Kurz bevor er starb hatten Moskauer Witzbolde bereits ein Urteil über Andropows kurze fünfzehnmonatige Regierungszeit gefällt. Eine Variation eines alten Witzes lautete wie folgt: „Stalin, Chruschtschow, Breschnew und Andropow fahren in einem roten Zug. Der Zug hat eine Panne. ,Repariert ihn‘, befiehlt Stalin. Sie reparieren ihn, aber der Zug fährt immer noch nicht. Stalin befiehlt: ,Erschießt alle‘. Sie erschießen alle, aber der Zug rührt sich immer noch nicht. Stalin stirbt. ,Rehabilitiert alle‘, befiehlt Chruschtschow. Sie werden rehabilitiert, aber der Zug bleibt unbeweglich. Chruschtschow wird abgesetzt. ,Schließt die Vorhänge‘, befiehlt Breschnew, ,und tut so, als würden wir uns bewegen.‘ Breschnew stirbt, Andropow steigt aus, tritt gegen das Rad und bricht sich den Zeh.“
In Kürze wird die gleiche Geschichte mit gleicher Wucht über Tschernenko, den Nachfolger Andropows und mit 72 Jahren der Älteste, der seit der Gründung des Staates die Macht im Kreml innehatte, erzählt werden. Er erbt ein krisengeschütteltes Regime. In der Tat sind jetzt alle Bedingungen für den Sturz der russischen und osteuropäischen Stalinisten reif und überreif.
Es war Marx, der darauf hinwies, dass der Schlüssel zur Entwicklung der Gesellschaft in der Entwicklung der Produktivkräfte, der Wissenschaft, der Technik und der Organisation der Arbeit liegt. Er schrieb im Hinblick auf die Unfähigkeit des Kapitalismus, das in den Produktivkräften, die er selbst aufgebaut hat, verborgene Potenzial voll zu entwickeln. Der Aphorismus von Marx gilt heute jedoch in gleichem Maße für die stalinistischen Regime in Osteuropa und Russland. In der Vergangenheit waren die Vorteile der Verstaatlichung und des Produktionsplans, der wichtigsten Errungenschaft der russischen Revolution, in der kolossalen Entwicklung der Produktivkräfte und dem höheren Lebensstandard des russischen Proletariats und der Bäuer*innenschaft sichtbar.
Die Produktivkräfte entwickelten sich zwei- und manchmal sogar dreimal so schnell wie der Kapitalismus im Westen. So spielte der Stalinismus trotz aller Schrecken von Stalins Regime – den Säuberungsprozessen, den Sklavenarbeitslager, dem „Gulag“ – angesichts der Verzögerung der Weltrevolution eine relativ fortschrittliche Rolle. Er erfüllte in Russland die Aufgaben, zu denen der Kapitalismus nicht in der Lage war, indem er die Industrie entwickelte, die Technik aus dem Westen übernahm und durch die Entwicklung der Schwerindustrie die Infrastruktur eines modernen Industrielandes aufbaute.
Es ist wahr, wie Trotzki hervorhob, dass dies zu zwei- oder sogar dreimal so hohen Kosten wie unter dem Kapitalismus erreicht wurde. Dennoch hat es keine Wirtschaft in der Geschichte geschafft, die Produktivkräfte in einem solchen Ausmaß zu steigern wie die russische Wirtschaft seit 1917. Selbst die japanische Wirtschaft hat in einem ähnlichen Zeitraum nicht die Wachstumsrate der russischen Wirtschaft erreicht. Diese Tatsache wurde in einem Artikel in der Zeitschrift Scientific American unterstrichen, die normalerweise nicht wirtschaftliche Trends diskutiert. Selbst in der Nachkriegszeit sahen wir die enormen Vorteile der Verstaatlichung und des Produktionsplans bei der raschen wirtschaftlichen Erholung Russlands von den schrecklichen Zerstörungen des Krieges. Die Wirtschaft wuchs im Allgemeinen mit einer doppelt so hohen Rate wie der Kapitalismus in den 1950er Jahren. Die gesamte Industrieproduktion Russlands stieg im Jahrzehnt der 1950er Jahre um 230%. Die Konsumgüterproduktion verdoppelte sich, während die Produktion von Produktionsmitteln um das 2½-fache anstieg. Die Kapitalinvestitionen in der Industrie haben sich mehr als verdoppelt, und die Arbeitsproduktivität stieg im Jahrzehnt der 1960er Jahre um 66%. Roy Medwedew, ein Vertreter der liberalen Strömung innerhalb der Bürokratie, schätzte, dass die gesamte Industrieproduktion 1970 75% derjenigen der USA erreichte. In den 1950er Jahren prahlte Chruschtschow damit, dass Russland den kapitalistischen Westen, einschließlich des kapitalistischen Amerikas, in den 1970er Jahren einholen und überflügeln würde.
Breschnew verschob das Datum des „Einholens“, behauptete aber, Chruschtschows Prahlerei würde in den 1970er oder 1980er Jahren erreicht werden. Jüngste Schätzungen der russischen Wirtschaftsleistung liegen jedoch bei nur 60% der amerikanischen. (Roy Medwedew, ein russischer Historiker, schätzt sie auf nur 55% der amerikanischen Produktion.) In der Schwerindustrie – Stahl, Zement usw. – überflügelt Russland die meisten kapitalistischen Mächte. Aber auch in den modernsten Industriezweigen wie den Mikroprozessoren liegt Russland bei der Konstruktion und Entwicklung in diesem Schlüsselbereich nur zwei bis drei Jahre hinter Amerika zurück. Es ist geplant, dass bis 1985-86 100.000 Computer in der russischen Industrie eingesetzt werden. Damit ist das Produktionspotential, wenn auch nicht die tatsächliche Arbeitsproduktivität, mit den fortgeschrittensten kapitalistischen Ländern des Westens vergleichbar.
Dies stellt eine riesige Entwicklung im Vergleich zu Russland zur Zeit der Revolution von 1917 dar. Die materiellen Voraussetzungen für den Sozialismus gab es damals in Russland nicht, sondern nur im Weltmaßstab. Die Führer*innen der russischen Revolution, Lenin, Trotzki und die anderen bolschewistischen Führer*innen, sahen in der russischen Revolution den Funken, der die Weltrevolution entfachen und die Grundlage für eine sozialistische Weltföderation legen würde. Kein einziger Führer der Revolution, auch nicht Stalin selbst damals, kam auf die Idee, dass es mit den kargen wirtschaftlichen und kulturellen Ressourcen Russlands möglich sei, den Sozialismus in diesem Land aufzubauen. Doch die Verzögerung der Weltrevolution – ihrerseits das Ergebnis des Verrats der sozialdemokratischen Führer*innen im Westen -, der Bürgerkrieg und die extreme Rückständigkeit Russlands führten dazu, dass die Arbeiter*innenklasse an den Rand gedrängt und die Macht von der bürokratischen Elite in Staat, Armee und Partei an sich gerissen wurde.
