[eigene Übersetzung nach Militant International Review, No 42, Winter 1990, S. 16-27]
Lynn Walsh geht der Frage nach, ob es möglich oder sogar wahrscheinlich ist, dass Polen und Ungarn in die Umlaufbahn des Kapitalismus zurückkehren könnten. Es gibt viele bedingte Faktoren.
Die politische Revolution hat begonnen. Die erderschütternde Bewegung der Bergarbeiter*innen von Workuta, Sibirien und der Ukraine im Jahr 1989 hat die herrschende Bürokratie in ihren Grundfesten erschüttert. Die Reformen Gorbatschows, die eine Revolution von unten verhindern sollten, haben weder die Krise der bürokratischen Wirtschaft gelöst noch die Forderungen der Arbeiter*innenklasse erfüllt. Die Veränderungen in der Sowjetunion haben darüber hinaus die Krise in den stalinistischen Staaten Osteuropas beschleunigt. Auf den Straßen Leipzigs, Dresdens und Berlins haben Millionen von Arbeiter*innen und Jugendlichen die herrschende Elite Ostdeutschlands zu einem plötzlichen, ungewollten Reformkurs gezwungen. Massendemonstrationen in Prag und anderen tschechischen Städten haben auch das Regime Husaks und Jakes‘ zu Fall gebracht, das 1968 im Gefolge von Breschnews Panzern errichtet worden war.
Die Bürokratie, eine „privilegierte und kommandierende Schicht“, „expropriierte das Proletariat politisch“ (Trotzki). Sie hat die Planwirtschaft in eine Sackgasse gelenkt. Ohne die demokratische Beteiligung der Arbeiter*innen können Wissenschaft, Technik und Produktion nicht vorangebracht werden. Die Bürokrat*innen, die durch ihre Privilegien von den Problemen der Gesellschaft abgekapselt und von Korruption durchsetzt sind, stellen eine immense Belastung für die Wirtschaft dar. Unter Gorbatschow greift die Führung zu einem Mittel nach dem anderen bei einem verzweifelten Versuch, einen Ausweg zu finden.
Mehr als 60 Jahre lang beherrschte das stalinistische Regime mit Hilfe eines monolithischen Repressions- und politischen Kontrollapparates die Gesellschaft wie ein eisernes Ungeheuer. Aber der herrschenden Kaste gelang es nicht, eine dauerhafte gesellschaftliche Position zu festigen. Obwohl sie einen byzantinischen Überbau der Kontrolle aufgebaut hat, wurde ihre Stärke durch einen unerbittlichen Zerfallsprozess aufgezehrt.
Der Monolith bekommt nun Risse. Die tiefe Trägheit der durch jahrzehntelangen politischen Terror atomisierten Völker weicht einer tiefgreifenden Gärung und explosiven Arbeiter*innenkämpfen. Die Ereignisse haben die politische Revolution auf die Tagesordnung gesetzt. Was wir gesehen haben, ist erst der Anfang. Die Geschichte verläuft jedoch selten geradlinig. Während die Bewegung in Richtung politische Revolution in der UdSSR, Ostdeutschland und der Tschechoslowakei an Fahrt gewinnt, scheint es paradoxerweise in Polen und Ungarn Bewegungen in Richtung Konterrevolution zu geben. In beiden Ländern haben sich reformistische Regierungen für eine umfassende Privatisierung der staatlichen Industrien und den Übergang zu einer vorwiegend marktwirtschaftlichen Ordnung ausgesprochen.
Von einigen unserer Leser*innen wurde die Frage aufgeworfen: Ist eine Rückkehr zum Kapitalismus jetzt in Polen und Ungarn möglich? Eine zweite dann gestellte Frage lautet: Wenn sie möglich ist, wie wahrscheinlich ist ein solcher konterrevolutionärer Übergang?
In Polen versucht die Solidarność-geführte Regierung Mazowiecki, die wirtschaftliche Katastrophe des Landes mit marktwirtschaftlichen Maßnahmen zu bekämpfen, indem sie unrentable Fabriken schließt, staatliche Subventionen kürzt und die Preise erhöht. Im Oktober ernannte die Regierung einen Privatisierungsminister, Krysztof Lis, der den Verkauf staatlicher Industrien und die Gründung von Kleinunternehmen überwachen soll. In Zusammenarbeit mit dem rechtsgerichteten britischen Adam-Smith-Institut, Handelsbanken und großen Wirtschaftsprüfern (wie Price Waterhouse) arbeitet die polnische Regierung Pläne für die Entstaatlichung des größten Teils des staatlichen Sektors aus, die innerhalb der nächsten zwei Jahre umgesetzt werden sollen. Gleichzeitig schlägt der reformistische Flügel der Kommunistischen Partei (offiziell Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) um Rakowski vor, die Partei in eine Demokratisch-Sozialistische Partei umzuwandeln, in der die Akzeptanz des Marktes ein zentraler Bestandteil des neuen Programms sein soll.
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie.
Und grün des Lebens goldner Baum.
Goethe
In Ungarn befürwortet der Reformflügel der Bürokratie unter der Führung von Pozsgay und Nyers eine marktwirtschaftliche Politik, Privatisierung und einen Appell an den Westen für Kapitalinvestitionen. Doch das Ungarische Demokratische Forum und andere Oppositionsgruppen werden die Ungarische Sozialistische Partei, die erneuerte Kommunistische Partei, bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr herausfordern. Führer*innen des Demokratischen Forums setzen sich sogar noch vehementer für einen Übergang zur Markt- (d.h. zur kapitalistischen) Wirtschaft ein.
Ganz klar ist ein Teil der herrschenden Elite bereit, die zentralisierte Planwirtschaft aufzugeben und eine Rückkehr zum Kapitalismus zu akzeptieren. 40 Jahre lang hat das Regime den Arbeiter*innen eine verzerrte, etatistische Fälschung des Sozialismus aufgedrückt. Jetzt ist ein „neues Management“ bereit, sich selbst für wirtschaftlich und politisch bankrott zu erklären und sich für die freiwillige Liquidation zu entscheiden. Dies ist ein neuer Faktor in der Lage.
Historisch war das vorrangige Ziel der Bürokratie die Erhaltung ihrer eigenen Privilegien und ihres Machtmonopols. Politisch hielt sie ihre Macht durch die Kontrolle des bonapartistischen Staatsapparats aufrecht. Letztlich verteidigte sie jedoch die Planwirtschaft als Grundlage ihrer Einkommensquelle.
Unter dem Druck der Arbeiter*innenbewegung, insbesondere des großartigen Kampfes in Polen 1980/81, begann der Einfluss der herrschenden Elite auf die Gesellschaft in die Brüche zu gehen. Die Unterstützung für die Regierungspartei der Bürokratie und die Akzeptanz der Ideologie und Methoden des Stalinismus schwanden. Die Mehrheit der Bürokrat*innen verlor das Vertrauen in ihre Fähigkeit, die Gesellschaft zu führen. Nach den Wahlen in Polen gestand der Herausgeber der Zeitung des Zentralkomitees der KP ein: „Jetzt können wir genauso gut die weiße Fahne der Kapitulation hissen. Die Partei ist erschöpft und unfähig, zu reagieren“.
