Lynn Walsh: Afghanistan – Das Regime baut seine Unterstützungsbasis auf

[eigene Übersetzung des englischen Textes in „Militant“ Nr. 608, 2. Juli 1982, S. 10]

Von Lynn Walsh

Zweiter Teil eines zweiteiligen Artikels

Die russische Intervention hatte international enorm reaktionäre Folgen und ermöglichte es der US-Regierung, Thatcher und anderen führenden westlichen Politiker*innen, einen neuen Schub im Wettrüsten zu rechtfertigen.

Die Verwirrung unter Arbeiter*innen in der ganzen Welt, die von Russlands bürokratischer Militärinvasion zur Verteidigung eines bürokratischen Militärregimes verursacht wurde, überwog bei jeder internationalen Berechnung der Auswirkungen bei weitem den Gewinn, den die Sicherung der Abschaffung von Großgrundbesitzer*innentums und Kapitalismus in Afghanistan mit sich brachte.

Die Bevölkerung dieses abgelegenen, von Armut geplagten Landes muss von der Entwicklung einer Planwirtschaft einfach profitieren. Dies ist die einzige mögliche Notleiter aus Jahrhunderten der Rückständigkeit und der Beherrschung durch die imperialistischen Mächte, die, wenn es ihnen passte, nie gezögert haben, in das Land einzumarschieren und Marionettenregierungen zu installieren. Allerdings kann man kaum sagen, dass die Existenz oder Nicht-Existenz eines deformierten Arbeiter*innenstaates in Afghanistan mehr als einen vernachlässigbaren Einfluss auf das internationale Kräfteverhältnis der Klassen habe.

Die USA und andere führende westliche kapitalistische Politiker*innen beschworen einen Sturm herauf, weil dies ein sehr willkommenes Propagandageschenk war, das ihnen die Möglichkeit bot, ihre „Kalter-Krieg“-Propaganda gegen die russische Bürokratie zu verstärken. Als das durch und durch verfaulte Großgrundbesitzer*innenregime Daouds im April 1978 gestürzt wurde, akzeptierte der westliche Imperialismus stillschweigend die Bildung eines proletarisch-bonapartistischen Regimes.

Als jedoch die russische Bürokratie eingriff, um ihren unerwarteten Klientelstaat zu unterstützen, als ihm 1979 der Zusammenbruch drohte, erhoben die westlichen führende Politiker*innen ein enormes Gezeter. In ihren internen Beratungen akzeptierten sie, dass die russische Bürokratie aus defensiven Gründen eingegriffen hatte, um ihre Südflanke zu schützen, und nicht als ersten Schritt für einen Vorstoß in den Nahen Osten oder in den indischen Subkontinent. Dennoch war der Aufschrei eine Warnung des Imperialismus, dass Russland nicht versuchen sollte, sich in den Iran einzumischen. Und die erste direkte russische Intervention in einem Staat außerhalb des Ostblocks gab dem Westen die Gelegenheit, Ängste vor der Gefahr von russischem „Imperialismus“ und Aggressivität zu schüren.

Aus diesen Gründen konnten Marxist*innen die russische Invasion in Afghanistan nicht unterstützen. Aber nachdem die Invasion stattgefunden hatte, gab es eine neue Lage. Es konnte keine Rede davon sein, den sofortigen Abzug der russischen Truppen zu fordern. Ein Abzug würde den Schaden nicht rückgängig machen. Das Misstrauen, das unter den Arbeiter*innen weltweit gegenüber den Motiven der russischen Bürokratie geweckt worden war, würde nicht weggewischt werden. Andererseits hätte ein Abzug zweifellos zum Zusammenbruch des proletarischen bonapartistischen Regimes und zur Wiederherstellung der Herrschaft von Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen in Afghanistan führen können.

Langsam aber sicher gewinnen die Kräfte des Regimes mit massiver Unterstützung der russischen Armee die Oberhand. Im März beispielsweise gelangten Berichte nach draußen über eine Schlacht, bei der 1000 oppositionelle Kämpfer*innen getötet wurden, darunter mindestens 200 erfahrene Mudschaheddin-Kämpfer*innen. Die russischen Kommandeur*innen haben flexiblere Taktiken im Kampf gegen die Guerilla entwickelt, indem sie sich darauf konzentrieren, die Kontrolle über die Städte und wichtigen Kommunikationswege zu erlangen und die Guerillakräfte nur anzugreifen, wenn sie provoziert werden.

