[eigene Übersetzung des englischen Textes in Militant International Review, Nr. 53, September-Oktober 1993 S. 19-25]
Ist die Weltwirtschaft nur in einer weiteren zyklischen Rezession? Oder in einer langfristigen Periode der Depression? Lynn Walsh untersucht die Argumente.
Die Jahreszeiten haben viele Male gewechselt, seit Clinton, Major und andere führende kapitalistische Politiker*innen erstmals auf „grüne Triebe der Erholung” hingewiesen haben. Doch bislang war die Erholung von der 1990 begonnenen Rezession, gelinde gesagt, schwach. Der riesige Schuldenberg, der während der Expansion der 1980er Jahre angehäuft wurde, wirkt trotz Zinssenkungen nach wie vor wie ein Klotz am Bein der fortgeschrittenen kapitalistischen Volkswirtschaften. Die Arbeitslosigkeit wurde nicht wesentlich verringert und wird in den OECD-Ländern bei etwa 34 Millionen bleiben. Die Stagnation in Japan und der Produktionsrückgang in Deutschland drohen nun, den Aufschwung in den USA, Kanada, Großbritannien und den anderen „angelsächsischen” Volkswirtschaften zu dämpfen.
Wenn die führenden kapitalistischen Politiker*innen einen baldigen Aufschwung versprechen, tun sie so, als hätten sie es nur mit einem weiteren kurzfristigen Konjunkturzyklus zu tun. Sie implizieren, dass auf eine Rezession ganz natürlich eine Erholung folgt, so wie auf den Winter der Frühling folgt. Doch es gibt eine wachsende Anzahl von Kommentator*innen, die realistischer – und weitaus pessimistischer – sind. Sie erkennen, dass sich das Wirtschaftsklima seit dem Ende des langen Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg verändert, grundlegend verändert hat.
In einem Kommentar zu den „widersprüchlichen Signalen”, die die US-Wirtschaft 1992 aussandte, warf ein prominenter Ökonom die Frage auf: „Ist es vorstellbar, dass die Vereinigten Staaten nicht nur in eine Phase der Rezession und des vorübergehenden konjunkturellen Abschwungs eingetreten sind, sondern – von langfristiger, anhaltender Stagnation? … Stagnation ist seit geraumer Zeit in zahlreichen Wirtschaftsindikatoren erkennbar.” (Gar Alverovitz, „Washington Post“/„Guardian Weekly“, 19. April 1992).
Anfang 1993 verspottete ein anderer Ökonom, James Davidson von der Strategic Advisors Corporation in Boston, erneute Behauptungen über eine US-Erholung: „Die letzten drei Jahre waren keine normale Nachkriegsrezession, sondern eine Depression. Depressionen enden nicht einfach, weil wir Wahlen oder die Firmen Weihnachtsgeschäft haben.“ („Wall Street Journal“, 11. Februar 1993).
Davidson definiert dann Depressionen als „Perioden langfristiger struktureller Anpassungen, die die Liquidation notleidender Kredite und den Abbau von Überkapazitäten erfordern. Dieser Prozess hat gerade erst begonnen. Wenn ich Recht habe, wird die derzeitige Phase der Stärke bald in einer dreifachen Rezession auslaufen, gefolgt von einer tieferen Phase der Depression”.
Davidson datiert den Beginn der gegenwärtigen Depression auf 1973-74: „… die gegenwärtige Depression wurde vor 20 Jahren durch den OPEC-Schock ausgelöst, einen Billionen-Dollar-Vermögenstransfer, der die Inflation ankurbelte und die realen Wachstumsraten senkte.“
Wie sie doch ihre Melodie geändert haben! Noch vor zwei oder drei Jahren war das „Wall Street Journal“ eine lautstarke Stimme des kapitalistischen Triumphalismus. Als 1989-90 die stalinistischen Volkswirtschaften in Staub zerfielen, wurde der Reagan-Boom als „Mutter aller Erholungen“ dargestellt, der eine neue Ära des ewig andauernden Aufschwungs einläutete.
Unter der Überschrift „Reagans Awesome Economic Boom“ [Reagans toller Wirtschaftsboom]“ prahlte das „Wall Street Journal“ (8. März 1991): „Die 92-monatige wirtschaftliche Expansion in den USA, die im November 1982 begann und im Juli 1990 endete, war dreieinhalb Mal so lang wie die durchschnittliche Expansion in Friedenszeiten seit 1919 und lag an zweiter Stelle nach dem Rekord von 106 Monaten in den Jahren 1961-69. Eine so außergewöhnlich lange Phase steigender Produktion und Beschäftigung bescherte dem Land enorme kumulative Gewinne, die durch den derzeitigen, offenbar milden Abschwung kaum beeinträchtigt werden dürften.” Das wahre Erbe der 1980er Jahre sind jedoch nicht „kumulative Gewinne”, sondern eine Akkumulation unlösbarer Probleme und verschärfter internationaler Widersprüche.
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Die USA waren die Hauptantriebskraft der Expansion der 1980er Jahre. Sie wurde jedoch durch massive Schuldenmengen finanziert – durch das Haushaltsdefizit des Bundes in Höhe von über 200 Milliarden Dollar und durch massive Unternehmens- und Haushalts-/Verbraucher*innenschulden. Diese wurden größtenteils aus den Kapitalströmen finanziert, die durch die Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse Japans und Deutschlands erzeugt wurden. Als Ergebnis wurden die internationalen Ungleichgewichte vergrößert und die Handelsspannungen zwischen den Defizit- und den Überschussländern verschärft. Trotz hoher Investitionen in Hochtechnologiesektoren – wie Computer und elektronische Geräte, elektronische Konsumgüter, Telekommunikation und Fahrzeuge – gelang es dem Wirtschaftsaufschwung der 1980er Jahre nicht, den seit Ende der 1960er Jahre anhaltenden allgemeinen Rückgang der Investitionen und des Produktivitätswachstums umzukehren. Trotz der Erholung der Profite, die vor allem durch das Herauspressen von mehr Leistung aus einer geringeren Anzahl von Arbeiter*innen erreicht wurde, blieben die Kapitalinvestitionen auf einem niedrigeren Niveau als während des langen Aufschwungs. In Europa erreichte die Massenarbeitslosigkeit ein neues Plateau zwischen 9 und 12 Millionen, während das Beschäftigungswachstum in den USA auf der Verbreitung von Löhnen auf Armutsniveau, prekären Beschäftigungsverhältnissen, Teilzeitarbeit und Doppelbeschäftigung, insbesondere für Frauen, beruhte.
International wurden die Wirtschaftsbeziehungen viel instabiler. Die Wechselkurse der führenden Währungen gingen auf und ab wie eine Achterbahn. Eine Flut von „heißem Geld“ strömte von einer Volkswirtschaft zur anderen, da Spekulant*innen versuchten, von Wechselkurs- und Zinsschwankungen zu profitieren. Diese spekulativen Ströme erreichten 1992 ein Volumen von 880 Milliarden Dollar pro Tag.
Dies ist eine neue Periode, völlig verschieden von dem langen Aufschwung der Jahre 1950 bis 1973. Während dieser Periode gab es stabile weltwirtschaftliche Beziehungen, die vom US-Kapitalismus mit seiner überwältigenden wirtschaftlichen und strategischen Macht gefördert wurden. Das Bretton-Woods-System mit festen (aber anpassbaren) Wechselkursen, die an den US-Dollar gekoppelt waren (der wiederum an das Gold gebunden war), bot ein zuverlässiges Medium für den Welthandel und die Weltfinanz. Das beschleunigte Wachstum des Welthandels, das durch rasche Zollsenkungen im Rahmen des GATT-Systems erleichtert wurde, war einer der dynamischsten Wachstumsimpulse. Deutschland, Japan und andere fortgeschrittene Volkswirtschaften holten durch den Transfer von US-Technologie und Fließbandfertigungstechniken, der ursprünglich durch weltweite Investitionen US-amerikanischer multinationaler Konzerne vorangetrieben wurde, rasch auf.
In den fortgeschrittenen kapitalistischen Volkswirtschaften halfen historisch hohe Reallohnniveaus und Staatsausgaben, ein hohes Nachfrageniveau aufrechtzuerhalten, was wiederum hohe kapitalistische Investitions- und Profitabilitätsniveaus stimulierte.
Der kurzfristige Konjunkturzyklus wirkte weiterhin, war jedoch im Vergleich zum 19. Jahrhundert relativ kurz und flach. Rezessionen gingen entweder mit geringen Produktionsrückgängen oder lediglich mit einer Stagnation einher. Obendrein neigten Rezessionen dazu, sich „selbst zu korrigieren” und einige der Probleme zu beseitigen, vor denen die Kapitalist*innen standen. So wurden beispielsweise übermäßige Kredite tendenziell herausgepresst, unprofitable Unternehmen eliminiert, Zahlungsbilanzprobleme eingedämmt usw. Aufschwünge führten tendenziell zu einem Wachstum über die bisherigen Höchststände hinaus. Unterhalb des kurzfristigen Konjunkturzyklus gab es eine anhaltende Aufwärtskurve der kapitalistischen Produktion.
Nach zwei Jahrzehnten wurden jedoch die zugrunde liegenden Bedingungen des langen Aufschwungs unweigerlich ausgehöhlt. Eine Verlangsamung des Produktivitätswachstums unter Bedingungen von Vollbeschäftigung und einer starken Gewerkschaftsorganisation führte zu einem Rückgang der kapitalistischen Profite. Es kam zu einer Verlangsamung der Investitionen, was das Produktivitätswachstum weiter verlangsamte. In den späten 1960er Jahren waren alle Bedingungen für eine Krise gegeben. In den frühen 1970er Jahren führten die steigende US-Inflation und die Instabilität des Dollars zum Zusammenbruch des Weltwährungssystems. 1973 löste die Vervierfachung der Ölpreise durch die OPEC-Ölproduzent*innen, teilweise als Reaktion auf die steigende Inflation, den weltweiten Konjunktureinbruch von 1974-75 aus, den ersten großen Abschwung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Dies markierte zweifellos das Ende des Aufschwungs, wie damals weithin anerkannt wurde. Rückblickend kann man 1974-75 jedoch auch als Beginn einer neuen historischen Periode betrachten: einer Ära der Depression.
