Leo Trotzki: Brief an Jan Frankel

[18. April 1933, eigene Rückübersetzung des englischen Textes, „Die Verbreitung einer illegalen Zeitung“]

Lieber Jan,

Zuerst möchte ich etwas über die deutsche Zeitung sagen. Meiner Meinung nach ist diese Frage von entscheidender Bedeutung und ich bitte Sie, meine Gedanken zu diesem Thema für Ihre Kollegen zu übersetzen.

Lenins berühmtes Werk „Was tun?“ ist von den Stalinisten Hunderte Male wahllos zitiert worden, wobei Lenins Argumente zur Rolle der Zeitung auf völlig unpassende Umstände angewandt wurden. In der Tat wird der Apparat der Mitarbeiter, Korrespondenten und Verteiler der Zeitung zum wichtigsten Bestandteil eines illegalen Parteiapparates. Gerade heute sind in Deutschland Bedingungen entstanden, unter denen die revolutionäre Exilzeitung die Rolle des Organisators übernimmt. Ich fordere die führenden deutschen Genossen dringend auf, die entsprechenden Seiten von „Was tun?“ sorgfältig zu lesen.

Die Zeitung muss vor allem die Kontinuität und ununterbrochene Entwicklung des politischen Denkens der Linken Opposition sicherstellen. Zu diesem Zweck sollte sie regelmäßig erscheinen, unabhängig davon, wie es um die Verbreitung bestellt ist. Wir haben mit der Herausgabe der russischen „Biulleten“ begonnen, ohne irgendeine Kommunikation mit Russland zu haben. Die Ideen der „Biulleten“ drangen auf verschiedenen Wegen ins Land ein. Auch jetzt ist die Lage hinsichtlich der Verbreitung der Biulleten sehr schlecht (diese Aufgabe erfordert viel Aufmerksamkeit und große Anstrengungen). Dennoch spielt die „Biulleten“ eine sehr große Rolle im politischen Leben der UdSSR. Dasselbe galt für die „Iskra“ in den alten Tagen. Viele Ausgaben stapelten sich hier außerhalb des Landes, weil unser Vertriebssystem zusammengebrochen war. Trotzdem ist die Zeitung weiterhin pünktlich erschienen.

Für eine illegale Zeitung kann man keinen Vertrieb organisieren. Nur die illegale Zeitung selbst kann letztlich ihr eigenes Vertriebssystem aufbauen, indem sie das Interesse der Leser gewinnt und Unterstützer sammelt.

Dazu muss die Frage der Emigranten hinzugefügt werden, von Österreich, den Deutschen in der Tschechoslowakei, der Schweiz usw. Die wichtigste Aufgabe von allen ist gegenwärtig meines Erachtens, „Unser Wort“ richtig zu verbreiten. Es macht keinen Sinn, Geld nach Deutschland zu schicken, denn dort wird es für Kleinigkeiten ausgegeben. Eine gut organisierte Zeitung dagegen wird zu einer Quelle der Geldbeschaffung (zusätzlich zu allem anderen).

Es ist verfrüht, jetzt zu einem monatlichen Magazin überzugehen. Die Situation hat sich noch nicht vollständig geklärt. Alle warten auf die Klärung der laufenden Ereignisse. Natürlich wäre es sehr gut, wenn wir – in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen – zusätzlich zu „Unser Wort“ ein monatliches Magazin für theoretische Diskussionen schaffen könnten. Aber eine vierzehntägige Zeitung zum jetzigen Zeitpunkt aufzugeben, wäre unzulässig.

Was Sie über Kurella berichten, ist sehr interessant. Das ist ein Mann, der die linke Opposition heftig gehasst hat. Wie sieht es mit den Hamburger Genossen aus? Vergessen Sie nicht, dass wir hier jetzt ohne einen „Deutschen“ leben, und das ist viel schlimmer als ohne einen Briten.

Schreiben Sie mir von sich. Wie leben Sie? Wie steht es um Ihre Gesundheit?

Mit besten Grüßen.

Ihr,

L.T.


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