Lynn Walsh: Einleitung zu Lenins „Aprilthesen“

[eigene Übersetzung des englischen Textes, veröffentlicht in Inqaba ya Basebenzi, Oktober 1987]

Die Bolschewiki nehmen ein Programm für die Macht an

Lenins Aprilthesen sind eines der entscheidendsten Manifeste in der Geschichte der Revolution. Sie bestehen nur aus ein paar kurzen Notizen, dem bloßen Gerüst von Lenins Reden, als er im April 1917 nach Petrograd zurückkehrte.

Doch die darin dargelegten Ideen führten zu einer entscheidenden Neuorientierung der bolschewistischen Führung. Lynn Walsh prüft noch einmal die Aprilthesen und ihre Lehren für heute.

Lenins Rückkehr aus dem Exil kristallisierte eine Krise in der bolschewistischen Partei heraus. Die Führung in Russland um Kamenew und Stalin, die nach ihrer Rückkehr aus Sibirien im März die Verantwortung übernommen hatten, unterstützten die Position des Sowjets, der die provisorische Regierung von Fürst Lwow bedingt unterstützte – obwohl der Sowjet die eigentliche Macht auf der Straße und in den Fabriken innehatte.

Lenin hatte diese Haltung bereits zurückgewiesen, wie seine „Briefe aus der Ferne“ im Februar zeigten. Seiner Ansicht nach war die Provisorische Regierung so sehr mit den Großgrundbesitzer*innen, Industriellen und Bankiers verbandelt, dass sie nicht in der Lage war, ihre Versprechen zu erfüllen.

Zu glauben, dass die Regierung den Krieg beenden, den Großgrundbesitz aufteilen, die Wirtschaftskrise lösen und die Forderungen der Arbeiter*innen erfüllen würde, sei eine gefährliche Illusion.

Was Lenin betraf, komme es nicht in Frage, die Provisorische Regierung zu unterstützen, solange sie Reformen durchführt, in der Erwartung, dass zu einem späteren Zeitpunkt günstigere Bedingungen für den Kampf um den Sozialismus entstünden.

Die liberale bürgerliche Regierung, die durch die Februarrevolution widerwillig an die Macht gebracht wurde, war bereits so weit gegangen, wie sie nur gehen konnte.

Wenn die Sowjets nicht die Reste des alten Staates zerschlügen und die Macht entscheidend in die Hände der Arbeiter*innen legten, würde die Provisorische Regierung der Konterrevolution erliegen. Die nächste Phase würde ein neues Regime der totalitären Reaktion sein.

Sozialistisches Programm

In den Aprilthesen rief Lenin daher zum Kampf für ein sozialistisches Programm auf, das sich auf die unabhängige Aktion der Arbeiter*innenklasse stützt. Seine Hauptelemente waren:

● Keine Unterstützung für die Provisorische Regierung.

● Kampf für die Machtübernahme durch die Sowjets.

● Beendigung des Krieges.

● Konfiszierung des Großgrundbesitzes.

● Verstaatlichung der Banken.

● Einführung der Arbeiter*innenkontrolle in der Industrie.

● Ersetzung von Polizei und Armee durch eine Arbeiter*innenmiliz.

● Ersetzung der alten Staatsbürokratie durch eine Arbeiter*innenverwaltung.

● Proklamierung einer Kommunistischen Partei; Gründung einer neuen Internationale.

Ein Programm entlang dieser Linien, in dem auch die Strategie und Taktik dargelegt wurden, war eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Oktoberrevolution.

Im April wurde es von den führenden Mitgliedern abgelehnt, die von Lenin als „alte Bolschewiki“ gegeißelt wurden. Indem er jedoch statt an die führenden Bolschewiki an die Ebene der Basis appellierte, gewann Lenin eine Mehrheit für seine Ideen.

Die neue Aufwallung der Arbeiter*innen und Bäuer*innen, der die Provisorische Regierung in eine neue Krise stürzte, bestätigte Lenins Position in wenigen stürmischen Monaten. Ohne die Aprilthesen wäre das Jahr 1917 ganz anders verlaufen.

Lenins Strategie und Taktik lag eine klare Perspektive zugrunde. Diese gab in den Wirren der Revolution eine klare Handlungsanweisung.

Auf der anderen Seite haben die „alten Bolschewiki“ gerade deshalb, weil sie auf der Grundlage einer verworrenen Perspektive arbeiteten, die sich aus einer Fehlinterpretation der früheren Position Lenins ergab, eine Politik verfolgt, die die verhängnisvolle Volksfrontpolitik der stalinistischen Führungen in den 30er Jahren und danach vorwegnahm.

