[eigene Übersetzung des Artikels aus Socialism Today, Nr. 91, April 2005]
Spekulationstätigkeit auf den globalen Finanzmärkten hat in den letzten zwei der drei Jahren scharf zugenommen. Hedgefonds, die kurzfristige, hochriskante Strategien verwenden, haben diesen Trend angeführt. Die Zahl der Hedgefonds vervielfacht sich schnell und sie manipulieren immer größere Mengen des spekulativen Kapitals. Intensivierte Spekulation ist immer ein Symptom für eine herannahende Krise in der kapitalistischen Weltwirtschaft. Lynn Walsh schreibt.
Eine Messgröße für den Anstieg in der Spekulationstätigkeit ist der scharfe Anstieg des Devisenhandels. Im September 2004 veröffentlichte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ihre sechste dreijährliche Erhebung über den Devisen- und Derivatehandel. (BIZ-Pressemitteilung vom 28. September 2004, www.bis.org) Der durchschnittliche tägliche weltweite Umsatz an den traditionellen Devisenmärkten stieg im April 2004 auf $ 1,9 Billionen, was einem Anstieg um 57% bei aktuellen Wechselkursen und um 36% bei konstanten Wechselkursen gegenüber April 2001 entspricht.
Eine weitere Messgröße ist der Handel mit Derivaten, die komplexe, wertpapierähnliche Instrumente für den Handel mit Aktien, Anleihen, Devisen, Futures, Optionen, Swaps usw. sind. Der Handel mit Derivaten hat ebenfalls stark zugenommen. Der durchschnittliche Tagesumsatz im Handel mit Derivaten, die von Banken verkauft werden (so genannte ‚Over-the-Counter‘-Derivate (OTC)), nahm im April 2004 auf 1,2 Billionen US-Dollar zu, was einem Anstieg von 112% zu aktuellen Wechselkursen und von 77% zu konstanten Wechselkursen im Vergleich zum April 2001 entspricht.
Nur ein kleiner Bruchteil dieser Devisen wird benötigt, um grenzüberschreitenden Handel mit Waren und Dienstleistungen zu finanzieren. Der größte Teil wird für den Handel mit Wertpapieren (Aktien, Staats- und Privatanleihen usw.), Derivaten, Warentermingeschäften usw. und zunehmend auch, um auf den Devisenmärkten selbst zu zocken, verwendet.
Die wachsende Dominanz der Finanzaktivitäten gegenüber Produktion und Handel weist auf die tief verwurzelte Krise innerhalb des Weltkapitalismus hin. Die massiven weltweiten Überkapazitäten in den meisten wichtigen Industriezweigen haben zu gesättigten Märkten und fallenden Preisen für viele Industriegüter geführt. Es gibt immer ein paar neue Wachstumssektoren und -regionen, aber insgesamt hat der Spielraum für rentable Investitionen in die Produktion nicht mit der Kapitalakkumulation Schritt gehalten.
Die internationale kapitalistische Offensive gegen die Arbeiter*innenklasse in den 1980er und 1990er Jahren hat die Ausbeutung der Arbeiter*innen überall verschärft. Bestehende Ungleichheiten wurden vergrößert, was den Anteil am Reichtum, den die Kapitalist*innenklasse nimmt, dramatisch erhöht hat. Gleichzeitig beschränkten das Zusammendrücken der Löhne und die Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben zusammen mit der Stagnation oder dem Niedergang in den meisten unterentwickelten Ländern das Wachstum der effektiven (geldgestützten) Nachfrage. Da die hyperreiche herrschende Klasse nicht in der Lage war, ausreichende Profite aus produktiven Investitionen einzufahren (entweder durch intensive Investitionen in neue Technologien oder durch eine extensive Entwicklung in der ganzen Welt), hat sie sich zunehmend der Spekulation im Finanzsektor zugewandt. Geld wird verbuttert, um mehr Geld zu machen, wobei die Zwischenstufe der Produktion nützlicher Güter und Dienstleistungen übersprungen wird. Nie war der Kapitalismus parasitärer.
Zyklische Trends in den 1990er Jahren
Es gab ein enormes und kontinuierliches Wachsen der Spekulationstätigkeit während des Jahrzehnts der 1990er Jahre, der Periode der beschleunigten „Globalisierung“ (die hauptsächlich auf Investitionen in einer Handvoll asiatischer Länder beruhte) und der von den USA dominierten Blasenwirtschaft. Die Zahlen der BIZ zum weltweiten Devisenmarktumsatz zeigen, dass der durchschnittliche Tagesumsatz (zu Wechselkursen von April 2004) von 650 Mrd. USD im April 1989 auf 1.590 Mrd. USD im April 1998 gestiegen ist. (BIZ-Quartalsbericht, Dezember 2004, S. 68)
Diese Beschleunigung des Devisenhandels wurde jedoch zwischen 1998 und 2001 unterbrochen, als der durchschnittliche Tagesumsatz von $ 1.590 Mrd. auf $ 1.380 Mrd. zurückging. Die BIZ führt diesen Rückgang zum Teil auf die Einführung des Euro und eine beschleunigte Konzentration der Großbanken zurück, die die Nachfrage nach Devisen, insbesondere in Europa, verringerte. Der Hauptgrund für den Rückgang war jedoch die globale Wirtschaftskrise 1997/98 mit der asiatischen Währungsturbulenz und dem Währungseinbruch, dem Zusammenbruch des russischen Anleihemarktes und dem Beinahe-Zusammenbruch des US-Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM). Es gab eine scharfe Verringerung der Liquidität auf den Weltfinanzmärkten. Banken, Finanzinstitute und vermögende Investor*innen schränkten vorübergehend einen Teil ihrer riskanteren spekulativen Tätigkeit ein. Auf die Krise von 1997-98 folgte Ende 2000 der Zusammenbruch der Börsenblase.
