendigkeit von „unversöhnlichem Kampf gegen Erscheinungsformen von Bürokratie … und die umfassende Entwicklung der sozialistischen Demokratie“ geben? Sozialismus setzt die Verwaltung der Gesellschaft und Industrie durch die Gesellschaft selbst voraus. Wie könnte es da Erscheinungsformen von Bürokratie geben, wenn, wie es Lenin formulierte, alle Bürokraten sind und deshalb keiner Bürokrat ist. Bürokratie ist keine Frage von Papierkrieg sondern des Vorhandenseins einer ganzen Kaste von Beamt*innen, die ihre Stellung in ihrem eigenen Interesse und gegen die Interessen des Volks verwenden. Engels sagte, dass wenn Kunst, Wissenschaft und Regierung das Vorrecht einer Minderheit bleiben, sie ihre Stellung immer in ihren eigenen Interessen gebrauchen und missbrauchen wird.
Das muss so sein, so lange die Masse des Volkes lange arbeiten muss, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der einzige Ausweg aus diesem Teufelskreis liegt in der bewussten Kontrolle der Arbeiter*innenklasse und dem internationalen Sturz des Kapitalismus in den fortgeschrittenen Ländern. Es ist wahr, dass in der Sowjetunion heute die Wirtschaft nicht mehr die einer rückständigen Volkswirtschaft von 1917 ist. Russland gehört heute zu den fortgeschrittensten Industrieländern der Welt. Aber im Unterschied zu der Zeit von Lenin und Trotzki ist die Lage heute völlig anders. Die Arbeiter*innen und Bäuer*innen haben keine politischen Rechte, außer den Entscheidungen ihrer Herrscher Beifall zu klatschen. Die Bürokratie, die durch die Rückständigkeit der Wirtschaft verursacht war und eine verhältnismäßig fortschrittliche Rolle bei der Unterstützung der industriellen Entwicklung der Sowjetunion spielte, ist jetzt ein reaktionäres Hemmnis geworden. Aber da sie alle Hebel der Macht in den Händen haben und sie in ihren eigenen Interessen missbrauchen, sind sie nicht bereit, diese Macht abzugeben, was ein Ende ihrer Privilegien, Prestige und aufgeblähten Einkommen bedeuten würde.
Manchmal sind sie gezwungen, heuchlerisch so zu tun, als ob immer größere Demokratie eingeführt würde. Aber den Ländern das Warschauer Pakts wurde ihr Eingreifen in der Tschechoslowakei durch ihre Panik angesichts selbst der demagogischen Losungen über „Sozialismus mit menschlichem Gesicht“ aufgezwungen. Sie reden von „unversöhnlichem Kampf gegen Erscheinungsformen von Bürokratie … und die umfassende Entwicklung der sozialistischen Demokratie“, aber alle ihre Handlungen strafen das Lügen. Sozialistische Demokratie kann nur erreicht werden mit vollem Recht für alle Strömungen, ihre Sichtweise vorzubringen. Wovor sollten sie sich fürchten, wenn die Vorteile des Sozialismus so offensichtlich sind? Jeder Vorschlag einer Rückkehr zum alten System würde mit Gelächter quittiert werden. Dies ist bei weitem nicht der Fall und in dem Augenblick, in dem sie fühlen, dass ihre Stellung bedroht ist, kehren sie zu den Methoden der Lügen, Verleumdungen, Fälschungen, Unterdrückung, Misshandlung und sogar Einsperrung zurück, die das Merkmal der frühen Jahre der Stalindiktatur waren. Sie können zwar nicht zu den wahnsinnigen Säuberungen von Stalins späteren Jahren zurückkehren, in denen Millionen starben, aber selbst jetzt gibt es laut einem Leitartikel der ,Times’ eine Million politische Gefangene in der Sowjetunion. Es ist auffällig, dass die russische Botschaft, die immer Erklärungen einer so angesehenen Zeitung der kapitalistischen Meinungen wie der ,Times’ aufgreift, sich nicht in der Lage sah, es zu dementieren, Wie viel Zynismus und ekelhafte Heuchelei zeigen die Kommunistischen Parteien der Welt, die auf der Konferenz vertreten waren, wenn sie sich auf „die Überlegenheit der menschlichen und moralischen Werte“ der sogenannten „sozialistischen“ Gesellschaften beziehen.