Die Entwicklung der Produktivkräfte in Russland in den letzten sechsundsechzig Jahren unter der Aufsicht der Bürokratie hat zum ersten Mal die materielle Grundlage für den Aufbau des Sozialismus geschaffen. Doch mit der gleichen Menge an Maschinerie wie im kapitalistischen Amerika, der der Arbeiter*innenklasse zur Verfügung steht, liegt die Produktion in Russland bei 60 oder 70% derjenigen der USA. Allein diese Tatsache würde die Herrschaft der Bürokratie verurteilen. Denn es war Marx, der darauf hinwies: „Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf“. Trotzki erweiterte diese tiefgründige Aussage, indem er erklärte, dass dies bedeute, dass der gesamte Kampf des Menschen mit der Natur auf allen Stufen der Zivilisation, reduziert auf seine primäre Grundlage, bedeute, dass die Geschichte nichts anderes sei als ein Kampf um eine Ökonomie der Arbeitszeit. „Der Sozialismus könnte nicht allein durch die Aufhebung der Ausbeutung gerechtfertigt sein: er soll der Gesellschaft, verglichen mit dem Kapitalismus, größere Zeitersparnis gewährleisten.“. Vor fünfzig Jahren konnte Trotzki schreiben: „die Sowjetwirtschaft hat noch längst nicht gelernt, wie man die Zeit, dieses kostbarste Rohmaterial der Kultur, nutzen soll.“
Doch die Verschwendung der Bürokratie war damals eine Bagatelle im Vergleich zu der Verschwendungssucht, Ineffizienz und Verschwendung heute. Die Bürokratie hat die gigantischen Vorteile der Planwirtschaft zunichte gemacht. Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre und der damit verbundenen Massenarbeitslosigkeit, Armut und Hunger wurde die wirtschaftliche Entwicklung Russlands von den Arbeiter*innen in den kapitalistischen Staaten und auch von einer Schicht von Intellektuellen unterstützt. Doch heute ist das Entwicklungstempo Russlands gleich hoch oder sogar niedriger als das einiger großer kapitalistischer Mächte des Westens. Schon in den 1960er und 70er Jahren konnten wir eine Verlangsamung der Entwicklung der russischen Wirtschaft beobachten.
In den 1950er Jahren wuchs sie um durchschnittlich 12%. Doch nur in einem einzigen Jahr, 1967, wuchs die Wirtschaft im folgenden Jahrzehnt um 10%. In den 1970er Jahren war die Wachstumsrate nur noch halb so hoch wie im vorangegangenen Jahrzehnt. Und in zwei der letzten vier Jahre kam es zu einem katastrophalen Rückgang der Wachstumsrate in der russischen Wirtschaft. In den Jahren 1981 und 1982 gab es ein jährliches Wachstum von 2½%. Dies ist der niedrigste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1983 stieg sie wahrscheinlich um etwa 4%. Die Landwirtschaft wuchs im gleichen Zeitraum nach vier Jahren des Rückgangs um 4%. Aber trotz enormer Investitionen in die Landwirtschaft liegt diese Zahl immer noch unter dem Niveau von 1970.
Diese Zahlen bedeuten, dass alle Vorteile, die Russland und die anderen stalinistischen Staaten in der Vergangenheit durch die Verstaatlichung und den Produktionsplan genossen haben, heute durch den monströsen Albdruck des Stalinismus fast vollständig zunichte gemacht sind. Die Entwicklungsrate der russischen Wirtschaft unterscheidet sich kaum von der mickrigen Wachstumsrate der kapitalistischen Länder im Westen. Amerika wuchs 1983 um 3½%. Die stalinistische Bürokratie ist heute ein absolutes Hindernis für die weitere Entwicklung der russischen Wirtschaft und der russischen Gesellschaft. Sie ist ein monströses historisches Hindernis, das nur durch die politische Revolution der russischen Arbeiter*innenklasse in Zusammenarbeit mit der Arbeiter*innenklasse in ganz Osteuropa beseitigt werden kann.
Die Ereignisse in Polen zwischen 1980 und ’81 waren ein Vorbote der kommenden politischen Revolution im Osten. Aber selbst diese gewaltigen Ereignisse werden von den grandiosen Bewegungen des russischen Proletariats in der nächsten Periode in den Schatten gestellt werden. In der Tat ist es ein Wettlauf mit der Zeit, was zuerst kommt – die sozialistische Revolution im kapitalistischen Westen oder die politische Revolution in den stalinistischen Staaten Russlands und Osteuropas.
Die Strategen des Kapitals haben in ihren seriösen Publikationen die Gefahren erkannt, die die polnischen Ereignisse sowohl für sie als auch für den Stalinismus darstellen. Die Zeitschrift The Economist beispielsweise titelte im September 1981 in einem Artikel über Polen: „Solidarity Whoa!“ [Solidarność brrr!]. Weiter hieß es dort: „Die Möglichkeit, dass Arbeiter in anderen osteuropäischen Ländern die Polen nachahmen, ist alles andere als unwahrscheinlich. In dem angespannten wirtschaftlichen Klima, das jetzt herrscht, könnte ein einziger Vorfall (wie der Bergarbeiterstreik in Rumänien 1977) eine gewerkschaftliche Revolution in jedem kommunistischen Staat, einschließlich der Sowjetunion selbst, auslösen“. Während die Kapitalist*innen also bereit sind, die Verbrechen des Stalinismus als Vogelscheuche gegen den Sozialismus im Westen einzusetzen, erkennen sie gleichzeitig die tödlichen Gefahren, die ihnen und ihrem System durch eine politische Revolution im Osten drohen.
In der Tat nähren sich Stalinismus und Kapitalismus gegenseitig und stützen einander gegen die Bedrohung durch die soziale Revolution im Westen und die politische Revolution im Osten ab. Einer der Faktoren, der das russische Proletariat in der Vergangenheit davon abhielt, die stalinistische Bürokratie zu stürzen, war die Angst vor einer militärischen Intervention der imperialistischen Mächte und der damit verbundenen Vernichtung der Errungenschaften der Oktoberrevolution. Auf der anderen Seite nutzt der Imperialismus den Stalinismus, um die Bedrohung abzuwehren, die ihm durch die Bewegung des Proletariats im kapitalistischen Westen droht. In den 1930er Jahren wurden der Faschismus und die Androhung einer militärischen Intervention vom Stalinismus als Mittel zur Kontrolle der Bewegung der russischen Arbeiter*innenklasse eingesetzt. Trotzki wies darauf hin, dass Stalinismus und Faschismus symmetrisch sind. Obwohl sie auf grundlegend unterschiedlichen und gegensätzlichen Gesellschaftssystemen beruhten, entstünden sie beide aus derselben Ursache – der Verzögerung der Weltrevolution.
Natürlich sind keine Mussolinis, Francos oder Hitlers am Horizont zu sehen, die die stalinistische Bürokratie jetzt nutzen kann. Jedoch die kriegerischen Drohungen Reagans und Thatchers werden benutzt, um jede Bewegung der russischen Arbeiter*innenklasse zu stoppen. Die Bürokratie spürt und fürchtet die Macht der russischen Arbeiter*innenklasse heute. Wie die Kapitalist*innen im Westen haben sie die mächtige Entwicklung der Industrie angeführt. Sie haben daher dem Wachstum ihres eigenen Totengräbers, des russischen Proletariats, einen gigantischen Impuls gegeben. Zweifellos ist die russische Arbeiter*innenklasse heute die mächtigste auf dem Planeten. Russland ist nicht länger eine rückständige Gesellschaft mit einer überwiegend ländlichen Bevölkerung. In der Landwirtschaft sind nur noch 20% der Arbeitskräfte beschäftigt. Die zunehmende Macht und das soziale Gewicht der Arbeiter*innenklasse wird durch die folgenden Zahlen verdeutlicht. Heute gibt es 18 Städte mit mehr als einer Million Einwohner*innen: 1970 waren es nur fünf! 270 Städte haben heute eine Einwohner*innenzahl von 100.000 oder mehr. Das sind fünfzig mehr als 1970. Allein in Russland werden jedes Jahr zwanzig neue Städte gegründet.