Sie haben jede Hoffnung auf eine Rettung der Planwirtschaft aufgegeben. Unter ihrer Führung wurde sie durch Ineffizienz, Verschwendung und Korruption erstickt. Aber das Letzte, was sie tun würden, wäre, sich an die Arbeiter*innenklasse zu wenden, die allein die Fähigkeit hat, die Planwirtschaft voranzubringen. Demoralisiert durch die verstaatlichte Wirtschaft, sind sie durch den langen Nachkriegsaufschwung des Kapitalismus aus dem Gleichgewicht gebracht worden und besonders durch den Boom seit 1981 betört worden. Sie geben sich der Illusion hin, dass der Kapitalismus alle Antworten bereithält. Da ihnen marxistisches Verständnis völlig fehlt, sind die prokapitalistischen Intellektuellen nicht in der Lage, den ungleichmäßigen, oberflächlichen und vorübergehenden Charakter des „Reagan-Booms“ zu verstehen.
Die Reformer*innen bereiten nicht nur die Einführung von Marktelementen vor, was in der Vergangenheit in unterschiedlichem Maße versucht wurde. Sie schlagen eine Politik vor, die, wenn sie durchgesetzt wird, die Restauration des Kapitalismus bedeuten würde. Wie weit sie gehen werden, hängt nicht nur von den Ansichten und Absichten der derzeitigen polnischen und ungarischen Führer*innen ab. Aber im Moment liegt die Initiative in ihren Händen, und es wäre ein Fehler, die möglichen Folgen zu ignorieren.
Aber, so könnte man einwenden, sind die Errungenschaften der sozialen Revolution in der Sowjetunion und in Osteuropa trotz der Verzerrungen des Stalinismus nicht unumkehrbar? Nach der Beseitigung des Großgrundbesitzes und des Kapitalismus gibt es sicher kein Zurück mehr? Wird die Bürokratie nicht die Planwirtschaft als Grundlage für ihre Privilegien und ihre Macht verteidigen? Wird nicht vor allem das Proletariat für die Verteidigung der gesellschaftlichen Verhältnisse kämpfen, die trotz der stalinistischen Deformationen den historischen Interessen des Proletariats entsprechen? Die Planwirtschaft hat die Entwicklung von Länder wie Polen und Ungarn zu überwiegend städtischen Industriegesellschaften sichergestellt, die über eine Grundversorgung der Arbeiter*innen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales verfügen. Würde ein Versuch, diese sozialen Errungenschaften zu zerstören, nicht einen konterrevolutionären Angriff auf die Arbeiter*innenklasse erfordern, einen Bürgerkrieg, um den Widerstand der Arbeiter*innenklasse zu zerschlagen?
Ein Teil der Elite ist bereit, die Planwirtschaft aufzugeben und zum Kapitalismus zurückzukehren
Dies sind entscheidende Fragen. Aber sie lassen sich nicht allein durch die Anwendung allgemeiner Prinzipien lösen, so richtig sie auch sein mögen. 1936 schrieb Leo Trotzki sein brillantes Buch „Die verratene Revolution“, das immer noch die aktuellste Analyse des Stalinismus ist. Darin warnte er, dass der Übergangscharakter des deformierten Arbeiter*innenstaates (die Sowjetunion, zu der nach 1945 die osteuropäischen Staaten hinzukamen: Staaten zwischen Kapitalismus und Sozialismus) bedeutet, dass „fertige soziale Kategorien“ aufgegeben werden müssen.
„Doktrinäre […] möchten kategorische Formulierungen: ja ja, nein nein. Die soziologischen Fragen würden ohne Zweifel einfacher aussehen, wenn die sozialen Erscheinungen immer vollendet wären. Nichts ist jedoch gefährlicher, als auf der Suche nach logischer Vollendung aus der Wirklichkeit die Elemente auszumerzen, die bereits heute das Schema verletzen, morgen aber es vollends über den Haufen werfen können. In unserer Analyse hüten wir uns am meisten davor, der Dynamik des gesellschaftlichen Werdens, das keine Vorläufer und keine Analogien kennt, Gewalt anzutun.“ (S. 255) Dies ist die Methode, die auf die komplexen zeitgenössischen Entwicklungen in der UdSSR und in Osteuropa angewendet werden muss.
Kein gesellschaftliches Kräfteverhältnis ist unveränderlich
Kein gesellschaftliches Kräfteverhältnis, auch wenn sie fortschrittliche Veränderungen in den grundlegenden Eigentumsverhältnissen darstellen, ist unveränderlich. Die Bürokratien in Polen und Ungarn haben, wie die sowjetische Elite, die staatliche Industrie als Grundlage ihrer Privilegien verteidigt. Aber wie ihre russischen Pendants bieten sie (wie Trotzki sagte) schon seit langer Zeit „für eine sozialistische Richtung ihrer Politik keinerlei subjektive Garantien mehr“ Trotzki verwies auf Lenins Warnung von 1922 vor den Gefahren der Bürokratisierung: „,Die Geschichte kennt alle möglichen Sorten von Metamorphosen: sich auf Überzeugungstreue, Ergebenheit und sonstige prächtige seelische Eigenschaften verlassen – das sollte man in der Politik ganz und gar nicht ernst nehmen.‘ Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ (S. 251) Der Zerfall der zentralen Planwirtschaft, der in Polen durch Kämpfe verschärft wurde, denen es nicht gelang, die degenerierte Bürokratie durch eine Arbeiter*innendemokratie zu ersetzen, hat ein komplexes, widersprüchliches Bewusstsein geschaffen.
Darüber hinaus fand die gesellschaftliche Transformation in Osteuropa nach dem Krieg nicht unter den klassischen Bedingungen der Revolution statt, wie sie Lenin und Trotzki voraussahen. Sie hatten von Anfang an einen eigentümlichen, bonapartistischen Charakter. Anders als in Russland im Oktober 1917 wurde die Beseitigung des Kapitalismus nicht unter der bewussten Führung der Arbeiter*innenklasse durchgesetzt. Die Tradition des Oktobers 1917 und die Tradition des Kampfes der Linken Opposition gegen Stalins Reaktion sind entscheidende Faktoren, die die Sowjetunion bis heute von den osteuropäischen Staaten unterscheiden.
In Osteuropa gab es nach Kriegsende Bewegungen. Aber der Kampf der Klassenkräfte innerhalb der verschiedenen osteuropäischen Länder war nicht der entscheidende Faktor. Die Veränderungen innerhalb dieser Staaten wurden von den internationalen Beziehungen zwischen dem Stalinismus und dem Imperialismus beherrscht. Die Entwicklungen in Osteuropa können nicht losgelöst von ihrer Geschichte und den Veränderungen nach 1945 verstanden werden.
Der Stalinismus ging aus dem Krieg enorm gestärkt hervor, während die geschwächten kapitalistischen Mächte gezwungen waren, ihr Kriegsziel, Osteuropa zu besetzen, aufzugeben. (Gleichzeitig verlor der Imperialismus China und war gezwungen, Schritt für Schritt die direkte Herrschaft über die Kolonialländer aufzugeben; während in den fortgeschrittenen Ländern die Restabilisierung des Kapitalismus nur auf der Grundlage massiver Zugeständnisse an die Arbeiter*innenklasse stattfand). Der Preis, den der Kapitalismus für die Verbrechen Hitlers zahlte, war der Verlust Osteuropas. Die alte kapitalistische Ordnung brach mit der Niederlage Hitlers und dem Zusammenbruch seiner Quisling-Regierungen zusammen. Stalins siegreiche Rote Armeen marschierten in ein Vakuum ein.