„Die Bildung der sozialistischen Welt stellt einen integralen Teil des Klassenkampfes dar, der im internationalen Rahmen geführt wird. Die Feinde des Sozialismus setzen ihre Versuche fort, die Grundlagen der sozialistischen Staatsmacht zu untergraben, das Sozialistische an der Gesellschaft zu untergraben und ihre eigene Herrschaft wiederherzustellen. Diesen Versuchen eine feste Abfuhr zu erteilen ist eine wesentliche Funktion des sozialistischen Staats der sich auf die arbeitenden Menschen stützt, die von der Arbeiter*innenklasse und ihrer kommunistischen Vorhut geführt werden.“ Wir haben schon erklärt, dass die einzigen Menschen innerhalb dieser Länder, gegen die sich der Staat schützt, die arbeitenden Menschen sind. Aber kann es sein, dass der Imperialismus oder die Kräfte der Konterrevolution auch nur die kleinste Möglichkeit hätten, die Grundlagen der sozialistischen Staatsmacht zu untergraben, wenn er Sozialismus in 14 Ländern oder mehr als einem Drittel der Welt errichtet worden wäre? Wenn die Gesellschaft nicht mehr von schrecklichen Widersprüchen erschüttert würde, wäre es sicher umgekehrt. Die Imperialist*innen wären machtlos, eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft auf der ganzen Welt zu verhindern. Mit anderen Worten ist dies nur ein Vorwand, um alle Gegner*innen der Bürokratie und Privilegien als Agent*innen des Kapitalismus zu verleumden. Zum Unglück für die Bürokratie ist es nicht mehr möglich, zum Zustand unter Stalin zurückzukehren. Sie sind so dicht, wie es ihnen möglich ist, an diesen Erfindungen von Verschwörungen und von Feinden des Sozialismus. Es ist auffällig, dass die „Feinde des Sozialismus“ nicht namentlich genannt werden. Wer könnten sie sein? Arbeiter*innen, Bäuer*innen Intellektuelle, die arbeitenden Menschen oder vielleicht die berühmten „Erscheinungsformen von Bürokratie“? Die Frage so zu stellen, liefert die Antwort. Wenn eine harmonische sozialistische Gesellschaft geschaffen worden wäre, wie könnte es dann die entfernteste Unterstützung [für die kapitalistische Restauration] geben, abgesehen von Geistesgestörten? Wenn es die „vollste sozialistische Demokratie“ gäbe, würden solche Versuche durch die Imperialist*innen, wenn sie unternommen würden, mit Verachtung behandelt werden.
„Nationaler“ Weg
Aus der Sicht der Geschichte der kommunistischen Parteien markiert diese Konferenz eine neue Etappe des Zerfalls der „kommunistischen“ Weltbewegung. In den Anfangsjahren der Kommunistischen Internationale gab es eine freiwillige Disziplin und einen Zusammenhalt in den Reihen. Die Parteien stützten sich auf die Ideen von Marx und Lenin, auf einen Internationalismus, der in den Interessen der Weltarbeiterklasse wurzelte und dem die Interessen aller Sektionen untergeordnet waren. Dieser wiederum stützte sich auf die Weltwirtschaft selbst und die vom Kapitalismus geschaffene weltweite Arbeitsteilung. Der Internationalismus wurde also nicht als sentimentale Phrase betrachtet, sondern ergab sich aus den historischen Erfordernissen der Wirtschaft und den Interessen der Arbeiter*innen in allen Ländern. Dies wiederum beruhte auf der Tatsache, dass der Sozialismus die Anstrengungen der fortgeschrittenen Arbeiter*innen aller Länder erforderte, um seine Verwirklichung zu erreichen.