Es gibt riesige Konzentrationen des Proletariats in einzelnen Fabriken, die diejenigen im kapitalistischen Westen zwergenhaft erscheinen lassen. In der Gorki-Automobilfabrik zum Beispiel arbeiten insgesamt 200.000 Arbeiter*innen auf dem Fabrikgelände! In der Fabrik von Togliatti sind es 170.000 Arbeiter*innen! Ein Streik aus Protest gegen die Rationierung im Jahr 1980 allein in diesen beiden Fabriken nahm fast den Charakter eines Generalstreiks an!
Die Unfähigkeit des Regimes, die Produktivkräfte zu entwickeln, hat ihrerseits dazu geführt, dass die Forderungen einer immer selbstbewussteren und kultivierteren Arbeiter*innenklasse nicht erfüllt werden konnten. In der Vergangenheit gab es, das ist wahr, einen spürbaren Anstieg der Durchschnittslöhne der meisten Kategorien von Arbeiter*innen. In den 1950er und 1960er Jahren gab es auch ein entsprechendes Wachstum in den Bereichen Bildung und Wissenschaft, das den kapitalistischen Westen weit übertraf. Im Jahr 1970 gab es in Russland 4,6 Millionen Student*innen. Allein 257.000 machten ihren Abschluss in den Ingenieurwissenschaften. In Amerika waren es im selben Jahr nur 50.000 Absolvent*innen. Der reale Lebensstandard des Proletariats in allen Ländern Osteuropas ist in der Nachkriegsperiode gestiegen. Der Lebensstandard der ostdeutschen Arbeiter*innenklasse ist in den meisten Bereichen – mit Ausnahme vielleicht des Autobesitzes – höher als der derzeitige der britischen Arbeiter*innenklasse.
In diesen Gesellschaften wird die Kultur nicht mehr von der bürokratischen Elite monopolisiert. Engels wies darauf hin, dass im Laufe der Geschichte immer dann, wenn eine Elite oder eine Klasse die Kunst, die Regierung und die Wissenschaft kontrolliert, sie ihre Position ausnutzt und missbraucht, um ihre Stellung zu verbessern. Wir haben jetzt ein sehr gut ausgebildetes Proletariat in allen Ländern Osteuropas, vor allem aber in Russland selbst. Russland ist jetzt ein fortschrittliches Industrieland, das zweite Industrieland der Welt. Aber die stalinistischen Staaten Russlands und Osteuropas können bestenfalls nur noch langsam vorankommen. Nur Ostdeutschland hatte 1982 eine Entwicklungsrate von 5%, die die der meisten kapitalistischen Länder übertraf. Diese Zahlen zeigen, wie die schwindenden Herzschläge eines kranken Organismus, den bevorstehenden Zusammenbruch des russischen Stalinismus.
Wie der Kapitalismus ist auch die stalinistische Autokratie nicht mehr in der Lage, die weitere Entwicklung von Industrie und Gesellschaft zu lenken. Sie taumelt von einem Mittel zum anderen; jeder wirtschaftliche Zickzack ist weniger wirksam als der vorherige. So leitete Andropow Anfang 1983 seine Reformen mit einer „Anti-Korruptions“-Kampagne ein. Wie Stalin, Chruschtschow und Breschnew vor ihm vertrat Andropow zwar die privilegierte bürokratische Schicht, war aber dennoch alarmiert über die Misswirtschaft, die Verschwendung und den enormen Anteil des Überschusses, der von dieser Elite verbraucht wurde.
Um die aufgeblähten Privilegien der Bürokratie zu beschneiden, stürmten Sonderbrigaden in Leningrad, Moskau und anderen Städten mondäne Cafés, drangen in Saunas und andere Luxuspaläste der Bürokratie ein. Für eine sehr kurze Periode schien dies eine gewisse Wirkung zu haben. Zu Beginn des Jahres schien die Wirtschaft um 5% oder 6% zu wachsen, doch im Mai oder Juni ging die Wirtschaft zurück, und die gleichen Probleme, die Breschnew und Chruschtschow plagten, standen dem schwachen und kränkelnden Andropow und jetzt Tschernenko gegenüber, nur in verschärfter Form. Die Geschichte der stalinistischen Regime ist eine Geschichte von wirtschaftlichen Zickzacks, von wirtschaftlichen Abenteuern, das auf einander gestapelt werden. In einem schwindelerregenden Wechsel der Politik sind die stalinistischen Regime von der Zentralisierung zur Dezentralisierung und wieder zur Rezentralisierung übergegangen.
Keine moderne Wirtschaft könnte mit der von der privilegierten Schicht in Moskau ausgeübten starren zentralisierten Kontrolle funktionieren. Selbst 10.000 Lenins, Trotzkis, Marx‘ und Engels‘ wären allein nicht in der Lage, eine hochentwickelte Wirtschaft wie die Russlands zu führen. Der Kapitalismus hat zumindest die Kontrolle des Marktes. In einer Planwirtschaft kann nur die bewusste Kontrolle und Leitung von Staat und Gesellschaft durch die Arbeiter*innenklasse ihr volles Potenzial ausschöpfen. Nur die Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung könnten die monströse Verschwendung beseitigen, die die russische Gesellschaft und Wirtschaft gegenwärtig plagt. Die unumschränkte Herrschaft der Kreml-Elite hat zu der Absurdität geführt, dass die zentralen Ministerien in Moskau versuchen, die Pläne tausender einzelner Fabriken zu bestimmen, die manchmal tausende von Kilometern entfernt sind.
Diese Pläne wurden zudem mit den gröbsten Methoden festgelegt: durch Gewichts- und Produktionsmengenziele. So wurde in einer Fabrik der Plan in Volumen pro Ausstoß festgelegt, und die Prämien wurden auf der Grundlage des Gesamtausstoßes der Fabrik vergeben. Es wurden also riesige Nägel produziert, die manchmal größer waren als das Holz, in das sie geschlagen werden sollten! Der Plan wurde dann auf die Anzahl der hergestellten Produkte umgestellt. Daraufhin wurden winzige Nägel hergestellt, die ebenso nutzlos waren! Die zentralisierte Kontrolle entspräche dem Versuch des britischen Finanzministeriums, die Produktion einer kleinen Fabrik in Rochdale zu bestimmen.
