[Nr. 932, Korrespondenz, Die Gleichheit, Wien, II. Jahrgang, Nr. 15, 14. April 1889, S. 6]
:: Aus Norddeutschland, 11. April 1888. (Verspätet.) Damit System in die Sache kommt, beharren die Verwaltungs- Behörden, insbesondere im Musterstaate Preußen, unter dem ruhmreichen Regimente des Herrn v. Puttkamer, hartnäckig darauf, die Arbeiter-Unterstützungskassen in die vollste Abhängigkeit von dem Ministerium zu bringen. Der bestorganisiertesten und der ältesten Arbeiter-Unterstützungskasse, derjenigen der deutschen Buchdrucker, wurde in Preußen die Bedingung gestellt, das sie ferner nur noch unter der Bedingung existieren dürfe, wenn der Sitz des Vereines nach Berlin verlegt und den Behörden das Bestätigungsrecht der Vorstandsmitglieder eingeräumt werde; anderenfalls soll die Kasse dem Gesetze über das Versicherungswesen unterstellt und konzessionspflichtig gemacht werden. Diesem unerhörten Ansinnen, das keinerlei gesetzliche Berechtigung hat, beschloss die Generalversammlung des Buchdrucker-Unterstützungsvereines nachzugeben, um den Verein zu retten. Den Mut, es aufs Äußerste ankommen zu lassen und die Angelegenheit durch alle Instanzen zu verfechten, besaß die Mehrzahl der Vertreter des Vereines leider nicht, feig haben sie sich der Gewalt gefügt, und so muss sich der Verein gefallen lassen, das er spöttisch der „königlich preußische Gewerkverein“ genannt wird. Das Organ des Vereines, „Der Correspondent“ in Leipzig, erweist sich dieser neuen Stellung durchaus würdig. In einem Artikel in seiner Nummer vom 8. April, überschrieben „Zur Organisationsfrage“, spricht die Redaktion gleich dem ersten besten arbeiterfeindlichen Blatte von „sozialdemokratischen Ausschreitungen, die eine starke Beschränkung des Vereinigungsrechtes und der Pressefreiheit herbeigeführt und damit zum Ruin des Arbeitervereinswesens geführt hätten’“. Die deutschen Buchdrucker müssen tief gesunken sein, wenn sie eine solch‘ schamlose Sprache, die für die Reaktion nur Wasser auf die Mühle ist, sich gefallen lassen. Der Redakteur des Blattes, Herr Richard Härtel in Leipzig, gehörte einstmals selbst der sozialdemokratischen Partei an, die er heute beschimpft Er gehört eben zu den Leuten, die, um mit Herrn v. Puttkamer zu reden, „von den Groschen der Arbeiter sich mästen“, und um in dieser Mästung nicht gestört zu werden, gibt man charakterlos alle Grundsätze preis, fügt sich knechtisch den Ansprüchen der Gewalt und schimpft dann auf Jene, die, weil sie der Gewalt sich nicht fügen wollen, mit Ausnahmegesetzen traktiert werden. Wären die Leiter aller deutschen Arbeiterorganisationen aus dem Holze eines Richard Härtel geschnitzt, die Reaktion hätte längst auf allen Punkten gewonnenes Werk; die Arbeiterbewegung wäre nichts als ein bloßes Spielzeug in den Händen eben dieser Leiter, die kein anderes Ziel im Auge haben, als sich möglichst mühelos eine angenehme Existenz zu schaffen. Wenn der deutsche Buchdruckerverein nicht kläglich versumpfen und zum Kinderspott werden will, muss er mit Leuten à la Richard Härtel aufräumen. – Wie dem Buchdrucker-Unterstützungsvereine sind von Seite der Behörde jetzt auch dem Verbande der deutschen Hutmacher ähnliche Zumutungen gemacht worden. Wir hoffen, das die deutschen Hutmacher etwas mehr Rückgrat zeigen und es auf das Äußerste ankommen lassen werden.
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