Die vom Kreml eingesetzten neuen Regierungen stützten sich auf die Arbeiter*innen, die die sowjetischen Streitkräfte zunächst als Befreier*innen begrüßten. Doch die Macht der Roten Armeen, die rasch durch einen Sicherheits- und Parteiapparat ergänzt wurde, sorgte für die Errichtung von Regimen nach Stalins eigenem totalitären Modell. Das Erzwingen des Wandels von oben durch die russische Bürokratie fügte dem verzerrten sozialen Wandel eine nationale Komplikation hinzu. Von Anfang an war die Opposition gegen die totalitären Regime in Polen und Ungarn (Klienten der Kreml-Bürokratie) mit der Opposition gegen die nationale Unterdrückung verknüpft. Nach 1956, durch die Reformen in Polen und die brutale Niederschlagung des Aufstands in Ungarn, schlugen beide Regime (unter Gomulka bzw. Kadar) einen unabhängigeren national-bürokratischen Kurs ein. Als es wirtschaftlichen Fortschritt gab, konnten sie sich eine gewisse gesellschaftliche Basis sichern. Dennoch ist die historische Verbindung der Regime (insbesondere des polnischen) mit der russischen Herrschaft und Intervention immer noch ein starker Faktor, der die Unterstützung für den nationalen Stalinismus untergräbt.
Die Beziehungen zwischen der UdSSR und Osteuropa, die jahrzehntelang in Beton gegossen zu sein schienen, scheinen nun wie Sand aus der Form zu laufen. Unter dem Eindruck explosiver Ereignisse bricht die Nachkriegsordnung zusammen.
Die Ideen Trotzkis in Bezug auf den Stalinismus und die politische Revolution bleiben für Marxist*innen absolut unverzichtbar, um Perspektiven zu erarbeiten. Aber sie bieten kein vorgefertigtes Schema, in das alle Ereignisse eingepasst werden können. Sie stellen eine Methode dar, die auf die lebendige Realität angewandt werden muss.
Es sollte nicht vergessen werden, dass Trotzkis Perspektive für die Sowjetunion, die er vor dem Zweiten Weltkrieg formulierte, durch den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse in mancher Hinsicht widerlegt wurde. Seine Vorhersage, dass es entweder eine politische Revolution mit dem Sturz der Bürokratie durch die Arbeiter*innenklasse oder die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion geben würde, erwies sich als verfrüht. Ebenso wenig wie alle anderen Marxist*innen konnte er den genauen Verlauf der Ereignisse und insbesondere das Tempo und den Zeitrahmen vorhersagen, die durch den Kampf der lebendigen gesellschaftlichen Kräfte und nicht durch Blaupausen bestimmt werden.
Dem Marxismus zufolge lässt sich die Bestimmung aller Ereignisse durch Ketten von materiellen Ursachen und Wirkungen zurückverfolgen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Ereignisse vorherbestimmt sind. Die Komplexität der beteiligten Faktoren, einschließlich eines Zufallselements, und vor allem der potenziell entscheidende Faktor des Bewusstseins, der im Voraus nicht genau abzuschätzen ist, machen es unmöglich, den genauen Verlauf der Ereignisse vorherzusagen.
Marxist*innen müssen sich auf Perspektiven stützen, auf eine Einschätzung der wichtigsten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Tendenzen und ihrer wahrscheinlichen Entwicklung. Alle Perspektiven sind bedingt. Sie müssen ständig an den realen Prozessen überprüft und im Lichte der tatsächlichen Ereignisse korrigiert werden.
„Die wissenschaftliche wie die politische Aufgabe“, schreibt Trotzki, ‚besteht nicht darin, einen unvollendeten Prozess mit einer vollendeten Definition zu versehen, sondern darin, ihn in all seinen Etappen zu verfolgen, seine fortschrittlichen und reaktionären Tendenzen herauszuschälen, deren Wechselwirkung aufzuzeigen, die möglichen Entwicklungsvarianten vorauszusehen und in dieser Voraussicht eine Stütze fürs Handeln zu finden.“ (S. 256)
Militant und Militant International Review haben seit einiger Zeit die theoretische Möglichkeit einer kapitalistischen Restauration in Polen und Ungarn aufgeworfen. Nur wenige Marxist*innen würden gegen eine solche „theoretische Möglichkeit“ anstreiten. Aber es wäre ein Fehler, sie nur als eine rein hypothetische Möglichkeit zu betrachten, die in der Praxis ausgeschlossen sei. Aufgrund der Konstellation, die sich in Polen und Ungarn entwickelt hat, müssen Marxist*innen die Idee einer Restauration des Kapitalismus als eine mögliche Entwicklung betrachten, auch wenn sie nicht die wahrscheinlichste ist.
Diese Konstellation ist entstanden durch (1) die Krise der Bürokratie in der UdSSR, die ihre Macht über Osteuropa geschwächt hat, (2) die wirtschaftliche Katastrophe mit der Fäulnis und dem Zusammenbruch der Bürokratie in Polen und zunehmend in Ungarn und (3) die politische Schwäche der Arbeiter*innenklasse in Polen und Ungarn, vor allem die Schwäche des subjektiven Faktors: das Fehlen marxistischer Kräfte, die in der Lage sind, die Arbeiter*innen mit dem Programm der politischen Revolution zu bewaffnen.
Wenn eine konterrevolutionäre Entwicklung durchgeführt oder auch nur teilweise durchgeführt würde, wäre dies zweifellos ein erschwerender Faktor für die Entfaltung der politischen Revolution im Osten Europas. Aber das Programm und die Perspektiven der politischen Revolution würden dadurch keineswegs außer Kraft gesetzt werden. Die kapitalistische Restauration könnte nur ein vorübergehender Rückschlag in der laufenden revolutionären Bewegung sein – als Ergebnis der Verzögerung der entscheidenden Bewegung des Proletariats in der UdSSR, Ostdeutschland und anderen Staaten.
Welche Bedingungen machen eine kapitalistische Restauration in Polen und Ungarn möglich?
Lassen wir für einen Moment die Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung beiseite und beschäftigen wir uns mit der Frage: Was sind die Bedingungen, die eine kapitalistische Restauration in Polen und Ungarn möglich machen?