Das Breschnew-Regime versuchte in den 1960er Jahren, aus dieser Sackgasse herauszukommen, indem es mit einer „kontrollierten“ Dezentralisierung und der Einführung des „Profitmotivs“ sowie der Ein-Mann-Leitung in einzelnen Fabriken experimentierte. Wie wir damals vorausgesagt hatten, wiederholten sich damit die Mängel der zentralisierten Bürokratie um ein Vielfaches. Die begrenzte Kontrolle wurde an die verschiedenen „Nationalitäten“ abgegeben, wodurch in den nationalen Republiken 16 Minibürokratien entstanden, die die Ineffizienz und Verschwendung der zentralisierten Moskauer Bürokratie noch verstärkten. Gleichzeitig haben Bestechung und Korruption monumentale Ausmaße angenommen. 1936 wies Trotzki darauf hin, dass die Bürokratie einen beträchtlichen Teil des durch die Arbeit der Arbeiter*innenklasse geschaffenen Mehrwerts verschlang. Die Bürokratie im Handelsapparat verschlang damals ein Zehntel der gesamten Produktion Russlands. Er schätzte, dass die gesamte Bürokratie 5 bis 6 Millionen Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von 170 Millionen zählte.
Dennoch erscheinen die Privilegien, die der stalinistische Apparat von 1936 genoss, im Vergleich zu der ungeheuerlichen Korruption und Verschwendungssucht der heutigen stalinistischen Granden fast wie die Schmiergelder eines Dorfpolizisten. Die so genannte „Russische Kommunistische Partei“ ist in Wirklichkeit die Partei der Bürokratie. Diese ist auf eine nominelle Mitgliederzahl von 18 Millionen bei einer Bevölkerung von 270 Millionen angeschwollen. Natürlich reicht diese privilegierte Beamtenschaft von den Herren im Kreml bis hinunter zu den Dorf- und Stadtbeamten. Bestechung und Korruption haben ein solch monumentales Ausmaß erreicht, wie es nicht einmal Trotzki hätte vorhersehen können. Man schätzt, dass 50% der gesamten Wirtschaftsleistung Russlands entweder durch Ineffizienz, Missmanagement oder völlige Korruption verschwendet werden.
Andropow deckte das Ausmaß der Korruption in Breschnews unmittelbarer Umgebung auf. Breschnew selbst kritisierte er erst, als dieser nicht mehr in der Lage war, aus dem Grab heraus zu antworten. Breschnew hatte kurz vor seinem Tod vom Führer der Aserbaidschanischen Republik ein mit Diamanten besetztes Schwert erhalten. Der Minister für Fischerei wurde wegen „Wirtschaftsverbrechen“ erschossen. Dabei ging es um den Schmuggel großer Mengen Kaviar in den Westen in Kisten, die als Heringe etikettiert waren! In ähnlicher Weise wurde der Minister für Luftverkehr wegen ähnlicher Verbrechen hingerichtet, bei denen sich Tausende von Mitarbeiter*innen seines Ministeriums in das Netz der Korruption verstrickt hatten. Egal, in welche Richtung sie sich wendet, die Bürokratie kann die unüberwindlichen Probleme, mit denen ihr Regime jetzt konfrontiert ist, nicht lösen.
Der Versuch, mit den sogenannten Liebermann-Reformen in den 1960er Jahren einige Merkmale des kapitalistischen Marktes nachzuahmen, wurde in Russland selbst nur teilweise umgesetzt. Das ungarische Regime von Kadar hingegen griff einige Aspekte von Liebermans Vorschlägen auf und setzte sie in Ungarn um. Andropow hat nun mit dem Gedanken gespielt, das so genannte „ungarische Modell“ zu imitieren. So versucht die russische Bürokratie, ihre eigenen Nachahmer zu nachzuahmen, um sich aus ihren Schwierigkeiten zu befreien. Die viel gepriesenen ungarischen Reformen gaben den Fabrikmanagern eine gewisse Unabhängigkeit.
Sie stellte auch einen Versuch der Bürokratie dar, einen Teil der ungarischen Arbeiter*innenklasse an den Privilegien der Elite teilhaben zu lassen. Damit verbunden war der Versuch, in Ungarn eine Art Stachanow-Bewegung wie in Russland in den 1930er Jahren einzuführen. Trotzki wies darauf hin, dass dies einen Versuch Stalins darstellte, einen Teil der Arbeiter*innen an der Verteilung der Privilegien der Bürokratie zu beteiligen. Stalinistische Regime sind nicht in der Lage, das Proletariat für die Entwicklung von Industrie und Gesellschaft zu begeistern. Stattdessen versuchte die Kadar-Bürokratie, sich die Unterstützung eines Teils des ungarischen Proletariats durch Bestechung zu erkaufen. Das Ergebnis der „ungarischen Reformen“ war die enorme Zunahme der Ungleichheiten innerhalb der ungarischen Gesellschaft.
Einige Theoretiker*innen hatten sich in der Vergangenheit vorgestellt, dass das Wachstum der Industrie in den stalinistischen Staaten die Unterschiede zwischen der sowjetischen Aristokratie und der Arbeiter*innenklasse verringern würde. Nun hat sogar der ehemalige ungarische Ministerpräsident Hegedüs geschätzt, dass das Einkommen der obersten 5% in Ungarn 80 Mal so hoch ist wie das der untersten 5%! Die Korruption ist inzwischen so weit verbreitet, dass alle Schichten der ungarischen Gesellschaft, sogar die ungarischen Fußballmannschaften, in ein enormes Korruptionsnetz hineingezogen wurden. In allen Staaten Osteuropas, nicht nur in Polen, brodelt eine enorme Unzufriedenheit, die in der nächsten Zeit leicht überkochen könnte. Ungarn erlebte nach der Revolution von 1956 einen wirtschaftlichen Aufschwung. Dies war teilweise auf die Teilnahme der ungarischen Wirtschaft am Weltmarkt zurückzuführen. Für 1983 wurde jedoch ein Rückgang des ungarischen Nationaleinkommens um 2% erwartet.
Das schwächste Glied in der Kette des Stalinismus ist jedoch neben Polen vielleicht Jugoslawien. Die Inflation liegt bereits bei über 40% pro Jahr. Dabei handelt es sich größtenteils um eine aus dem Westen importierte Inflation, die durch den Handel Jugoslawiens mit dem kapitalistischen Block entsteht. Die Arbeitslosigkeit hat inzwischen 10% der Erwerbsbevölkerung erreicht; mindestens 1 Million Emigrant*innen arbeiten im Ausland, hauptsächlich in Westdeutschland. Diese „Arbeitslosigkeit“ entsteht nicht aus den gleichen Ursachen wie im Kapitalismus, d.h. aus Wirtschaftskrise und Überproduktion. Tatsächlich herrscht in einigen der stalinistischen Staaten derzeit ein großer Arbeitskräftemangel im Gegensatz zum Westen.
In Russland und Ostdeutschland gibt es derzeit einen geschätzten Arbeitskräftemangel von Millionen. Die Quote von 10% „Arbeitslosen“ in Jugoslawien ist selbst ein Produkt der völligen Stagnation der Produktion aufgrund stalinistischer Korruption und Misswirtschaft. Ein Bericht hat tatsächlich enthüllt, dass es in Jugoslawien sogar mehr Chauffeur*innen, die „kommunistische“ Funktionär*innen fahren, als Bergleute gibt! Auch die unteren Schichten der Bürokratie sind von den Auswirkungen ihrer Misswirtschaft nicht verschont geblieben. So hat ein aktueller Bericht ergeben, dass derzeit 73.000 Mitglieder der jugoslawischen „kommunistischen“ Partei arbeitslos sind.
