[Eigene Übersetzung des englischen Textes in Socialism Today, Nr. 123, November 2008]
Der im Oktober drohende Kernschmelze des globalen Bankensystems scheint zumindest vorerst abgewendet zu sein. Doch die Kreditklemme hält an, und die führenden kapitalistischen Politiker*innen sind gezwungen, zu erkennen, dass die Welt in eine tiefe Rezession stürzt. Für viele Millionen von Arbeiter*innen bedeutet diese Krise des Profitsystems Arbeitslosigkeit, eingebrochene Einkommen und unsägliches Leid. Lynn Walsh schreibt.
Nach dem 15. September, mit dem Bankrott der großen Investmentbank Lehman Brothers, trat die sich vertiefende Krise des globalen Finanzsystems in ein neues, akuteres Stadium. Eine Gruppe von führender Banken diskutierte eine Rettung von Lehman, war aber nicht bereit, ohne finanzielle Unterstützung durch die US-Regierung einzugreifen. Die Weigerung des Finanzministers Hank Paulson, eine Rettungsaktion abzusichern, erwies sich als katastrophaler Fehler. Paulson, Ben Bernanke und Co. wollten einen Schlussstrich ziehen: keine weiteren staatlich finanzierten Rettungsaktionen. Stattdessen löste der Zusammenbruch von Lehman (und die gleichzeitige Übernahme von Merrill Lynch durch die Bank of America) eine viel größere Krise aus. Insbesondere weitete es die Krise von den USA auf Europa aus.
Banken und Großinvestor*innen befürchteten, dass die Verluste von Lehman zu massiven Verlusten bei anderen Finanzinstituten führen würden, insbesondere durch Forderungen aus Credit Default Swaps (Kreditausfallversicherungen), die zur Absicherung von Lehman-Krediten eingesetzt wurden. Eines der ersten Opfer war ein Geldmarktfonds, der infolge der Lehman-Verluste in eine Liquiditäts-/Solvenzkrise geriet.
Geldmarktfonds sind ein Schlüsselelement des Interbanken-Kreditsystems, des Marktes für Großkund*innenkredite, den Banken normalerweise nutzen, um sich zinsgünstige und sichere Mittel zur Finanzierung ihres Tagesgeschäfts zu beschaffen. Der Konkurs von Lehman und die Übernahme von Merrill Lynch schürten die Befürchtung, dass „keine Bank und keine Finanzinstitution sicher“ sei, was zu einem Herzstillstand des Interbanken-Kreditsystems führte.
Die Kreditklemme war nun zu einem totalen Krampfanfall des Bankensystems geworden. Der gesamte Überbau an verbrieften Krediten, der, so wurde behauptet, für reichliche und billige Kredite sorgen und das Risiko praktisch ausschalten würde, war zusammengebrochen. Kommentator*innen stellten fest, dass dies die schlimmste Bankenkrise seit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 war.
Wieder einmal mussten die US-Notenbank und andere Zentralbanken riesige Mengen an Liquidität in die Banken pumpen, wobei sie einen immer größeren Kreis von Finanzinstituten aufnahmen und immer mehr und riskantere Sicherheiten akzeptierten.
Innerhalb von ein paar Wochen waren die Regierungen der USA, Großbritanniens und Europas gezwungen, das größte Bankenrettungspaket in der Geschichte des Kapitalismus aufzulegen. Ende September bis Anfang Oktober kam es zu Erschütterungen an den Weltbörsen, die zuvor unbeständig waren und stetig zurückgingen. Anders als in vielen früheren Krisen folgten die Börsenstürze der Bankenkrise, anstatt ihr vorauszugehen.