Während das Regime bei Bedarf die Peitsche verwendet, lässt es vor der ländlichen Bevölkerung auch das Zuckerbrot herabbaumeln. Dies ist möglich aufgrund der relativ fortschrittlichen Rolle der Planwirtschaft, insbesondere im Vergleich zur früheren feudalen Rückständigkeit Afghanistans, selbst unter der Leitung einer Bürokratie, die auf einer privilegierten Elite basiert.

Die Karmal-Führung hat die Reformen, die die vorherige Führung unter Amin mit halsbrecherischer Geschwindigkeit umzusetzen versuchte, modifiziert und abgeschwächt. Zusammen mit rücksichtsloser Unterdrückung stürzten die Umsetzung der Landreform, obligatorische Alphabetisierungskurse (auch für Frauen) und andere radikale Veränderungen das Land in Aufruhr und bedrohten die Existenz des proletarisch-bonapartistischen Regimes.

Babrak Karmal hat, zweifellos unter Anleitung der Berater*innen der russischen Bürokratie, versucht, die Mullahs, Teile der Großgrundbesitzer*innen und andere potenzielle Gegner*innen zu beschwichtigen, indem er ihre führende Vertreter*innen zur Teilnahme an einer „Nationalen Vaterlandsfront“ einlud. Die Landreform wird fortgesetzt, jedoch mit größerer Vorsicht, wobei Zugeständnisse an die Moschee und auch an die Großgrundbesitzer*innen gemacht werden, die sich bereit erklären, ihre Lebensmittelproduktion zu mechanisieren und ihre Produkte an den Staat zu verkaufen. Alphabetisierungskurse sind für Frauen nicht mehr obligatorisch.

Anfang dieses Jahres räumte „The Economist“ (27. Februar) widerwillig ein, dass das Regime schrittweise eine Unterstützerbasis aufbaute: „Dorfbewohner, die die Guerillas aus ihren Gebieten fernhalten, können ihre eigenen führenden Vertreter, Verwalter und sogar Gouverneure wählen. Sie können Geld für den Bau von Moscheen beantragen und Ratschläge für ihre Ernten einholen. Aus dem Ministerium für Stammesangelegenheiten gibt es Hinweise darauf, dass den Paschtunen bald ein gewisses Maß an Autonomie gewährt werden könnte. Es werden Gesundheitszentren gebaut, ebenso wie Kindergärten, Bibliotheken und Schulen. Konsumgüter werden subventioniert. Die Russen kaufen sich in einigen Gebieten relativen Frieden.“

Mit der Zeit, wenn das Regime gefestigt ist, werden die russischen Truppen abgezogen werden. Aber die Frage der Demokratie wird bleiben. Gegen die Kontrolle der Planwirtschaft durch eine Bürokratie, die auf einer privilegierten Elite basiert, würden Marxist*innen die Notwendigkeit von Arbeiter*innen- und Bäuer*innenräten in Afghanistan aufwerfen, die die Kontrolle über die Wirtschaft und den Staat in ihre eigenen Hände nehmen.

Es muss jedoch anerkannt werden, dass die extreme Schwäche der Arbeiter*innenklasse in diesem noch primitiven Land unweigerlich bedeutet, dass die Zukunft der Völker Afghanistans mit der Entwicklung des Klassenkampfs in den viel mächtigeren Nachbarländern des Landes verbunden sein wird. Insbesondere Indien hat eine mächtige Arbeiter*innenklasse, und die Gesellschaft ist zum Verfaulen reif für Veränderungen. In Russland hat die Entwicklung der Planwirtschaft eine enorm mächtige, hochkultivierte Arbeiter*innenklasse hervorgebracht, die zunehmend gegen die Gitterstäbe der stalinistischen Bürokratie andrängt.

Unter einer nationalen Bürokratie in Afghanistan wird der wirtschaftliche Fortschritt selbst mit russischer Unterstützung nur im Schneckentempo stattfinden. Aber wer kann bezweifeln, dass sich die Situation durch die Bildung eines Arbeiter*innenstaates in Indien oder Pakistan oder durch den Sturz der Bürokratie und die Wiederherstellung der Arbeiter*innendemokratie in der Sowjetunion völlig verändern würde?


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