Es gehört zu den widersprüchlichen Prozessen der Geschichte, dass sich die „kommunistischen“ Länder und die kommunistischen Parteien in einer Zeit, in der die Weltwirtschaft und die weltweite Arbeitsteilung weitaus stärker voneinander abhängig und miteinander verflochten sind als je zuvor, in immer unterschiedlichere Richtungen bewegen. Die „Theorie“ des Sozialismus in einem Lande hat somit zu einer völligen Zerstörung des Internationalismus der kommunistischen Bewegung geführt. Und das in einer Zeit, in der die Entfernungen durch die modernen Verkehrsmittel aufgehoben sind und die Welt unter dem Schatten der kollektiven Zerstörung als einzige Alternative zur Föderation und Zusammenarbeit der Völker vereint ist.
„Die Delegierten des Treffens bekräftigten ihre gemeinsame Auffassung, dass die Beziehungen zwischen den brüderlichen Parteien auf dem Prinzip des proletarischen Internationalismus, der Solidarität und der gegenseitigen Unterstützung, der Achtung der Unabhängigkeit und der Gleichheit sowie der Nichteinmischung in die Angelegenheiten der jeweils anderen Partei beruhen.“ Dies spricht für sich selbst. Aber der nächste Abschnitt spricht Bände über die Veränderungen, die seit den Tagen von Stalin und sogar Chruschtschow stattgefunden haben. „Alle Parteien sind gleichberechtigt. Da es kein führendes Zentrum der internationalen kommunistischen Bewegung gibt, gewinnt die freiwillige Koordinierung der Aktionen der Parteien zur wirksamen Erfüllung der ihnen gestellten Aufgaben an Bedeutung“. Die Russische Kommunistische Partei war schon zu Zeiten von Lenin und Trotzki die dominierende Partei. Unter ihrer Führung gab es jedoch einen echten Internationalismus aller Parteien, einschließlich der Russischen Kommunistischen Partei, die alle freiwillig der Disziplin der Internationale akzeptierten. Unter Stalin wurden alle anderen Parteien den Interessen der russischen Bürokratie und ihrer Außenpolitik untergeordnet. Im Jahr 1943 löste Stalin, ohne auch nur eine Konferenz einzuberufen, die Internationale verächtlich auf, aber die sklavische Unterordnung blieb dennoch bestehen.
Die Spaltung zwischen Russland und Jugoslawien versetzte dieser monolithischen oder totalitären „Einheit“ den Todesstoß. Der Bruch mit China versetzte ihr einen irreparablen Schock.
Jetzt ist jede Partei „unabhängig“. Es gab keine Rückkehr zum Internationalismus der ersten Jahre der Kommunistischen Internationale. Im Gegenteil, die Bürokratien der kommunistischen Parteien sind, ob an der Macht oder nicht, nach nationalen Gesichtspunkten voneinander getrennt. Sie sind zwar unabhängig voneinander, aber in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern (und auch in den rückständigen) nicht unabhängig von ihrer eigenen nationalen Bourgeoisie, und natürlich sind sie in den Ländern, in denen der Kapitalismus entmachtet wurde, Instrumente der herrschenden Bürokratien mit einer völlig nationalistischen Sichtweise. Die Intervention der Russ*innen in der Tschechoslowakei war von der Angst nicht nur vor einer Ansteckung mit liberalen Ideen, sondern auch einem Wegbrechen wie in Jugoslawien und China bestimmt. Dies wiederum hätte zur Wegbrechen aller osteuropäischen Länder und damit der Vorherrschaft der russischen Bürokratie in diesem Gebiet geführt. Fromme Phrasen gingen flöten, als es um die konkreten Interessen der russischen Bürokratie ging.