Permanente Revolution

Die Perspektive, zu der Lenin 1917 gelangte, deckte sich mit Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution, die er nach den Erfahrungen der Revolution von 1905 ausgearbeitet hatte.

Dies legte die lange Debatte innerhalb der russischen Arbeiter*innenbewegung bei, die sich um drei unterschiedliche Auffassungen von der kommenden Revolution drehte.

Alle russischen Marxist*innen waren sich einig, dass die Aufgaben der gesellschaftlichen Umgestaltung, vor denen sie standen, die der bürgerlich-demokratischen Revolution waren.

Diese waren: Die Zerschlagung des Großgrundbesitzes und die Verteilung des Bodens an die Bäuer*innen. Die Abschaffung der zaristischen Monarchie und die Errichtung einer demokratischen Republik.

Die Trennung von Kirche und Staat. Die Einführung von Sozialreformen, die von den Arbeiter*innen und Bäuer*innen dringend gefordert wurden, aber auch notwendig waren, um den Weg für die Entwicklung des Kapitalismus frei zu machen.

Welche politischen Kräfte würden angesichts dessen die Führung übernehmen?

Würden es (a) die Vertreter*innen des liberalen Kapitalismus sein? Wenn ja, würden sich die Arbeiter*innenparteien, einschließlich der Bolschewiki, auf eine bedingte Unterstützung der Liberalen beschränken und akzeptieren, dass der Kampf für den Sozialismus später kommen würde, unter günstigeren Bedingungen, die sich unter einem kapitalistischen Regime entwickeln würden?

Würde (b) die Arbeiter*innenklasse im Bündnis mit den Vertreter*innen der Bäuer*innenschaft die Macht übernehmen – sich aber in diesem Stadium auf bürgerlich-demokratische Aufgaben beschränken?

Oder würde (c) die Arbeiter*innenklasse mit der ausgebeuteten Bäuer*innenschaft hinter sich die Macht übernehmen, die bürgerlich-demokratischen Aufgaben durchsetzen – aber gleichzeitig radikale Veränderungen in ihrem eigenen Interesse durchführen, die den Übergang zum Sozialismus beginnen würden?

Die Position (a) wurde von den Menschewiki eingenommen, die den rechten Flügel der sozialdemokratischen Partei bildeten.

Sie zogen aus Marx sehr schematische Schlussfolgerungen: dass Feudalismus, Kapitalismus und Sozialismus aufeinander folgten und eine historische Etappe abgeschlossen sein müsse, bevor eine andere beginnen konnte.

Nach dieser Auffassung kam es nicht in Frage, dass die Arbeiter*innenklasse eine sozialistische Revolution einleitet, solange die bürgerliche Revolution nicht abgeschlossen war.

Dieses Schema, das der dialektischen Methode von Marx fremd war, berücksichtigte nicht das Kräfteverhältnis, das sich aus der ungleichmäßigen Entwicklung Russlands ergab.

Elemente der modernen Industrie können durch ausländisches Kapital in eine Gesellschaft eingeführt werden, die von Großgrundbesitzer*innen beherrscht und von einer absoluten Monarchie regiert wird.

Die Kapitalist*innen waren zu spät auf der Bildfläche erschienen und waren zu feige, um für fortschrittliche Veränderungen zu kämpfen.

Lange vor 1917 hatten sie die tatsächliche wirtschaftliche Macht inne. Aber sie stützten sich auf den Schutz durch den Zaren und fürchteten die Folgen jeder großen Massenbewegung.

Vor allem fürchteten sie die Arbeiter*innenklasse – die relativ klein, aber kompakt, sehr bewusst und kämpferisch war.

Die liberalen Kapitalist*innen, hätten aus Lenins Sicht längst bewiesen, dass sie unfähig seien, ihre historischen Aufgaben zu erfüllen.

Die Arbeiter*innen sollten sich in keinster Weise auf die Liberalen verlassen. Lenin plädierte immer für eine unabhängige Politik und Organisation der Arbeiter*innenklasse.

In den Jahren vor der Revolution hatte Lenin die Position (b) angenommen. Angesichts des Bankrotts der liberalen Bourgeoisie würde die Revolution durch ein Bündnis zwischen den Arbeiter*innen, der dynamischsten Kraft, und der Bäuer*innenschaft, der vorherrschenden ausgebeuteten Klasse, durchgesetzt werden.

Diese Perspektive wurde von Lenin in der Formel der „revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bäuer*innenschaft“ zusammengefasst.

