Jim Chrystie: Nicaragua: Somoza geht – der Kampf geht weiter

[Eigene Übersetzung aus Militant, 27 Juli 1979]

Er mag ein Hurensohn sein, aber er ist unser Hurensohn“. Diese Worte von Präsident Roosevelt bei der Einsetzung des ersten Somoza als Staatschef von Nicaragua im Jahr 1933 rächten sich in der vergangenen Woche.

In dem ersten erfolgreichen Massenaufstand in Lateinamerika seit der Machtübernahme durch Castro vor zwanzig Jahren wurde die verhasste Somoza-Dynastie gestürzt.

Der amerikanische Imperialismus versuchte verzweifelt, die Scherben aufzusammeln und ein gemäßigtes neues Regime zu ermutigen, bevor seine Interessen in Nicaragua zu sehr geschädigt würden und bevor die Revolte in den benachbarten Diktaturen von Honduras, El Salvador und Guatemala wüchse.

Der Sieg der sandinistischen Guerilla (FSLN) über Somoza war eine schwere Niederlage für den amerikanischen Imperialismus.

Die amerikanische herrschende Klasse hat Zentralamerika und die Karibik immer als ihren eigenen Hinterhof betrachtet.

Im Jahr 1954 stürzten sie eine linke Regierung in Guatemala, die die United Fruit Company bedrohte. Im Jahr 1961 halfen sie den Exilkubaner*innen bei der gescheiterten Operation in der Schweinebucht, in Kuba einzumarschieren.

Noch vor fünfzehn Jahren schickten sie Marineinfanteristen in die Dominikanische Republik, als es so aussah, als ob das Volk dort jemanden wählen würde, den die amerikanische Führung nicht billigte.

Auch dieses Mal wollten sie Truppen entsenden. Doch der Vorschlag der US-Regierung wurde auf einer Tagung der Organisation Amerikanischer Staaten am 23. und 24. Juni abgelehnt. Die lateinamerikanischen Führer*innen fürchteten die Auswirkungen auf ihre eigenen Regimes, wenn sie eine amerikanische Invasion in Nicaragua offen unterstützen würden.

Sie haben die Welle der Revolte gegen die kapitalistischen Marionettenregime gesehen, die in diesem Jahr über die kleinen Inseln in der Ostkaribik hinweggefegt ist.

In Grenada und Dominica wurden die Regierungen gestürzt. In Zentralamerika haben linke Guerillas begonnen, der Diktatur in El Salvador große Probleme zu bereiten.

Der amerikanische Außenminister Cyrus Vance hat erklärt, dass er beabsichtigt, Zentralamerika und die Karibik während seiner (letzten) eineinhalbjährigen Amtszeit zu einer seiner höchsten Prioritäten zu machen. Ein führender Beamter des Außenministeriums warnte:

Es gibt keine einzige Insel in der Karibik, die nicht innerhalb von fünf Jahren den Weg von Grenada gehen könnte. Wenn man Zentralamerika als westlichen Punkt und die Ministaaten als östlichen Punkt nimmt, könnte man sagen, dass wir das Potenzial für einen ,Krisenkreis‘ direkt vor unserer Haustür haben.“

Die Krise wird nicht verschwinden, denn sie ist im kapitalistischen Wirtschaftssystem verwurzelt, das die Region erdrosselt. In Nicaragua beruhten die Volksunruhen gegen das Somoza-Regime auf einer Arbeitslosenquote von 50-60%, einer Inflationsrate von über 20%, einem Bruttosozialprodukt, das im letzten Jahr um 7% gesunken ist, und einer Auslandsverschuldung von 1,8 Milliarden Dollar.

Schließlich wandten sich viele Geschäftsleute gegen die Herrschaft Somozas. „Wir müssen eine politische Lösung haben, unsere Wirtschaft hält die Krise nicht mehr aus“, erklärte der Präsident der Zentralbank von Nicaragua. Viele Mittelständler*innen und Geschäftsleute unterstützten die Sandinist*innen und waren die wichtigsten Unterstützer*innen einer ihrer wichtigsten Gruppierungen, der Terceristas.

Sie hoffen nun, die Revolution aufhalten zu können. Aber bereits jetzt sind alle Somoza-Besitztümer im Land verstaatlicht worden. Das bedeutet, dass mit diesem einen Schritt ein Großteil der Industrie und des Bodens in den Händen der neuen Regierung liegt.

Es handelt sich um schätzungsweise ein Zehntel bis ein Viertel des Ackerlandes des Landes, die nationale Fluggesellschaft, Schifffahrt, eine große Fischereiflotte, Transportwesen, Zeitungen, Einzelhandel, Zementbau und Nahrungsmittelindustrie sowie umfangreiche Beteiligungen an Immobilien, Banken und Versicherungen.

Die Probleme, vor denen das nicaraguanische Regime steht, sind enorm. Bis zu 40.000 Menschen wurden bei dem Aufstand getötet. Bei einer Bevölkerung von etwas mehr als 2 Millionen sind Hunderttausende obdachlos, und der Hunger ist eine echte Bedrohung.

Ein Mitglied der Junta erklärte: „Wir müssen das Land wieder aufbauen, die Menschen ernähren und ausbilden, das Analphabetentum ausrotten, den Kranken und Verstümmelten helfen. Alles in allem müssen wir bei Null anfangen.“

Jetzt, wo der Diktator gestürzt ist, sind die Erwartungen des Volkes hoch. Es wird nicht möglich sein, sie zu befriedigen, indem man das alte System ohne Somoza beibehält. In Nicaragua und in der gesamten Region wird der Kampf für eine angemessene Gesellschaft weitergehen.

Von Jim Chrystie


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert