Clara Zetkin: Die Frauenkonferenz zu Mainz

[Die Gleichheit, Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen, Stuttgart, 10. Jahrgang, Nr. 20, 26. September 1900, S. 153-158]

Die erste Konferenz der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands hat getagt und in drei Sitzungen ihr Arbeitsprogramm erledigt, und zwar – dass wir es gleich heraussagen – unseres Erachtens erfolgreich erledigt. Dass die Konferenz einem tatsächlich vorhandenen und empfundenen Bedürfnis entsprach, dass sie in weiten Kreisen der Sozialdemokratie Interesse erweckt hatte, bewies die rege Beteiligung. Die Konferenz war mit zwanzig Delegierten beschickt, unter denen sich drei Genossen befanden. Genossen nahmen auch als Gäste an ihr Teil. Wir heben den Umstand besonders hervor. Er kennzeichnet, dass die Genossen immer mehr erkennen, wie nötig es im Interesse der allgemeinen Bewegung ist, die Aufklärungs- und Organisierungsarbeit unter dem weiblichen Proletariat zu fördern. Es spricht aber auch sinnenfällig dafür, wie fern der proletarischen Frauenbewegung jede frauenrechtlerische Eigenbrötelei liegt. Im Auftrage der hessischen Regierung wohnte die Assistentin der Fabrikinspektion für Mainz, Frl. Schumann, den Beratungen bei. Auch in Hessen, das kein Vereinsgesetz nach preußischem Muster hat. ließen es die Polizeibehörden an der üblichen Beachtung der proletarischen Frauenbewegung nicht fehlen. Sie hatten Stenografen entsendet, welche mit der Aufnahme der Verhandlungen beauftragt waren.

Von der Erkenntnis geleitet, dass die Zeit für die Beratungen kurz bemessen, die zu erörternden Fragen aber viele und schwierige waren, wurden die auf Kongressen und Konferenzen üblichen Formalitäten auf ein Mindestmaß beschränkt. Die unumgänglichen Formalitäten aber wurden rasch und ohne viele gutgemeinte, jedoch überflüssige Worte erledigt. Auch die seltenen und stets sehr kurzen Debatten zur Geschäftsordnung bekundeten, wie klar die Genossinnen sich der Notwendigkeit bewusst waren, Zeit für die Beratung der Tagesordnung zu gewinnen, aber auch welche Gewandtheit und Disziplin sie für die Verhandlungen mitbrachten.

Genossin Baader, als Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands und Einberuferin der Konferenz, eröffnete dieselbe mit einigen herzlichen Worten der Begrüßung. Unter Hinweis auf die Entwicklung der Sozialdemokratie aus kleinen Anfängen zur stärksten Partei des Deutschen Reiches, forderte sie die Anwesenden auf, ihre ganze Energie dafür einzusetzen, dass auch die proletarische Frauenbewegung sich gesund und kraftvoll entfalte und zu einer achtunggebietenden Macht werde. Die Konferenz solle dazu beitragen, der sozialdemokratischen Frauenbewegung größere Einheitlichkeit und Stärke zu geben, um sie in den Stand zu setzen, alle ihr zufallenden Aufgaben im Dienste des weiblichen Proletariats und der Sozialdemokratie zu lösen. In das Büro wurden gewählt: Die Genossinnen Zetkin und Baader als Vorsitzende, die Genossinnen Zietz und Ledebour als Schriftführerinnen. Die Konferenz nahm fast debattelos eine Geschäftsordnung an, welche die Redezeit für die Begründer von Anträgen auf fünfzehn, die für Diskussionsredner auf zehn Minuten festsetzten und bestimmte, dass Niemand zu einem Punkte mehr als zwei Mal das Wort erhalten solle. Durch einstimmige Billigung der provisorischen Tagesordnung wurden alle vorliegenden Anträge aus Abänderung derselben erledigt.