Seit 2001 gab es einen neuen Aufschwung an den Devisenmärkten. Nach dem Zusammenbruch der Börsenblase im Jahr 2001 konnten Großinvestor*innen mit dem Handel mit Wertpapieren (Unternehmensanteilen) keine großen Profite mehr machen. Gleichzeitig drückten niedrige Zinssätze, besonders in den USA (wo der Zufluss ausländischer Gelder es der Fed ermöglichte, den Leitzins auf 1% zu senken), die Profitabilität des Handels an den Anleihemärkten. Spekulant*innen wandten sich daher zunehmend dem Kauf und Verkauf von Devisen als Profitquelle zu.
„Im Kontext einer weltweiten Suche nach Erträgen [Profiten]“, kommentieren zwei BIZ-Ökonom*innen, ‚interessierten sich so genannte ‘Real Money Manager‘ [Banken, Pensionsfonds, Unternehmen usw., die ihre eigenen Mittel investieren] und fremdfinanzierte Investor*innen [Hedgefonds, die Fremdkapital einsetzen] zunehmend für Devisen als alternative Anlageklasse zu Aktien und festverzinslichen Wertpapieren [Anleihen]“ (Galati und Melvin, Why has FX trading surged? [Warum ist der Devisenhandel angestiegen] BIZ-Quartalsbericht, Dezember 2004)
Vor allem mit dem US-Dollar, dem japanischen Yen und dem Schweizer Franken verfolgten Großspekulant*innen die Strategie, in Devisen von Wirtschaften zu investieren, die höhere Zinsen bieten, oder in Devisen, die über einen längeren Zeitraum hinweg zu einer Aufwertung tendieren. „Eine beliebte Form dieser Anlagestrategie war der so genannte ‚Carry Trade‘. Bei einem Carry-Trade nimmt ein Investor*innen einen Kredit in einer niedrig verzinsten Währung wie dem US-Dollar auf und geht dann eine Long-Position [Kauf von Devisen] in einer höher verzinsten Währung wie dem australischen Dollar ein, wobei er darauf wettet, dass sich der Wechselkurs nicht so verändert, dass die Zinsdifferenz ausgeglichen wird“. (Galati und Melvin)
Natürlich werden Spekulationsströme in eine Hochzinswährung dazu führen, dass ihr Wert gegenüber anderen Währungen steigt. Das britische Pfund ist eine der „Zielwährungen“, die durch diese Art von Spekulationsströmen nach oben getrieben werden. Jüngst gab es auch große Spekulationsströme in den chinesischen Renminbi (RMB, auch als Yuan bekannt), wobei einige Hedgefonds darauf wetten, dass die chinesische Regierung die derzeitige Koppelung an den US-Dollar (1 $ = 8,28 Yuan) aufheben und ihre Währung erheblich aufwerten werde (eine Entwicklung, die in naher Zukunft keineswegs sicher ist).
Hedgefonds führen die Herde an
Ein breites Spektrum von Großanlegern ist am Devisenhandel beteiligt: Finanzinstitutionen (Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds), Devisen- und Rohstoffhändler*innen, Geschäftsbanken – und Hedgefonds. Hedgefonds sind zwar nicht die größten Akteur*innen, aber sie scheinen oft die „Leittiere“ der Spekulant*innen zu sein, die in Zeiten intensivierter Unbeständigkeit den Massenansturm der Herde anführen.
Hedgefonds waren am Zusammenbruch des Europäischen Wechselkursmechanismus (WKM) im Oktober 1992 beteiligt, als George Soros‘ Quantum Fund am „Schwarzen Mittwoch“ mehr als eine Milliarde Dollar mit Spekulationen gegen das britische Pfund verdiente, sowie an der Krise der internationalen Anleihemärkte 1994. Während der Asienkrise 1997 wurde Soros (u. a. von Mohamad Mahathir, dem malaysischen Ministerpräsidenten) beschuldigt, den Ringgit und andere regionale Währungen zu zerstören. Im Jahr 1998 brachte der Beinahe-Zusammenbruch des US-Hedgefonds LTCM das Weltfinanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs.