Das bedeutet nicht, dass es seit 1974-75 eine stetige Abwärtskurve in der kapitalistischen Weltwirtschaft gegeben hätte. Es gibt immer noch einen kurzfristigen Zyklus von Rezession und Erholung. So wurde beispielsweise der Aufschwung von 1983-89 als großer Boom gefeiert. Im Kontrast zum Nachkriegsaufschwung korrigierten die Erholungen nach 1975 jedoch nicht mehr die Faktoren, die tendenziell Abschwünge erzeugten. Sie sicherten auch kein starkes, breit angelegtes Wachstum.
Die begrenzte Erholung von 1976 bis 1979 wurde von einer beschleunigten Preisinflation begleitet, was den Begriff „Stagflation” erzeugte. Im Kontrast dazu ging der bemerkenswerte Aufschwung der 1980er Jahre mit einem deutlichen Rückgang der Preisinflation einher – führte aber gleichzeitig zu einer massiven Inflation der Immobilien- und Finanzanlagenpreise. Die Profitabilität wurde teilweise wiederhergestellt – ohne zu einer vollständigen Erholung der Investitionen zu führen. Die Reallöhne wurden zusammengepresst, die Arbeitslosigkeit stieg auf ein neues Niveau, während die Staatsausgaben gekürzt wurden – all dies untergrub den Markt für den Kapitalismus. Es gab eine Beschleunigung des Welthandels und der Kapitalströme, aber dies ging mit einer beispiellosen Instabilität auf den weltweiten Finanzmärkten einher, die durch den Finanzcrash von 1987 und die Krise, vor der führende internationale Banken standen, herausgestellt wurde.
Es kann zwar kurzfristige Erholungen geben, doch der zugrunde liegende Trend ist in Richtung Niedergang und Krise.
Kurz gesagt: Es kann zwar kurzfristige Erholungen geben, doch der zugrunde liegende Trend der kapitalistischen Wirtschaft ist in Richtung Niedergang und Krise. Nichtsdestotrotz kann die Verwendung des Begriffs „Depression” durchaus in Frage gestellt werden. Dies spiegelt zum Teil die Tatsache wider, dass das Wort während des Nachkriegsaufschwungs als fast archaisch angesehen wurde.
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Der Begriff „Depression” wird gemeinhin mit der unmittelbar auf den weltweiten Finanzcrash im Herbst 1929 folgenden Periode in Verbindung gebracht. In den USA fiel das BSP vier Jahre in Folge um insgesamt über 30%. In Deutschland fiel das BSP zwischen 1929 und 1933 um 16% und in Großbritannien zwischen 1929 und 1931 um 6%. Diese Periode des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, von Massenarbeitslosigkeit und Armut ist allgemein als „Große Depression” bekannt. Als Ergebnis wird oft angenommen, „Depression” bedeute „Konjunktureinbruch” oder „tiefer Konjunktureinbruch”.
Dies ist tatsächlich eine Verwirrung der klaren Terminologie, die zum Verständnis wirtschaftlicher Entwicklungen erforderlich ist. „Konjunktureinbruch“ bezeichnet richtig verstanden die Tiefphase des relativ kurzfristigen Konjunkturzyklus, in der es zu einem absoluten Rückgang der Produktion und des Handels kommt. 1929 bis 1933 war zweifellos ein tiefer Konjunktureinbruch. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es zwei Konjunktureinbrüche, 1974 bis 1975 und 1979 bis 1981, die nach der Erschöpfung des langen Aufschwungs kamen.
Der anhaltende Aufschwung von 1950 bis 1973 (in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern) wird gemeinhin als „Nachkriegsboom“, „langer Boom“ oder einfach „Boom“ bezeichnet. Dies hat der Begriff „Boom“ tatsächlich gedehnt, um einen langgezogenen Aufschwung zu beschreiben, während er streng genommen die Erholungsphase des kurzfristigen Zyklus nach einer Rezession oder einem Konjunktureinbruch bezeichnet.
Der Aufschwung wurde von relativ flachen Rezessionen unterbrochen, die jeweils zu einem erneuten Wachstum führten, das das vorherige Niveau übertraf. Während dieses „goldenen Zeitalters”, wie es heute nostalgisch genannt wird, behaupteten die Apostel des Kapitalismus, dass Konjunktureinbrüche und Depressionen Dinge der Vergangenheit seien und nie wiederkehren würden.