Die Verhandlungen zum ersten Punkte der Tagesordnung: Ausbau des Systems der Vertrauenspersonen, knüpften im Wesentlichen an die vorliegenden Anträge der Genossinnen Kähler und Zetkin an. Diese Anträge setzten – den in Nr. 19 der „Gleichheit“ erörterten Gesichtspunkten entsprechend – in eingehender Weise die Aufgaben und Stellung der Vertrauenspersonen der Genossinnen fest. Ihre meisten Bestimmungen deckten sich inhaltlich vollkommen und wichen nur im Wortlaut von einander ab. Einen Hauptunterschied in den beiden Entwürfen stellten nur die Vorschläge dar, die Wahl der Vertrauensperson der Genossinnen von ganz Deutschland betreffend. Genossin Kähler wies diese Wahl einer Konferenz zu, deren jährlicher Zusammentritt statuarisch festgelegt werden sollte. Der Antrag der Genossin Zetkin überließ die Wahl der Vertrauensperson wie bisher den Berliner Genossinnen. In den Debatten zu der strittigen Frage wurde von den Genossinnen Kähler, Gothusen, Thiede u. A. betont, dass den Genossinnen aller Orte das Recht gesichert werden müsse, über die Wahl der Vertrauensperson für das ganze Reich mit entscheiden zu können. Des Weiteren, dass eine alljährliche Konferenz der Genossinnen wünschenswert sei, schon um Klarheit über die geleistete Arbeit zu schaffen und die Durchführung gefasster Beschlüsse zu überwachen. Andererseits wurde von den Genossinnen Zietz, Baader, Zetkin, Wengels etc. erklärt, dass die alljährliche Wiederkehr einer Konferenz sicher äußerst wünschenswert, wahrscheinlich auch dringend nötig sei, dagegen vielleicht leider nicht möglich. Man könne also nicht von vornherein festlegen, dass jedes Jahr eine Konferenz stattfinden müsse. Unter diesen Umständen also und da man Berlin als Sitz der Vertrauensperson für ganz Deutschland bestimmt, müsse man bei Anerkennung des Rechtes der Genossinnen aller Orte die Wahl der Zentralvertrauensperson aus naheliegenden Zweckmäßigkeitsgründen den Berliner Genossinnen überlassen. Nach kurzen Debatten einigte man sich dahin, von der Festlegung einer alljährlich stattzufindenden Konferenz abzusehen, jedoch die Wahl der Vertrauensperson jedes Mal auf einer Konferenz vorzunehmen. Ausdrücklich wurde erklärt, dass die Vertrauensperson der Genossinnen von ganz Deutschland – falls in dem einen oder anderen Jahre keine Konferenz tagen könne – ihr Amt bis zum Zusammentritt einer nächsten Tagung weiter zu führen habe. Die übrigen Bestimmungen, betreffend die Pflichten und Stellung der Vertrauenspersonen wurden je nach der zweckmäßigeren und klareren Fassung bald dem einen, bald dem anderen Antrag entsprechend, fast stets einstimmig und in der Mehrzahl debattelos angenommen. Das Büro erhielt den Auftrag, die einzelnen Bestimmungen in einheitlicher und übersichtlicher Form zusammen zu stellen. Die Zentralvertrauensperson hat dafür zu sorgen, dass den einzelnen Vertrauenspersonen die Anleitung für ihre Amtsführung zugeht.

Zu längeren, anregenden Debatten führte ein Passus des Antrags Zetkin. Er forderte, dass die Vertrauenspersonen der Genossinnen innerhalb der allgemeinen Bewegung zu allen Arbeiten und Sitzungen als gleichberechtigte Mitarbeiterinnen heranzuziehen seien. Gegen das Prinzip der Forderung wurde von keiner Seite Einwendungen erhoben. Wohl aber wurden Bedenken geäußert, ob ihre Verwirklichung durchzusetzen sei. Mit trefflicher Sachkenntnis wies besonders Genossin Ihrer darauf hin, dass der Antrag in der vorliegenden Form unter Umständen dazu führen könne, die Vertrauenspersonen der Genossinnen und Genossen, deren praktisches Handinhandarbeiten gesichert werden solle, in Konflikt mit den Vereinsgesetzen jener Länder zu bringen, wo die Frauen von der Teilnahme an politischen Vereinen ausgeschlossen sind. Besprechungen der Vertrauenspersonen könnten eventuell als Sitzungen eines politischen Vereins erklärt werden. Die Genossinnen Wengels, Zeise und Gothusen sprachen in ähnlichem Sinne. Letztere wies in einem Situationsbericht über die Bewegung in ihrer Heimat darauf hin, dass die Männer dort noch sehr rückständig seien und ihre Frauen von der Bewegung fernhielten, eine Klage, die wiederholt auch von anderer Seite erhoben wurde. Genossin Steinbach hielt den Antrag für verfrüht. In den Männern aller Kreise stecke noch zu sehr der alte Adam, der gewohnt sei, über die Frau zu herrschen. Der Mann könne nicht aus seiner Haut. Die Frauen aber seien vielfach noch ihren Rechten und Aufgaben gegenüber indifferent und schwach. Erst wenn sich eine Wandlung der Geister vollzogen, würden wir weiterkommen. Die Genossinnen Baader, Zietz, Greifenberg, Fürth, Zetkin und Genosse Katzenstein traten für den Antrag ein. Die Genossinnen Baader und Zietz wendeten sich insbesondere gegen die Befürchtungen, die Vereinsgesetze könnten in bestimmten Ländern das Zusammenarbeiten der Vertrauenspersonen der Genossinnen und Genossen hindern. Durch gerichtliche Entscheidung in Sachen der Anklage gegen den Parteivorstand, die Vertrauenspersonen und Wahlvereinsvorsitzende von Berlin sei anerkannt worden, dass Vertrauenspersonen gelegentlich zur Besprechung von einzelnen Angelegenheiten zusammentreten könnten. Der Begriff des politischen Vereins gelte nicht für gelegentliche, unregelmäßige Zusammenkünfte zu einem ganz bestimmten Zwecke. Er sei nur anwendbar auf regelmäßige Sitzungen zur Erledigung fortlaufender Geschäfte. Genossin Zietz betonte noch, dass die Verwirklichung der erhobenen Forderung von größter Wichtigkeit für das praktische Zusammenarbeiten der Genossinnen und Genossen sei. Genossin Duncker führte aus, dass die Bedenken betreffs der eventuellen Anwendung des Vereinsgesetzes durch einen entsprechenden Zusatz beseitigt werden könnten. Sie wie Genossin Ledebour befürworteten den Passus besonders mit Rücksicht darauf, dass die Vertrauenspersonen der Genossinnen nur in stetem Einvernehmen mit den Vertrauenspersonen der Genossen erfolgreich wirken könnten. Genossin Fürth verteidigte die erhobene Forderung als eine selbstverständliche Forderung des Grundsatzes der Gleichberechtigung. Schließlich wurde der Antrag mit zehn gegen acht Stimmen angenommen.