„Diktatur“ bedeutete nicht totalitäre Herrschaft (das war vor der Monstrosität des Stalinismus!), sondern Klassenherrschaft, die sich auf demokratische Organisationen nach Art der Sowjets stützen sollte. Der Begriff „demokratisch“ drückt die Anerkennung des bürgerlichen Charakters der zu bewältigenden Aufgaben aus.

Lenin war jedoch weit davon entfernt, eine chinesische Mauer zwischen der bürgerlich-demokratischen und der sozialistischen Revolution zu errichten.

Er war überzeugt, dass die russische Revolution aufgrund des internationalen Charakters des Kapitalismus ein Glied in einer Kette weltweiter Revolutionen sein würde.

Eine revolutionäre Regierung in Russland würde durch die Zusammenarbeit mit den revolutionären Arbeiter*innenregierungen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern auf eine zweite, sozialistische Revolution in Russland hinarbeiten.

Wie schnell dies geschehen würde, hänge nicht von einem vorgegebenen historischen Zeitplan ab, sondern vom Kräfteverhältnis.

Vor allem würde es von der Stärke des am Kampf beteiligten Proletariats abhängen. Schon 1906 hatte Lenin geschrieben: „Wir stehen für eine ununterbrochene Revolution. Wir werden nicht auf halbem Wege stehen bleiben.“

Lenins Formel war, wie er im April 1917 erklärte, „algebraisch“. Sie drückte die Klassenverhältnisse aus, ließ aber das spezifische Gewicht der beteiligten politischen Kräfte offen und versuchte nicht, die konkreten Aufgaben zu quantifizieren, die zu erfüllen waren.

Trotzki, dessen Perspektive kühner und konkreter war, warnte 1906, dass jede Tendenz des Proletariats, die bürgerlich-demokratischen Grenzen zu akzeptieren, antirevolutionär würde und für die Revolution potenziell tödlich sein könnte.

Ein Versagen der revolutionären Diktatur bei der Umsetzung sozialistischer Maßnahmen würde in der Praxis die Kräfte des Proletariats schwächen.

Die Führung würde unter diesen Umständen faktisch der liberalen Bourgeoisie überlassen, was der Gefahr einer Konterrevolution Tür und Tor öffnen würde.

Die alten Bolschewiki

Indem er den revolutionären Kern seiner Formel in Bezug auf die konkreten Ereignisse von 1917 entwickelte, vermied Lenin diese Gefahr.

Im Hinblick auf die „alten Bolschewiki“ erwies sich Trotzkis Warnung als weitsichtig und nur allzu wahr. Die alten Bolschewiki klammerten sich an Lenins „veraltete“ und inzwischen „bedeutungslose“ (wie Lenin in den Aprilthesen klarstellte) Formel von der demokratischen Diktatur.

Kamenew und Stalin behaupteten, sie stünden auf Lenins früherer Perspektive (b). In Wirklichkeit führte die Logik dieser Position – die bedingte Unterstützung der Provisorischen Regierung und die Verschiebung des Kampfes um die eigenen Forderungen der Arbeiter*innen – sie zurück zur menschewistischen Position (a) eines Bündnisses mit der liberalen Bourgeoisie, wobei die Arbeiter*innen die zweite Geige spielten.

War es ein Zufall, dass Stalin und Kamenew vor Lenins Rückkehr Gespräche mit den Menschewiki über eine Wiedervereinigung unterstützten?

Die verbleibende Position (c), die einzige, die sich 1917 als wirklich revolutionär erwies, war die der Permanenten Revolution. Dies war die Position, die Lenin im Februar 1917 vertrat, die er in seinen Briefen aus der Ferne darlegte und die in den Aprilthesen zum Ausdruck kam:

„Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Russland besteht in dem Übergang von der ersten Etappe der Revolution […] zur zweiten Etappe, die die Macht in die Hände des Proletariats und der armen Schichten der Bauernschaft legen muss.

„die Arbeiterdeputiertenräte [sind] die einzig mögliche Form der Revolutionsregierung…“

Die Positionen Lenins und Trotzkis stimmten 1917 überein. Lenin sah, dass in der Epoche des Imperialismus, der die internationalen Klassenverhältnisse beherrschte, die Bourgeoisie der halb entwickelten Länder wie Russland ihre historische Mission erschöpft hatte.

Sie konnte die von ihren Vorgänger*innen in den klassischen Revolutionen der Vergangenheit übernommenen Aufgaben nicht mehr erfüllen.

