Leo Trotzki: Brief an Henri Molinier

[14. Mai 1933, eigene Übersetzung des französischen Textes, verglichen mit der englischen Übersetzung, „Persönliche Fragen“ bzw. „Probleme mit einem Verleger“]

Werter Genosse Henri Molinier1,

Ich wende mich in einer persönlichen Frage an Sie. Man muss einen Weg finden, um an meinen deutschen Verleger heranzukommen. Es scheint mir, dass der beste Weg über Paris führt. Nach der Meinung von Frau Pfemfert, meiner Übersetzerin, schuldete mir der Verleger S. Fischer seit einigen Monaten 5.000 Mark. Der Eindruck Ljowas ist ganz anders, aber trotzdem besteht Frau Pfemfert mit völliger Sicherheit auf der Zahl von 5.000 Mark: Sie hatte diese Information von Herrn Dr. Fischer-Bermann selbst erhalten (er ist der Schwiegersohn des alten Mannes und der eigentliche Leiter der Firma). Sie verstehen sicher, wie wichtig diese Frage nun für mich geworden ist. Das Ehepaar Pfemfert versuchte, über Briefe und über (die Vermittlung von) Frau Pfemferts Schwester in Berlin mit dem Verleger in Verbindung zu treten. Ohne Erfolg. Fischer antwortete nicht und soll sich vor dem Besuch von Frau Pfemferts Schwester gedrückt haben. Es geht ihm natürlich nicht darum, die Zahlung zu umgehen. In dieser Hinsicht sind die Herren sehr loyal. Aber Sie können sich vorstellen, wie sehr sie jetzt durch die Beziehung zu einem Autor in Verlegenheit sind, dessen Bücher von der Nazi-Kanaille feierlich verbrannt werden. Eine Beziehung mit dem Flüchtigen Pfemfert kann auch nicht den Kredit des Verlegers erhöhen, der Gefahr läuft, dass sein gesamtes Vermögen enteignet wird. Was nicht unwichtig ist. Ich sehe unter diesen Umständen keine andere Möglichkeit, als jemanden zu schicken, der in Bezug auf Rasse, Nationalität und politische Tendenz „neutral“ ist, und zwar zu zwei Zwecken: a) die Geldfrage zu klären und mir die Mark zu bringen, wenn es welche gibt, b) meine Bücher ins Ausland zu retten, um sie in den deutschsprachigen Ländern zu verkaufen. Genosse [Pierre] Frank stellt die Hypothese auf, die ich für absolut glücklich halte, dass Genosse Reiland, der luxemburgische Buchhändler, interveniert: Sie müssen ihn im Übrigen zumindest dem Namen nach kennen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie nach einem Gespräch mit Ljowa, der vielleicht einige zusätzliche Informationen hat, in dieser Angelegenheit behilflich sein könnten. Ich lege diesem Brief zwei Beglaubigungen bei, eine auf den Namen Reiland, die andere blanko, in die Sie den passenden Namen eintragen, falls die Kombination mit Reiland nicht zustande kommt. Im Text der Beglaubigung erwähne ich Fischer absichtlich nicht, für den Fall, dass das Dokument versehentlich in die Hände der Nazis fällt. Der Überbringer der Beglaubigung müsste dies alles Herrn Bermann oder seinem Stellvertreter erklären.

Reiland wäre auch durchaus geeignet, zumindest einen Teil meiner Bücher (die Autobiografie und vor allem der zwei Bände der „Geschichte“) zu retten. Diese Frage müsste natürlich gut durchdacht werden, und Reiland könnte sogar ein gutes Geschäft als Buchhändler machen, indem er in diesem Fall zum „Monopolisten“ meiner drei Bücher für die deutschsprachigen Länder wird. Ich schreibe ihm nicht direkt, um ihm eine Ablehnung nicht zu erschweren, falls die Umstände es ihm nicht erlauben sollten, in dieser Angelegenheit einzugreifen.

Noch eine weitere Frage, die nicht ganz so ernst ist, aber für mich eine Bedeutung hat. Sie steht im Zusammenhang mit Parijanines Schritten bezüglich des Visums. Ich habe in den letzten Monaten zwei Artikel für die amerikanische Presse geschrieben, einen über Herriot, den anderen über Poincaré. Vorsichtshalber schickte ich den Artikel über Herriot an Parijanine, um ihn zu fragen, ob meine – durchaus problematische – Lobreden auf französische Staatsmänner seine Bemühungen zu meinen Gunsten nicht behindern könnte. Parijanine antwortete: dies wäre eine Katastrophe. Nun stellen diese beiden Artikel aber einen Wert von einigen hundert Dollar dar. Welchen Wert haben Parijanines Einschätzungen? Ich weiß nicht viel darüber. Trotzdem schicke ich heute schweren Herzens ein Telegramm an Eastman: „Veröffentlichen Sie meine Artikel über Herriot und Poincaré nicht“. Wie beurteilen Sie die Schritte Parijanines? Haben Sie sich mit ihm unterhalten? In meiner ersten Antwort auf seine durchaus freundschaftliche Initiative schlug ich ihm vor, diese Angelegenheit in ständiger Verbindung mit Ihnen zu führen.

2Ich wäre sehr froh, von Ihnen und den Ihrigen ein paar Nachrichten zu haben,

L. T.

1 In der englischen Übersetzung: „H. M.“

2 Der Schluss fehlt in der französischen Wiedergabe und erfolgt hier nach der englischen Übersetzung


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