[10. August 1934, eigene Übersetzung des französischen Textes in Le Mouvement Communiste en France, S. 442 ff., verglichen mit der englischen Übersetzung]
10. August 1934.
Werter Genosse,
Ich werde versuchen, in diesem Brief das Gespräch zusammenzufassen, das wir vor einigen Tagen über die Fragen, die die französischen Lehrer im Allgemeinen und die Einheitsföderation im Besonderen betreffen, geführt haben.
Ich kann nicht umhin zu wiederholen, dass Monmousseau, dieser Seiltänzer ohne Glaube und Moral, uns in der Frage der Fusion der beiden Verbände eine Falle gestellt hat, indem er die Berufsverbands- und revolutionären Interessen den Prestige- und „Käse“-Erwägungen der Bürokraten, die die CGTU leiten, opferte. Ihre Wende hat nichts mit der ehrlichen Annahme der revolutionären Einheitsfront gemein. Soweit man ihr undurchsichtiges Spiel erkennen kann, verbergen sie zwei ineinander verwobene Manöver: ein umfassenderes, das den Zielen der sowjetischen Diplomatie entspricht, und ein engeres, untergeordnetes, das den abenteuerlichen Bankrotteuren der Komintern „Genugtuung“ verschaffen soll. Die quasi-offizielle Doktrin der herrschenden Bürokratie der UdSSR versucht, das auch für sie unbestreitbare Versagen der Komintern mit den konservativen Eigenschaften des westlichen Proletariats zu erklären: Wenn die Reformisten behaupteten, dass der Bolschewismus nicht gut für Europa sei, erklären die Komintern-Bankrotteure jetzt, dass das europäische Proletariat nicht gut genug für den Bolschewismus sei. In dieser wie in vielen anderen Fragen [drei Wörter nicht lesbar] der westliche Kommunismus nur zwei Seiten derselben Medaille.
Indem die führenden Bürokraten den Bankrott der Komintern so in einen Bankrott des westlichen Proletariats umwandelten, zogen sie die Konsequenzen: „Für die Sicherheit der UdSSR müssen wir andere Hilfen suchen. Da das konservative Proletariat an der Demokratie hängt, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns an sie dranzuhängen, sie zu unterstützen, sie zu erhalten.“ Wir Revolutionäre erklären: „In dem Maße, wie die Arbeiter ihr Vertrauen in die Demokratie bewahren, sind wir bereit, sie mit ihnen gegen die faschistische Gefahr zu verteidigen; aber wir können niemals der Kritik der demokratischen Illusionen entsagen.“ Die Stalinisten verzichten leicht auf das Recht auf Kritik, da es ihnen (der Sowjetbürokratie) jetzt nicht darum geht, das Proletariat über die demokratische Etappe zur Eroberung der Macht zu führen, sondern darum, sich internationale demokratische Unterstützung als das einzig erreichbare Ziel zu sichern. Die französische „Demokratie“, das ist die Radikale Partei1, die nicht ohne die Unterstützung der PS regieren kann, aber diese Partei kann ihrerseits der radikalen Regierung nur unter der Bedingung ihre Unterstützung geben, dass die Kommunisten sie „in Ruhe lassen“. Die höchsten Ziele der sowjetischen Bürokratie sind die Wiederherstellung des Regimes von Herriot, dem „Freund der UdSSR“, mit Hilfe von Léon Blum, der durch die sogenannte Einheitsfront von der Kritik Thorez‘ befreit wurde. Dies ist die Haupttriebfeder der telegrafisch befohlenen großen Wende.
Um den linken Flügel der Komintern, die Leute à la Bela Kun, zu beruhigen, hieß es: „Das ist alles nur eine Intrige, halt die Klappe und warte ab, der richtige Moment wird kommen, in dem wir die Einheitsfront brutal zerschlagen, indem wir die schlafenden sozialistischen Führer unerwartet ergreifen und ihre Arbeiter mit uns nehmen“.
Dies sind die beiden ineinander verwobenen Manöver: Es ist das erste, das im Moment wirksam ist. Aber wenn die demokratische Perspektive nicht verwirklicht wird, können die großen Bürokraten durchaus ihren Kopf aus der Schlinge ziehen, indem sie es den üblen Abenteurern à la Bela Kun überlassen, die Einheitsfront auf ihre Weise zu nutzen.