Die Aktien fielen als Reaktion auf eine Reihe von Ereignissen überstürzt. Zweifellos fürchteten die Anleger*innen aus dem Großkapital eine systemische Kernschmelze des Banken- und Finanzsystems. Die Aktien von Öl- und Bergbauunternehmen, die in den letzten Jahren in den Aktienindizes eine wichtige Rolle spielten, fielen in dem Maße, wie die Öl- und Rohstoffpreise rapide zurückgingen. Es gab auch weltweite Panikverkäufe, als das US-Repräsentant*innenhaus (29. September) das von Paulson vorgeschlagene 700-Milliarden-Dollar-Bankenrettungspaket ablehnte. Das spiegelte eine Verbindung der ideologischen Opposition der freien-Markt-Ideologie gegen eine staatliche Rettung von Banken mit der massiven öffentliche Wut über die Zuwendungen an Banker*innen wider, die für die Krise verantwortlich gemacht werden. Später (am 3. Oktober) wurde ein überarbeiteter Rettungsplan – der bereits vom Senat verabschiedet worden war – vom Repräsentant*innenhaus angenommen. Das spiegelt den Druck der Wirtschaft wider, die Kreditklemme zu mildern und einen tiefen Einbruch zu vermeiden. Bei den Arbeiter*innen und der Mittelschicht wurde die Wut über die Gier der rücksichtslosen Banker*innen durch die Angst vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch und vor Massenarbeitslosigkeit gedämpft.
Gleichzeitig spiegelte der Rückgang an den Börsen die Erkenntnis wider, dass sich die Weltwirtschaft bereits auf dem Weg in eine tiefe Rezession befand. „Global Dive by Markets on Fears of Long Slump“ [Globales Tauchen der Märkte wegen Ängsten vor einem langen Wirtschaftseinbruch], berichtete der „Evening Standard“ [London] am 22. Oktober. Laut dem Globalen Aktienindex von Morgan Stanley gab es an den wichtigsten Börsen seit dem Höchststand im November 2007 einen Fall um 45%. Und das finanzielle Gemetzel ist noch lange nicht vorbei.
Koordiniertes Vorgehen der Zentralbanken
Die Ereignisse des 8. Oktober und der folgenden Tage markierten das Ende der Ära der ultra-freien Märkte, die durch die Deregulierungsmaßnahmen Thatchers und Reagans Anfang der 1980er Jahre eingeleitet wurde. Die Brown-Regierung kündigte einen 400 Milliarden £ schweren Rettungsplan zur Stabilisierung der Finanzmärkte an. Das Paket umfasst Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität und Solvenz der Banken, sowie eine Garantie für Interbankenkredite. Die Regierung kündigte an, bis zu 50 Mrd. £ in die Banken zu investieren, indem sie Vorzugsaktien erwirbt – praktisch eine Teilverstaatlichung. Innerhalb weniger Tage investierte die Regierung insgesamt 37 Mrd. £ in eine Mehrheitsbeteiligung an der Royal Bank of Scotland und einen Anteil von 40% an der kürzlich fusionierten Lloyds-HBOS. Gleichzeitig stockte die Regierung mit ihrem Paket das bestehende Programm für kurzfristige Kredite der Bank of England um weitere 100 Mrd. £ auf und bürgt für neue Bankschulden in Höhe von bis zu 250 Mrd. £, wodurch die Kreditvergabe zwischen den Banken effektiv garantiert wird.
Am selben Tag kündigten die Federal Reserve, die Bank of England, die Europäische Zentralbank (EZB) und drei weitere Zentralbanken eine gleichzeitige Senkung der Kreditzinsen um 0,5% an. Dies ist das erste Mal seit den Anschlägen vom 11. September 2001, dass eine solche koordinierte Zinssenkung vorgenommen wurde. Diese Zinssenkung der EZB stellt eine drastische Kehrtwende dar, da sie sich zuvor geweigert hatte, den Zinssenkungen der Fed und der Bank of England zu folgen, mit der doktrinären Begründung, die Inflation sei eine größere Gefahr als die Rezession.
In den folgenden Tagen ergriffen die Regierungen und Zentralbanken der Eurozone ähnliche Maßnahmen wie die britische Regierung, indem sie eine Reihe von Banken mit staatlichen Mitteln retteten und das Interbanken-Kreditsystem stützten.
