[Eigene Übersetzung des russischen Textes, Korrekturen von russischen Muttersprachler*innen wären sehr willkommen]
An die Redakteure von „Robitnitschi Wisti“.
Werte Freunde!
Mit großem Interesse und heißer Anteilnahme folge ich Ihren Anstrengungen, unter den ukrainischen Proletariern in Kanada die Ideen und Methoden des unverfälschten Marxismus (Leninismus) zu verbreiten.
Die Theorie und Praxis des „Sozialismus in einem Lande“ befindet sich in einem besonders scharfen Widerspruch zu den Interessen des ukrainischen Proletariats. Die Hauptursache, die die Entwicklung des reich begabten ukrainischen Volkes aufhält, ist seine nationale Zerstückelung, die in den kapitalistischen Ländern von brutaler nationaler Unterdrückung begleitet wurde und immer noch begleitet wird. Die Oktoberrevolution gab zweifellos der Entwicklung der ukrainischen Kultur einen mächtigen Anstoß. Aber während die werktätigen Massen der Sowjetunion von Seiten das gegenwärtige Sowjetbürokratie viel Schaden in ihrer Entwicklung erlitten, leiden die ukrainischen Arbeiter und Bauern noch viel mehr unter ihrer nationalen Zerstückelung. Welchen riesigen Vorteil erhielte das ukrainische Volk, wenn es völlig in der Sowjetukraine vereinigt wäre! Welche mächtige Entwicklung erhielte die ukrainische Kultur!
Dem ukrainischen Volk die volle nationale Vereinigung und Befreiung bringen kann nur die europäische und internationale Revolution, beginnend mit Polen.
Die fortgeschrittenen ukrainischen Arbeiter können sich weniger als alle anderen Arbeiter mit der Theorie des „Sozialismus in einem Lande“ aussöhnen. Diese konservative Theorie eröffnet vor ihnen nicht einmal die Perspektive der nationalen Befreiung, die jedoch eine elementare Voraussetzung für eine sozialistische Gesellschaft ist. Deshalb beobachte ich mit Freude Ihre Bemühungen, den ukrainischen Arbeitern zu erklären, dass ihr Schicksal, wie auch das Schicksal des gesamten werktätigen ukrainischen Volkes, nicht nur mit dem Schicksal der Sowjetunion, sondern auch mit dem Schicksal der internationalen proletarischen Revolution leiblich und unauflöslich verbunden ist.
Ich bedaure sehr, dass ich Ihnen diesen Brief nicht auf Ukrainisch schreiben kann. Obgleich ich seit meiner Kindheit die ukrainische Sprache kannte und mich an den Versen des großen Schewtschenko ergötzt habe, indem ich sie auswendig lernte; obwohl ich auch jetzt noch Ihre Presse verstehe, ist mein eigener ukrainischer Wortschatz zu gering, als dass ich mich entschließen könnte, unmittelbar auf Ukrainisch zu schreiben. Ich hoffe jedoch, dass diese Zeilen Sie in einer guten ukrainischen Übersetzung erreichen werden.
Brüderlich und Ihnen zugetan
L.Trotzki
20. Oktober 1934.
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