Was ist der Platz Monmousseaus in diesem doppelten und vielleicht dreifachen Spiel? Ich weiß es nicht, und Monmousseau selbst weiß es auch nicht besser als ich. Immerhin ist er hinter den stalinistischen Kulissen gut genug bewandert, um keine Angst zu haben, dass das heikle Gerüst der Wende über seinem eigenen Kopf zusammenbrechen könnte. Deshalb möchte er, indem er den erhaltenen Befehl ausführt, die Dinge hinauszögern, sich drücken, bremsen. So konnte er auf dem Kongress von Montpellier eine ausweichende und gefährliche Entscheidung durchsetzen, indem er der sofortigen Fusion der beiden Föderationen auswich; die Entscheidung bis Januar 1935 zu vertagen, bedeutet, die Welt und sich selbst zu verhöhnen2, da die nächsten Monate andere schwerwiegende Entscheidungen bringen müssen.
Wir müssen uns klarmachen: Die Gefahr des Faschismus ist keine Agitationsformel, sondern eine unheimliche Realität, die sich in kurzer Zeit bestätigen kann. Die Behauptung von „Popu[laire]“ und „Huma[nité]: „Die Einheitsfront hat die Faschisten bereits zurückgedrängt“, ist nichts als naive oder scharlataneske Prahlerei.
Der Aufstieg des Faschismus vollzieht sich, wie jeder derartige historische Prozess, in gewundenen, krampfhaften Sprüngen. Wir befinden uns zwischen zwei Spasmen, das ist der wahre Schlüssel zur Lage.
Monmousseau kann nicht den zweiten Sprung bis nach dem 1. Januar 1935 hinauszögern.
Der Sieg des Faschismus würde in erster Linie die Zerschlagung der revolutionären Lehrer bedeuten. Noch bevor die faschistische Reaktion die Arbeiterorganisationen in Angriff nimmt, muss sie den widerspenstigen Beamten und Lehrern den Schädel einschlagen. Schwätzer sagen: „Die Gefahr ist noch lange nicht unmittelbar, Frankreich ist nicht Deutschland, das französische Temperament eignet sich nicht für den Faschismus.“ Es ist nicht an uns, diesen Unsinn ernst zu nehmen. Der Faschismus ist nicht das Produkt des nationalen Temperaments, sondern das Produkt des gesellschaftlichen Kampfes, er wird zu einer unausweichlichen Notwendigkeit für den französischen Kapitalismus, der in Bedrängnis geraten ist. Und in dem Maße, in dem das nationale Temperament sich ihm entgegenstellt, wird das faschistische Regime in Frankreich zwei- oder zehnmal so viele Opfer fordern wie anderswo. Es ist kein Zufall, dass die Unterdrückung in allen Phasen der französischen Geschichte am blutigsten war.
Unser Einheitsverband mit seinen dreitausend Mitgliedern wäre der erste Bissen der triumphierenden Reaktion, Selbst die physische Selbstverteidigung zwingt uns, aus unserer Isolation auszubrechen und mit der nationalen Gewerkschaft zu fusionieren. Jeder verlorene Tag ist ein unersetzlicher Verlust. Ich weiß schon, wir sind im Urlaub, und viele von uns genießen ihn mit Seligkeit. Wenn man sich umschaut, hat man fast den physischen Eindruck, dass man Bauern sieht, die sich der Gefahr nicht bewusst sind und die Hänge des Vesuvs pflügen, nur wenige Augenblicke vor dem Ausbruch, der ihr Vermögen und ihre Arbeit verwüsten und sie selbst mit sich reißen wird.
Man muss um jeden Preis die Möglichkeit finden, die gefährliche Entscheidung des Kongresses von Montpellier, die von der CGTU aufgezwungen wurde, rückgängig zu machen. Wir befinden uns in Kriegszeiten, und die Formalitäten, selbst die respektabelsten, müssen vor den zwingenden Notwendigkeiten zurücktreten. Ich bin mir meinerseits sicher, dass eine kühne Initiative der Föderationsleitung, die das volle Vertrauen der Aktivisten genießt, von der überwältigenden Mehrheit der Föderation unterstützt würde. Und die Fusion der beiden Verbände – hier stimme ich mit Delmas überein – würde der Vereinigung der gesamten Gewerkschaftsbewegung einen kräftigen Schub verleihen, indem sie den bösen Willen der Jouhaux und Monmousseau bricht.