Diese Aufgaben fielen nun auf die Schultern der Arbeiter*innenklasse. Lenin akzeptierte nun Trotzkis kühne Schlussfolgerung, dass die Arbeiter*innenklasse ungeachtet ihrer zahlenmäßigen Schwäche die Macht übernehmen müsse.

Doch wenn das Proletariat diese aus einer früheren Epoche stammenden Aufgaben übernimmt, kommt es nicht umhin, sie mit den sozialistischen Maßnahmen zu verbinden, die zur Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse der Arbeiter*innen notwendig sind.

In Anbetracht der wirtschaftlichen Rückständigkeit und der barbarischen Kultur eines Landes wie Russland war es für das Proletariat jedoch unabdingbar, eine internationalistische Perspektive einzunehmen und die Verbindung mit dem Proletariat der fortgeschritteneren Länder anzustreben, die über die materiellen Voraussetzungen für eine sozialistische Entwicklung verfügen.

Aus grundlegenden materiellen Gründen können die Arbeiter*innen eines rückständigen Landes nur auf der Grundlage der internationalen Ausdehnung der Revolution zum Aufbau des Sozialismus gelangen.

Unter Bezugnahme auf die Permanente Revolution sagte Lenin zu seinem Genossen Adolf Joffe: „Trotzki hatte Recht.“ Nach 1917 schien die Polemik der Vergangenheit nicht mehr so wichtig zu sein.

Lenins Verachtung für diejenigen, die sich an die alte Formel klammerten, wurde in der brutalen Sprache der Aprilthesen deutlich.

Es gibt jedoch viele spätere Kommentare, die jeden Zweifel an Lenins Auffassung ausräumen. Am vierten Jahrestag der Revolution sagte Lenin zum Beispiel: „Doch um die Errungenschaften der bürgerlich-demokratischen Revolution für die Völker Russlands dauerhaft zu machen, mussten wir weiter marschieren, und wir sind weiter vormarschiert. Wir haben die Fragen der bürgerlich-demokratischen Revolution während des Marsches, im Vorbeigehen, als „Nebenprodukt“ unseres hauptsächlichen und wirklichen, unseres proletarisch-revolutionären, sozialistischen Wirkens gelöst.“ (Vierter Jahrestag der Oktoberrevolution, 14. Oktober 1921)

Die Aprilthesen heute

Wäre die russische Revolution erfolgreich international ausgeweitet worden, mit der Entwicklung einer sozialistischen Föderation, die wirtschaftlich fortgeschrittene Länder umfasst, wäre die Diskussion über die Perspektiven vor 1917 für Marxist*innen nur noch von historischem Interesse.

Leider war Sowjetrussland nach der Niederlage der Revolution in Europa isoliert. Die Revolution erlitt eine unvermeidliche Degeneration.

Die demokratische Kontrolle der Arbeiter*innen wurde von einer bürokratischen Elite usurpiert, die in der Person Stalins einen bonapartistischen Vertreter fand.

Je weiter sich die Bürokratie von der Arbeiter*innenklasse im Innern Russlands entfernte, desto mehr gab sie das Vertrauen in die proletarische Revolution im Ausland auf.

Die Kommunistische Internationale wurde in eine Agentur der Außenpolitik der Bürokratie umgewandelt. Auf der Suche nach nationaler Sicherheit begann die Bürokratie, in der Weltarena eine konterrevolutionäre Rolle zu spielen. Die Perspektive eines unabhängigen Kampfes für den Sozialismus wurde aufgegeben.

In dem Bemühen, für diese konterrevolutionäre Umwandlung eine theoretische und „leninistische“ Rechtfertigung zu liefern, exhumierte Stalin Lenins alte Formel von der demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bäuer*innenschaft.

Mit anderen Worten, sie kehrten zu der Politik zurück, die sie Anfang 1917 unterstützt hatten – bevor sie von Lenin im innerparteilichen Kampf besiegt worden waren.

Die Wiederbelebung dieser diskreditierten Politik wurde mit katastrophalen Ergebnissen auf die chinesische Revolution von 1925-26 angewandt.

Gegen die Wünsche der Führung der chinesischen Kommunist*innen erlegte die stalinistische Bürokratie ihnen eine Politik der Unterordnung unter die chinesische Bourgeoisie unter Führung von Tschiang Kai-shek und der Kuomintang auf.

Dies führte zur Niederlage der dynamischen Arbeiter*innenklasse Chinas und zum Massaker an Tausenden von Kommunist*innen und Aktivist*innen. Seitdem wurde dieselbe Politik mit denselben verheerenden Ergebnissen angewandt.

In der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die ex-kolonialen Länder eine Reihe von revolutionären Umwälzungen.