Die jüngste Vervielfachung der Zahl der Hedgefonds und ihre immer abenteuerlicheren Aktivitäten haben erneut die Aufmerksamkeit auf ihre Rolle gelenkt. Unter der Überschrift „Voracious traders set market running“ [Gefräßige Händler treiben den Markt an] berichtete ein Artikel in der (Londoner) „Times“ (Richard Irving, 8./9. November 2004) über die Zunahme der Aktivitäten von Hedgefonds. Der Artikel spiegelte die Befürchtungen einiger führender kapitalistischer Vertreter*innen über die destabilisierenden Auswirkungen der räuberischen Aktivitäten von Hedgefonds wider. („Manche Hedgefonds-Bestrebungen müssen vielleicht gestutzt werden“.) Einige Kommentator*innen sind besonders besorgt über den zunehmenden Trend großer betrieblicher und kommunaler Pensionsfonds, in Hedgefonds zu investieren, was die Altersvorsorge der Arbeiter*innen zweifellos noch größeren Risiken als vorher aussetzt.
Die Zahl der Hedgefonds ist rapide gewachsen und hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Es gibt nun schätzungsweise 9.000 international, die etwa 1 Billion Dollar an Investor*innengeldern kontrollieren. Auf der Grundlage dieser Vermögenswerte haben sie schätzungsweise zwischen 1,5 und 2 Billionen Dollar geliehen, was ihnen die Kontrolle über Vermögenswerte von bis zu 3 Billionen Dollar verschafft (wobei etwa die Hälfte davon in den USA ihren Sitz haben). Dies ist nur ein kleiner Bruchteil des gesamten weltweiten Anlagevermögens, vielleicht 4 bis 5% des weltweiten institutionellen Anlagevermögens der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder (das bei etwa 54 Billionen Dollar Ende 2003 lag). Obendrein sind die meisten Hedgefonds relativ klein und verwalten ein Vermögen von weniger als 500 Millionen Dollar. Aus verschiedenen Gründen haben Hedgefonds jedoch einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Märkte. Die Wellenwirkung eines Zusammenbruchs eines Hedgefonds könnten verheerende Folgen für das Weltfinanzsystem haben.
Paul Woolley, Leiter von GMO Europe (einer Investment-Management-Firma), kommentiert die Rolle der Hedgefonds wie folgt: „Wir bewegen uns auf eine stark polarisierte [Anlagemarkt-]Struktur zu, in der das Verhalten einiger weniger [Hedgefonds etc.] die Märkte für viele [Finanzinstitute] prägt“ (How hedge funds are destabilising the markets [Wie Hedgefonds die Märkte destabilisieren], „Financial Times“, 28. September 2004).
Auf der einen Seite werden mehr als 95% der Fonds von großen Institutionen (Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften, Investmentfonds usw.) verwaltet, die allgemein eine passive Anlagepolitik verfolgen und darauf abzielen, Renditen zu erzielen, die in etwa den wichtigsten Börsenindizes entsprechen (z. B. S&P 500, FTSE 100 usw.). Auf der anderen Seite sind Hedgefonds (zu denen inzwischen auch einige andere Anlagegruppen kommen), die ihre Portfolios aktiv verwalten und eine höhere Rendite anstreben. Anstatt ein ausgewogenes Portfolio zu halten, konzentrieren sie sich auf bestimmte Marktsegmente und setzen risikoreichere Strategien wie Handel mit geliehenem Geld, Leerverkäufe und Derivatehandel ein. Die seit dem Platzen der Blase im Jahr 2000 gesunkenen Renditen für eine breite Palette von Anlagen haben dazu geführt, dass sich mehr Investor*innen Hedgefonds zuwenden, die kurzfristig höhere Profite zu bieten scheinen. Auch andere Institutionen (wie die Handelsabteilungen von Investmentbanken und einige Pensionsfonds) haben begonnen, die Methoden der Hedgefonds zu übernehmen.
Hedgefonds, erklärt Woolley, „erlangen eine zentrale Rolle bei der Bestimmung der Wertpapierkurse“ (Aktien, Anleihen, Derivate usw.). Das liegt zum einen an der Arbeit mit geliehenem Geld (die die Summen, mit denen sie zocken, mehr als verdoppeln kann) und zum anderen daran, dass sie viel häufiger als große Finanzinstitute aktiv kaufen und verkaufen. „Als Ergebnis“, so Woolley, „entfällt auf Hedgefonds ein weitaus größerer Anteil des Handelsvolumens als der verwalteten Vermögenswerte. In den USA und im Vereinigten Königreich beispielsweise macht ihre Tätigkeit bereits 40% und manchmal sogar 70% des täglichen Handels an den Aktienmärkten aus.“
Außerdem gedeihen Hedgefonds in unbeständigen Märkten. Eine Taktik der Hedgefonds ist das so genannte „Momentum-Investing“, bei dem sie steigenden oder fallenden Trends bei Wertpapierkursen folgen und darauf wetten, dass sie später von eventuellen „Korrekturen“ über- oder unterbewerteter Wertpapiere profitieren können. In vielen Fällen verstärkt die „Momentum“-Taktik tatsächlich die Schwankungen des Marktes und erhöht die Unbeständigkeit.