In den USA (14. Oktober) änderte Paulson den Kurs. Das dem Kongress vorgelegte 700-Milliarden-Dollar-Paket war in erster Linie eine Maßnahme zum Aufkauf der toxischen durch Hypotheken gesicherten Wertpapiere der Banken. Jetzt nutzte im Gefolge der Schritte Großbritanniens und der Regierungen der Eurozone Paulson die in den Emergency Economic Stabilisation Act [Notgesetz zur Wirtschaftsstabilisierung] eingefügten Bestimmungen, um staatliche Mittel in das US-Bankensystem zu leiten. Paulson kündigte an, dass er 250 Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern in das System stecken würde, indem er Aktien der beteiligten Banken kauft. In Wirklichkeit hat die US-Regierung neun führende Banken zur Teilnahme gedrängt (sie erhalten etwa die Hälfte der Gesamtmittel) und ihnen nur vage formulierte Beschränkungen für die Vergütung von Führungskräften auferlegt. Der Rest des Geldes wird regionalen und kommunalen Banken zur Verfügung gestellt. Zuvor (am 7. Oktober) hatte die US-Notenbank Pläne zur Gründung einer Zweckgesellschaft umgesetzt, die unbegrenzte Mengen an Geldmarktpapieren mit dreimonatiger Laufzeit von Banken und Nicht-Finanzunternehmen aufkaufen und damit eine wichtige Komponente der Interbankenkredite garantieren soll.
Mit diesen Maßnahmen hat die US-Regierung nach der Verstaatlichung der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac und der faktischen Übernahme der AIG (American Insurance Group) durch den Staat nun einen entscheidenden Einfluss auf den Bankensektor.
Das Großkapital international steht vor einem akuten Dilemma. Ohne die staatliche Rettung wäre das globale Finanzsystem zusammengebrochen und es hätte ein tiefen Einbruch gedroht und das Überleben des kapitalistischen Systems selbst wäre bedroht. Gleichzeitig fürchten sie das Eindringen des Staates in die Sphäre des Privateigentums und des Profitstrebens. Der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos bezeichnete die europäischen Bankenrettungen als „unverzichtbare Ausnahme“ von der allgemeinen Freien-Markt-Politik.
Die „unverzichtbaren Ausnahmen“ werden jedoch immer umfangreicher. In Deutschland selbst war die Regierung gezwungen, die Hypo Real Estate zu retten. Frankreich, Belgien und Luxemburg retteten die französisch-belgische Dexia. Fortis wurde von der belgischen und der niederländischen Regierung gerettet. Im Falle Islands, wo die gesamte Volkswirtschaft geführt wird, als wäre sie ein spekulativer Hedgefonds, war die Regierung gezwungen, die beiden größten Banken auf der Grundlage eines 2-Milliarden-Dollar-Kredits des IWF zu verstaatlichen.
Die führenden kapitalistischen Politiker*innen bemühen sich, die Auswirkungen der Verstaatlichung oder Halbverstaatlichung bedeutender Teile des Banken- und Finanzsektors herunterzuspielen. Es sei nur eine vorübergehende Notmaßnahme. Die Regierungen würden sich nicht in das Tagesgeschäft der Banken „einmischen“ (und nur minimale Beschränkungen für die Gehälter der Direktor*innen und die Dividenden der Aktionär*innen auferlegen). Sobald die Krise vorbei sei, würden die staatlichen Anteile an private Investor*innen verkauft – sehr wahrscheinlich mit Profit!
Nachdem der Staat jedoch Schlüsselsektoren der Banken übernommen hat (und für ihre Einlagen und in einigen Fällen auch für ihre Schulden bürgt), wird es für ihn nicht so einfach sein, sich zurückzuziehen. In der Tat, in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit eines langgezogenen wirtschaftlichen Abschwungs könnten die Regierungen gezwungen sein, noch stärker zu intervenieren. Außerdem dürfte sich die Vorstellung, dass die Regierungen in der nächsten Periode mit ihren Rettungsaktionen Profite erzielen werden, als Schimäre erweisen.
Wird es funktionieren?
Werden die beispiellosen interventionistischen Maßnahmen der amerikanischen, britischen, europäischen und anderen Regierungen ausreichen, um einen System-Zusammenbruch des globalen Bankensystems zu verhindern? Im Moment (22. Oktober) scheint es eine Stabilisierung zu geben. Der Zinsaufschlag auf Interbankenkredite (Libor, Geldmarktpapiere, Geldmarktfonds usw.) hat zu sinken begonnen, und die Interbankenkredite beleben sich langsam wieder. Dennoch geht die Kreditklemme weiter und wird wahrscheinlich noch eine ganze Weile andauern. Trotz des Drucks der Regierungen, die neues Kapital in die Banken gepumpt haben, horten die Banken Bargeld und zögern, Kredite an riskante Kund*innen zu vergeben.