Zu Punkt 2a: Agitation unter dem weiblichen Proletariat, entwickelte sich eine rege und eingehende Debatte, an der sich fast alle Delegierte und zahlreiche Gäste beteiligten. Einmütig ging die Ansicht dahin, dass ohne Vernachlässigung der Agitation unter den proletarischen Hausfrauen künftighin der Agitation unter den Arbeiterinnen größere Aufmerksamkeit und mehr Kraft gewidmet werden müsste. Diese Agitation solle vor Allem der eigentlichen gewerkschaftlichen Agitation vorarbeiten, dürfe aber auch die politische Aufklärung der Arbeiterinnen nicht aus dem Auge verlieren. Die Konferenz beschäftigte sich zuerst mit der Frage der Agitation durch die Schrift. Zwei im Wesentlichen fast gleiche Anträge lagen dazu vor, die Anträge der Genossinnen Braun und Zetkin. Beide unterschieden sich nur dadurch, dass der Antrag der Genossin Braun einzelne Artikel der „Gleichheit“ als Flugblätter verbreitet wissen wollte, der andere aber die Einsetzung einer Kommission forderte, welche mit der Herausgabe der Broschüren, Flugblätter etc. zu betrauen sei. Die Genossinnen Gothusen, Zetkin, Wengels und Andere noch wendeten sich gegen den Vorschlag der Genossin Braun. Der Charakter der „Gleichheit“ schließe aus, dass Artikel aus ihr unter der Masse der indifferenten Frauen und Arbeiterinnen verbreitet werden könnten. Dagegen wurde die Herausgabe von Flugblättern in der von Genossin Zetkin empfohlenen Form allgemein als notwendig bezeichnet. Genossin Steinbach führte aus, dass die lokalen Umstände sehr oft die Verbreitung von Flugblättern bedingten, die für eine ganz bestimmte Arbeiterinnenkategorie bestimmt seien oder ganz bestimmte Vorkommnisse und Verhältnisse behandeln müssten. Angesichts dieses Umstandes müsse es den Genossinnen bzw. den Vertrauenspersonen überlassen bleiben, für die Herausgabe von Flugblättern zu sorgen. Eine Zentralstelle könne in dieser Beziehung nicht das Geeignete schaffen. Die Genossinnen Ihrer, Kähler und Zetkin erwiderten, dass die Aufgaben der Kommission nicht im Gegensatz zu dem einschlägigen Wirken der örtlichen Vertrauenspersonen stehen, vielmehr dasselbe vervollständigen. Selbstredend müsse die Herausgabe von Flugblättern lokalen Charakters Sache der Genossinnen der einzelnen Orte sein. Der Kommission liege dagegen ob, für die Herausgabe solcher Flugblätter zu sorgen, welche allgemein wichtige Fragen behandeln und über das ganze Reich verbreitet werden könnten. Zur Frage selbst nahm die Konferenz den Antrag Zetkin an. Einer Anregung des Genossen Ledebour entsprechend wurde beschlossen, dass von den Berliner Genossinnen die vorgeschlagene fünfgliedrige Kommission gewählt werden solle.

Weitere Debatten kreisten um die Frage, ob dem Antrag der Hamburger Genossinnen gemäß die Herausgabe einer besonderen Frauenzeitung zu fordern sei, welche allen größeren Parteiblättern als Beilage beigegeben werden solle. Genossin Zietz begründete den Antrag unter Hinweis auf die Bedeutung der Presse für die Agitation und auf die vorliegende Notwendigkeit, Mittel der schriftlichen Agitation zu schaffen, die in die Kreise der indifferenten Frauen dringen. Genossin Gothusen sprach in dem gleichen Sinne. Die „Gleichheit“ könne unter der Masse der gleichgültigen Frauen nicht verbreitet werden, zu diesem Zwecke sei sie nicht populär genug. Die Genossinnen Steinbach, Ihrer, Greifenberg und Andere wendeten sich gegen die Herausgabe einer besonderen Frauenzeitung. Erstere betonte besonders die vorliegende Gefahr, dass der Wert des Inhalts der Anziehungskraft auf die Massen geopfert werde, so dass das Blatt nicht erzieherisch auf die Frauen wirken könne. Genossin Ihrer führte aus, dass eine besondere Frauenzeitung die Frauen nicht zur Lektüre unserer politischen und gewerkschaftlichen Presse erziehe, sondern sie vielmehr derselben entfremde. Worauf es ankomme, sei, dass unsere Presse die Interessen der Frauen und Arbeiterinnen in gebührender Weise berücksichtige. Das zu erzielen sei aber Sache der Genossinnen der einzelnen Orte, die einerseits ihren Einfluss auf die Redaktionen bzw. Presskommissionen aufbieten, andererseits den Blättern Einsendungen und Beiträge zugehen bzw. Mitarbeiterinnen zuweisen müssten. Von den Genossinnen Vogel, Thiede, Tröger und vom Genossen Katzenstein wurde angeregt, ob es nicht ratsam sei, den Charakter der „Gleichheit“ zu ändern, sie populär zu gestalten und in weiteren Kreisen zur Verbreitung zu bringen. Der Genosse Marckwald, die Genossinnen Greifenberg, Baader und Zetkin weisen diesen Vorschlag zurück. Die fortgeschritteneren Genossinnen könnten die „Gleichheit“ nicht entbehren. Werde der Charakter der Zeitschrift geändert, so verliere sie ihre Bedeutung für die Genossinnen und Genossen, ohne doch in die Masse der Frauen zu dringen. Genossin Greifenberg führte außerdem unter Bezugnahme auf Chemnitz an, dass es bei rühriger Agitation wohl möglich sei, der „Gleichheit“ eine weitere Verbreitung zu sichern und dadurch schulend zu wirken. Der Antrag Hamburg wurde mit schwacher Majorität abgelehnt. Zur Annahme gelangte ein Antrag der Genossinnen Wengels, Ihrer und Greifenberg, welcher fordert, dass die Arbeiterpresse den Interessen der Frauen mehr Rücksicht trägt.