Breschnew und die russische Bürokratie hatten die Konferenz in dem verzweifelten Bemühen einberufen, Unterstützung für ihren Kampf gegen die chinesische Bürokratie zu gewinnen, was ihnen jedoch, wie das Dokument beredt bezeugt, gründlich misslang. Selbst diese Erklärung, die durch und durch mit frommen Allgemeinplätzen gespickt ist, wurde von einigen Parteien – einschließlich der britischen Partei – nicht unterzeichnet. In der Erklärung heißt es wohl mit Humor, dass „die gemeinsame Aktion von Kommunisten und Arbeiterparteien die marxistisch-leninistische Theorie bereichert und kreativ weiterentwickelt … “ Etwas Bereicherung! Etwas Kreativität! Vermutlich liegt diese Kreativität in den folgenden Sätzen, die der nationalistischen Degeneration der kommunistischen Parteien einen fertigen Ausdruck geben.
„Marxisten-Leninisten sind sowohl Patrioten als auch Internationalisten: Sie lehnen sowohl nationale Engstirnigkeit als auch die Negierung oder Unterschätzung nationaler Interessen und Hegemoniebestrebungen ab. Gleichzeitig sind die kommunistischen Parteien, die Parteien der gesamten Arbeiterklasse und des arbeitenden Volkes die Bannerträger echter nationaler Interessen, im Gegensatz zu den reaktionären Klassen, die diese Interessen verraten.“ Bis sie an die Macht kommen, hat die Arbeiter*innenklasse kein „nationales“ Interesse. Das arbeitende Volk hat kein Land, wie Marx und Engels im Kommunistischen Manifest von 1848 verkündeten. Das nationale Interesse steht seinem Wesen nach nicht über den Klassen, sondern spiegelt die Interessen der herrschenden Klasse wider. Wer sind denn die reaktionären Klassen, wenn nicht die herrschende Klasse?
„Die kommunistischen Parteien und die Arbeiterparteien üben ihre Tätigkeit unter unterschiedlichen und spezifischen Bedingungen aus, die eine angemessene Herangehensweise an die Lösung konkreter Probleme erfordern. Jede Partei, die sich von den Prinzipien des Marxismus-Leninismus leiten lässt und den konkreten nationalen Bedingungen entspricht, arbeitet völlig unabhängig ihre eigene Politik aus, bestimmt die Richtungen, Formen und Methoden des Kampfes und wählt je nach den Umständen den friedlichen oder nicht friedlichen Weg des Übergangs zum Sozialismus sowie die Formen und Methoden des Aufbaus des Sozialismus in ihrem Land. Gleichzeitig dürfen die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen die kommunistischen Parteien arbeiten, die unterschiedlichen Herangehensweisen an die praktischen Aufgaben und sogar die Differenzen in bestimmten Fragen eine konzertierte internationale Aktion der Bruderparteien nicht behindern, insbesondere in den grundlegenden Problemen des antiimperialistischen Kampfes.“
Dies ist eine fertige Erklärung des nationalistischen „Sozialismus“ und der „nationalen Engstirnigkeit“. Wie die Parteien der Zweiten Internationale werden sie sich gelegentlich treffen, um über nichts Bestimmtes zu diskutieren, und formal bleibt es eine Internationale. Aber zumindest die Zweite Internationale trifft sich jährlich. Wenn es nicht darum geht, „Differenzen in bestimmten Fragen“ und die Taktik und Strategie in den verschiedenen Ländern zu diskutieren, was genau ist der Sinn der Treffen? Wenn jedes Land oder vielmehr jede „kommunistische“ Partei willkürlich ihre „eigene“ Methode des Übergangs und ihre „eigenen Formen und Methoden des „Aufbaus des Sozialismus“ wählt, was bleibt vom Internationalismus und vom Marxismus?
