Lynn Walsh: Nachruf

Andrew Glyn, 1943-2007

[Eigene Übersetzung des Artikels in Socialism Today, Nr. 115, Februar 2008]

Mit großer Trauer geben wir den Tod Andrew Glyns bekannt, einem international renommierten sozialistischen Ökonomen und ehemaligen Unterstützer des Militant, des Vorläufers der Socialist Party. Andrew starb am 22. Dezember im Alter von 64 Jahren, nur wenige Monate nachdem bei ihm inoperabler Hirnkrebs diagnostiziert worden war.

Im Laufe von drei Jahrzehnten lieferte Andrew mit seinen Büchern und zahlreichen Artikeln sozialistischen Aktivist*innen wichtige Analysen und Fakten-Munition für den Kampf gegen den zeitgenössischen Kapitalismus. British Capitalism, Workers and the Profit Squeeze ([Der britische Kapitalismus, Arbeiter*innen und die Profitklemme] 1972 zusammen mit Bob Sutcliffe) analysierte die tiefe Malaise des britischen Kapitalismus am Ende des weltweiten Nachkriegsaufschwungs und löste gleichzeitig eine Kontroverse unter Marxist*innen über die grundlegenden Ursachen der kapitalistischen Krise aus.

Capitalism Since 1945 ([Der Kapitalismus seit 1945] geschrieben mit Phil Armstrong und dem verstorbenen John Harrison, 1984, zweite Auflage 1991) wurde schnell zu einem unentbehrlichen Handbuch für alle, die den Aufstieg und Fall der kapitalistischen Nachkriegsordnung, vom Keynesianismus bis zum Neoliberalismus, verstehen wollen.

Andrew war 38 Jahre lang Fellow des Corpus Christi College in Oxford. Er kam aus einer wohlhabenden Bankiersfamilie und besuchte Eton. Doch schon in jungen Jahren lehnte er die Ungleichheit und die Privilegien des bestehenden Systems ab, unterstützte aktiv die Kämpfe der Arbeiter*innen und setzte sich für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft ein. Seine Forschungen und Schriften konzentrierten sich stets auf Themen, die in irgendeiner Weise nützliches Material für die Arbeiter*innenbewegung liefern würden.

In den 1970er und frühen 1980er Jahren war Andrew ein aktiver Unterstützer des Militant und half, eine starke Gruppe in Oxford aufzubauen. Im Jahr 1978 schrieb Andrew eine Militant-Broschüre, Capitalist Crisis or Socialist Plan [Kapitalistische Krise oder Sozialistischer Plan], eine Kritik der „Alternativen Wirtschaftsstrategie“, die von der Tribune-Gruppe linker Labour-Abgeordneter vorgelegt wurde.

Andrew verließ später unsere Reihen, beteiligte sich aber weiterhin an vielen Kämpfen, besonders am Bergarbeiter*innenstreik 1984/85 und am Kampf für den Sieg gegen Thatchers Poll Tax. Er wurde sehr bereitwillig von der National Union of Mineworkers (NUM) als Fachberater angeworben und recherchierte und schrieb schnell The Economic Case Against Pit Closures ([Das wirtschaftliche Argument gegen Zechenschließungen] NUM, 1984), das Thatchers Energiepolitik als politisch motivierten Rachefeldzug gegen die Bergarbeiter*innen entlarvte.

Später beschäftigte sich Andrew mit den verheerenden Auswirkungen der Niederlage der Bergarbeiter*innen, die den Weg für die Umsetzung der (neoliberalen) Politik des ultrafreien Marktes von Thatcher und dann New Labour freimachte. Im Jahr 2006 veröffentlichte er eine erhellende Analyse der jüngsten Phase des Systems, Capitalism Unleashed [Entfesselter Kapitalismus] (Rezension in Socialism Today Nr. 105, November 2006, http://www.socialismtoday.org/105/capitalism.html). Dieses neueste Buch zeigt die Zusammenhänge zwischen der beschleunigten Globalisierung und der internationalen neoliberalen Offensive gegen die Arbeiter*innenklasse auf. Es verdeutlicht auch die wachsende Vorherrschaft des Finanzkapitals, das von dem kurzfristigen Streben nach maximalen Profiten angetrieben wird.

Andrew sprach in einer gut besuchten Sitzung über Globalisierung auf der Veranstaltung Socialism 2006 der Socialist Party.

Andrews Begeisterung für Ideen war bis zum Schluss ungebrochen. Er hätte noch viele weitere wertvolle Beiträge zu den neuesten Entwicklungen im Kapitalismus geliefert, und diese werden sehr vermissen werden.

Andrews Arbeit als Ökonom wurde weithin bewundert, selbst von vielen, die seine sozialistische Einstellung nicht teilen. Dennoch war er ein sehr bescheidener Mensch, mit einem großen Sinn für Humor und einer großzügigen Gabe für Freundschaft. Gespräche mit Andrew waren immer ungemein anregend und machten viel Spaß. Er liebte Jazz, spielte Kontrabass und lernte kürzlich Klavier. Er hätte nicht so früh sterben sollen.

Lynn Walsh


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