Polen ist das entscheidende Land in dieser potenziell konterrevolutionären Konstellation. Der Verlauf der Ereignisse dort hat große Auswirkungen auf die Lage in Ungarn (wie auch in Ostdeutschland und der Tschechoslowakei) gehabt. Der Kampf der Arbeiter*innen um Solidarność in den Jahren 1980-81 war eine weitreichende Bewegung in Richtung politische Revolution. Der Aufruhr in Polen kristallisierte die Krise der Bürokratie in der UdSSR und beschleunigte den Prozess, der Gorbatschow an die Spitze brachte. In Polen selbst gingen die Arbeiter*innen bis zur Schwelle eines Kampfes, um die Bürokratie zu stürzen und die Macht in ihre eigenen Hände zu nehmen. Die fortschrittlichsten Sektionen von Solidarność forderten die Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft durch Arbeiter*innensowjets, die Bildung einer Arbeiter*innenmiliz und den Ausschluss der Bürokrat*innen aus allen Führungs- und Verwaltungsgremien. Diese großartige Bewegung wurde von der Solidarność-Führung verraten, die von Wałęsas „Berater*innen“, Akademiker*innen und katholischen Intellektuellen, dominiert wurde. Sie suchten feige den Kompromiss mit der polnischen Bürokratie und die „selbstbeschränkende“ Anpassung an das Kreml-Regime. Dieser Bankrott, verbunden mit dem fatalen Fehlen einer alternativen marxistischen Führung in den Reihen der Arbeiter*innen, ebnete den Weg für die Niederlage. Jaruzelski schritt ein, um die Macht der Bürokratie durch eine Militärregierung wiederherzustellen. Die Repression allein erwies sich jedoch als unfähig, den polnischen Stalinismus zu stabilisieren. „Keine einzelne Kraft auf der polnischen politischen Bühne“, gab Jaruzelski zu, „ist in der Lage, die Probleme zu lösen, vor denen unser Land steht.“ „Independent“, 8. Juli 1989.
Lange Zeit beanspruchte die Kommunistische Partei, die politische Front der Bürokratie, ein Machtmonopol und rechtfertigte dies unter dem zweckentfremdeten Banner des „Marxismus-Leninismus“. Nun gibt Jaruzelski zu, dass die Partei-Bürokratie nicht in der Lage ist, die Probleme zu lösen. Aber die andere wichtige Kraft, die Arbeiter*innenklasse, ist auch unfähig, die Probleme in dieser Phase zu lösen – aufgrund ihrer subjektiven Schwäche, des fehlenden marxistischen Bewusstseins. Der ehemalige Militärdiktator verkündete daher seine Bekehrung zu „Dialog und Kompromiss“ und stützte sich zunehmend auf Solidarność, wobei er Wałęsa und seine Berater*innen in das Regime hineinzog.
Deren Unterstützung für „ein Bündnis der demokratischen Opposition mit dem reformistischen Flügel des Regierungslagers“ (Adam Michnik) ermöglichte es, die Solidarność zu benutzen, um die Arbeiter*innen zurückzuhalten und die Sparmaßnahmen durchzusetzen. „Lange Zeit konnten die Menschen nicht streiken, also musste jemand für sie kämpfen“, erklärte der ehemalige Dissident und heutige Arbeitsminister Jacek Kuroń: „Das habe ich getan. Früher habe ich bei Streiks mitgewirkt. Jetzt muss ich sie auslöschen“. „Wall Street Journal“, 10. November 1989. Dieses informelle Bündnis gipfelte in den Wahlen vom Juli letzten Jahres, die zu einer schmachvollen Streichung der Kandidat*innen der Kommunistischen Partei (PUWP) und zu einem überwältigenden Sieg von Solidarność bei den 35 Prozent der Sitze, die sie antreten durften, führten. Jaruzelski war gezwungen, an eine Koalitionsregierung zu übergeben, die von den Führer*innen der Solidarność dominiert wurde.
Solidarność von 1989 ist nicht mehr Solidarność von 1980/81. Ihre Mitgliederzahl ist auf etwa 2,2 Millionen zurückgegangen, gegenüber 10 Millionen in der Blütezeit. Die offizielle Gewerkschaftsorganisation (OPZZ) gibt an, sieben Millionen Mitglieder zu haben. In einigen Konflikten der letzten Zeit war die OPZZ eher ein Vehikel für die Arbeiter*innen, um ihre Interessen zu verteidigen, als Solidarność. Ein OPZZ-Führer, der behauptet, dass sie die echte Opposition seien, sagte: „Wir sind nicht an der Regierung beteiligt. Unsere Forderungen können radikaler werden als die der Regierungsgewerkschaft Solidarność.“ „Wall Street Journal“.
Während die Beteiligung der Arbeiter*innen in der Solidarność zurückgegangen ist, wurde ihre Führung vollständig von Intellektuellen beherrscht, die für eine Rückkehr zum Kapitalismus eintreten. Die Degeneration der Solidarność-Führung wurde durch Wałęsas erbärmlichen Auftritt in den USA unterstrichen. Zu Hause hat Wałęsa versucht, sich von Mazowieckis hartem Vorgehen zu distanzieren. Doch in den USA verkündete er schamlos, Polen stehe zum Verkauf: „Wir suchen Käufer für 80 Prozent der polnischen Wirtschaft. Wir können sie in Polen nicht finden, weil die Polen zu arm sind.“ Er sagte den Geschäftsleuten: „Sie können Milliarden und Abermilliarden von Dollar machen.“ In seiner Rede auf dem Gewerkschaftstag der AFL-CIO versuchte Wałęsa lahm, „das Schicksal eines polnischen Gewerkschafters zu erklären, der eine Werbekampagne für das private Unternehmertum starten muss.“ Sogar die „Financial Times“ kommentierte den Kontrast zwischen „der militanten Atmosphäre“ auf dem AFL-CIO-Gewerkschaftstag und „Herrn Wałęsas Appell an das US-Kapital“. 15. November 1989.
Paradoxerweise stehen Führer*innen, die von Arbeiter*innenkämpfen an die Macht gebracht wurden, jetzt für kapitalistische Restauration.
Das Paradoxe an Polen ist, dass die Führer*innen, die von einer starken Oppositionsbewegung der Arbeiter*innen an die Macht gebracht wurden, die neue Partei der Konterrevolution und der kapitalistischen Restauration sind. Obwohl viele von ihnen formal Dissident*innen waren und in einigen Fällen (wie Kuroń) von dem strengen Regime von Gierek und Jaruzelski verfolgt oder inhaftiert wurden, bilden sie dennoch den liberalen, prokapitalistischen Flügel der herrschenden Elite. Sie geben sich der Illusion hin, dass es einen schrittweisen, evolutionären Übergang vom „totalitären System des stalinistischen Kommunismus“ zur „parlamentarischen Demokratie“ auf der Grundlage einer Rückkehr zum Kapitalismus geben könne.
Gleichzeitig versucht der polnische KP-Führer Mieczysław Rakowski, die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei in eine Demokratische Sozialistische Partei zu verwandeln. Früher, als er noch als politischer Gefolgsmann Jaruzelskis fungierte, bezeichnete Rakowski Wałęsa als „verschlagenen und ignoranten Bauern“ und seine Berater als „kleine Scheißer“. Doch alle bürokratischen Bemühungen seit 1981, die KP wieder aufzubauen, sind gescheitert. Offiziell hat sie 2,2 Millionen Mitglieder, in Wirklichkeit sind es wahrscheinlich weniger als 800.000, das Durchschnittsalter wird auf 47 Jahre geschätzt. Überall im Land werden KP-Funktionär*innen aus ihren Büros in den Fabriken geworfen. „Die Partei muss eine Front der sozialen Linken bilden“, sagt Politbüromitglied Leszek Miller, der sich über die Wahlniederlage der KP ärgert. „Andernfalls werden wir unweigerlich an den Rand des politischen Lebens gedrängt und nicht nur von Solidarność, sondern auch von anderen politischen Kräften dominiert und verdrängt.“ Dies ist ihre Notlage, nachdem sie 40 Jahre lang die Macht monopolisiert haben.