Es stimmt zwar, dass eine friedliche Revolution einer „nicht friedlichen“ vorzuziehen ist, aber genau das wird durch das Verhältnis der Klassenkräfte, die Haltung des Feindes und die Planung und Voraussicht der Führung der Arbeiter*innenparteien bestimmt. Die Oktoberrevolution in Russland und die deutsche Revolution von 1918 verliefen relativ friedlich. In Frankreich 1968 hätte die sozialistische Revolution friedlich vollzogen werden können. Aber gerade die feige Haltung der so genannten kommunistischen Parteien, die die Reaktion und die „reaktionären Klassen“ ermutigen, die Bäuer*innen und die Mittelschichten unter den Bedingungen der Krise auf die Seite der Kapitalist*innen drängen, kann Blutvergießen und sogar Ströme von Blut unvermeidlich machen. Und was sind diese „Unterschiede“? Ist es nicht die Pflicht eines „internationalen Treffens“ der Parteien, ihre Differenzen offen vor ihren Mitgliedern und vor der Weltarbeiter*innenklasse zu diskutieren?
In Lenins Tagen wurden Differenzen offen angesprochen und ausgetragen, um das Verständnisniveau der Mitglieder zu heben. Und ohne die Anhebung dieses Verständnisses der Arbeiter*innenklasse als Ganzes und der Basis der Partei, die den Anspruch erhebt, die Arbeiter*innenklasse zu vertreten, kann es keine Entwicklung des Instruments zur Erreichung des Sozialismus geben. Der Sozialismus wird der Arbeiter*innenklasse nicht von einer gütigen „Führung“ auf dem Teller serviert. In der Tat ist das Verständnisniveau der kommunistischen Parteien heute, wenn überhaupt, niedriger als das der sozialdemokratischen Parteien der Vergangenheit. Dies trotz des explosiven Charakters der Epoche und der schrecklichen Lektionen des Faschismus, der Niederlage der spanischen und deutschen Revolution, der Ereignisse nach dem Krieg, der chinesischen Revolution, der kubanischen Revolution und der revolutionären Situationen in Frankreich und Italien in den letzten Jahren. In jedem Fall erfordert der Übergang zum Sozialismus die bewusste Kontrolle aller Tätigkeitsbereiche durch die Arbeiter*innenklasse – des Staates, der Industrie und der Partei oder Parteien der Arbeiter*innenklasse selbst.
In der kurzen Erklärung über die kommunistischen und Arbeiter*innenparteien gibt es eine ganze Reihe von Hinweisen auf diese mysteriösen „Unterschiede“, die nicht näher erläutert werden: „Die Kommunisten sind sich bewusst, dass unsere Bewegung, obwohl sie im Laufe ihrer Entwicklung große historische Siege errungen hat, in letzter Zeit auf ernste Schwierigkeiten gestoßen ist. Die Kommunisten sind jedoch davon überzeugt, dass diese Schwierigkeiten überwunden werden … Eine Lösung für die bestehenden Probleme zu finden, die sowohl den nationalen als auch den internationalen Interessen gerecht wird … Die Kommunisten und die Arbeiterparteien bekräftigen trotz einiger Meinungsverschiedenheiten ihre Entschlossenheit, im Kampf gegen den Imperialismus eine Einheitsfront zu bilden … Andere Divergenzen mögen lange andauern.“ Wieder möchten wir fragen, warum die Meinungsverschiedenheiten nicht ehrlich offengelegt und geklärt werden? Wenn dies nicht geschieht, kann es nur an den Eigeninteressen der Bürokratien, der Parteien an der Macht und der Parteien liegen, die nicht an der Macht sind, die aber aufgrund des Drucks des wirtschaftlichen Aufschwungs des letzten Vierteljahrhunderts und ihrer jahrzehntelangen Politik organisch opportunistisch sind. Gestern wurden sie als Instrument der russischen Außenpolitik benutzt, um eine opportunistische Politik im Interesse der „russischen Revolution“, in Wirklichkeit der russischen Bürokratie, durchzusetzen. Nachdem sie nun jegliches Vertrauen in die Arbeiter*innenklasse verloren haben, ist der Opportunismus zu einem festen Bestandteil ihrer Politik geworden. Sie geben Lippenbekenntnisse zum Sozialismus ab, aber in Wirklichkeit sind sie den Weg der Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg gegangen.