Was die mündliche Agitation unter dem weiblichen Proletariat anbelangt, so zeitigten die Debatten zahlreiche Anregungen. Mehrere Rednerinnen, so besonders die Genossinnen Zietz, Greifenberg. Zeise führten aus, dass die Agitation unter den Frauen besonders an Fragen anknüpfen müsse, welche sie gleichsam persönlich berühren, in ihre Existenz, in die der Familie hineingreifen. Von besonderem Wert sei die persönliche Agitation in freundschaftlicher Aussprache nach der Versammlung. Genossin Zeise mahnte zu regster Agitation unter Hinweis auf die Bemühungen des Zentrums, die Frauen zu organisieren. Das einzige Wahlrecht, das den Frauen in Deutschland zusteht, das Wahlrecht zu den Ortskrankenkassen, zur Agitation unter den Frauen auszunützen, empfahl Genossin Zietz. Genossin Fürth erachtete die Konsumvereine als treffliche Ausgangs- und Stützpunkte, um Aufklärung unter das weibliche Proletariat zu tragen. Genossin Steinbach pflichtete dieser Ansicht bei und empfahl des Weiteren die gewerkschaftliche Organisation als wirksamstes Mittel, den Arbeiterinnen Erkenntnis zu bringen und sie zu heben. Voraussetzung dafür, dass diese Aufklärungsarbeit geleistet werde, sei die Neutralität der Gewerkschaften. Nach Genossen Katzenstein können besonders durch die Agitation gegen den Alkohol Anknüpfungspunkte für die sozialistische Agitation unter den Frauen gewonnen werden. Der Redner wies weiter darauf hin, dass Fragen, welche das wirtschaftliche Interesse der Frauen, der proletarischen Familien berührten, agitatorisch ausgenützt werden müssten. So gegenwärtig die Kohlenteuerung, später – im Anschluss an den Ablauf der Handelsverträge – die Zoll- und Steuerfrage etc.

Eine sehr eingehende Erörterung wurde der Frage der Kleinarbeit in der Agitation zuteil. Die Genossinnen Duncker, Zetkin und Ihrer hoben die sehr große Bedeutung dieser Arbeit scharf hervor, zumal für die Agitation unter den Berufsarbeiterinnen. Einzelne Genossinnen oder kleine Gruppen von Genossinnen hätten zunächst persönliche Fühlung mit einzelnen befähigten und energischen Arbeiterinnen zu gewinnen und sie im freundschaftlichen Verkehr aufzuklären. Aufgabe dieser Arbeiterinnen wäre es dann, eine planmäßige Agitation unter ihren Freundinnen und Kameradinnen zu treiben. Sei dadurch der Boden in den einzelnen Betrieben und Werkstätten genügend vorbereitet, so habe eine systematische, gut geleitete und anhaltende Werkstubenagitation der Genossinnen einzusetzen. An diese schließt sich dann die Agitation in öffentlichen Versammlungen, die sich je nach den Umständen an die Arbeiterinnen einer Kategorie oder auch an alle Arbeiterinnen eines Ortes wendet. Von größter Bedeutung sei dabei, dass die Kleinagitatorinnen wie die Referentinnen gründliche Kenntnisse der einschlägigen Verhältnisse haben, sich in ihren Ausführungen nicht in Allgemeinheiten bewegten, sondern sich so vertraut mit den Arbeits- und Existenzbedingungen ihres Publikums erweisen, dass jede einzelne Arbeiterin sich gleichsam persönlich erfasst fühle. Genossin Duncker empfahl den Genossinnen, sich zum Zwecke der Kleinarbeit von Gewerkschaftlern die Adressen fähiger Arbeiterinnen geben zu lassen.