Die Definition von „Rezession” variiert von Land zu Land leicht. In den USA und Großbritannien bezieht sie sich in der Regel auf einen absoluten Rückgang der Produktion über drei aufeinanderfolgende Quartale. In Deutschland und Japan, die bis vor kurzem höhere Wachstumsraten hatten, bezieht sich Rezession häufig auf Phasen langsamen Wachstums oder Stagnation, nicht unbedingt auf einen absoluten Rückgang. Für die meisten kapitalistischen Ökonom*innen, die an das unendliche Wachstumspotenzial der Marktwirtschaft glauben, ist „Rezession” zu einem Euphemismus für „Konjunktureinbruch” geworden – ein Wort, das fast schon tabu ist.
Das Wort „Depression” verschwand auch fast vollständig aus dem wirtschaftlichen Wortschaft, außer als Begriff, um die 1930er Jahre zu zu beschreiben. Erst jetzt fängt es wieder an, auf den Seiten der seriösen kapitalistischen Presse verwendet zu werden.
Im Eintrag „Depressionen” im vierbändigen New Palgrave Dictionary of Economics (1987) schreibt der Wirtschaftshistoriker Sidney Pollard, dass der Begriff „Depression” „für längere Perioden schwerwiegenderer Widrigkeiten auf internationaler Ebene reserviert ist, insbesondere für die Weltwirtschaftskrisen von 1873-96 und der 1930er Jahre. Analog dazu wurden auch die Notjahre nach den Napoleonischen Kriegen und die Jahre seit dem Abschwung von 1973 in diese Kategorie aufgenommen”. Pollard bemerkt, dass „das Ausmaß der wirtschaftlichen Widrigkeiten so groß war, dass nur die vier bis sechs Jahre nach dem Börsencrash von New York im Herbst 1929 gemeinhin als ,Große Depression‘ bezeichnet werden”. Unter „normaleren Umständen“ hätten jedoch „die gesamten drei Juglars (kurzfristige Konjunkturzyklen mit einer durchschnittlichen Dauer von etwa sieben Jahren im 19. Jahrhundert, benannt nach Clément Juglar) von 1920 bis 1939 oder 1920 bis 1945 als Depression angesehen werden können …“
Auf den Ersten Weltkrieg folgte 1920-21 ein Konjunktureinbruch. Die industriellen kapitalistischen Volkswirtschaften waren von Inflation, Massenarbeitslosigkeit und intensiver internationaler Rivalität geprägt, die zu Handelskriegen führte. Auf den rasenden Boom der späten 1920er Jahre folgten der Börsencrash von 1929 und der Wirtschaftseinbruch von 1929-33. Obendrein, schreibt Pollard „war der Konjunkturboom von 1937 äußerst schwach und wies viele Anzeichen dafür auf, dass er sich zu einer weiteren schweren Depression entwickeln würde, was nur durch die Vorbereitungen für (den Zweiten Weltkrieg) verhindert wurde.“
Der Begriff „Depression“ bezeichnet daher eine anhaltende wirtschaftliche Konstellation, die durch wachsende „organische“ oder „strukturelle“ Probleme im Gegensatz zu zyklischen Problemen für den Kapitalismus gekennzeichnet ist. Depressionen entsprechen jedoch keinem abstrakten Muster. Jede Depression entwickelt sich unter konkreten historischen Bedingungen und hat ihre eigenen Besonderheiten und ihren eigenen Verlauf.
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Der Ausdruck „Große Depression“ wurde erstmals verwendet, um die zwei Jahrzehnte von etwa 1873 bis 1895/96 zu beschreiben, eine Zeit scharfer zyklischer Krisen in den führenden kapitalistischen Ländern, d.h. Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten. Im Kontrast zur heutigen Tendenz zu einer beschleunigten Inflation war das Hauptmerkmal ein anhaltender Preisrückgang, der über die gesamte Periode zwischen 30% und 45% lag. Dies entfloss der intensivierten internationalen Konkurrenz und der Überproduktion. Periodische Abschwünge, begleitet von Finanzkrachs, riefen hohe Arbeitslosigkeit hervor, was die Überproduktion und den Zusammenbruch der Profite noch verschärfte.
In einem neuen Vorwort zu Marx‘ „Kapital“, Band 1, das Friedrich Engels 1886, mitten in dieser Periode, verfasste, bemerkte er: „Der zehnjährige Zyklus von Stagnation, Prosperität, Überproduktion und Krise […] scheint allerdings abgelaufen zu sein; aber nur um uns im Sumpf der Verzweiflung einer dauernden und chronischen Depression landen zu lassen. Die ersehnte Periode der Prosperität will nicht kommen; sooft wir die sie ankündigenden Symptome zu erblicken glauben, sooft verschwinden sie wieder in der Luft. Inzwischen stellt jeder folgende Winter erneut die Frage: „was tun mit den Arbeitslosen?“ Aber während die Zahl der Arbeitslosen von Jahr zu Jahr anschwillt, ist niemand da, um diese Frage zu beantworten; und wir können den Zeitpunkt beinahe berechnen, wo die Arbeitslosen die Geduld verlieren und ihr Schicksal in ihre eigenen Hände nehmen werden.“
Etwa zu dieser Zeit begannen bürgerliche Ökonom*innen, die größtenteils völlig unwissend bezüglich Marx‘ früherer und tiefer gehender Analyse der zyklischen Natur des Kapitalismus waren, das Phänomen der Konjunkturzyklen zu entdecken. 1889 veröffentlichte beispielsweise der französische Ökonom Clément Juglar sein Werk „Die Handelskrisen und ihre periodische Wiederkehr“. Insbesondere Frankreich wurde von periodischen Spekulationsblasen heimgesucht, auf die ein finanzieller Zusammenbruch und ein Rückgang der Produktion folgten.