Unter Bezugnahme auf das US-Bankenrettungspaket sagte ein hochrangiger Banker: „Es spielt keine Rolle, wie viel Hank Paulson uns gibt … niemand wird auch nur einen Cent verleihen, solange die Wirtschaft keine Kehrtwende macht. Wem werden wir denn Geld leihen? Nur Leuten, die es nicht brauchen“. (Andrew Sorkin, US Banks Keep Hold of the Cash [US-Banken behalten den Zugriff aufs Bargeld], „International Herald Tribune“, 22. Oktober) Ein in London ansässiger Finanzanalyst machte einen ähnlichen Kommentar über die europäischen Banken. „Wir erwarten, dass steigende Kreditausfälle und weitere Abschreibungen von Vermögenswerten in den nächsten Jahren die Kapitalspritzen der Regierungen praktisch aufzehren werden, so dass die Banken wieder am Anfang stehen. Da die Banken ihr Kapital aufstocken müssen, um ihre Kreditvergabe auszuweiten, werden diese Maßnahmen allein wohl kaum verhindern können, dass die Kreditvergabe der Banken stagniert“.
Weitere Kreditausfälle, z.B. durch wackelige Hedgefonds oder vom Abschwung betroffene Industrieunternehmen, könnten trotz der jüngsten staatlichen Rekapitalisierung weitere Banken in den Konkurs treiben. Die bisherigen Aktionär*innen der Banken sind zudem verärgert, dass der Wert ihrer Aktien verwässert wurde, weil die Regierungen im Gegenzug für die Kapitalspritze Vorzugsaktien erhalten haben. Viele werden die Bezugsrechtsemissionen (Optionen für bestehende Aktionär*innen zum Kauf zusätzlicher Aktien) ablehnen, die jetzt von vielen Banken angeboten werden, um ihre Kapitalbasis zu stärken. Im Falle weiterer Insolvenzen könnten die Regierungen gezwungen sein, noch mehr staatliche Mittel zu investieren, so dass aus einer Teilverstaatlichung eine vollständige Verstaatlichung wird.
Es gibt keine Dankbarkeit von den Aktionär*innen, die in den letzten Jahren mit den Spekulationsgeschäften der Banken Superprofite erzielt haben. Ihre Antwort auf die Rettung durch den Staat lautet: „Wo wird das enden?“ In Wirklichkeit zeigt selbst eine Teilverstaatlichung die Überflüssigkeit der privaten Aktionär*innen. Wenn die Regierungen gezwungen waren, die großen Banken zu retten, warum sollten sie dann nicht im öffentlichen Interesse geführt werden, um den Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht zu werden, anstatt Superprofite für eine winzige, hyperreiche Minderheit zu erzielen?
Die Notstabilisierung der Banken wird zudem eine Rezession nicht verhindern, von der jetzt die meisten führenden kapitalistischen Politiker*innen und Großkapital-Investor*innen erwarten, dass sie tief und langgezogenen sein wird. Die Immobilienkrise zum Beispiel ist noch lange nicht vorbei. Die US-Immobilienblase, die der Subprime-Bankenkrise zugrunde lag, geht weiter zurück. Eine von sechs US-Hypotheken ist inzwischen „problematisch“ (entweder im Zahlungsverzug oder zahlungsunfähig). Bereits 500 Milliarden Dollar an Subprime-Wertpapieren, die aus Hypothekenausfällen entstanden sind, wurden abgeschrieben, und es wird erwartet, dass die Gesamtsumme auf 1 bis 1,5 Billionen Dollar ansteigen könnte. In den USA hat der Verfall der Immobilienpreise zusammen mit dem Wertverlust von Aktien, die von Privatpersonen in Investmentfonds oder auf Rentenkonten gehalten werden, bisher einen Vermögensverlust von 7 Billionen Dollar verursacht. Dies hat bereits zu einem Rückgang der Verbraucher*innenausgaben geführt (im September um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr), und das wird wahrscheinlich noch schlimmer werden.