Es ist wenige Absätze nach den nicht näher spezifizierten Differenzen zwischen „Bruderparteien“ und vielleicht den Russen, die in der letzten Zeit „die Differenzen“ mit der tschechoslowakischen Partei „beseitigt“ haben, nachdem sie die gesamte Methode von Marx und Lenin völlig missachtet haben, der Gipfel der Unverschämtheit, zu sprechen von
„ … der Politik der gemeinsamen und imperialistischen [sic!] Aktion (die) fordert, dass die ideologische und politische Rolle der marxistisch-leninistischen Parteien im weltrevolutionären Prozess gestärkt werden sollte.“
Die britische Partei unterstützte das Dokument nicht wegen seines eklektischen Charakters und seines Versäumnisses nicht, eine Perspektive für die sozialistischen oder die kapitalistischen Länder auszuarbeiten, sondern wegen „Vorbehalten“.
„Gleichzeitig ist das Exekutivkomitee nicht in der Lage, dem Dokument in seiner Gesamtheit zuzustimmen, da er in einigen Punkten Vorbehalte hat. Diese Vorbehalte wurden im Wesentlichen in der Rede von John Gollan in Moskau vorgebracht. Sie beziehen sich insbesondere auf die Absätze in Abschnitt zwei, der sich mit den Beziehungen zwischen den sozialistischen Ländern befasst, und auf den größten Teil von Abschnitt vier, der sich mit der Rolle und der Tätigkeit der kommunistischen Parteien und den Beziehungen zwischen den Parteien befasst.“
Was damit wirklich gemeint ist, ist, dass das EK der britischen Kommunistischen Partei den eigentlichen Zweck der Konferenz aus der Sicht der Moskauer Bürokratie ablehnt, nämlich Unterstützung für ihren Kampf gegen die chinesische Bürokratie zu mobilisieren und zu versuchen, ein gewisses Maß an Kontrolle über die internationale Bewegung wiederzuerlangen. Dies zeigt sich in der unmittelbar folgenden Erklärung:
„Während die Prinzipien der Beziehungen zwischen den sozialistischen Ländern und zwischen den kommunistischen Parteien, wie sie in dem Dokument niedergelegt sind, akzeptabel sind, glaubt das Exekutivkomitee, dass ihre Aufnahme über die Hauptziele des Dokuments, wie sie in der Tagesordnung definiert sind, hinausgeht“.
Könnte es in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung, wenn wir sie für bare Münze nehmen würden, einen leichtfertigeren und unverantwortlicheren Grund für die Ablehnung eines „internationalen Dokuments“ geben? Im Endeffekt heißt es, dass wir mit dem Dokument einverstanden sind, aber die Probleme sind nicht in der Tagesordnung definiert worden. Anscheinend ist es nur eine Frage des Verfahrens, die sie von ihren Parteifreunden trennt.
„Außerdem, wenn solche Fragen in dem Dokument behandelt werden sollten, dann hätten sie sich nicht auf eine bloße Grundsatzerklärung beschränken dürfen, sondern die Umsetzung dieser Grundsätze in der Praxis umfassen müssen, um so eine eingehende Diskussion über die in diesem Bereich aufgetretenen Probleme zu ermöglichen.“
Es ist zwar richtig, dass es unglaublich leichtfertig ist, Prinzipienerklärungen aufzunehmen, ohne sie ausführlich zu erörtern, aber die Umsetzung der Prinzipien in die Praxis folgt aus der Akzeptanz dieser Prinzipien. In Wirklichkeit hätte eine Diskussion über die Prinzipien und ihre Umsetzung die Konferenz weit auseinandergerissen. Aber die „Beschlüsse“ nur wegen einer Verfahrens- und nicht wegen einer Grundsatzfrage feige abzulehnen, ist der Gipfel der Niedertracht. Diese Formel soll die Differenzen nicht ans Licht bringen, sondern sie überdecken; gleichzeitig soll sie die Bewegungsfreiheit der Führung der britischen Kommunistischen Partei für die Zukunft garantieren, ungehindert davon, dass irgendeine Partei aus dem Ausland ihre Schnauze in den nationalen Boden Großbritanniens steckt, was das Vorrecht der „britischen“ Partei ist.