Darüber hinaus sind alle Regime Osteuropas und Russlands selbst nicht in der Lage, die geweckten Erwartungen einer immer anspruchsvolleren Arbeiter*innenklasse zu erfüllen. So leidet praktisch jedes Regime in Osteuropa und Russland unter großen Engpässen bei Lebensmitteln und Konsumgütern. Es ist nicht allgemein bekannt, dass die Rationierung erst in den 70er Jahren in Russland eingeführt wurde. Aber jetzt ist die Rationierung im europäischen Russland weit verbreitet, ganz abgesehen von Zentralasien und Südrussland. Die Arbeiter*innenklasse Russlands ist auf zwei Kilo Fleisch pro Person beschränkt. Die polnische Arbeiter*innenklasse hingegen konsumiert 8 Kilo Fleisch pro Person und ist unzufrieden. Die Fleischration war einer der Faktoren, die zu den Unruhen in Polen selbst geführt haben. Unruhen und Aufruhr gab es in den letzten drei Jahren in jedem der stalinistischen Regime. In Jugoslawien gab es in der letzten Zeit Unruhen wegen Waschpulver.
Jugoslawien zeigt auch besonders deutlich die Unfähigkeit des Stalinismus, das nationale Problem zu lösen. Ohne das Programm Lenins und die extreme Sensibilität in der nationalen Frage wäre die russische Revolution selbst nicht möglich gewesen. Als die Bolschewiki die Macht übernahmen, gewährten sie das Recht auf Selbstbestimmung, einschließlich des Rechts, sich von der Russischen Sozialistischen Föderation loszutrennen. Die Bolschewiki waren sogar gezwungen, Alphabete zu erfinden und die Entwicklung nationaler Gruppierungen zu fördern, so rückständig waren einige der Völker Russlands. Und doch sahen wir die Verschmelzung der verschiedenen Nationalitäten Russlands zu einer demokratischen sozialistischen Föderation. Es steht außer Frage, dass durch Arbeiter*innendemokratie in Russland und international und durch die Weltrevolution die nationale Frage gegenwärtig auf der ganzen Welt gelöst werden würde. Das Wiederaufleben der nationalen Frage ist der Preis, den die Arbeiter*innenklasse für die Verbrechen des Reformismus auf der einen Seite und des Stalinismus auf der anderen Seite zu zahlen hat. Sie ist einmal mehr ein Produkt der Verzögerung der Weltrevolution.
Es sollte nie vergessen werden, dass der erste Kampf, den Lenin gegen Stalin und die wachsende Bürokratie in Russland führte, gerade die nationale Frage betraf. Der großrussische Chauvinismus und Nationalismus, den Stalin an den Tag legte und gegen den Lenin auftrat, hat sich in Russland selbst zu enormen Ausmaßen entwickelt. Die Ereignisse haben gezeigt, dass der Stalinismus weder in Russland noch in Osteuropa in der Lage ist, das nationale Problem zu lösen. der Balkan bleibt balkanisiert. Die Spannungen, die mit der Verschärfung des nationalen Problems einhergehen, sind so groß, dass ein Auseinanderbrechen Jugoslawiens nicht ausgeschlossen werden kann, wenn die Bürokratie ihre Herrschaft aufrechterhält.
Diese Tendenz ist bereits in Kosova/Kosovo sichtbar, der von Menschen albanischer Abstammung bevölkert ist und nahe bei Albanien liegt. Eine Bewegung für Verbindungen mit Albanien hat sich dort entwickelt. Und dies, obwohl Albanien wirtschaftlich und kulturell auf einem niedrigeren Niveau steht als Jugoslawien selbst. Die nationalistische Bewegung in Kosova/Kosovo wurde durch die Rückständigkeit und das wirtschaftliche Gefälle zwischen der Region und dem übrigen Jugoslawien angeheizt. Kosova/Kosovo hat nur ein Sechstel des Einkommens Sloweniens. Kosova/Kosovo fordert den Status einer Republik, der nach der jugoslawischen Verfassung allen nationalen Minderheiten garantiert werden sollte. Die herrschende serbisch-slowenische Bürokratie befürchtet jedoch, dass die Gewährung dieses Rechts zur Forderung nach Lostrennung von Jugoslawien führen würde.
In ganz Osteuropa und Russland ist die nationale Frage ein Pulverfass für diese Staaten. In Russland zum Beispiel ist es möglich, dass die Slaw*innen bis zum Ende des Jahrhunderts eine Minderheit in der Föderation bilden werden. Sie machen derzeit 55% der Bevölkerung aus. Die muslimische und andere Bevölkerungsgruppen im Süden werden jedoch bis zum Ende des Jahrhunderts schätzungsweise 100 Millionen erreichen. Die russische Bürokratie befürchtete, dass die iranische Revolution große Auswirkungen auf die muslimische Bevölkerung in Russland selbst haben würde. Die jüngste Ermordung des Premierministers der Kirgisischen Republik, die an China grenzt, steht im Zusammenhang mit dem Wiederaufleben des muslimischen Nationalismus in diesem Gebiet.
Auch in den baltischen Staaten gibt es eine enorme Bewegung für nationale Rechte und gegen die Russifizierung. In Estland kam es 1981 zu einer weit verbreiteten Revolte der Jugend. In Litauen haben ähnliche Bewegungen stattgefunden. Nur eine echte sozialistische Föderation wäre in der Lage, die Nationalitäten Osteuropas und Russlands zu vereinen. Ein solches Regime würde die verrückte Duplizierung einer Wirtschaft durch eine andere, wie sie gegenwärtig in Osteuropa und Russland besteht, durch einen harmonischen demokratischen sozialistischen Plan ersetzen.
So hat jeder dieser Staaten eine eigene Stahlindustrie, eine Werkzeugmaschinenindustrie und so weiter entwickelt. Dies entstand zum Teil wegen der rücksichtslosen Herrschaft Stalins über die osteuropäischen Länder in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Der RGW wurde als Mittel eingesetzt, um die Beherrschung der osteuropäischen Länder durch die russische Bürokratie sicherzustellen. Rumänien war der Brotkorb Russlands, Bulgarien der Fruchtmarkt etc.
Nach Stalins Tod und dem Auseinanderbrechen des Monolithen sahen wir die Entwicklung nationaler stalinistischer Regime in den Ländern Osteuropas. Bestimmte „Theoretiker“ nutzten diese Vorherrschaft des russischen stalinistischen Regimes in Osteuropa als Rechtfertigung für ihre Charakterisierung Russlands als „staatskapitalistisch“ aufgrund seiner angeblichen „imperialistischen Tendenzen“. Zu dieser Zeit verkaufte Russland Waren über den Weltmarktpreisen an Osteuropa und kaufte Waren von diesen Ländern zu Preisen unter dem Weltmarktpreis.
Diese Situation hat sich nun völlig umgekehrt. Russland subventioniert die Länder Osteuropas: Es verkauft unter Weltmarktpreisen und kauft über Weltmarktpreisen zurück. Welche Art „imperialistisches“ Regime subventioniert seine „Kolonien“ auf diese Weise?
Die Situation, die heute in Osteuropa und Russland herrscht, unterscheidet sich qualitativ von der in der Vergangenheit. Alle objektiven politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche politische Revolution gegen die Bürokratie sind in allen osteuropäischen Staaten und in Russland selbst herangereift. Die Bürokratie selbst ist in verschiedene Fraktionen gespalten, wobei eine Sektion die Notwendigkeit einer Reform von oben sieht, um eine Revolution von unten zu verhindern. Eine andere Sektion beharrt auf „harten Maßnahmen“, um den kommenden Aufstand der Arbeiter*innen und Bäuer*innen dieser Staaten zu verhindern. Sie empfindet sich selbst als einen Auswuchs, als ein Hindernis für die weitere Entwicklung der Gesellschaft.