Gleichzeitig sind die riesigen Immobilienblasen in Großbritannien, Spanien, Irland und anderen Ländern bisher nur teilweise geplatzt. Wenn sich der Abschwung beschleunigt, die Arbeitslosigkeit steigt und die Einkommen der Arbeiter*innen zusammengedrückt werden, werden auch die Hypothekenausfälle zunehmen. Das verursacht für Banken und andere Finanzinstitute weitere Probleme.
Es wird berichtet, dass eine Reihe von Hedgefonds in Schwierigkeiten sind. Die US-Regierung hat erklärt, sie sei nicht bereit, einzugreifen und irgendeinen von ihnen zu retten. Allerdings ziehen viele Hedgefonds-Anleger*innen ihre Investitionen aus den Fonds zurück, so dass die Hedgefonds gezwungen sind, Vermögenswerte zu veräußern. Dies drückt den Preis der Aktien usw. weiter nach unten. Außerdem könnte der Zusammenbruch eines großen Hedgefonds, wie der von Long Term Capital Management im Jahr 1998, verheerende Auswirkungen auf den Finanzsektor haben. Paulson könnte noch gezwungen sein, seine Worte in dieser Frage zurückzunehmen.
Rezession in der Realwirtschaft
„Ominous Company News Holds Down Stocks“ [Unheilvolle Firmenmeldungen halten die Aktienkurse niedrig], berichtet die „International Herald Tribune“ (22. Oktober). Der Abschwung in der Realwirtschaft – mit einem daraus resultierenden Rückgang der Profite – ist einer der Hauptfaktoren für den jüngsten Einbruch an den Börsen. Selbst „erstklassige“ Unternehmen wie Caterpillar und DuPont haben jüngst Gewinnrückgänge gemeldet und vor düsteren Aussichten für die globale Wirtschaft gewarnt. Die großen Automobilhersteller GM, Chrysler und Ford haben riesige Verluste eingefahren und werden durch staatliche Garantien für ihre Kredite gestützt. Die Boss*innen von Chrysler und GM haben sogar über eine Fusion gesprochen, was zweifellos Werksschließungen, massive Arbeitsplatzverluste und Lohnkürzungen zur Folge haben würde. Einer der größten Ford-Investor*innen, Kirk Kerkorian von Tracinda Investments, hat kürzlich seine Ford-Aktien verkauft – und andere werden seinem Beispiel zweifellos folgen.
Der Gouverneur der Bank von England, Mervyn King, erkannte schließlich das Offensichtliche an (21. Oktober), als er sagte, dass eine Rezession begonnen habe. Sogar Gordon Brown, der törichterweise behauptete, den Konjunkturzyklus abgeschafft zu haben, sah sich nun gezwungen zuzugeben, dass es eine Rezession gibt. Natürlich schiebt er die Schuld auf die „Weltwirtschaft“ und nicht auf die Leistung des britischen Kapitalismus oder die enthusiastische Unterstützung seiner eigenen Regierung für neoliberale Politik. Alle großen Volkswirtschaften haben sich praktisch zum Stillstand verlangsamt, mit der Aussicht auf negatives Wachstum in den USA, Großbritannien, der Eurozone und Japan für mehrere Quartale, wenn nicht für länger. Das zuvor halsbrecherische Wachstum in China verlangsamt sich auch.