Trotzkis Vorhersage
Eine Abspaltung von der Vormundschaft Moskaus wäre eine fortschrittliche Sache gewesen, wenn man eine Bilanz der Erfahrungen der Bewegung in den letzten fünf Jahrzehnten gemacht hätte. Aber die Abspaltung der kommunistischen Parteien des Westens, und es war nur eine halbe Abspaltung, fand aus völlig antirevolutionären Gründen und unter antirevolutionären Prämissen statt.
Dies zeigt sich in der Erklärung Gollans, die wie das Dokument selbst viele richtige Punkte enthält, aber im Grunde alle antirevolutionären Aspekte der Moskauer Politik aufgreift:
„Der Kampf zur Verhinderung eines Weltkrieges, zur Beendigung der atomaren Bedrohung und zur Erreichung einer friedlichen Koexistenz der Staaten, unabhängig von ihren Gesellschaftssystemen, ist für die Menschheit lebenswichtig und eine Notwendigkeit für jede Strategie der sozialen Revolution. Nur ein Narr würde die Gefahr eines Weltkrieges unterschätzen, die sich aus der aggressiven Politik des Imperialismus ergibt.“
Wir haben bereits diese Frage behandelt, so dass es nicht nötig ist, sie hier weiter auszuführen, außer wenn sie die Politik der Kommunistischen Partei in Großbritannien betrifft. Gollan fährt weiter fort und sagt:
„Großbritannien steht vor zwei Alternativen. Entweder setzt es den gefährlichen Weg fort, den es im Bündnis mit Strauß und der westdeutschen Reaktion und dem Neonazismus beschreitet, oder es verfolgt eine Politik der friedlichen Koexistenz und setzt sich für die Beendigung der militärischen Blöcke in Europa und ihre Ersetzung durch ein System der europäischen kollektiven Sicherheit ein, das die Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik und der Nachkriegsgrenzen einschließt. Die erste Alternative ist der Weg der atomaren Bedrohung und der Katastrophe. Die zweite ist der Weg zu Frieden und Sicherheit.
Wir begrüßen die Friedenspolitik der sozialistischen Länder. Ihre Initiative in Europa durch den Budapester Appell findet ein Echo. Es gibt eine wachsende Identität der Ansichten über die europäische Sicherheit zwischen den Menschen in Westeuropa und den sozialistischen Ländern.“
Von welchem Großbritannien ist die Rede? Dem Großbritannien der Arbeiter*innenklasse oder dem Großbritannien des Imperialismus? Auf lange Sicht kann es keinen Frieden ohne den Sturz der herrschenden Klasse geben. Die Politik des westdeutschen Imperialismus ist nicht besser und nicht schlechter als die des britischen Imperialismus. An anderer Stelle haben wir uns mit den Argumenten in Bezug auf Großbritannien befasst, und der Platz verbietet es, hier auf sie einzugehen. Aber die feige Position der europäischen kommunistischen Parteien kommt in dem Abschnitt, der sich mit den Beziehungen zwischen „sozialistischen Staaten und kommunistischen Parteien“ befasst, deutlich zum Ausdruck.
„Die Tagesordnung dieser Konferenz ist diejenige, die auf dem Konsultationstreffen in Budapest im Februar 1968 beschlossen wurde, nämlich ein Hauptpunkt: ,Aufgaben in der gegenwärtigen Phase des Kampfes gegen den Imperialismus und gemeinsames Handeln der kommunistischen und Arbeiterparteien und aller antiimperialistischen Kräfte‘.