Die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit waren zwar verheerend, jedoch profitierten die beschäftigten Arbeiter*innen von einem allgemeinen Anstieg der Reallöhne infolge sinkender Preise – und dies ermutigte Arbeiter*innenkämpfe zur Gründung von Gewerkschaften und Sicherung besserer Arbeitsbedingungen. In den 1880er und 1890er Jahren wurde zudem der Grundstein für die künftige Führung des deutschen und US-amerikanischen Kapitalismus gelegt, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts den britischen Kapitalismus überholten. Der US-Kapitalismus mit seinen mehr als reichlichen Land- und Rohstoffvorkommen, Arbeitskräften aus Europa und seiner rasanten technologischen Entwicklung stand kurz vor einer phänomenalen Expansionsphase, die seine weltweite Vorherrschaft begründete. Anders als heute bot das Wachstum der US-Wirtschaft Millionen von Europas Arbeitslosen eine Möglichkeit des Entkommens.
Das Wachstum des US- und deutschen Kapitalismus gab den Anstoß für einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung zwischen 1896 und 1913. Der langgezogene Boom dieser Periode stellt die größte Expansionsphase des Kapitalismus vor dem Aufschwung 1950-1973 dar. Doch die verschärfte Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Mächten führte zu einem Wettlauf um Märkte und Kolonien, der in den Ersten Weltkrieg 1914-18 eskalierte. Auf diesen barbarischen militärischen Konflikt folgte eine neue Phase der Weltwirtschaftskrise, noch viel brutaler als die vorangegangene Depression.
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Die Geschichte der kurzfristigen Konjunkturzyklen und insbesondere der langfristigen Zyklen von Aufschwung und Depression, die von sozialen Krisen und Kriegen unterbrochen werden, unterstreicht den unberechenbaren, ungeplanten Charakter des Kapitalismus. Perioden des wirtschaftlichen Fortschritts, in denen die Produktionskräfte entwickelt und der Lebensstandard (in der Regel sehr ungleich) angehoben werden, werden nur um den Preis langer Perioden von Massenarbeitslosigkeit und Armut, tiefgreifender Unsicherheit und blutiger Konflikte zwischen rivalisierenden kapitalistischen Staaten erkauft.
Aus einer historischen und theoretischen Sichtweise waren daher die Boomzeit-Behauptungen der bürgerlichen Apologet*innen in den 1960er Jahren absurd. Sie argumentierten, dass durch staatliche Interventionen und eine keynesianische Wirtschaftspolitik das kapitalistische System (alias die „gemischte Wirtschaft“) ein nicht durch ernsthafte Krisen unterbrochenes dauerhaftes Wachstum erreichen könne. Durch den „sozialen Markt”, der den Arbeiter*innen höhere Löhne und Sozialleistungen verschaffe, würde es soziale Harmonie und politische Stabilität geben und die Klassenkonflikte der 1930er Jahre würden für immer hinter sich gelassen.
Die aktuelle Depression, definiert als eine Phase der Stagnation und des Niedergangs, muss bis ins Jahr 1973/74 zurückdatiert werden.
Träume wie diese beruhten auf den in den 1960er Jahren erreichten hohen Wachstumsraten, die der Kapitalismus aufgrund der Widersprüche im Herzen des Systems nicht zeitlich unbeschränkt aufrechterhalten konnte. Für diejenigen mit einer historische Perspektive kann es keine Überraschung sein, dass der Aufschwung einer neuen Depression Platz machte. Wie immer hinkt das Bewusstsein der Realität hinterher, und die Sichtweise bürgerlicher Kommentator*innen ist ausnahmslos durch Wunschdenken verzerrt.
Sidney Pollard schreibt über die gegenwärtige Periode: „Die Depression selbst wurde durch die Freigabe des Dollarkurses im Jahr 1973 und die von den OPEC-Ländern 1973-74 und erneut 1979 herbeigeführten drastischen Ölpreissteigerungen ausgelöst, aber diese waren selbst Symptome und Folgen der schleichenden Inflation, die den bemerkenswerten weltweiten Boom von 1945-73 begleitet hatte … Abgesehen von der Inflation weist die gegenwärtige Depression einige deutliche Ähnlichkeiten mit früheren Depressionen auf.“
Rückblickend muss die aktuelle Depression, definiert als eine Phase der Stagnation und des Niedergangs, zwangsläufig auf die Jahre 1973-74 zurückgeführt werden. Diese Krise markierte einen qualitativen Wandel für den Weltkapitalismus. Die reichliche Versorgung mit billigem Öl kam zum Erliegen, die Inflation explodierte und die hegemoniale Stellung des US-Dollars brach zusammen, was das weltweite Geldsystem ins Chaos stürzte. Diese Schocks lösten den Zerfall des günstigen Geflechts wirtschaftlicher und sozialer Beziehungen auf nationaler und internationaler Ebene aus, das den langen Aufschwung gestützt hatte.