Die kommunistischen Parteiführungen, die noch immer von der stalinistischen Ideologie beherrscht werden, haben die Arbeiter*innenorganisationen stets den Interessen der national-kapitalistischen Führungen untergeordnet.

In vielen Fällen bedeutete dies die Unterstützung bonapartistischer Diktatoren, einschließlich militärischer bonapartistischer Führungen.

Sukarno in Indonesien, Qasim im Irak, Gonçalves in Portugal – die Liste ließe sich rund um den Globus noch um ein Vielfaches verlängern.

In Chile unterstützte die Führung der Kommunistischen Partei zwischen 1970 und 1973 die Volksregierung Salvador Allendes.

Dies geschah auf der Grundlage des so genannten antiimperialistischen und antimonopolistischen Programms, das darauf abzielte, „Eingriffe“ in die Macht des Kapitals zu machen.

Mit anderen Worten, ihre Perspektive war die der Vollendung eines bürgerlich-demokratischen Stadiums der Revolution, wobei der Kampf für die Arbeiter*innenmacht und den Sozialismus bis hinter den Horizont verschoben wurde.

Durch das Verfolgen dieser Linie half die Führung der Kommunistischen Partei, die großartige Bewegung der chilenischen Arbeiter*innen zurückzuhalten, die noch immer mit den schrecklichen Folgen leben müssen.

In ähnlicher Weise stützen sich die Stalinist*innen in der Führung des ANC in Südafrika auf die Etappentheorie.

Trotz der großartigen Bewegung der schwarzen Arbeiter*innen und Jugendlichen glauben sie, dass das Programm der Revolution in dieser Phase auf national-demokratische Aufgaben beschränkt werden müsse.

Sie sehen nicht, dass der Kapitalismus die fortschrittliche Rolle, die er einst gespielt hat, völlig ausgeschöpft hat.

Krise des Stalinismus

Die Krise des Stalinismus und die reformistische Degeneration der verschiedenen kommunistischen Parteien hat viele der Verbindungen zu Moskau gekappt.

Dennoch halten die KP-Führungen an den falschen Ideen Stalins von 1917 fest – Ideen, die von Lenin beiseite geräumt werden mussten, um den Erfolg der Revolution zu sichern.

Wenn 1917 die Idee, dass die bürgerlich-demokratische Revolution erschöpft sein muss, bevor die Arbeiter*innen zum Sozialismus übergehen können, falsch war, so ist sie heute völlig absurd.

Auf der einen Seite ist die Kapitalist*innenklasse der unterentwickelten Länder gegenüber den großen Monopolen und Banken der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder noch unterwürfiger als in der Vergangenheit.

Sie ist unfähig, eine unabhängige, fortschrittliche Rolle zu spielen. Selbst dort, wo die nationale Bourgeoisie die Führung übernommen hat, hat sie es nicht geschafft, ihre traditionellen Aufgaben zu erfüllen.

Im Gegenteil, angesichts der weltweiten kapitalistischen Krise hat sie sogar noch mehr Probleme angehäuft und groteske soziale Widersprüche genährt.

Auf der anderen Seite ist die nationale Bourgeoisie in den ehemaligen Kolonialländern fast überall mit einer starken Arbeiter*innenklasse konfrontiert.

Vor allem in den halb entwickelten Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind die Kapitalist*innen durch die Angst vor dem Proletariat gelähmt, das heute viel stärker ist als die Arbeiter*innen in Russland 1917.

Viele Streiks, Generalstreiks und Aufstandsbewegungen haben die Kampfbereitschaft der Arbeiter*innen bewiesen.

Die Schwäche des Proletariats in den ex-kolonialen Ländern kann nicht auf die Unvollständigkeit der nationalen bürgerlich-demokratischen Revolution zurückgeführt werden.

Das Versagen der Arbeiter*innen in diesen Regionen, die Führung der ausgebeuteten Bäuer*innenschaft und des verarmten Kleinbürgertums zu übernehmen und die Gesellschaft aus ihrer derzeitigen Sackgasse herauszuführen, liegt an ihrer politischen Schwäche.

Dies spiegelt das Fehlen einer revolutionären marxistischen Politik wider, die auf den Ideen von Lenin und Trotzki beruht und 1917 auf die Probe gestellt wurde.

Deshalb ist die Kontroverse von 1917 immer noch eine Lebensfrage. Die Lehren aus den Aprilthesen müssen gelernt, neu gelernt und an klassenbewusste Arbeiter*innen in der ganzen Welt weitergegeben werden.


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