Unserer Meinung nach ist die Frage der Beziehungen zwischen sozialistischen Ländern und zwischen kommunistischen Parteien daher nicht wirklich geeignet für Dokumente, die auf diesem Punkt basieren.
Natürlich behindern die Differenzen zwischen einigen sozialistischen Staaten deren Zusammenhalt und schaden damit unserer gemeinsamen Sache, dem Kampf gegen den Imperialismus. Aber das Hauptdokument befasst sich nicht mit den Unterschieden, sondern nur mit den Prinzipien der Beziehungen.“
Ein Kommentar wäre überflüssig, aber Gollan fährt dann fort:
„Wenn die Prinzipien der Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten vollständig umgesetzt würden, gäbe es kein Problem der Beziehungen zwischen ihnen. Die Wiederholung der Prinzipien, die an sich wertvoll und richtig sind, bringt uns nicht allzu weit. Vielmehr muss diskutiert werden, was falsch gelaufen ist und wo und unter welchen Umständen diese Grundsätze nicht vollständig umgesetzt wurden. Ist es logisch zu argumentieren, dass das Konferenzdokument Absätze enthalten muss, die sich mit den Beziehungen zwischen sozialistischen Staaten befassen, und dass die Delegierten nicht über die konkrete Anwendung dieser Prinzipien auf Ereignisse diskutieren sollten, die in jeder kommunistischen Partei diskutiert wurden? … Und das bedeutet, dass wir nicht nur über die Prinzipien diskutieren sollten, sondern darüber, wie sie sich im tatsächlichen Leben manifestieren.
Vermutlich haben viele Delegierte auf dieser Grundlage über China diskutiert. Einige Delegierte aus sozialistischen Ländern haben auch auf die politischen Positionen einiger Parteien in Westeuropa hingewiesen. Wir wollen uns nicht in die inneren Angelegenheiten von irgendjemand einmischen … Die Kommunistische Partei Chinas weicht von marxistisch-leninistischen Positionen ab. Wir werden hier jedoch nicht unsere Position zu dieser großen Frage darlegen.“ (Unsere Hervorhebung)
Diese Aussage, dass „wir uns nicht in die inneren Angelegenheiten von irgendjemand einmischen wollen“, bedeutet in Wirklichkeit: „Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten, mischt euch nicht bei uns ein, lasst die anderen Parteien tun, was sie wollen, solange wir tun können, was wir wollen.“ Dies nimmt einen krassen Ausdruck an, wenn Gollan sagt:
„Die Frage der Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien und der Grundsätze, die ihre Rolle und ihre Tätigkeit bestimmen, ist unserer Ansicht nach für die Tagesordnung dieser Konferenz nicht relevant. Jede Partei ist souverän. Sie allein kann durch ihre höchste Autorität, ihren nationalen Kongress, über ihre Politik, ihre Aktivitäten und ihre Rolle entscheiden. Es gibt und kann kein kollektives Gremium oder ein richtungsweisendes Zentrum geben, das die souveränen Rechte der Parteien an sich reißen und solche Angelegenheiten für sie entscheiden kann.“ Das Material in diesem Artikel ist ein ausreichender Kommentar zu der von Gollan und der Kommunistischen Partei vertretenen Position. Es ist eine glänzende Bestätigung der marxistischen Methode, dass Trotzki vor vierzig Jahren die Entwicklung genau dieser Position auf der Grundlage der „Theorie“ des Sozialismus in einem einzigen Land vorhersagte.
* ,Militant’ hat Material über diese Frage veröffentlicht. Die Kommunistischen Parteien international haben keine angemessene Erklärung geliefert. Das Material in diesem Dokument behandelt die Fragen ebenso wenig auf marxistische Weise wie alle anderen von der KP veröffentlichten.
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