Die neue Depression wird unweigerlich ihren eigenen einzigartigen Verlauf nehmen. Sie wird eine Reihe von Phasen durchlaufen, von denen einige der zugrunde liegenden Kurve oder sogar dem gesamten Charakter der Periode zu widersprechen scheinen – wie es bei der Expansion der 1980er Jahre der Fall war. Obendrein könnte die aktuelle Depression durchaus langgezogener sein als frühere Depressionen.
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Es gab seit 1973 bereits mehrere unterschiedliche Phasen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
1. Die erste Phase 1974-79 begann mit einem kurzen, starken Konjunktureinbruch in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern in den Jahren 1974-75. Darauf folgte eine schwache Erholung zwischen 1976 und 1979. Das jährliche Wachstum betrug in den OECD-Ländern insgesamt durchschnittlich nur 2,7%, verglichen mit 4,5% im Zeitraum 1951-73. Hohe Arbeitslosigkeit war mit hoher Inflation verbunden: „Stagflation“. Die kapitalistische Profitabilität ging stark zurück, was zu einem verringerten Niveau von Kapitalinvestitionen und von Produktivitätswachstum führte. Die Auswirkungen des Konjunktureinbruchs wurden durch das „Recycling“ der „Petrodollars“ der Ölproduzent*innen (als die realen Zinsen wegen der hohen Inflation sehr niedrig waren) über die großen internationalen Banken abgepolstert. Zuerst gingen die Kredite an die Regierungen der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder, um deren Haushaltsdefizite zu finanzieren, und anschließend an die Regierungen der unterentwickelten Länder – was eine Schuldenzeitbombe für die 1980er Jahre vorbereitete. Nach den Erfahrungen der Stagflation wandten sich die Strateg*innen der Bourgeoisie von der keynesianischen Wirtschaftspolitik ab und wandten sich neoliberalen oder monetaristischen Politiken zu.
2. Eine zweite Phase 1979-89 begann mit einem Konjunktureinbruch in den Jahren 1980-82. Der Abschwung wurde bewusst durch die Einführung monetaristischer Politik provoziert: ein starkes Zusammendrücken der Liquidität durch eine Verknappung der Geldmenge, die Einführung hoher Zinssätze und die Eindämmung des Wachstums der Staatsausgaben, um die Inflation zu bekämpfen.
Die USA führten dann die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder in eine langgezogene Erholung in den Jahren 1983-89. Diese umfasste zwei Zyklen, 1983-1985 und 1986-1989, die durch den dramatischen Fall des Dollars unterbrochen wurden. Die Expansion der USA war im Wesentlichen ein massiver Konsumboom, der durch das enorme Haushaltsdefizit des Bundes und das phänomenale Wachstum der Unternehmens- und Haushaltskredite, d. h. der Verschuldung, gestützt wurde. Die Expansion der USA wurde mit Industrie- und Konsumgütern aus Deutschland und Japan versorgt und weitgehend aus den Kapitalüberschüssen finanziert, die diese Länder dadurch aufbauten. Die Arbeitslosigkeit wurde in den USA stark verringert, allerdings auf Kosten niedriger Löhne, prekärer Beschäftigungsverhältnisse usw., während sie in Europa auf einem historisch hohen Niveau blieb.
Insgesamt wuchsen die OECD-Volkswirtschaften zwischen 1979 und 1990 um 2,8% pro Jahr, nur um einen Bruchteil mehr als zwischen 1973 und 1979 (2,7%). Eine deutliche Erholung der kapitalistischen Profitabilität wurde vor allem durch das Zusammenpressen der Löhne der Arbeiter*innen erreicht. Einen damit einhergehenden Investitionsboom gab es jedoch nicht. Es gab eine Orgie spekulativer Profitmacherei auf den Immobilien- und Finanzmärkten, aber definitiv keine Rückkehr zum „Goldenen Zeitalter” von 1950 bis 1973 für die Realwirtschaft. Es gab einen Prozess der „Kapitalvertiefung”, bei dem alte Anlagen in schnell wachsenden Hochtechnologiesektoren (Elektronik, elektronische Konsumgüter, Telekommunikationsgeräte, Fahrzeuge usw.) durch neue arbeitssparende Anlagen ersetzt wurden. Es gab jedoch kaum eine „Kapitalerweiterung”, d. h. es wurde nur sehr wenig in neue Fabriken, zusätzliche Kapazitäten usw. investiert. Infolgedessen kam es zu einem enormen Anstieg der „strukturellen” – also permanenten im Unterschied zur konjunkturellen – Arbeitslosigkeit.