Einige der sichtbarsten Zeichen des Widerstands kommen gerade aus den Reihen der herrschenden Schicht selbst, von ihren Söhnen und Töchtern. Im Januar 1982 gab es ein solches Beispiel mit der Verhaftung und dem Prozess gegen eine Diskussionsgruppe von 40 zumeist jungen Leuten, die zusammenkamen, um über Trotzkis Ideen zu diskutieren, weil er in ihren eigenen Worten den „Verrat an der russischen Revolution“ beschrieb. Der Stalinismus ist völlig verrottet und zersetzt sich vor unseren Augen.
In Polen spiegelte der völlige Zusammenbruch der sogenannten Kommunistischen Partei, des Organs und Trägerin der Bürokratie, das Verschwinden der letzten Reste der Autorität des Stalinismus in den Augen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung wider. Innerhalb eines Jahres sank ihre Mitgliederzahl von nominell drei Millionen auf 2,3 Millionen, was darauf hindeutet, dass selbst die unteren Schichten der Bürokratie, die vom Regime völlig desillusioniert waren, sich hinter die polnische Arbeiter*innenbewegung stellten. Im Gegensatz dazu erreichte Solidarność zehn Millionen Mitglieder in den Städten und vier Millionen in den ländlichen Gebieten.
Am Rande sei bemerkt, dass die polnischen Arbeiter*innen in der Frage der „Kommunistischen Partei“ einer der Forderungen zuneigten, die Trotzki als Plattform für eine politische Revolution in Russland selbst voraussagte. Trotzki trat dafür ein, dass die „Bürokratie aus den Sowjets vertrieben werden sollte“. Im August 1980 verhinderten die Danziger Arbeiter*innenräte ausdrücklich, dass irgendein Mitglied des Komitees Mitglied der „Kommunistischen Partei“ sei. Wie das ungarische Proletariat von 1956 übernahm die polnische Arbeiter*innenklasse instinktiv viele der Forderungen, die Trotzki theoretisch für die politische Revolution gegen die russische stalinistische Autokratie ausgearbeitet hatte.
Der entscheidende Faktor, der bei den polnischen Ereignissen fehlte, ist der entscheidendste für den Erfolg jeder Revolution, ob es sich nun um eine soziale oder eine politische Revolution handelt: das ist die Rolle einer kühnen marxistischen Führung und Massenpartei. Und eine der Ironien der polnischen Situation war die Tatsache, dass gerade die Führer*innen der Opposition um die KOR – die Selbstverteidigungsgruppe der Arbeiter*innen – sich als das Haupthindernis für die Bildung einer solchen Führung und Partei erwiesen.
Bei den August-Ereignissen 1980 und in den folgenden Monaten hing die stalinistische Bürokratie in der Luft. Als Jaruzelski in diesem Stadium gefragt wurde, ob er die Armee gegen die polnischen Arbeiter*innen einsetzen wolle, war seine Antwort an seinen Chef Gierek: „Welche Armee?“ Jaruzelski, der aus einer alten polnischen Adelsfamilie stammte, repräsentierte den intelligenteren Flügel der Bürokratie. Er erkannte, dass jeder Versuch, die Armee einzusetzen, zu ihrer vollständigen Auflösung führen würde. Und doch konnte Jaruzelski 18 Monate später die Armee gefahrlos zur Niederschlagung der Revolution einsetzen. Die Erklärung muss darin gefunden werden, dass es den polnischen Arbeiter*innen nicht gelang, die notwendige Führung und eine Partei zu finden, die in der Lage war, zur rechten Zeit die Macht zu übernehmen.
In den August-Ereignissen gab es die Anfänge der politischen Revolution in Polen. Doch die Arbeiter*innenklasse kann nicht unbegrenzt auf fieberhafter Höhe gehalten werden. Die Gesetze der politischen Revolution wie auch der sozialen Revolution besagen, dass sich die Kräfte der alten Ordnung wieder etablieren können, wenn nicht eine günstige Gelegenheit zur Machtübernahme genutzt wird. Eine halbe Revolution wird es der herrschenden Klasse oder Kaste immer ermöglichen, ihre Position wiederherzustellen, indem sie das unvermeidliche Chaos und die Misswirtschaft nutzt, die aus einer solchen Situation resultieren.
Wir haben dies viele Male bei unvollständigen sozialen Revolutionen im Westen gesehen. In der portugiesischen Revolution beispielsweise wurden 70% der Industrie übernommen, doch das Versäumnis, eine Planwirtschaft mit Arbeiter*innenkontrolle, -verwaltung und -demokratie sowie einen Arbeiter*innenstaat einzuführen, ermöglichte es, dass die Kräfte und der Staat des portugiesischen Großgrundbesitzes und Kapitalismus wiederhergestellt wurden.
Die polnischen Arbeiter*innen drängten mächtig in Richtung politische Revolution. Da sich das Regime angeblich auf den „Marxismus“ stützte und aufgrund der starken Elemente des polnischen Nationalismus, die sich historisch in der Kirche widerspiegelten, wurde die Opposition der Arbeiter*innen über die katholische Kirche kanalisiert. Trotzki selbst rechnete damit, dass sich ein Teil des Widerstands gegen das Naziregime zunächst in der katholischen Kirche niederschlagen würde. Dies war in Polen in viel stärkerem Maße der Fall. Der Einfluss der katholischen Religion auf die polnische Bevölkerung hat zwar wichtige historische Wurzeln, wäre aber dennoch nicht entscheidend gewesen, um die politische Revolution zu verhindern. Die katholische Kirche hat in den Augen der polnischen Massen eine Autorität in religiösen Fragen. Wie jedoch selbst die bürgerliche Presse kürzlich kommentierte, wurden die Lehren der Kirche zu Abtreibung und Scheidung von den meisten Jugendlichen auffallend ignoriert.
Wir sahen in den polnischen Ereignissen eine Vorwegnahme dessen, was in der kommenden politischen Revolution in Russland selbst geschehen wird. Eines der auffälligsten Merkmale war die Geschwindigkeit, mit der sich das Bewusstsein des Proletariats im Laufe der Revolution entwickelte. Die polnischen Arbeiter*innen, wie auch einige Teile des russischen Proletariats heute, begannen auf einer primitiven Ebene mit der Forderung nach demokratischen und gewerkschaftlichen Rechten. Diese Bewegung fand jedoch in einem anderen Gesellschaftssystem als dem Kapitalismus statt, und deshalb entwickelte sich das Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse anders und fast täglich.
Alle Ideen Trotzkis für die politische Revolution, mit einem wichtigen Zusatz, passten perfekt auf die Situation, die sich in Polen entwickelte. Wir sahen die Forderung nach der vollständigen Abschaffung der Privilegien der Bürokratie, der Bestechungsgeldern für Manager*innen und die Absetzung korrupter Gouverneure usw. Die Korruption der gesamten Regierungselite wurde der polnischen Arbeiter*innenklasse durch die Enthüllungen über den ehemaligen Leiter des polnischen Fernsehens Szczepański vor Augen geführt. Dieser Würdenträger hatte ein Korruptionssystem von byzantinischem Ausmaß eingerichtet. Dazu gehörten die Beschäftigung von Callgirls, besondere Villen, Skihütten für bevorzugte Kunden, die Nutzung einer Yacht, die technisch dem polnischen Fernsehen gehört, ein massives persönliches Vermögen, ein privater Hubschrauber und viele andere „Vergünstigungen“.