Die KP-Bürokratie kontrollierte nicht nur das politische Leben, sondern auch die Literatur, das Theater und andere kulturelle Aktivitäten, die Wissenschaft, die Bildung, den Sport und viele andere Bereiche der Gesellschaft. Dennoch zeigen die Wahlergebnisse vom Juli und die Meinungsumfragen, dass bei völlig freien Wahlen nur drei Prozent für die KP stimmen würden. Deshalb haben Rakowski und seine Mitstreiter*innen, zumindest vorläufig, den Weg der Reformen eingeschlagen.
Eine ähnliche Entwicklung findet in Ungarn statt. Unter Teilen der Arbeiter*innen gibt es eine starke Opposition sowohl gegen die stalinistischen Hardliner, die unter Kadar regierten, als auch gegen den prokapitalistischen reformistischen Flügel um Pozsgay. Aber in diesem Stadium hat sich die Opposition noch nicht herauskristallisiert oder um ein klares marxistisches Programm herum organisiert. Die Niederlage der Solidarność nach 1980/81 und das darauffolgende Chaos in Polen hatten eine große Auswirkung auf die ungarischen Arbeiter*innen: „Wenn wir in den Kampf ziehen, werden wir dann nicht wie Polen enden?“ Die blutige Unterdrückung nach dem Aufstand von 1956 und die harte Repression in den ersten Jahren der Regierung Kadar waren ein verheerender Schlag für das ungarische Proletariat. Die stalinistische Reaktion nach 1956 lastet noch immer wie ein Albtraum auf ihrem Bewusstsein. In Ermangelung klarer marxistischer Perspektiven, die einen Kampf inspirieren und leiten könnten, gibt es bei vielen Arbeiter*innen in dieser Phase ein Zögern, in den Kampf zu ziehen.
Gorbatschow hat erklärt, dass der Kreml nicht in Polen oder Ungarn intervenieren werde. Die Breschnew-Politik der militärischen Invasion, wie in Ungarn und in der Tschechoslowakei 1968, wurde abgelehnt. Als Mazowiecki kürzlich Moskau besuchte, schien Gorbatschow Unterstützung für die weitreichende Marktpolitik der Solidarność auszudrücken. Er ist bereit, Polen in den kapitalistischen Orbit eintreten zu lassen. Er beugt sich dem Druck des Imperialismus – ein Spiegelbild der politischen Degeneration der Kremlführung.
Gorbatschows unmittelbare Politik in Osteuropa besteht darin, die Reformer*innen gegen die alte Garde zu unterstützen, die in der Breschnew-Zeit installiert wurde. Es ist zweifelhaft, ob Gorbatschow überhaupt eine klare Politik auf längere Sicht verfolgt. Sollte es zu Aufständen der Arbeiter*innen in Osteuropa kommen, ist ein militärisches Eingreifen der Kreml-Bürokratie nicht ausgeschlossen, egal was Gorbatschow jetzt sagt. Im Moment ist der Reformflügel in der UdSSR, der mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, jedoch nicht bereit, massive Mittel zur Rettung der verstaatlichten Wirtschaft in Polen oder Ungarn bereitzustellen.
Niemand bestreitet, dass Polen vor einer Wirtschaftskatastrophe steht. Die Schwerindustrie, die zumeist stark veraltet ist, befindet sich im dem Rückgang. Viele Werften, Stahlwerke und Fabriken liegen praktisch brach oder sind stark unterausgelastet. Die Kohleproduktion, für die es keine modernen Anlagen gibt, ist rückläufig. Als Balcerowicz Sparmaßnahmen ankündigte, gab er zu, dass die polnischen Arbeiter*innen bereits 10 Jahre lang unter einem sinkenden Lebensstandard gelitten hätten.
Die im Inland hergestellten Konsumgüter sind für ihre schlechte Qualität und chronische Knappheit berüchtigt. Lebensmittel sind in den Geschäften und auf den Märkten sehr knapp. Drei Viertel der Landwirtschaft wird privat betrieben, aber die höheren Kosten für Düngemittel und Treibstoff haben die Landwirt*innen veranlasst, die Produktion einzustellen oder ihre Preise zu erhöhen. Die Kürzung der staatlichen Subventionen und die Schwarzmarktpreise haben die Inflation auf über 850 Prozent ansteigen lassen, und es wird erwartet, dass sie im nächsten Jahr über 2000 Prozent liegen wird. Einige Arbeiter*innen tauschen ihre Löhne jetzt am Zahltag in Dollar um und tauschen sie später zurück, um von einem besseren Wechselkurs zu profitieren, da der Złoty gegenüber dem Dollar weiter fällt.
Der wirtschaftliche Zerfall hat die Unterstützung der Arbeiter*innen für den stalinistischen „Sozialismus“ untergraben
Der Zerfall der Planwirtschaft und der Zusammenbruch des Lebensstandards haben die Unterstützung der Arbeiter*innen für den „Sozialismus“ untergraben, der in ihrer Erfahrung mit einer bürokratisch fehlgeleiteten Wirtschaft gleichgesetzt wird.
Das Haushaltsdefizit der Regierung beträgt 3.600 Mrd. Zł. (930 Mio. £), und Polen hat Schulden in Höhe von 39 Mrd. £ bei ausländischen Gläubigern. Die stalinistischen Funktionär*innen haben alle wirtschaftlichen Mittel ausgeschöpft, die den bürokratischen „Planer*innen“ bekannt sind, und sind nun durch die reformistischen Oppositionsführer*innen ersetzt worden. In ihre Ministersessel gefläzt, besteht ihre Lösung darin, die Arbeiter*innen durch brutale deflationäre Maßnahmen für alle angehäuften Fehler der Bürokratie bezahlen zu lassen. Sie sind bereit, die sozialen Errungenschaften der letzten 30 Jahre aufzugeben und den Schrecken des Kapitalismus Tür und Tor zu öffnen.
In Polen und Ungarn haben Bürokrat*innen bereits kleinere Staatsbetriebe übernommen oder eigene Privatunternehmen gegründet. Es ist, als ob sie sich Marx‘ ironische Parodie auf Goethe zu Herzen genommen hätten: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und nur das business ist grün.“ (Brief an Engels, 20. August 1862) Das Adam-Smith-Institut stellt fest, dass „unter der kommunistischen Regierung Rakowski einige ‚korrupte‘ Privatisierungen erlaubt wurden, bei denen Parteibeamte Unternehmen privatisieren und Vermögenswerte abziehen konnten“.
In jüngster Zeit „gab es eine Reihe von Rücktritten, bei denen Apparatschiks in private Unternehmen wechselten oder, in einigen wenigen Fällen, Anteile an neu privatisierten staatlichen Unternehmen kauften, die sie früher leiteten.“ „Times“, 12. September 1989.