Gelegentlich der skizzierten Debatten ergriff auch Genosse Pernerstorfer das Wort. Er führte aus, dass aus den Verhandlungen über die Kleinarbeit hervorgehe, dass auch in Deutschland die Frauenbewegung noch im Werden begriffen sei und nicht die Stufe erklommen habe, die Alle wünschen. In diesem Stadium der Entwicklung sei die persönliche Agitation sehr wichtig. Wirksam sei auch, die Agitation in Versammlungen mit Ausnutzung von Fragen zu betreiben, welche die Proletarierin als Hausfrau berühren. So habe man in Osterreich mit dem Zuckerrummel, der Erhöhung der Zuckersteuer, die Frauen in Scharen in die Versammlungen und auf die Straße gebracht. Freilich hätten sie sich bald wieder verlaufen. Für die Organisation sei nichts dabei gewonnen worden. Er könne den Frauen nur raten, sich auf sich selbst zu stellen. Von den Männern dürfe nicht zu viel erwartet werden, viele von ihnen stehen der Aufklärungsarbeit unter den Frauen noch indifferent gegenüber. Wie der Sozialismus nur siegen kann durch die Arbeiter selbst, so kann auch die Frauenbewegung nur siegen durch die Frauen selbst.

Zur Frage der Agitation für den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz wurde von Genossin Zetkin dargelegt, dass sie auf Grund des Programms geführt werden müsse, das der Parteitag zu Hannover festgelegt hat. Festzuhalten sei vor Allem, dass – wie auch die Berichte der Fabrikinspektoren über die Fabrikarbeit verheirateter Frauen beweisen – der gesetzliche Schutz der Arbeiterinnen nicht bloß die verheirateten, sondern auch die ledigen, vor Allem aber auch die jugendlichen Arbeiterinnen erfassen müsse. Dadurch werde verhindert, dass die Arbeiterin mit zerrüttetem Organismus in die Ehe und zur Mutterschaft komme. Von besonderer Wichtigkeit sei, für die Arbeiterinnen den gesetzlichen Achtstundentag und die Freigabe des Sonnabend Nachmittag zu erlangen. Diesen Ausführungen wurde allgemein beigepflichtet. Mehrere Rednerinnen, so Genossin Tröger, betonten, dass viele der jetzt geltenden Schutzbestimmungen für die Arbeiterinnen nur auf dem Papier ständen. Den Arbeiterinnen mangelt vielfach die Kenntnis ihres Rechts und noch öfter die Macht, diesem Geltung zu verschaffen. Wichtig sei, die Arbeiterinnen über die gesetzlichen Bestimmungen aufzuklären und sie auf die Tätigkeit der weiblichen Vertrauenspersonen der Gewerkschaften aufmerksam zu machen.

Die Debatten beschäftigten sich in der Folge im Anschluss an den Antrag der Genossin Duncker, bzw. der Leipziger Genossinnen mit der Frage der Erweiterung und Sicherung des Wöchnerinnenschutzes. Die Genossin Duncker begründete ihn mit warmen Worten unter Hinweis auf die vorliegende Pflicht der Allgemeinheit, im Interesse der Zukunft Mutter und Kind zu schützen und dem letzteren wenigstens während der ersten drei Monate nach der Geburt die mütterliche Pflege zu sichern. Die Genossinnen Ihrer und Fürth warnten in dieser Hinsicht vor zu weitgehenden Forderungen. Laut ärztlicher Feststellungen sei der weibliche Organismus sechs Wochen nach der Entbindung wieder in normalem Zustand. Bei ausgedehnterer Schutzzeit sei eine Verdrängung der verheirateten Arbeiterinnen aus der Industrie, bzw. der Verlust der Arbeitsgelegenheit für die einzelne Wöchnerin zu befürchten. Des Weiteren auch, dass an Stelle der Fabrikarbeit Heimarbeit und übermäßige häusliche Pflichtleistungen im Bunde mit Entbehrungen treten. Die Genossen Adler und Braun (Königsberg) erachteten, dass in Verbindung mit einer ausgedehnten Schutzzeit eine sehr einschneidende Abänderung des Krankenkassengesetzes eintreten müsse, die aber kaum zu erwarten sei. Von dem jetzt üblichen geringen Krankengeld können aber die Arbeiterinnen nicht leben. Die Genossinnen Zietz und Baader traten diesen Ausführungen entgegen. Erstere betonte, dass es sich um Aufstellung einer grundsätzlichen Forderung handle und nicht um einen Gesetzentwurf. Wir haben deshalb zu erklären, was wir im Interesse der Frau, des Kindes, der Arbeiterklasse, ja der gesamten Nation verlangen müssen. An den Gesetzgebern sei es, Mittel und Wege ausfindig zu machen, um die Verwirklichung der Forderung zu ermöglichen. Genossin Baader ergänzte diese Ausführungen dahin, dass die Unterstützung der Wöchnerinnen eventuell nicht allein durch die Krankenkasse in Aussicht genommen werden müsse. Man könne, wie es in Frankreich und Belgien geschehen, die Gründung einer besonderen Mutterschaftskasse fordern. Was die Krankenkassen anbelangt, so werde ihre Mehrbelastung durch die Wöchnerinnenunterstützung wieder aufgewogen durch geringere Ausgaben für kranke, zumal unterleibsleidende weibliche Mitglieder und für kranke, schwächliche Kinder. Was das geringe Einkommen der Frau anbetreffe, so werde der Ausfall dadurch weit gemacht, dass die Frau daheim bleiben und sparsamer, besser wirtschaften könne. Genossin Fürth bestätigte die letztere Tatsache durch die Ergebnisse einer Enquete über Haushaltungsbudgets. Genosse Katzenstein hielt die Forderung der Leipziger Genossinnen auch mit Rücksicht auf die agitatorische Wirkung für bedenklich. Er riet dazu, Festhaltung der geltenden Schutzfristen für Schwangere und Wöchnerinnen zu fordern, Beseitigung der Ausnahmebewilligungen, Erhöhung des Krankengeldes auf den vollen Betrag des Lohnes und obligatorische Ausdehnung der Unterstützung auf die Frauen der verheirateten Kassenmitglieder. Nach längeren Erörterungen über das Für und Wider der strittigen Frage gelangte ein Kompromissantrag Zetkin zur Annahme, welcher als Mindestmaß des Schutzes für Wöchnerinnen die von Genossen Katzenstein befürworteten Reformen fordert.

