Leo Trotzki: Stalin bereitet einen treulosen Schlag gegen die Bolschewiki-Leninisten vor

[23. August 1933, eigene Übersetzung des russischen Textes, Korrekturen von russischen Muttersprachler*innen wären sehr willkommen]

Auf dem Kongress der Bildungsbeschäftigten in Reims fanden die sowjetischen Delegierten keine Beweisgründe für die Rechtfertigung der Gewalt gegen die Genossen Rakowski, Victor Serge und viele andere und äußerten: in der UdSSR wird es bald einen Prozess geben, welcher die Beteiligung der Trotzkisten an Sabotage und konterrevolutionärer Arbeit zeigen werde. So lautete das Aushilfs-„Argument“, welches die Delegierten aus der Stalinschen Kanzlei auf den Weg mitbekamen. Unter Hinweis auf Radio Moskau teilten bürgerliche Zeitungen danach mit, dass in der Ukraine tatsächlich einige Dutzend „Trotzkisten“ unter der Anschuldigung der Sabotage und Hochverrat arretiert seien: sie alle würden vor ein Sondergericht gestellt.

Jedem intelligenten Mensch ist im Voraus klar, dass Bolschewiki-Leninisten, genannt „Trotzkisten“, zu ökonomischer Sabotage des Arbeiterstaats noch weniger Beziehung haben können als deutsche Kommunisten zum Reichstagsbrand. Die Linke Opposition unterstützte immer unveränderlich die Industrialisierung des Landes nicht nur theoretisch, sondern auch durch praktische Arbeit. Die wirtschaftlichen Erfolge des Sowjetstaats erachtete und erachtet sie als ihre Erfolge. Sie kämpfte und kämpft nur gegen die falsche wirtschaftliche Führung durch eine unkontrollierte Bürokratie an. Wenn die in der Ukraine Arretierten tatsächlich Saboteure sind, dann haben sie keine Beziehung zur linken Opposition und können keine haben.

Wenn die in der Ukraine Arretierten Anhänger der linken Opposition sind, dann haben sie keine Beziehung zu Sabotage und können keine haben. Die Beschuldigung der „Trotzkisten“ wegen konterrevolutionärer Handlungen kann seinen Grund bloß in einem „Amalgam“ haben, d.h. in einer verbrecherischen Kombination von Personen, die nichts miteinander zu tun haben.

Bereits im Jahr 1927 bot ein Agent der GPU, ein ehemaligen Offizier Wrangels, einem mit der linken Opposition sympathisierenden Komsomolzen seine „technische Hilfe“ an, – und auf Grund dieser Provokation wurden die Bolschewiki-Leninisten der Verbindung … nicht mit Agenten der GPU, sondern mit einem Wrangel-Offizier beschuldigt. Jetzt geht die Sache um ein Verbrechen im viel größeren Maßstab. Stalin braucht dringend die Erschießung scheinbarer Trotzkisten für tatsächliche Verbrechen oder tatsächlicher Trotzkisten für scheinbare Verbrechen, um Repression gegen tadellose Revolutionäre zu rechtfertigen, welche bereits etwa sechs Jahre in Gefängnissen und Verbannung gehalten werden.

Sogar aus den wenigen offiziellen Mitteilungen über die Säuberung der Partei selbst kann man sehen, dass die linke Opposition unausrottbar ist: „Trotzkisten“ gruppieren sich und handeln in verschiedenen Orten des Landes, vor den Augen verantwortlicher Parteiarbeiter. Die spärlichen Enthüllungen der „Prawda“ zeigen, dass die linke Opposition von einer Atmosphäre der Sympathie umgeben ist, ansonsten müssten örtliche Kommunisten und örtliche Kontrollkommissionen nicht durch Antreiben und Drohungen zum Ausschluss von „Trotzkisten“ gebracht werden. Nicht weniger deutlich und offensichtlich sind die Erfolge der linken Opposition in der internationalen Arena. Die Stalinisten kennen nicht weniger als wir die größten Erfolge der Bolschewiki-Leninisten im Bereich der internationalen proletarischen Avantgarde. Die Bürokratie ist in großer Unruhe. Man muss etwas unternehmen, und überdies unverzüglich! Aber was? Sich auf Diskussionen einzulassen, wäre klar eine hoffnungslose Sache, von welcher nur die Bolschewiki-Leninisten gewinnen würden. Nein, notwendig sind drastische Mittel! Stalin wird nicht einmal davon aufgehalten, dass seine neuen Amalgame dem Weltproletariat den Kampf gegen die Amalgame Hitlers außerordentlich schwierig machen werden. In beiden Fällen geht die Angelegenheit um den Kopf proletarischer Revolutionäre.

Die Aufgabe der linken Opposition ist, die fortgeschrittenen Arbeiter der ganze Welt vor dem vorbereiteten Verbrechen rechtzeitig zu warnen. Die vergiftete Waffe muss sich gegen die Giftmischer kehren. Gleichzeitig muss man wachsam darauf achten, dass die berechtigte Empörung gegen die bonapartistischem Methoden nicht schließlich die Sympathie des Weltproletariats vom Sowjetstaat abwendet. Die Verteidigung des Vermächtnisses der Oktoberrevolution muss die proletarische Avantgarde auf sich nehmen – gegen die Stalinsche Bürokratie!

Onken

23. August 1933


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