Jetzt bereitet die Mazowiecki-Regierung einen massiven Ausverkauf von Staatsbetrieben vor. Der Mythos wird verbreitet, dass die neuen Unternehmen im Besitz von Millionen von Arbeiter*innen sein würden. „ Jedoch“ räumt das Adam-Smith-Institut ein: „ist es klar, dass die polnischen Bürger nicht über große Geldbeträge verfügen, die sie nur darauf warten, für Anteile an staatlichen Unternehmen auszugeben.“ In Wirklichkeit werden die Eigentumsverhältnisse schnell von den Bürokrat*innen, die über das nötige Fachwissen, die Verbindungen und die Macht zum Erwerb von Vermögenswerten verfügen, und den internationalen Banken, die einen schwachen polnischen Kapitalismus beherrschen würden, dominiert werden.
In seinem Buch „Verratene Revolution“ beschreibt Trotzki die Möglichkeit einer Rückkehr zum Kapitalismus: „Das Planprinzip würde während der Übergangszeit hinauslaufen auf eine Reihe von Kompromissen zwischen der Staatsmacht und den einzelnen „Genossenschaften“, d.h. den potentiellen Besitzern, zusammengesetzt aus Sowjetindustriekapitänen, ehemaligen emigrierten Besitzern und den ausländischen Kapitalisten.“ (S. 252) Heute stehen die ehemaligen polnischen Eigentümer nicht mehr in den Startlöchern, aber ansonsten trifft der Punkt genau zu.
Einer der Befürworter des Übergangs zur Marktwirtschaft in Polen, Professor Bartłomiej Kaminski, warnte kürzlich, dass ohne „vorherige De-Konzentration und De-Monopolisierung“ die „Wirtschaftsdiktatur eines kommunistischen Staates durch die Diktatur der privaten Monopole ersetzt wird.“ Die „Industriestruktur ist hochkonzentriert … der Anteil der Großunternehmen in verschiedenen Branchen ist unvergleichlich höher als in den westlichen Industrieländern“. „Financial Times“ vom 28. September 1989.
Wenn die Monopole nicht aufgebrochen werden, schreibt Kaminski, wird die Nomenklatura, die oberste Schicht der Bürokratie, nicht aufgelöst werden, sondern einfach als neues „privatwirtschaftliches“ Management wieder auftauchen. „Da zu den pathologischen Tendenzen von Monopolen grobe Inkompetenz, gefüllte Gehaltslisten und die regelrechte Ausplünderung von Unternehmen gehören, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass die polnische Wirtschaft ihre chronische Ineffizienz aufgeben wird“, warnt Kaminski. Aber das Gegenmittel des Professors, die „Autonomisierung“ oder die Aufspaltung der Monopole in kleinere Unternehmen, ist ebenso sinnlos.
Die in der Kämpfenden Solidarność Aktiven sind erbitterte Gegner*innen die Politik von Mazowiecki und Co. Noch breitere Schichten der Arbeiter*innen würden durch umfassende kapitalistische Maßnahmen in den Kampf getrieben, die unweigerlich zu Massenarbeitslosigkeit, galoppierenden Preisen auf dem freien Markt und drastischen Kürzungen der Sozialleistungen führen würde. Leszek Balcerowicz, der neue Finanzminister, hat bereits gewarnt, dass „der Lebensstandard zusammenbrechen wird“. „Times“ vom 12. September 1989. Während die Preise ihr eigenes Niveau finden sollen, sollen die Löhne durch eine Einkommenspolitik gedämpft werden.
Es gibt eine Stimmung von Verwirrung und Verzweiflung unter vielen Arbeiter*innen
Aber würde die Mazowiecki-Regierung so weit gehen können? Einige fortgeschrittene Arbeiter*innenschichten haben zweifellos weitreichende Schlussfolgerungen aus der Niederlage von 1980-81 und der darauf folgenden Zeit der Militärherrschaft und Wirtschaftskrise gezogen. Aber in breiteren Schichten haben der massive Rückschlag des Kampfes und das soziale Chaos zu Verwirrung und Verzweiflung geführt.
„Zehntausende von Polen reisen jährlich nach Westdeutschland und in andere westliche Länder, um Arbeit zu suchen …“ „Wall Street Journal“ 10. November 1989. Viele ziehen es jetzt vor, sich im Westen niederzulassen. Mit dem Exodus aus Ostdeutschland erkundigten sich Hunderte nach Arbeitsplätzen in der DDR. Ohne marxistische Anführer*innen, die die Ereignisse erklären und eine Perspektive für einen erneuten Kampf geben können, sind solche Stimmungen unvermeidlich.
Viele Arbeiter*innen betrachten Mazowiecki und Wałęsa als Verräter. Aber es gibt auch weit verbreitete Illusionen in die gegenwärtige Solidarność-Führung, auch in Teilen der Arbeiter*innen. Meinungsumfragen zufolge stimmten vier Fünftel der Befragten Mazowieckis Auswahl der Minister*innen für sein Kabinett zu. Zwei Drittel der Befragten räumten der Regierung „gute Chancen“ ein, die Krise zu überwinden. Solche Umfragen sind möglicherweise nicht repräsentativ und müssen mit Vorsicht behandelt werden. Aber diese Indikatoren dürfen nicht völlig ignoriert werden. Solche Ergebnisse spiegeln zweifellos das Klammern an den Strohhalm der Hoffnung wider, dass es einen Ausweg geben „muss“. Ein örtlicher Solidarność-Aktivist, ein älterer Arbeiter, der den Kampf von 1980-81 und die Zeit des Widerstands im Untergrund miterlebt hat, sagt: „Es gibt eine Grenze der Leidensfähigkeit. Aber wir müssen diese Regierung unterstützen“. „Wall Street Journal“, 10. November 1989.
Das Missmanagement, die Ineffizienz und die Verschwendung in der Industrie unter der Leitung der Bürokratie haben Teile der Arbeiter*innen dazu bewogen, die Privatisierung zu unterstützen. Die Arbeiter*innen der Ursus-Traktorenfabrik in der Nähe von Warschau, die 10.000 Beschäftigte hat und eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Solidarność spielte, haben mit Streik gedroht. Sie fordern „eine Form der Privatisierung … und haben der Unternehmensleitung das Misstrauen ausgesprochen, weil sie es versäumt hat, einen radikalen Wandel einzuleiten.“ „Independent“ 20. November 1989. Sie wollen eine Ursus-Aktiengesellschaft: „Vielleicht wäre eine Mischung aus Belegschaftseigentum und Staatseigentum das Beste.“
Auch hier hat Trotzki eine solche Entwicklung brillant vorausgesehen. Im Falle eines Zusammenbruchs der Planwirtschaft würden die „erfolgreichsten Unternehmungen […] sich beeilen, selbständige Wege zu gehen. Sie könnten sich in Aktiengesellschaften umwandeln oder eine andere transitorische Eigentumsform finden, etwa mit Gewinnbeteiligung der Arbeiter.“ „Die verratene Revolution“, S. 251. Die Ursus-Solidarność-Führer*innen sagten: „Die neue Leitung zahlt uns vielleicht nicht mehr als die alte Leitung, aber das ist eine Investition in die Zukunft.“ Da die stalinistische Misswirtschaft bewiesen hat, dass sie keine Zukunft hat – und in Ermangelung des subjektiven Faktors: eines alternativen marxistischen Programms zur Entwicklung der Wirtschaft – greifen die Arbeiter*innen verzweifelt nach der Illusion einer kapitalistischen Rettung.