Genossin Zetkin erörterte darauf das Wie der Agitation für den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz. Ihrer Ansicht nach muss dieselbe sofort vorbereitet und in Angriff genommen werden. Es gilt die Situation auszunutzen, welche durch die Erhebung über die Fabrikarbeit verheirateter Frauen geschaffen worden ist, die uns vorzügliches Agitationsmaterial geliefert hat. Wenn der Reichstag im Anschluss an die Berichte der Gewerbeaufsicht die Materie behandelt, so muss unsere Fraktion sich bei ihren Anregungen und Anträgen auf die Forderungen und Willenskundgebungen der Arbeiterinnen selbst berufen können. Unserer Agitation falle eine zweifache Aufgäbe zu. Einmal müsse sie die Arbeiterinnen von der Notwendigkeit und Bedeutung der erhobenen Forderungen überzeugen und ihre Erkenntnis festen Willen verdichten, die dringenden Reformen erkämpfen zu wollen. Zweitens aber muss dieser Wille zur Kenntnis gesetzgebenden Gewalten gebracht werden. Genossin Zetkin empfahl, dass die Zentralvertrauensperson der Genossinnen sich mit den einzelnen Vertrauenspersonen betreffs der planmäßigen Vorbereitung der Agitation zu verständigen habe, insbesondere auch, um überall im Einvernehmen mit den Gewerkschaften und Genossen zu handeln. Nach einem Überblick über die Agitationsgebiete, die Anforderungen, verfügbaren materiellen und rednerischen Kräfte sind die Agitationsversammlungen anzusetzen. In allen Versammlungen kommt eine gleichlautende Resolution zur Abstimmung. Sachkundige Genossinnen sollten die Frage des Arbeiterinnenschutzes in allen öffentlichen Versammlungen zur Sprache bringen und hier ebenfalls über die Resolution abstimmen lassen. Die Vertrauenspersonen der einzelnen Orte haben eine Zusammenstellung über Versammlungen und Zahl der Abstimmenden vorzunehmen und der Zentralvertrauensperson einzuschicken. Diese stellt das Gesamtergebnis ganz Deutschland fest und teilt es der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion mit, bzw. stellt es in einer begründeten Eingabe dem Reichstag zu. Die Rednerin regte an, dass es vielleicht zweckmäßig sei, für die Eingabe Unterschriften zu sammeln, wie es gelegentlich der Eingabe zur lex Heinze geschehen. Was die schriftliche Agitation anbelange, so seien Flugblätter und Broschüren zu schaffen über die geltenden gesetzlichen Schutzbestimmungen, über unsere Forderungen etc. Genossin Fürth empfahl, in einer Broschüre das schätzenswerte Material zu veröffentlichen, was in den Berichten der Fabrikinspektoren über die Fabrikarbeit verheirateter Frauen enthalten ist. Diese Anregungen fanden allseitige Zustimmung. Genossin Zietz wies auf Grund ihrer reichen Erfahrungen nach, welch hohes Interesse die Frauen der Frage des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes entgegenbringen und wie wirksam in jeder Hinsicht eine Agitation für unsere Forderungen sei.