Forderungen nach der Absetzung korrupter und privilegierter Beamter würden bei den Forderungen streikender Arbeiter*innen in einzelnen Unternehmen oder sogar in ganzen Branchen im kapitalistischen Westen derzeit nicht im Vordergrund stehen. So gibt es zum Beispiel weder in Großbritannien noch in den meisten anderen Ländern Forderungen nach der Absetzung des Betriebsleiters oder des Direktors eines Unternehmens auf nationaler Ebene, weil sie ungerechtfertigte Privilegien haben. Sobald jedoch die Arbeiter*innenklasse in den stalinistischen Staaten unabhängige Organisationen hat, wird die Abschaffung der gestohlenen Privilegien der herrschenden Schicht automatisch von der Arbeiter*innenklasse gefordert. Dies zeigt den Unterschied im Charakter der Revolution in diesen Ländern im Vergleich zur sozialen Revolution im Westen. Die Ereignisse in Polen haben jedoch einmal mehr gezeigt, dass es für den Erfolg der politischen Revolution von entscheidender Bedeutung ist, dass es eine Führung und eine Partei mit Autorität in den Massen gibt.
Die Situation in Polen war so, dass eine kleine Zahl von Hunderten von Marxist*innen mit einem klaren Programm und einer klaren Perspektive schnell zu einer Massentendenz hätte werden können. Die enorme Entwicklung der fortgeschrittensten Elemente des polnischen Proletariats zeigte sich auf der historischen Solidarność-Konferenz im September 1981, kurz vor der Verhängung des Kriegsrechts. Die Arbeiter*innenklasse forderte nicht nur die Wahl von Funktionär*innen mit dem Recht auf Abberufung gegen die Privilegien der Bürokratie, sondern auf dem Septemberkongress wurde die Frage der Arbeiter*innenmacht in Polen, in ganz Osteuropa und in Russland selbst in einer sehr verworrenen, aber dennoch unmissverständlichen Weise angesprochen.
So wurde unter anderem die Forderung nach einem „anderen Parlament der Arbeiter“ erhoben, das das offizielle stalinistische Parlament ersetzen sollte. Lech Wałęsa, der mehr und mehr zur Bremse der Bewegung wurde, sah sich gezwungen, diejenigen anzuprangern, die nach seinen eigenen Worten „das totalitäre System zerschlagen wollten“. Reden und Erklärungen, die unmissverständlich klarstellten, dass eine Rückkehr zum Kapitalismus nicht in Frage kommt, wurden automatisch mit stehenden Ovationen bedacht. Von entscheidender Bedeutung war jedoch der internationale Appell, der auf diesem Kongress nicht nur an die osteuropäische Arbeiter*innenklasse, sondern auch an das mächtige russische Proletariat gerichtet wurde, es ihren polnischen Brüdern und Schwestern gleichzutun. Es wurde auch dazu aufgerufen, die Unterstützung für die so genannte „führende Rolle“ der Kommunistischen Partei aufzugeben. Solidarność hatte sie ursprünglich nach den August-Ereignissen von 1980 nur unter dem Druck der KOR-Führer*innen unterstützt. Es wurden auch Reden gehalten, in denen es richtigerweise hieß, dass Solidarność nicht nur eine Gewerkschaft, sondern eine Partei oder eine potenzielle Partei sei, und die Führer*innen von Solidarność wurden aufgefordert, die Macht zu übernehmen. Der Solidarność-Kongress im September 1981 ließ im Kreml und in ganz Osteuropa die Alarmglocken läuten. Leider kamen diese Schlussfolgerungen der fortschrittlicheren Arbeiter*innen zu einem Zeitpunkt, als die Stimmung der überwältigenden Mehrheit der polnischen Arbeiter*innenklasse und der Bäuer*innen abzuebben begann. In dieser Lage schlug die polnische Bürokratie im Einvernehmen mit ihren russischen Gegenstücken zu. Es ist ein Zeichen für den völligen Zusammenbruch der so genannten „Kommunistischen Partei“, dass es der militärische Flügel der Bürokratie war, der als einziger auch nur den Anschein von Autorität hatte, um die bürokratische Konterrevolution durchzusetzen. Stalin war sehr darauf bedacht, die Macht des Militärs zu beschneiden, was die Abschlachtung des Offizierskorps während der Säuberungen einschloss, da er befürchtete, dass im Falle einer Krise von dieser Seite Maßnahmen gegen sein Regime und seine persönliche Position ausgehen könnten. Aber die polnische „kommunistische“ Partei war so verrottet, dass nur die Armeespitzen, die einen Anschein von Autorität besaßen, die Macht übernehmen konnten. Das Eingreifen der Armee im Dezember 1981 bedeutete für eine gewisse Zeit das Ende der polnischen Revolution.
Die Marxist*innen als realistischste Strömung in der Arbeiter*innenbewegung erkennen, dass es fatal ist, Konterrevolution mit Revolution zu verwechseln. Es ist grundlegend falsch, die gegenwärtige Opposition der polnischen Arbeiter*innen gegen Jaruzelskis Regime mit den Ereignissen vom August 1980 und danach zu vergleichen. Die letztere Periode war eine Periode der Revolution, genauer gesagt, der Beginn der politischen Revolution. Die kapitalistische Presse im Westen hat aus ihren eigenen Gründen den Eindruck erweckt, dass die Bewegung auf dem gleichen Niveau wie 1980 fortgesetzt wurde. Aber selbst die großen Demonstrationen zur Unterstützung des Papstes waren nur ein blasses Echo der Bewegung vom August 1980 und danach.
Der Dezember ’81 bedeutete das vorläufige Abebben der Bewegung in Polen und eine Niederlage der Arbeiter*innenklasse. Gegenwärtig herrscht in weiten Teilen des polnischen Proletariats eine Stimmung der Verzweiflung und sogar der Demoralisierung. So sind beispielsweise Wodkakonsum, Trunkenheit und Drogenabhängigkeit weit verbreitet. Doch im August 1980 wurde im Danziger Sowjet der Alkohol verboten. Polen ist der größte Morphiumproduzent der Welt, und heute gibt es in ganz Polen 300.000 Heroinabhängige, davon 30.000 in Warschau.
## Die polnischen Ereignisse waren jedoch eine Generalprobe für die kommende Revolution in Russland. Die russische Bürokratie fürchtete sich vor den Auswirkungen der polnischen Ereignisse in Russland selbst. Deshalb geißelte sie die offiziellen „Gewerkschaften“, weil sie angeblich ihre Arbeit in Russland nicht machten. Tatsächlich drohte die Staats- und Parteibürokratie damit, die Gewerkschaftsbürokratie strafrechtlich zu verfolgen, wenn sie nicht als genauerer Resonanzboden für die Stimmung der Massen fungieren würde. Sie spüren die kolossale unterirdische Revolte des russischen Proletariats.