Angesichts dieser düsteren Aussichten haben führende Vertreter*innen der Demokrat*innen im US-Kongress ein neues Konjunkturpaket gefordert, ein Vorschlag, der von Bernanke unterstützt wurde. „Jetzt ist nicht die Zeit, um sich über das Defizit Sorgen zu machen“, schreibt Paul Krugman, ein Kolumnist der „New York Times“, der Obama unterstützt. Er skizziert ein Paket für die US-Regierung, das „erweiterte Leistungen für Arbeitslose bereitstellen könnte, die sowohl notleidenden Familien helfen, mit der Lage fertig zu werden, als auch Geld in die Hände von Menschen geben, die es wahrscheinlich ausgeben werden. Sie kann den Bundesstaaten und Kommunen Nothilfe gewähren, damit diese nicht gezwungen sind, scharfe Ausgabenkürzungen vorzunehmen, die sowohl die öffentlichen Dienstleistungen beeinträchtigen als auch Arbeitsplätze vernichten. Sie kann Hypotheken aufkaufen (aber nicht zum Nennwert, wie John McCain vorgeschlagen hat) und die Bedingungen umstrukturieren, um Familien zu helfen, in ihren Häusern zu bleiben. Und es ist auch eine gute Zeit, um ernsthaft in die Infrastruktur zu investieren, was die USA ohnehin dringend brauchen. (Let’s Get Fiscal [Werden wir fiskal], „International Herald Tribune“, 18. Oktober)
Wenn Barak Obama gewinnt und die Demokrat*innen ihre Mehrheit im Kongress ausbauen, ist es sehr wahrscheinlich, dass ein Paket in diesem Sinne verabschiedet wird. Etwas Ähnliches wurde bereits von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden der Demokrat*innen im Repräsentant*innenhaus, vorgeschlagen. Noch bevor der neue Präsident im Januar sein Amt antritt, werden die von den Demokrat*innen kontrollierten Ausschüsse im Kongress wahrscheinlich ein solches Paket vorschlagen. Ob Bush sein Veto gegen ein solches Paket einlegen würde, bleibt abzuwarten.
Würde ein massiver fiskalischer Stimulus, wahrscheinlich in größerem Umfang als die 150 Milliarden Dollar, die Bush zu Beginn dieses Jahres (hauptsächlich durch Steuererleichterungen) bereitgestellt hat, eine größere Auswirkung auf die US-Wirtschaft haben? Im besten Fall würde es die Tiefe des Wirtschaftsabschwungs begrenzen. Das Beispiel Japans in den 1990er Jahren liefert einen Vergleich. Nach dem Zusammenbruch der Immobilienblase Ende der 1980er Jahre sah sich der japanische Kapitalismus mit einer tiefen und lang anhaltenden Rezession konfrontiert. Die Regierung legte eine Reihe massiver Konjunkturpakete auf, mit staatlichen Ausgaben für Infrastrukturprojekte usw. Sie verhinderten wahrscheinlich einen noch schlimmeren Abschwung, belebten die Wirtschaft aber nicht wieder, die erst in den letzten Jahren aus der Stagnation herauskam – bevor sie von der aktuellen Kreditklemme getroffen wurde.
In den USA berufen sich die Demokrat*innen zudem häufig auf den New Deal der 1930er Jahre, der ebenfalls massive staatliche Ausgaben für Infrastrukturprojekte und Sozialleistungen umfasste. Allerdings gelang es den Ausgaben des New Deal nicht, die US-Wirtschaft wiederzubeleben, die erst mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wieder zu wachsen begann, der eine massive weltweite Nachfrage nach US-Waren schuf. Sowohl bei den Ausgaben im Rahmen des New Deal als auch bei den Konjunkturpaketen der japanischen Regierung in den 1990er Jahren waren die staatlichen Ausgaben stark auf die großen Konzerne ausgerichtet, die an den Infrastrukturprojekten beteiligt waren. Beide Konjunkturpakete führten zu einer massiven Ausweitung der Staatsverschuldung. Die Staatsverschuldung der USA ist aufgrund des Bankenrettungsplans bereits in die Höhe geschnellt. Ein weiteres Konjunkturpaket wird sie weiter ansteigen lassen, und auch wenn es sich verzögert, wird es früher oder später zu einer höheren Besteuerung (die die Arbeiter*innenklasse trifft) und zu künftigen Kürzungen der Staatsausgaben führen, insbesondere bei öffentlichen Dienstleistungen.
Umfang und Charakter der Keynesianismus-artigen Konjunkturpakete in den USA, Großbritannien und anderswo bleiben abzuwarten. Indessen gewinnt der globale Wirtschaftsabschwung an Fahrt. Eine wachsende Liste von Ländern stehen auf der Intensivstation Schlange, um beim IWF Notkredite zu beantragen: Pakistan, Ungarn, die Ukraine, Belarus und andere. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass die Krise die Zahl der Arbeitslosen weltweit um 20 Millionen erhöhen wird, so dass die Gesamtzahl von 190 Millionen im Jahr 2007 bis Ende 2009 auf 210 Millionen steigen wird. Dies ist jedoch nur eine „vorläufige“ Zahl: „Die derzeitigen Prognosen könnten sich als Unterschätzungen erweisen“.
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