Die Debatten über die Frauenbildungsvereine führten zu lebhaften Auseinandersetzungen. Hier standen sich die Meinungen am schroffsten gegenüber. Die Genossin Steinbach sprach auf Grund der vorliegenden, langjährigen Erfahrungen den Frauenbildungsvereinen jede Existenzberechtigung ab. Es fehle an dem nötigen Menschenmaterial, das sich bilden lassen wolle. Die Teilnahme der jungen Arbeiter an Bildungsvereinen und Arbeiterbildungsschulen sei gering in Folge der armseligen Existenzbedingungen. Die Lage der proletarischen Frauen sei eine noch jammervollere. Wo solle da der Wunsch keimen und wachsen nach besserer Bildung, vor Allem aber woher solle die Zeit und geistige Frische kommen, um auch nur vorhandene Bildungsmittel auszunützen? Es fehle aber, so führte Genossin Steinbach weiter aus, den Bildungsvereinen an geeigneten Lehrkräften. Die Frauenbildungsvereine seien eine zwecklose Spielerei und verwandelten sich fast stets in Klatsch- und Zankvereine. Wo es möglich sei, sollten die bildungseifrigen Frauen den politischen Organisationen der Männer beitreten, andernfalls sich aber in den Volksversammlungen und durch die Presse aufklären. Die Arbeiterinnen müssten sich insgesamt den Gewerkschaften anschließen, hier fänden sie Aufklärung und Schulung zugleich mit einer wirksamen Vertretung ihrer Interessen. Genossin Gothusen pflichtete diesen Ausführungen durchaus bei und stützte ihr absprechendes Urteil über die Frauenbildungsvereine auf ihre eigenen Erfahrungen in der Rheinprovinz. Genosse Bruhns sprach in dem gleichen Sinne. Die Genossinnen Ihrer, Duncker, Zietz, Greifenberg und Tröger redeten dagegen den Frauenbildungsvereinen warm das Wort, vorausgesetzt, dass ihre Gründung nicht kopflos erfolgt und ihre Leitung tüchtig sei. Auch Genosse Braun (Königsberg) vertrat die Ansicht, dass Frauenbildungsvereine unter Umständen sehr nützlich wirken könnten. Genossin Duncker hob hauptsächlich den erzieherischen Einfluss der Frauenbildungsvereine hervor. Durch Belehrung weckten und stärkten sie das Persönlichkeitsbewusstsein der Frauen, damit aber auch ihr Pflichtbewusstsein. Sie entwickelten das Solidaritätsgefühl und gewöhnten sich an Opfer für eine Gemeinschaft. Das Wissen, das sie den Frauen durch Vorträge und besonders auch durch Vortragskurse bieten könnten, sei sehr wertvoll. Es befähigt die Frau zu höheren Pflichtleistungen. Genossin Zietz schilderte die Wichtigkeit der Frauenbildungsvereine in solchen Ländern, wo den Frauen durch das Vereinsgesetz jede andere Form der Organisation unmöglich sei. Dort stelle der Bildungsverein die einzige Möglichkeit dar, das Gemeinsamkeitsgefühl der Frauen zu wecken und zu entwickeln. Genossin Ihrer wies eingehend nach, dass die vorliegenden üblen Erfahrungen nicht dem Wesen der Frauenbildungsvereine zur Last gelegt werden dürften. Sie seien bedingt worden durch die Umstände, unter denen die Organisationen entstanden und wirkten. Vielerorts gründeten die Genossinnen Vereine, ohne dass die Vorbedingungen für ihre gesunde Entwicklung vorhanden waren. Sie besaßen weder leitende, noch lehrende Kräfte, es mangelte ihnen Klarheit über das, was die Organisationen leisten konnten und leisten sollten. So fielen nicht wenige Vereine der polizeilichen Auflösung, andere dem Verkümmern anheim. Trotz allem aber ist – das zeigt ebenfalls die Erfahrung – unter gewissen Umständen die Gründung von Frauenbildungsvereinen nötig und ihre gesunde Entwicklung möglich. In Ländern mit reaktionärem Vereinsgesetz sind sie für die proletarischen Hausfrauen Stätten der Aufklärung, Mittelpunkte des Zusammenschlusses. Aber auch dort, wo günstige vereinsgesetzliche Bestimmungen bestehen, kann der Frauenbildungsverein segensreich wirken. Überall müsste im Voraus gewissenhaft geprüft werden, ob die Vorbedingungen für ein gesundes Emporblühen eines Vereins vorhanden seien, insbesondere auch die nötigen leitenden Kräfte. Die Bildungsvereine dürften nicht Politik auf Umwegen treiben wollen, wo den Frauen gesetzlich die Beschäftigung mit Politik verwehrt sei. Sie dürften nicht Konkurrenz- und Oppositionsvereine gegenüber den bestehenden politischen und gewerkschaftlichen Organisationen sein. Sie müssten solche Bildungsbedürfnisse der Frauen befriedigen, die innerhalb der politischen und gewerkschaftlichen Organisation nicht befriedigt werden könnten. Genossin Kähler führte aus, dass die Bildungsvereine außerhalb der politischen Bewegung ständen. Die Konferenz könne deshalb keinen sie betreffenden Beschluss fassen, sondern nur in einer Resolution ihre Sympathie kundgeben. Die Konferenz beschloss dieser Auffassung entsprechend. Von der nämlichen Auffassung ausgehend erledigte sie die Anträge der Genossin Braun zur Frage durch Übergang zur Tagesordnung. Mehrere Rednerinnen hatten betont, dass dieselben sehr schätzenswerte Anregungen enthielten.