„Diese Kombination aus Aktivität und der Suche nach Unbeständigkeit“, warnt Woolley, „bedeutet, dass Hedgefonds in bestimmten Situationen zu den marginalen, preisbestimmenden Investor*innen geworden sind… Tatsache ist, dass instabile Märkte den Hedgefonds ihre idealen Bedingungen bieten. Aber instabile Märkte führen zu einer ineffizienten Kapitalallokation, behindern das Wirtschaftswachstum und können Turbulenzen in den Finanzsektoren verursachen. Wenn es nicht gelingt, ein größeres Gleichgewicht zwischen den heute vorherrschenden Anlageansätzen herzustellen, werden die Märkte weniger stabil und weniger effizient werden“.
Aber wer kann das „Gleichgewicht“ im anarchischen Marktsystem des Kapitalismus „wiederherstellen“? Das jüngste Aufblühen der Hedgefonds und ihrer hochriskanten, kurzfristigen Spekulationsmethoden ist nicht einfach das Ergebnis unverantwortlicher, „unausgewogener“ Anlagestrategien auf Seiten einer Minderheit von Investor*innen. Die Spekulationswelle ist ein Symptom der organischen Krise des Kapitalismus, die sich aus der widersprüchlichen Logik des Systems ergibt. Anstatt das „Gleichgewicht“ wiederherzustellen, wenden sich breitere Teile des Kapitals den Hedgefonds zu oder machen sich deren Methoden unabhängig zu eigen. Und das, obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass die verschärfte Konkurrenz zwischen immer mehr Hedgefonds auf den fast vollständig integrierten globalen Finanzmärkten ihre Profitabilität untergräbt.
Hedgefonds-Profite hinken hinterher
„Für Hedgefonds insgesamt war die Performance im vergangenen Jahr nicht gerade berauschend. Der Standard & Poor’s Hedge Fund Index verzeichnete bis zum 28. Dezember einen Ertrag von 3,79%, weniger als die Hälfte des Gewinns des S&P 500 [Aktienindex] von 8,99% im vergangenen Jahr. Im Jahr 2003 stieg der Hedgefonds-Index um gesunde 11,12%, aber der Zugewinn des S&P 500 war mit einem Plus von 26,38% mehr als doppelt so groß“. (Kevin Maler, From simple to complex, hedge funds gain ground [Von einfach zu Komplex, Hedgefonds machen Boden gut], „New York Times“, 3. Januar 2005) Einige Spekulant*innen behaupten jedoch, dass (anders als die großen Finanzinstitutionen) Hedgefonds in Zeiten des Marktabschwungs überdurchschnittliche Erträge erzielen – vorausgesetzt natürlich, sie gehen nicht pleite.
Gegenwärtig werden jedes Jahr 20 bis 30% der Hedgefonds aufgelöst. Einige haben in letzter Zeit große Verluste erlitten. Letztes Jahr hatte die in London ansässige Man Group, der weltweit größte börsennotierte Hedgefonds-Betreiber, mit ihren vier Hauptfonds negative Erträge und verlor 2,2 Milliarden Dollar an Kund*innengeldern. Nichtsdestotrotz zieht sie weiterhin Geld in ihre Fonds an. Die Mega-Zocker*innen sind offensichtlich bereit, das Leben zu nehmen, wie es ist.
Aber einige Kommentator*innen fragen, ob Hedgefonds die Grenzen ihres Erfolgs als hochprofitable Anlageinstrumente erreicht haben. Die Flut von Fonds und die Vermehrung von Hedgefonds haben zu einem überfüllten Markt geführt. Es ist nicht mehr eine Lage, in der eine Handvoll von Außenseiterfonds (es gab nur etwa 200 in den frühen 1970er Jahren, als Soros und Co. ihr Vermögen machten) in der Lage sind, auf obskure Ecken des Marktes oder anomal bewertete Vermögenswerte zu stoßen. Alle Tricks des Hedgefondshandels sind jetzt allgemein bekannt. Intensive Konkurrenz zwischen Tausenden von Fonds hat genau die „Fehlentwicklungen“ ausgebügelt, auf die sie sich früher für Superprofite stützten.
Und doch nimmt nicht nur die Kapitalflut in Hedgefonds weiter weiter zu, sondern andere Finanzgebilde wenden auch die gleichen hochriskanten, spekulativen Taktiken an. Die Handelsabteilungen der Investmentbanken nutzen Leerverkäufe, Spekulation mit viel geliehenem Geld und Derivate in großem Maßstab. Dies wurde während des Ölpreisanstiegs im letzten Quartal 2004 deutlich, als die Spekulationen von Hedgefonds und Investmentbanken schätzungsweise 15 bis 20% des Anstiegs ausmachten.
In ihrem Artikel im BIZ-Quartalsbericht vom Dezember 2004 zeigen Gelati und Melvin, dass die Unterscheidung zwischen Hedgefonds und anderen Anlageinstrumenten insbesondere (aber nicht nur) im Devisenhandel immer weiter aufgeweicht wird. Institutionelle Investor*innen (Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften), Rohstoffhandelsberater*innen (Commodity Trading Advisers, CTAs – die Unternehmen und Institutionen beraten) und Währungs-Overlay-Manager*innen (Currency Overlay Manager, COMs – die über den aktiven Handel mit Barreserven beraten) haben alle begonnen, wie andere Arten von Fonds zu handeln und mit Währungen, Aktien, Anleihen, Rohstoffen, Derivaten usw. zu handeln. Das Einzige, was Hedgefonds zunehmend von anderen Finanzunternehmen unterscheidet, ist ihr geheimnisvoller, unregulierter Charakter.
Einige Kommentator*innen sind jedoch besonders alarmiert über die zunehmende Beteiligung von Pensionsfonds an Hedgefonds. Angesichts eines weltweiten Defizits von 1,5 Billionen Dollar infolge des Börseneinbruchs nach 2000 sind viele Pensionsfonds verzweifelt auf der Suche nach höheren Renditen. Seit 2000 hat sich der Anteil der US-amerikanischen und britischen Pensionsfonds, die in Hedgefonds investieren, von 12% auf 23% fast verdoppelt. Darüber hinaus haben Pensionsfonds, die in Hedgefonds investieren, im letzten Jahr ihre Zuweisung in Hedgefonds um 36% auf rund 70 Mrd. $ erhöht. Letztes Jahr warnte der Vorsitzende der US-National Association of Pension Funds „vor einer übermäßigen Abhängigkeit in Hedgefonds und erklärte, die Branche sei von Natur aus instabil, da sie mit Spekulation mit viel geliehenem Geld arbeite und versuche, langfristige Erträge aus kurzfristigen Horizonten zu erzielen. (Hedgefonds: How risky bets can sneak into a portfolio [Hedgefonds: Wie sich riskante Wetten in ein Portfolio hineinschleichen können], „International Herald Tribune“, 10/11 April 2004) Der Zusammenbruch eines oder mehrerer großer Hedgefonds, mit Pensionsfondsinvestitionen könnte klar in erheblichem Umfang katastrophale Auswirkungen auf die Sicherheit der Renten der Arbeiter*innen haben.
Eine weitere neue Quelle von Investitionskapital für Hedgefonds sind die so genannten „fonds von Hedgefonds“. Sie operieren wie US-amerikanische Investmentfonds oder britische Unit Trusts und akzeptieren Investitionen von Kleinanleger*innen mit einer niedrigen Beteiligungsschwelle (z.B. 2.500 $) und investieren ihre Fonds dann in Hedgefonds. Die von Fonds von Hedgefonds verwalteten globalen Fonds stiegen 2004 um 22% und werden derzeit auf rund 3 Mrd. € (4 Mrd. $) geschätzt. („International Herald Tribune“, 8. Februar 2005)
Das beschleunigte Wachstum der Hedgefonds und die Beteiligung eines größeren Kreises von Investor*innen hat dazu geführt, dass einige Teile der Großkonzerne eine Regulierung fordern, die sie verpflichtet, sich registrieren zu lassen, ihre Aktivitäten offen zu legen und sich Prüfungen durch die Aufsichtsbehörden zu unterziehen. In den USA hat die Securities and Exchange Commission (SEC) mit der Einführung eines Regulierungssystems begonnen. Einige Hedgefonds-Manager*innen wehren sich vehement gegen jede Kontrolle ihrer Aktivitäten und fechten die neuen SEC-Vorschriften derzeit vor den US-Gerichten an. Andere hingegen begrüßen die Regulierung mit der Begründung, dass sie eine größere Beteiligung von Finanzinstituten und Kleinanlegern an Hedgefonds fördern wird. Sowohl die Europäische Kommission als auch die britische Finanzaufsichtsbehörde (FSA) prüfen die Rolle von Hedgefonds, scheinen es aber nicht eilig zu haben, sie einem Regulierungsregime zu unterwerfen. Viele Kommentator*innen sind der Ansicht, dass, wenn restriktive regulatorische Kontrollen eingeführt werden, viele weitere Hedgefonds einfach ihre Operationen in Offshore-Häfen verlagern werden, wo sie dem Zugriff der Regulierungsbehörden entzogen sind.
Die Krise wird kommen
„Das Geschäft ist immer kerngesund und die Kampagne im gedeihlichsten Fortgang“, schrieb Karl Marx, „bis auf einmal der Zusammenbruch erfolgt.“ Selbst jetzt nimmt die globale Spekulationswelle noch an Fahrt auf. Jüngste Zinserhöhungen der US-Notenbank (mit einem aktuellen Leitzins von 2,5%) hinken hinter der steigenden US-Inflationsrate (3,0%) her, was eine Senkung der realen (inflationsbereinigten) Zinssätze brachte. Die globale Flutwelle überschüssiger Liquidität nimmt sogar noch zu und verhöhnt Alan Greenspans zaghafte „Straffung“ der Geldpolitik. Dies heizt noch größere Exzesse bei spekulativen Investitionen an – mit Hedgefonds an der Spitze, die sich in immer riskantere Abenteuer stürzen.
Zwei Bereiche haben sich in den letzten Monaten vor allem hervorgetan. Einer war der Ansturm auf „Fusionen und Übernahmen“, d.h. hoch kreditfinanzierte Übernahmen, die mit „Junk Bonds“, d.h. hochverzinslichen, aber hochriskanten Unternehmensanleihen, finanziert werden. Die Raubtierkonzerne, die diese Anleihen ausgeben, wollen den Anleiheeigentümer*innen hohe Zinsen (und ihren eigenen Aktionären hohe Dividenden) zahlen, indem sie die Unternehmen, die sie verschlingen, ausschlachten. Doch viele Geschäfte gehen schief, und die Anleihen werden zu „Schrottanleihen“.
„Der Chef eines der größten kommerziellen Kreditgeber in den USA beschreibt die Höhe der Hebelwirkung [Kreditanteil] bei einigen Buy-out-Geschäften als ,verrückt‘. Ein Großteil der wildesten Kredite wird von Hedgefonds vergeben, die vor Geld nur so strotzen, sagt er. ,Einige Fonds glauben, sie müssen das Geld investieren, auch wenn es keine kluge Investition ist. Sie denken, dass die Leute, die ihnen das Geld gaben, von ihnen erwarten, dass sie es investieren. Aber das ist Wahnsinn‘.“ (Dan Roberts, David Wighton und Peter Thal Larsen, The end of the party? [Das Ende der Party] „Financial Times“, 14. März 2005) Roberts berichtet von wachsenden Ängsten, dass dieser Zyklus wie der letzte enden wird, „mit einer Menge übermäßig kreditfinanzierter Unternehmen in Schwierigkeiten“. Einige Kommentator*innen beschwören das Schreckgespenst der großen Junk-Bond-Krise am Ende des Booms der 1980er Jahre herauf.
Ein weiteres neues modisches Feld für riskante spekulative Investitionen sind die so genannten „Schwellenländeranleihen“. Bei niedrigen Zinssätzen in den USA, Europa und Japan haben Spekulant*innen in letzter Zeit viel Geld in Staats- und Unternehmensanleihen in Brasilien, Russland, Mexiko, Kolumbien, der Türkei und ein paar anderen Ländern (meist in potenziell unbeständigen Landeswährungen) gepumpt. Solche Länder müssen eine „Risikoprämie“ über den US-Zinssätzen zahlen; diese hat sich jedoch in letzter Zeit etwa halbiert – mehr durch die Liquiditätsflut als durch eine Risikominderung. „All dies erinnert an die Stimmung, die den aufeinanderfolgenden Finanzkrisen in den 1990er Jahren vorausging“. (Roberts, The end of the party? [Das Ende der Party?]) Noch eine Schuldenblase wird zu gefährlichen Dimensionen aufgeblasen.
Die Komplexität des Kreditsystems, so bemerkte Marx schon vor langer Zeit, erzeugt bei den Kapitalist*innen die Illusion, dass es Eigenschaft des Kapital ist, „Wert zu schaffen, Zins abzuwerfen, wie die Eigenschaften eines Birnbaums, Birnen zu produzieren“, völlig losgelöst von der Produktion, der Ausbeutung der Arbeitskraft und der Erzielung von Profit durch den Verkauf an die Verbraucher*innen. Heute scheinen viele Kapitalist*innen zu glauben, dass die Profite auf Computerbildschirmen aus dem virtuellen Universum der elektronischen Finanzmärkte hervor getaschenspielert werden. Doch eine wachsende Zahl befürchtet, dass ein Realitätscheck nicht weit entfernt ist. „Die Palette der Stimmen, die ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen, hat sich vergrößert. ,Das nächste Mal wird es eher früher als später kommen‘, sagt Paul Kirk, Leiter der Abteilung für globale Umstrukturierung bei PwC, dem professionellen Dienstleistungsunternehmen. ,Die Investitionsziele, die derzeit verfolgt werden, haben nichts mit den wirtschaftlichen Grundlagen zu tun‘.“ (Roberts, Das Ende der Party?)
Das Niedrigzins„regime“, auf dem die derzeitige Spekulationsblase beruht, kann nicht mehr viel länger anhalten. Wie genau es enden wird, ist nicht vorhersehbar. Ein Zusammenbruch eines oder mehrerer Hedgefonds oder Finanzhäuser könnte eine Finanzkrise auslösen. Ein scharfer Fall des US-Dollars könnte höhere US-Zinsen erzwingen, was zu einem Rückgang der Preise von Vermögenswerten (Aktien, Immobilien, Junk-Bonds, „Schwellenländer“-Schulden usw.) und zu einem Abschwung der US-Wirtschaft führen würde. Ohne einen expandierenden US-Markt würde der chinesische Investitions- und Immobilienboom zusammenbrechen. Das Ende des schuldenfinanzierten US-Konsumbooms würde definitiv das Ende der globalen Party bedeuten.
Wann wird das passieren? Wenn wir das nur sagen könnten. Aber die Strategie einer wachsenden Zahl von Kapitalist*innen besteht darin, „mehr Geld zu sammeln und zu warten, bis es knallt“. (Roberts) Der legendäre Finanzier Warren Buffett zum Beispiel sitzt auf 45 Milliarden Dollar Bargeld und „wartet auf eine Marktkorrektur“. Er wird zweifellos lachen. Milliarden von Arbeiter*innen und armen Menschen, die außer Schulden nichts auf der Bank haben, werden einen schrecklichen Preis für das von Gier getriebene Chaos und den Bankrott des kapitalistischen Systems zahlen.
Anmerkung
Am 16. März 2005 betrug der Wechselkurs des US-Dollars: 1 $ = 0,5186 Pfund oder 0,7478 Euro oder 104,52 Yen oder 8,2765 Yuan. Man beachte, dass andere bilaterale Kurse, z. B. der Euro-Yen-Kurs, unabhängig voneinander schwanken und nicht einfach aus diesen Werten berechnet werden können.
Kasten: Was sind Hedgefonds?
Hedgefonds sind geheime Clubs von mega-reichen Investor*innen (typischerweise weniger als 100 Mitglieder).
Da es sich um private Partnerschaften (und nicht um Aktiengesellschaften) handelt und ihre Kund*innen allesamt superreich sind (die Mindestanlagesumme liegt in der Regel bei einer oder zwei Millionen Dollar), sind sie bisher keiner Regulierung durch die Finanzbehörden unterworfen. Mit anderen Worten: Sie sind nicht verpflichtet, ihr Vermögen oder ihre Aktivitäten offenzulegen. In jedem Fall sind viele von ihnen in Steuerparadiesen registriert (Soros‘ Quantum Fund ist in Curação auf den Niederländischen Antillen registriert). In jüngster Zeit gibt es jedoch Bestrebungen, vor allem in den USA, Hedgefonds einer Regulierung zu unterwerfen.
Ursprünglich galten Hedgefonds als ertragsstarke, aber relativ sichere Anlageformen. Alfred Winslow Jones, der 1949 den ersten Hedgefonds auflegte, entwickelte die Technik des „Hedging“ (wie in „hedging your bets“ [die eigenen Wetten absichern]). Für jede Aktie, die er „long“ kaufte (um sie eine Zeit lang in der Annahme zu halten, dass ihr Kurs steigen würde), kaufte er eine ähnliche Aktie „short“. Beim „Short“-Handel mit Aktien werden diese (in der Regel von Brokern gegen Zahlung von Zinsen) geliehen und in der Annahme, dass ihr Preis fallen wird, schnell verkauft, so dass der Hedgefonds sie billiger zurückkaufen und mit Profit an den Verleiher zurückgeben kann. Die Idee ist, dass der Hedgefonds gewinnen kann, unabhängig davon, ob die Aktienkurse steigen oder fallen. Hedgefonds machten hohe Profite durch aktiven, konzentrierten Handel in bestimmten Bereichen der Finanzmärkte, indem sie versuchten, „Anomalien“ zu erkennen (z. B. „unterbewertete“ Aktien, um „long“ zu kaufen, oder „überbewertete“ Aktien, um „short“ zu verkaufen). Sie nutzten auch Preisunterschiede zwischen verschiedenen regionalen Märkten aus.
Der Profit pro Transaktion mag nur marginal sein. Aber Jones arbeitete mit geliehenem Geld, um die Profite zu vergrößern. Dies bedeutet, dass große Summen geliehen werden, damit der Hedgefonds in großem Umfang kaufen und verkaufen kann – eine Tätigkeit, die selbst die Schwankungen der Aktienkurse zum Vorteil der spekulierenden Fonds beeinflussen kann. Sowohl Leerverkäufe als auch Handel mit geliehenem Geld sind jedoch alles andere als sicher, sondern sind hochriskante Strategien.
Hedgefonds nutzen heute immer noch Leerverkäufe als eine ihrer wichtigsten Handelstaktiken. Gleichzeitig haben sie ihre spekulativen Aktivitäten zunehmend von Aktien auf alle Bereiche des internationalen kapitalistischen Marktes ausgedehnt: Junk Bonds (hochverzinsliche, risikoreiche Firmenanleihen), Rohstoffe, Währungen, Fusionen und Übernahmen (Firmenübernahmen) usw.