Schritte zu einem schnellen, vollständigen Übergang zum Kapitalismus werden zweifellos von einem Kampf der Arbeiter*innen beantwortet werden. Aber wegen der Niederlage nach 1980/81 und ohne marxistische Führung kann eine weitere Niederlage der Arbeiter*innen nicht ausgeschlossen werden.
Wenn es der Bürokratie gelingt, den größten Teil des Staatseigentums zu privatisieren, würde sie damit den Staat an die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse anpassen. Eine herrschende Kaste, in der es bereits ein erbliches Element gibt, bei dem Positionen und Privilegien von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden, würde zu einer eigentumsbesitzenden Klasse werden. Die Direktor*innen der Trusts würden sich, wie Trotzki es ausdrückte, ebenfalls in Aktionär*innen verwandeln.
Es würden sich Verbindungen zum Kapitalismus im Westen entwickeln, wobei die polnischen Kapitalist*innen eine untergeordnete Position als Klient*innen ihrer mächtigeren ausländischen Patron*innen einnehmen würden. Eine entstehende Kapitalist*innenklasse würde sich den bonapartistischen Staat zunutze machen, um den Übergang zu erzwingen und ihre neue Position zu festigen. Würde eine besitzende Klasse an die Stelle der herrschenden Kaste treten, schrieb Trotzki, „so fände letztere unter den heutigen Bürokraten, Administratoren. Technikern, Direktoren, Parteisekretären, überhaupt privilegierten Spitzen, nicht wenig willige Diener. Eine Säuberung des Staatsapparates wäre natürlich auch in diesem Falle erforderlich, doch brauchte die bürgerliche Restauration wahrscheinlich weniger Leute zu entfernen als eine revolutionäre Partei.“ „Die verratene Revolution“, S. 253.
Die Solidarność-Führer*innen, die von den kapitalistischen Führer*innen im Westen angefeuert werden, argumentieren (wie Professor Kaminski), dass „ohne die Einführung einer Marktwirtschaft der Übergang zur Demokratie nicht zustande kommen wird.“ Das ist völlig falsch. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Hat der Markt die Demokratie in Südkorea, in Taiwan oder in Brasilien garantiert – mit anderen Worten, selbst in den am schnellsten wachsenden der „neu industrialisierten“ Länder? In Chile wurde die monetaristische Politik des freien Marktes unter Pinochet mit einer brutalen Militärdiktatur kombiniert.
Dennoch hat die Erfahrung des Stalinismus, die im Bewusstsein des polnischen Volkes mit der historischen nationalen Unterdrückung durch Russland verbunden ist, dazu beigetragen, weit verbreitete Illusionen in den Mythos zu nähren, dass der Westen Freiheit bedeute und der Markt Demokratie garantiere. Für viele Arbeiter*innen wird „Marxismus“ mit Stalinismus gleichgesetzt, „Arbeiter*innendemokratie“ mit dessen totalitärer Perversion, „Internationalismus“ mit russischer Intervention.
In seinem Papier „Hilfe für Polen“ räumt das Adam-Smith-Institut ein, dass die Privatisierung katastrophale soziale Folgen haben würde. Millionen von Menschen würden arbeitslos und könnten ihre Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung und Heizung nicht mehr befriedigen. Die Hohepriester des freien Unternehmertums schlagen großzügig einen „Sozialfonds“ vor, der „bei der Verteilung von Lebensmittelhilfe, der Einrichtung von Lebensmittelküchen usw. eine Rolle spielen“ soll. Aber eine solche Hilfe „sollte als vorübergehend angesehen werden“. Die schrecklichen sozialen Auswirkungen des Kapitalismus wären jedoch alles andere als „vorübergehend“, insbesondere wenn die Weltwirtschaft in der nächsten Zeit in eine Rezession oder eine schere Krise gerät.
Ein kapitalistisches Polen wäre wie Argentinien, nicht wie Schweden
Die Vorstellung von einem polnischen „Schweden“ mit einem wohlhabenden Sozialstaat ist eine Illusion. So gibt Schweden beispielsweise 10 Prozent seines Haushalts für das Gesundheitswesen aus, während es in Polen nur drei Prozent sind, und das Gesundheitswesen sich in einem Zustand des Zusammenbruchs befindet.
Die Realität wäre ein polnisches „Argentinien“ mit Millionen von verarmten Arbeiter*innen, die ums Überleben kämpfen. Polen – und Ungarn, wenn es den gleichen Weg einschlagen würde – würden unter neuen Umständen die Erfahrungen wiederholen, die sie nach ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1918 im Anschluss an den Ersten Weltkrieg gemacht haben. Weit davon entfernt, blühende kapitalistische Demokratien zu werden, wurden sie von einer tiefen Krise heimgesucht und von bonapartistischen Regimen beherrscht. Piłsudski in Polen und Horthy in Ungarn griffen zu halb-faschistischen Methoden und antisemitischen Pogromen, um demokratische Rechte zu unterdrücken. Sollte sich der Kapitalismus für längere Zeit durchsetzen, würden die heutigen liberalen Solidarność-Führer*innen durch knallharte Vertreter des Großkapitals und Agenten der multinationalen Konzerne ersetzt werden. In ihrem Bestreben, ihre neu erworbenen Errungenschaften zu verteidigen, würden sich die Kapitalist*innen als ebenso rücksichtslos und brutal erweisen wie die alten stalinistischen Führer*innen.
Die Arbeiter*innenklasse Polens und Ungarns würde erneut gezwungen sein, gegen die kapitalistische Reaktion zu kämpfen. Sie würde darum kämpfen, die sozialen Errungenschaften zurückzuerobern, die beim Übergang zurück zum Kapitalismus verloren gingen. Sie würde erneut für die Verstaatlichung des Großkapitals kämpfen müssen. Aber dieses Mal wäre es unter Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung, mit der Umsetzung einer demokratischen Planung. Ein solcher Kampf wäre unweigerlich mit der sich entfaltenden politischen Revolution in der UdSSR und der sozialen Revolution im Westen verknüpft.
## Das internationale Kräfteverhältnis ist entscheidend
Eine Restauration des Kapitalismus in Polen und Ungarn mag möglich sein: Aber ist sie wahrscheinlich? Es gibt eine Reihe von Faktoren, die gegen eine Rückkehr zum Kapitalismus sprechen.
Das internationale Kräfteverhältnis ist entscheidend. Durch den Aufschwung seit 1981 erscheint der Weltkapitalismus im Gegensatz zum krisengeschüttelten Stalinismus gestärkt. Alle Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass der kapitalistische Aufschwung sich erschöpft und innerhalb der nächsten ein, zwei oder drei Jahre einer Rezession oder schweren Wirtschaftskrise Platz machen wird. Die einzigen wirklichen Fragen sind „Wann?“ und „Wie tief?“. Selbst in den letzten zwei oder drei Jahren entsprachen die Hilfe oder die Zufuhr von Kapitalressourcen nicht dem Enthusiasmus der westlichen Kapitalist*innen für Reformen und Privatisierungen in Osteuropa. Nach Bushs eigenen Worten haben die USA „mehr Willen als Geldbeutel“.