Die Verhandlungen zu Punkt 4 der Tagesordnung: Allgemeines, waren kurz. Die vorliegende Resolution Zetkin wurde einstimmig debattelos angenommen. Ein Antrag der Genossin Rönsch, die volkswirtschaftliche Aufklärung der Frauen betreffend, wurde durch die Beschlüsse zum Punkte Agitation für erledigt erklärt. Der Antrag der Genossin Grünberg wurde den Berliner Genossinnen zur Übermittlung an die Pressekommission überwiesen. Eine kurze Debatte entspann sich zu dem Antrag der Genossin Braun, die Stellung der proletarischen zur bürgerlichen Frauenbewegung zu präzisiere. Meinungsverschiedenheiten traten in derselben nicht zu Tage. Die Genossinnen Zetkin, Ihrer, Zietz, Wengels und Genosse Ledebour waren übereinstimmend der Ansicht, dass kein Grund vorliege, die grundsätzliche Stellung der proletarischen zur bürgerlichen Frauenbewegung einer Revision zu unterziehen. Inwieweit einzelne Genossinnen auf Gebieten, die außerhalb der sozialistischen Bewegung liegen oder von dieser zur Zeit noch nicht erfasst werden können, mit Frauenrechtlerinnen und anderen bürgerlichen Elementen gelegentlich und vorübergehend zusammenwirken könnten, das müsse dem persönlichen Ermessen, ihrem Geschmack, ihrem Taktgefühl und der Wichtigkeit besonderer Umstände überlassen bleiben. Voraussetzung sei, dass sie überall als Sozialdemokratinnen wirkten. Genossin Steinbach gab ihrer Genugtuung Ausdruck, dass der Gedanke der Neutralität für bestimmte Gebiete von den Genossinnen anerkannt werde. Unter lebhafter Zustimmung erwiderte Genosse Ledebour darauf, dass die Neutralität der Gewerkschaften und das gelegentliche Zusammenarbeiten einzelner Genossinnen mit Frauenrechtlerinnen zwei fundamental verschiedene Dinge seien. Die Genossinnen propagierten auf einem fremden Gebiet sozialdemokratische Ideen. Die Neutralisten aber suchten die sozialdemokratischen Ideen zu verschleiern. Sie steckten die rote Fahne in die Tasche und gucke ein roter Zipfel heraus, so heiße es, das sei ein Taschentuch und keine Fahne.

Die Konferenz erledigte den Antrag Braun durch Übergang zur Tagesordnung. Sie bestimmte, welche Anträge und Resolutionen zu dem Parteitag vorgelegt werden sollten. Wir teilen dieselben an anderer Stelle mit. Die Tagenden schritten darauf zur Wahl der Zentralvertrauensperson. Die Genossinnen Baader und Ihrer wurden für das Amt vorgeschlagen. Von keiner Seite wurde bestritten, dass die eine wie die andere für die Vertrauensstellung befähigt sei. Dagegen wurde gegen die Wahl der Genossin Baader geltend gemacht, dass ihre Berufstätigkeit ihr Wirken als Vertrauensperson erschweren und beeinträchtigen werde. Von der anderen Seite wurde darauf hingewiesen, dass die rege Agitation der Genossin Ihrer – deren agitatorische Kraft unentbehrlich sei – sich mit der Tätigkeit der Vertrauensperson nicht vereinbaren lasse. Bei der Abstimmung wurde Genossin Baader mit allen gegen 2 Stimmen gewählt. Genossin Zetkin schloss die Konferenz mit einigen Worten des Dankes für die pflichttreue, sachliche, fleißige Mitarbeit aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mit dem Ausdruck der Befriedigung über den Verlauf der Verhandlungen, mit einem Hinweis auf die Zusammengehörigkeit der proletarischen Frauenbewegung und der allgemeinen sozialdemokratischen Bewegung, sowie auf die harrenden Pflichten und Aufgaben. Die Konferenz klang in einem begeisterten dreimaligen Hoch auf die Sozialdemokratie aus.

Mit Befürchtungen und Bedenken war manche Delegierte dem Rufe zur Konferenz gefolgt. Mit Genugtuung dürfen alle Teilnehmerinnen auf sie zurückblicken. Wohl klangen hier und da Klagen an über unliebsame Vorgänge und Verhältnisse in den einzelnen Orten, über Erschwerung des Arbeitens durch Vorurteil oder Gleichgültigkeit der Genossen. Wohl platzten hier und da die Meinungen lebhaft aufeinander. Aber stets traten die persönlichen Klagen und Beschwerden als Nebensache hinter die Hauptsache zurück: hinter die Prüfung der Verhältnisse, unter denen die Genossinnen zu wirken haben, hinter die sachliche Erörterung der Frage, was und wie zu arbeiten sei. Und stets war es der Geist fester, inniger Zusammengehörigkeit in der sozialistischen Überzeugung, der die Debatten beherrschte. Diese wurden übrigens nicht bloß sehr sachlich und ruhig geführt, sondern auch – seitens der als schwatzschweifig verschrienen Frauen – mit einer Knappheit, die manchem Manne zum Vorbild gereichen könnte.

Einen Haupterfolg der Konferenz erblicken wir darin, dass sie Genossinnen und Genossen aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands einander nahe gebracht, in persönliche Verbindung und sachliche Übereinstimmung gesetzt hat. Einen Haupterfolg der Konferenz erblicken wir weiter in den reichen, vielseitigen Anregungen, die sie den einzelnen Genossinnen gegeben und deren eigenem Wissen ihrer persönlichen Erfahrung beigefügt hat. Ohne uns der Übertreibung schuldig zu machen, dürfen wir behaupten, dass die Konferenz mehr geleistet hat, als was die Meisten erwarteten, dass sie in jedem Falle alles geleistet hat, was sie leisten konnte. An den Genossinnen allerorts liegt es nun, das Ihrige zu tun, energisch und opferfreudig dafür zu wirken, dass die Beschlüsse der Konferenz verwirklicht werden, dass ihre Anregungen Früchte tragen. Darum: An die Arbeit!


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