3. Die letzte Phase begann Ende 1989 mit einer Rezession in den USA, Kanada, Großbritannien, Australien und den nordischen Ländern. Abgesehen von Großbritannien und den nordischen Ländern war dies ein relativ flacher Abschwung, aber langgezogen. Die Erholung in den USA ist mehrmals ins Stocken geraten und nach wie vor schwach, eher vergleichbar mit den Jahren 1976-79 als mit den 1980er Jahren. Der wichtigste Hemmfaktor war das enorme Gewicht der in den 1980er Jahren aufgebauten Schulden, das durch den starken Rückgang der Immobilien- und Aktienpreise real noch zugenommen hatte (ein Effekt, der als „Schulden-Deflation” bekannt ist). Dies hat die Konsumausgaben und Investitionen gedrückt. Die Erholung in den angelsächsischen Volkswirtschaften wird auch durch die Rezession in Japan und Deutschland gebremst. Japan wurde besonders hart von dem Verfall der Preise für Vermögenswerte und der Instabilität seines Finanzsystems getroffen. Deutschland, das zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung 1990 einen Wachstumsschub erlebte, ist nun in eine tiefe Rezession gestürzt.
Die Entsynchronisierung zwischen dem Konjunkturzyklus in den angelsächsischen Volkswirtschaften einerseits und Deutschland/Frankreich und Japan andererseits wird zweifellos die allgemeine konjunkturelle Erholung in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern verlangsamen.
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Dieser chronologischen Entwicklung der Depression liegen eine Reihe grundlegender Probleme zugrunde.
In jeder dieser Phasen gab es Entwicklungen, die dazu tendierten, die Ursachen der Wirtschaftskrise abzuschwächen und ihnen entgegenzuwirken, was die kapitalistischen Regierungen durch ihre Politik zu verstärken versuchten. Solche Maßnahmen förderten jedoch unweigerlich die Entstehung künftiger Krisen. So milderte beispielsweise 1974-75 die Ausweitung der Liquidität (erleichtert durch flexible Wechselkurse und das Recyceln von Ölgeldern) die Krise – schürte aber die Inflation und legte den Grundstein für die Schuldenkrise der Dritten Welt in den 1980er Jahren. Ein weiteres Beispiel: In den 1980er Jahren führten die Verknappung der Geldmenge und hohe Zinssätze zu einem starken Rückgang der Preisinflation, stimulierten aber gleichzeitig die Inflation der Vermögenswerte (Immobilienpreise, Aktienkurse usw.), was die Ausweitung von Krediten und Spekulationstätigkeit anheizte. Lohnbeschränkungen und ein Beschäftigungsabbau stellten die Profitabilität teilweise wieder her, verringerten aber gleichzeitig den Markt für kapitalistische Güter, insbesondere als die Arbeiter*innen ihre Kreditlimits erreichten.
Es geht hier nicht nur darum, ein Krisensymptom gegen ein anderes auszutauschen. Es gibt eine Spirale sich anhäufender Widersprüche – was bedeutet, dass die Lage des Weltkapitalismus heute weitaus schlechter ist als vor der Rezession von 1980-82.
Innerhalb der Volkswirtschaften der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder gab es, mit Variationen von Land zu Land, ein Untergraben der günstigen sozioökonomischen Bedingungen der Nachkriegszeit. In den 1980er Jahren gab es eine scharfe Umkehrung der begrenzten, aber bedeutenden Verschiebung von Vermögen und Einkommen weg von der Kapitalist*innenklasse hin zur Arbeiter*innenklasse durch höhere Reallöhne, Vollbeschäftigung, progressive Besteuerung und höhere Staatsausgaben. Dies hat kurzfristige Profite wiederhergestellt, aber den Markt für Waren, von dem die Profite der Kapitalist*innen letztlich abhängen, tiefgreifend untergraben. Ohne die Aussicht auf einen nachhaltigen Markt werden die Kapitalist*innen trotz hoher kurzfristiger Profite nicht in neue Anlagen und Ausrüstungen investieren, die für ein langfristiges Wachstum unerlässlich sind. Die Nachfragekrise wurde während des Aufschwungs der 1980er Jahre durch die Nachfrage nach Luxusgütern seitens der Wohlhabenden, die vom Spekulationsboom profitierten, und durch zusätzliche Kredite (d. h. Schulden) seitens der Verbraucher*innen aus der Mittelschicht und Arbeiter*innenklasse gemildert oder aufgeschoben.
Neue Technologien haben auch zu dieser Tendenz zur Depression beigetragen. In den 1950er und 1960er Jahren erzeugte die neue Technologie im Zusammenhang mit Fließband-Massenproduktionsmethoden (die in den 1940er Jahren in den USA weit verbreitet eingeführt wurden) eine enormen Expansion der Industrie und der damit verbundenen Transport-, Kommunikations- und anderen Infrastrukturen. Ganz neue Branchen entstanden: Fahrzeuge, Flugzeuge, Elektronik, synthetische Materialien usw. Seit Mitte der 1970er Jahre wurden neue Technologien von den Kapitalist*innen jedoch hauptsächlich eingeführt, um Arbeitskraft und Inputs wie Energie und Materialien einzusparen. Dies hat den Markt sowohl für Investitionsgüter als auch für Konsumgüter verkleinert.
Die wirtschaftliche Hegemonie des US-Kapitalismus, auf der die Nachkriegswirtschaftsordnung beruhte, wurde untergraben.
International wurden die günstigen Beziehungen der Nachkriegszeit auch grundlegend untergraben. Vor allem die wirtschaftliche Hegemonie des US-Kapitalismus, auf der die Nachkriegswirtschaftsordnung beruhte, wurde untergraben. Der Dollar ist immer noch die Haupt- Weltwährung. Aber die USA sind jetzt ein Schuldner*innenland und können nicht mehr als wirksamer Anker für das Weltgeld- und Finanzsystem fungieren. Der stabile Rahmen des Bretton-Woods-Währungssystems ist der Instabilität und den periodischen Turbulenzen des Systems flexibler Wechselkurse gewichen, wie die EMS-Krise im September 1992 und im Juli/August 1993 erneut gezeigt hat. Die Blockade der Uruguay-Runde der GATT-Verhandlungen ist eine Widerspiegelung des schleichenden Protektionismus zwischen der EG, Japan und den USA – mit der Kristallisierung rivalisierender Handelsblöcke. Massive spekulative Kapitalströme machen es kapitalistischen Regierungen unmöglich, eine nationale Wirtschaftspolitik zu verfolgen, die von den Turbulenzen der Weltwirtschaft abgeschirmt ist.
Die unterentwickelten Länder der Dritten Welt erlebten in den 1980er Jahren keinen Aufschwung. Die tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Krise dieser Länder liegt außerhalb des Rahmens dieses Artikels. Es genügt hier zu sagen, dass mit Ausnahme der asiatischen Tigerstaaten der teilweise Industrialisierungsprozess, der sich während des Nachkriegsaufschwungs entwickelt hatte, angehalten und in einigen Ländern teilweise umgekehrt wurde. Um die Zinsen für ihre Schulden zu bezahlen, mussten viele Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens trotz des massiven Verfalls der Rohstoffpreise wieder auf die Produktion von Rohstoffen und Nahrungsmitteln zurückgreifen, um ihre Schulden zu tilgen. Dies ist eine Rückkehr in Richtung zur alten kolonialen Arbeitsteilung des 19. Jahrhunderts, in der die unterentwickelten Länder ihre Primärprodukte gegen verarbeitete Güter aus den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern eintauschten – in Richtung zu ungünstigen Handelsbedingungen.
Heute kann der Charakter des kurzfristigen Konjunkturzyklus nicht losgelöst von der Entwicklung einer neuen Depression in der Weltwirtschaft über einen längeren Zeitraum betrachtet werden. Aufeinanderfolgende Erholungen sind schwach, von gleichem Charakter, während aufeinanderfolgende Abschwünge wahrscheinlich immer schwerwiegender werden. „Der Abschwung Anfang der 1990er Jahre war eine Depression“, schreibt James Davidson, „aber noch nicht ,die Depression’“ [wörtlich „noch keine mit einem großen ‚D‘“, was aber wegen der verschiedenen Verwendung von Groß- und Kleinschreibung im Englischen und Deutschen freier übersetzt werden muss – d. Übers.]. Nur Großbritannien hat unter den Industrieländern einen ebenso starken Produktionsrückgang wie in den 1930er Jahren erlebt, und nur in Skandinavien hat die Arbeitslosigkeit das extreme Niveau erreicht, das in der tiefsten Phase der Weltwirtschaftskrise zu beobachten war. Wenn es sich hierbei um eine Depression handelt, wie ich glaube, dann steht das Schlimmste noch bevor.“ („Wall Street Journal“, 11. Februar 1993).
Im Kontrast zum oberflächlichen Optimismus der Politiker*innen, die um Wähler*innen buhlen müssen, blicken die ernsthaften bürgerlichen Strateg*innen mit Unbehagen und Furcht in die Zukunft. Sie verstehen, dass die Unfähigkeit des Kapitalismus, Wachstum zu sichern und den Anstieg der Massenarbeitslosigkeit zu verhindern, ein sicheres Rezept für soziale Konflikte und politische Kämpfe ist. „Wenige von ihnen geben vor, echte Lösungen zu haben. Sie hoffen, sich irgendwie durchzuwursteln, und bereiten sich für den Fall einer tiefen Krise darauf vor, ihren Reichtum und ihre Macht zu verteidigen, ungeachtet der Kosten für die arbeitende Bevölkerung. Für die Arbeiter*innenklasse stellt die Aussicht auf eine Große Depression daher eine dringende historische Herausforderung dar: die Ideen zu schärfen, die Organisationen aufzubauen und die Strategie und Taktik auszuarbeiten, die erforderlich sind, um dieses organisch kranke System wegzufegen.
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