Aber natürlich haben die sektiererischen Besserwisser*innen argumentiert, dass, wenn der subjektive Faktor (d.h. eine Massenpartei mit einer marxistischen Führung) entscheidend ist, es dann keine Möglichkeit einer politischen Revolution in Russland ohne diesen subjektiven Faktor gebe, der zuerst geschaffen werde. Diese Idee ist falsch. Eine Massenpartei mit einer klarsichtigen Führung mit Autorität ist für den Erfolg der politischen Revolution unerlässlich. Aber es ist praktisch unmöglich, eine solche Partei aufzubauen, bevor der Prozess der politischen Revolution in Russland beginnt.
Es ist wahr, dass Teile der liberalen Bürokratie wie Roy Medwedew sich vorstellen, dass man in Russland eine ähnliche Lage haben könne, wie sie mit der bürgerlichen Demokratie im Westen besteht. Aber die Kapitalist*innen im Westen können vom Bonapartismus, d.h. der Militär- und Polizeidiktatur, zur Demokratie und wieder zurück zum Bonapartismus wechseln. Sie können die bürgerliche Demokratie – die Rechte der Arbeiter*innen und ihrer Organisationen – zulassen, weil die Kapitalist*innen eine Klasse sind, die ihre Wurzeln in der bürgerlichen Gesellschaft hat. Sie sind notwendig für die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft. Wie Marx sagte, sind sie die „Treuhänder*innen“ der kapitalistischen Gesellschaft. Sie spielen eine Rolle bei der Entwicklung der Industrie und der Gesellschaft. Sie können zumindest für bestimmte historische Perioden die unabhängigen Rechte der Arbeiter*innenorganisationen tolerieren.
Aber die Lage ist in den stalinistischen Staaten völlig anders. Sobald das Proletariat seine eigenen Organisationen, die Freiheit zu kritisieren und so weiter hat, wird die gesamte Stellung der Bürokratie in Frage gestellt. Die Forderung nach der sofortigen Abschaffung von Privilegien würde laut werden. Deshalb ist in den stalinistischen Staaten eine lange Periode, in der die Arbeiter*innenklasse ihre eigenen unabhängigen Organisationen und Rechte hat, ohne politische Revolution, ausgeschlossen. Wir können eine Periode von Doppelherrschaft haben, wie wir sie in Polen für einen Zeitraum von 14 Monaten hatten, aber wenn sie nicht zu einer politischen Revolution führt, werden wir unweigerlich den Triumph einer neuen Version der bürokratischen Konterrevolution erleben.
Welche Schlussfolgerung kann also in Bezug auf den Prozess der politischen Revolution in den stalinistischen Staaten gezogen werden? Wie können eine Partei und eine Führung gebildet werden, die das Proletariat zum Sieg führen wird?
Unter den Regimen des bürokratischen Absolutismus sind selbst kleine Organisationen des Proletariats Repressionen ausgesetzt. Zum Beispiel hat Roy Medwedew enthüllt, dass unschuldige Organisationen von Kakteenzüchtern in Russland verboten wurden. Ceaușescu in Rumänien hat kürzlich die transzendentale Medizin und Yoga verboten. Deshalb sind mächtige Untergrundorganisationen mit Masseneinfluss in diesen Staaten praktisch ausgeschlossen. Aber was die ungarische Revolution und jetzt die polnischen Ereignisse demonstriert haben, ist, dass sehr schnell eine Massenpartei des Proletariats von der Arbeiter*innenklasse in diesen Staaten geschaffen und improvisiert werden kann. Die ungarische Revolution begann mit allen möglichen Illusionen in die Vereinten Nationen und sogar in die kapitalistischen Staaten des Westens. Aber sie dauerte sechs Wochen, war gestützt auf der Schaffung von Sowjets im ganzen Land und endete mit einem Aufruf an das Proletariat der Welt: „Proletarier*innen aller Länder, vereinigt euch“. Wäre ihr erlaubt gewesen, sich zu entwickeln, so hätten die ungarischen Arbeiter*innen im Verlauf der Revolution zweifellos eine Massenpartei geschaffen.
In Polen war das Haupthindernis für eine solche Entwicklung das Bestehen der sogenannten Arbeiter*innenverteidigungsgruppe unter der Führung von Jacek Kuroń, die als Bremse für die Bewegung des polnischen Proletariats wirkte.
Ein weiterer Faktor in der polnischen Lage, der entscheidend war, war die Angst vor einer russischen Intervention. Dies ist zweifelsohne ein wichtiger Faktor in ganz Osteuropa. Aber sobald eine Bewegung in Russland stattfindet, wird die Bürokratie machtlos sein, sie zu stoppen. Vor allem, wenn die Revolution in Moskau oder Leningrad beginnt. Woher werden die Kräfte für die bürokratische Konterrevolution kommen? Die Bevölkerung Moskaus beträgt jetzt 20 Millionen. Sobald das Proletariat in einem der großen Zentren Russlands beginnt, wird dies der Anfang vom Ende der Bürokratie sein. Darüber hinaus ist mit der richtigen Führung eine friedliche politische Revolution durchaus möglich. Trotzki wies darauf hin, dass die Bürokratie trotz ihrer enormen Größe heterogener ist als das Bäuer*innentum. Sie reicht vom einfachsten Polizisten in der Stadt und im Dorf bis hin zu den Herren im Kreml. Sobald es eine Bewegung des russischen Proletariats gibt, wird die bürokratische Elite an der Spitze in der Luft hängen. Deshalb weist die gegenwärtige Lage in Russland und Osteuropa auf die kommende politische Revolution in Russland und in der gesamten Region hin.
Sowohl in der fortgeschrittenen kapitalistischen als auch in der unterentwickelten Welt gibt es kaum ein Land, das nicht von einer wirtschaftlichen und sozialen Krise betroffen ist. Diese besteht nun in gleichem Maße in den stalinistischen Staaten. Es gibt kein einziges Regime, das heute stabil ist und nicht auf den Widerstand des Proletariats stößt. In der Tschechoslowakei und in Ostdeutschland, wo sich Anfang 1983 100.000 Jugendliche unter dem Banner der lutherischen Kirche versammelten, sowie in Ungarn wächst der Widerstand. Auch in Ungarn und in Rumänien, wo die Bergarbeiter*innen Ceaușescus Hubschrauber im Jiului-Tal mit Steinen bewarfen, woraufhin er fliehen musste, ist er sichtbar. Die Besatzung seiner Privatjacht ist kürzlich in den Westen geflohen!
In Russland und Osteuropa werden in weitaus größerem Maße als 1956, 1968 oder selbst 1980 alle Voraussetzungen für eine kontinentale politische Revolution vorbereitet. Die gegenwärtigen Regime in diesen Ländern sind dem Untergang geweiht, aber ihr Untergang könnte wegen des fehlenden subjektiven Faktors einen langwierigeren Charakter annehmen. Der Prozess könnte ähnlich verlaufen wie die Todesagonie des Kapitalismus im Westen. Aber der erste Funke für die kommende Weltrevolution kann von Osteuropa und Russland kommen. Wenn sie einmal beginnt, wird sie eines der größten Dramen in der gesamten Menschheitsgeschichte sein.
Sie wird selbst die mächtige Oktoberrevolution in den Schatten stellen und die Umgestaltung des Erdballs durch die Revolution einleiten.
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