Wir können natürlich nur mit den Konföderierten fusionieren, wenn es um die revolutionäre Mobilisierung der Lehrerschaft geht. Deshalb müssen wir ein der Situation angepasstes, präzises und energisches Aktionsprogramm ausarbeiten. Sehen Sie sich Paul Faure, den Chef der SFIO, an: Er entwickelt vor den Revolvern, Schlagstöcken und Maschinengewehren des Faschismus die buddhistische und tolstoiansche These, dass man sich dem Bösen nicht mit Gewalt entgegenstellen soll. Die Aufgabe blieb für ihn, das Vertrauen der Mehrheit (51%) zu gewinnen, um das sozialistische Ideal zu verwirklichen. Doch den österreichischen Sozialdemokraten wurde bei ihren 44% die Kehle durchgeschnitten. Es ist sehr fraglich, ob es Paul Faure gelingen wird, diesen Rekord zu brechen. Selbst wenn man völlig und ausschließlich auf der demokratischen Grundlage der Machteroberung durch 51% der Wählerstimmen bleibt, ist man gezwungen, sich diese Möglichkeit durch bewaffnete Verteidigung gegen faschistische Banden zu sichern, so wie die Arbeiter gezwungen sind, ihren bescheidensten Streik durch Streikposten zu verteidigen. Die Bourgeoisie sagt scheinheilig: „Die nationale Sicherheit erfordert die nationale Aufrüstung“. Wir können mit Sicherheit sagen: „Die Sicherheit des demokratischen Aufstiegs des Proletariats erfordert zwingend die Bewaffnung der Arbeiter und in erster Linie die Schaffung von Arbeitermilizen.“
Doch nun eilen die Thorez, Cachin und Monmousseau Paul Faures altstoischen Thesen zu Hilfe: Angeblich seien es nur die „trotzkistischen Provokateure“, die den Waffen der Reaktion die Waffen des Proletariats entgegenstellen wollten. Was für schändliche und schwachsinnige Argumente! Sie kommen aus dem Mund derselben Leute, die gestern noch ganz Frankreich (zumindest das Frankreich der „Humanité“) mit Barrikaden und revolutionären Schlachten bevölkerten. In dieser Frage demonstriert die Wende am deutlichsten die sklavische Abhängigkeit der Bürokraten der PC und der CGTU von der sowjetischen Diplomatie. Die Thorez wollen die bewaffneten Milizen durch die „Selbstverteidigung des Proletariats in seiner Gesamtheit“ ersetzen. Von wegen! Und was geschieht in dieser Geschichte mit der Rolle der Avantgarde des Proletariats? Milizen ohne die Unterstützung der Mehrheit der Klasse sind nichts, aber die Klasse, die den Schlägen der Faschisten ausgesetzt ist, ohne die Miliz, ist wenig; die Miliz ist die aktive Armee, die Klasse ist die große Reserve. Dieses ABC des Marxismus wird unter dem Namen „Blanquismus“ aufgegeben, mit Füßen getreten und beschmutzt. Die Selbstverteidigung der Lehrer – das ist meine absolute Überzeugung – muss sie zu erbitterten Propagandisten und unermüdlichen Organisatoren der Arbeiter- und Bauernmiliz machen. Das Ziel dieser Miliz ist die Verteidigung der Organisationen, der Versammlungen, der Presse, der ausgebeuteten Massen, ihrer demokratischen Rechte und sozialen Errungenschaften.
Was ich in diesem Brief sage, ist völlig unzureichend. Ich hoffe, dass dies der Beginn eines Meinungsaustauschs über die brennenden Fragen ist, die unsere Föderation direkt betreffen, aber weit über sie hinausgehen. Ich würde gerne Ihre Meinung wie die anderer Genossen hören, ich werde meinerseits bereit sein, die Erwiderung zu geben. Die Ferien dürfen uns nicht einschlafen lassen. Senator Gautherot aus dem Departement Loire-Inférieure sowie Fougères, Abgeordneter des Departements Indre, haben bereits Interpellationen zu den Lehrern eingereicht. Die Reaktion verschwendet ihre Zeit nicht, also verschwenden wir nicht die unsere.
Brüderliche Grüße.
1 In der englischen Fassung: „ist verkörpert in der Radikalen Partei“
2 In der englischen Fassung: „nicht ernstzunehmen“
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