Da sie hohe Renditen anbieten, konnten die Hedgefonds trotz der damit verbundenen Risiken immer mehr superreiche Investor*innen anlocken. „Im letzten Jahrzehnt haben Hedgefonds fast das Vierfache der Renditen der Aktienmärkte erzielt“. (Hedging smarter [Klüger hedgen], „International Herald Tribune“, September 2004) Die Investor*innen müssen einen Anfangseinsatz von mindestens 1 bis 2 Millionen Dollar leisten. Die Hedgefonds-Manager berechnen ihnen eine Provision von 2% (im Vergleich zu durchschnittlich 1,36% für US-Investmentfonds – das Äquivalent zu britischen Unit Trusts) und eine „Performance-Gebühr“ von 20% der Profite. Einige Hedgefonds haben ihre Manager*innen durch ihre eigenen Investitionen und Verwaltungsgebühren sagenhaft reich gemacht. Soros beispielsweise verfügt über ein geschätztes Privatvermögen von über 11 Milliarden Dollar. Kürzlich wurde berichtet, dass der „öffentlichkeitsscheue“ US-Hedgefonds-Magnat Steven Cohen, der Fonds im Wert von 6 Milliarden Dollar verwaltet, ein persönliches Nettovermögen von 2 Milliarden Dollar hat, wobei er im Jahr 2003 350 Millionen Dollar und 2004 sogar noch mehr einnahm. In den letzten fünf Jahren gab er mehr als 500 Millionen Dollar für seine private Kunstsammlung aus, wobei er 12 Millionen Dollar für Damien Hirsts Hai, 52 Millionen Dollar für einen Jackson Pollock und 25 Millionen Dollar für ein Andy-Warhol-Gemälde zahlte. (Thomas und Vogel: „Financial shark leaves tooth marks on art world“ [Finanzhai hinterlässt Zahnspuren in der Kunstwelt], „International Herald Tribune“, 4. März 2005)
Es sind jedoch nicht nur die Hedgefonds-Manager*innen, die aus den Aktivitäten der Fonds groteske Einkünfte ziehen. Auch die Investmentbanken, die die Handelsaktivitäten der Fonds abwickeln, kassieren riesige Summen an Gebühren. „Die Unersättlichkeit des Handels der [Hedge-]Fonds ist so groß, dass die Aufsichtsbehörden schätzen, dass einige Investmentbanken bis zu 40% ihrer Gesamteinnahmen durch die den Hedgefonds in Rechnung gestellten Handelsprovisionen erzielen“. („The Times“, 8. November 2004)
Der Zusammenbruch von LTCM
Hedgefonds sind von Natur aus riskant. Die führenden kapitalistischen Vertreter*innen werden immer noch vom Beinahe-Zusammenbruch des US-Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998 verfolgt, einem Ereignis, das beinahe einen dominoartigen Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte ausgelöst hätte. In den Jahren 1995-97 machte LTCM für seine Investor*innen enorme Profite und erzielte eine Gesamtrendite nach Verwaltungsgebühren von 33,7%, verglichen mit einer durchschnittlichen Rendite von 29,3% für S&P 500-Aktien. LTCM machte den größten Teil seiner Profite durch den Handel mit Anleihen, Swaps und Optionen, wobei es die (oft geringen) Preisunterschiede zwischen verschiedenen Märkten ausnutzte. Um die Handelsprofite zu vergrößern, arbeiteten die LTCM-Manager mit sehr viel geliehenem Geld. Bei einem Kapital von 4,8 Mrd. $ Anfang 1998 zockte der Hedgefonds mit rund 120 Mrd. £ auf den Märkten. Dies bedeutete Schulden in Höhe des 25-fachen des Kapitals. Darüber hinaus verwaltete LTCM außerbilanzielle Derivatkontrakte mit einem Nominalwert von etwa 1,3 Billionen Dollar.
Im August 1998 geriet die russische Regierung mit ihren Staatsanleihen in Verzug, und der Rubel stürzte ab. Dies sandte Schockwellen über die Finanzmärkten, die insbesondere Argentinien, Brasilien und andere so genannte „Schwellenländer“ trafen. Die Turbulenzen auf den weltweiten Anleihemärkten führten im September zum Zusammenbruch von LTCM. Nach enormen Verlusten betrug das Nettovermögen von LTCM nur noch 600 Mio. $, während das Engagement am Markt etwa 100 Mrd. $ betrug – was eine Verschuldung in Höhe des 167-fachen des Vermögens bedeutet. Dies war nicht tragbar: LTCM war praktisch bankrott.
„In der Befürchtung, dass sein Scheitern eine weltweite Finanzkrise auslösen könnte“, griff die New Yorker Federal Reserve schnell ein und organisierte hinter den Kulissen eine private Rettungsaktion in Höhe von 3,6 Milliarden Dollar. (Joseph Stiglitz, Globalization and its discontents [auf Deutsch: Der Schatten der Globalisierung], 2002, S. 150) Die Fed befürchtete vor allem, dass ein Notverkauf der Anleihen und Derivate von LTCM einen Preisverfall auslösen und den Märkten Liquidität entziehen würde. Es bestand klar die Gefahr einer Kettenreaktion von Hedgefonds- und Bankzusammenbrüchen. Die Fed organisierte eine Rettung von LTCM durch die Banken, die dem Hedgefonds Kredite gewährt hatten. „Die Rettung von LTCM kann als eine außergerichtliche Reorganisation nach Art eines Konkurses angesehen werden, bei der die Hauptgläubiger von LTCM zu neuen Eigentümern wurden, in der Hoffnung, so viel Wert wie möglich zu retten“. (Barry Eichengreen & Donald Mathieson, „Hedge funds: What do we really know?“ [Hedgefonds: Was wissen wir wirklich?] IMF Economic Issues 19, September 1999).
Eine Kettenreaktion der Finanzkrise in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern selbst – die zweifellos einen Einbruch der Weltwirtschaft zur Folge gehabt hätte – wurde durch das rasche Eingreifen der Fed abgewendet. Damals wurde das Ausmaß der Krise durch eine Verschwörung des Schweigens seitens der führenden kapitalistischen Vertreter*innen und der Medien weitgehend vor der Öffentlichkeit verborgen. Stiglitz kommentiert: „Die Vereinigten Staaten belehrten alle … über den Günstlingskapitalismus und seine Gefahren. Doch die Frage der Einflussnahme stand [unter anderem] bei der Rettung von LTCM im Vordergrund…“. (Globalisierung S. 178)
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