Es stimmt, dass nach 1980/81, als die Kapitalist*innenklasse die Auswirkungen der Arbeiter*innenbewegung fürchtete, die westlichen Banken einsprangen, um die riesigen Kredite für Polen, Ungarn, Jugoslawien usw. umzuschulden. Doch während sie den prokapitalistischen Führer*innen der Solidarność und den reformistischen Führer*innen der Ungarischen Sozialistischen Partei Beifall zollten, war das, was sie an materieller Hilfe anboten, äußerst begrenzt. Bei seinem Besuch in den USA rief Wałęsa nach mindestens 10 Mrd. $ zur Finanzierung der Reformen in Polen. Aber nach einem Zank zwischen Bush und dem Kongress hat die Legislative ein Hilfsprogramm von 938 Millionen Dollar für Polen (852 Millionen Dollar) und Ungarn (86 Millionen Dollar) genehmigt. Die Europäische Gemeinschaft hat rund 350 Mio. $ zugesagt. Ein Teil davon besteht aus Zuschüssen für Nahrungsmittel, aber ein Teil davon aus Krediten. Westdeutschland, der IWF und die Weltbank bieten zusammen etwa 1 Mrd. $ an, allerdings in Form von Krediten, die mit Zinsen oder Investitionsgarantien für westliche Investoren verbunden sind.
Darüber hinaus beteiligen sich die Regierungen der USA und der EG an einem Fonds in Höhe von 1 Mrd. $, um eine „Urknall“-Abwertung des polnischen Złoty abzufedern. 1989 hat es mehr als ein Dutzend offizieller Abwertungen des Złoty gegeben. Eine Bedingung der westlichen Unternehmen, die in Polen investieren, ist der freie Kapitalverkehr, der jedoch nur von geringem Wert ist, wenn nicht Gelder zwischen dem Złoty und anderen Währungen zu Weltmarktkursen gewechselt werden können.
Die Regierung Mazowiecki schlägt eine drastische Währungsreform vor, mit der der Złoty auf einen Schlag auf ein tragfähiges Weltmarktniveau gebracht und neue Banknoten ausgegeben werden sollen, deren Nennwert um mehrere Nullen verringert wird. Eine Wirkung davon wäre, dass die Preise in Polen steigen würden, insbesondere für importierte Waren.
Es wird zwar viel über ein neues Marshall-Hilfsprogramm gesprochen, aber nichts Derartiges wird angeboten
Es wird viel über ein neues Marshall-Hilfsprogramm gesprochen, ähnlich wie die US-Hilfe für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Jahren 1948-52 stellten die USA 13 Mrd. Dollar (69 Mrd. Dollar nach heutigem Wert) und 1951-53 weitere 2,6 Mrd. Dollar (13,9 Mrd. Dollar heute) bereit. Dieses Europäische Wiederaufbauprogramm zielte darauf ab, Westeuropa im Machtbereich des US-Kapitalismus zu halten, und bestand hauptsächlich aus Zuschüssen, die den Kauf von etwa einem Viertel der europäischen Importe garantierten.
Nichts, was auch nur annähernd diesen Umfang hat, wird heute angeboten. Bush bietet nur „Peanuts“ als US-Regierungshilfe an, und selbst die Pakete, die von „großzügigeren“ Senator*innen vorgeschlagen werden, sind noch sehr begrenzt. Angesichts des massiven Defizits im Bundeshaushalt könnte eine staatliche Hilfe in der Größenordnung der „Marshall-Hilfe“ ein Ausgabenprogramm zu viel sein, das die Frage von Steuererhöhungen aufwirft. Bush würde es vorziehen, wenn die Großunternehmen das Kapital für Polen und Ungarn aufbringen würden.
Aber die großen Banken und Unternehmen sind äußerst vorsichtig, wenn es darum geht, große Investitionssummen (oder sogar Kredite) zu vergeben – genauso wie es die amerikanischen Großunternehmen nach dem Krieg waren, bevor die Marshall-Hilfe günstige Bedingungen für Investitionen schuf. Während Wałęsa den US-Investoren das „Geschäft des Jahrhunderts“ anbot, gab das Washingtoner Institute of International Finance eine Warnung vor dem hohen Risiko eines Bankrotts in Polen aus. „Während der potenzielle Gewinn einer erfolgreichen Stabilisierung (eines abgewerteten konvertierbaren Złoty), gefolgt von Strukturreformen, außerordentlich groß ist, ist das Risiko eines Bankrotts, der auch als politischer Bankrotts angesehen werden würde, ebenso groß.“ „Financial Times“ vom 6. November 1989. Ein Direktor der International Finance Corporation fügte hinzu: „Solange diese makroökonomischen Änderungen nicht vorgenommen werden, muss man sehr vorsichtig sein, in was man investiert.“ Ein IWF-Beamter kommentierte: „Es ist kompliziert: Es ist politisch, wirtschaftlich und menschlich kompliziert.“ „Wall Street Journal“, 26. September 1989.
Für die großen Unternehmen im Westen geht es nicht nur um den Erwerb von Vermögenswerten, die sie wahrscheinlich sehr billig erwerben könnten. Letzten Sommer kaufte ein österreichisches Bankenkonsortium für 110 Millionen Dollar einen 49-prozentigen Anteil an dem ungarischen Elektrohersteller Tungsram AG. „Wenn die Hälfte einer der größten und erfolgreichsten Fabriken Ungarns für 110 Millionen Dollar gekauft werden kann“, kommentierte ein Budapester Wirtschaftswissenschaftler, „kann Westdeutschland allein das ganze Land kaufen.“ „Wall Street Journal“, 28. September 1989. Aber Investoren brauchen auch einen tragfähigen wirtschaftlichen Rahmen, in dem sie Gewinne erzielen können.
Groß angelegte Privatisierung und die Schaffung einer vollwertigen kapitalistischen Wirtschaft erfordern eine wirtschaftliche Infrastruktur – ein angemessenes Straßen- und Schienennetz, Telekommunikation sowie Bank- und andere kommerzielle Dienstleistungen. Anders als in Russland nach 1917 oder in Osteuropa nach 1945 gibt es heute relativ wenige enteignete Großgrundbesitzer*innen oder Kapitalist*innen, die nur darauf warten, sich das Eigentum anzueignen. Wäre dies der Fall, würden die restituierten Kapitalist*innen nach und nach alle für die Entwicklung des Marktes erforderlichen Handelsbeziehungen schaffen.
Heute, nach 40 Jahren zentralisierter Planwirtschaft, werden Polen und Ungarn von der Großindustrie beherrscht. Obwohl sie in Bezug auf Technologie und Produktionsmethoden hinter den Westen zurückgefallen sind, benötigen sie doch eine moderne Infrastruktur von Dienstleistungen, um zu funktionieren.
Es gibt einige Befürworter*innen einer pro-kapitalistischen Politik, darunter den „Guardian“ vom 31. August 1989, die dafür plädieren, die Vermögenswerte an Arbeiter*innen, Manager*innen, Genossenschaften usw. zu geben: „…es wird schneller und vernünftiger sein, Vermögenswerte zu geben, als zu versuchen, sie zu verkaufen.“ Aber die bloße Übergabe von bankrotten Fabriken, verlustbringenden Werften und Bergwerken usw. wäre aus kapitalistischer Sicht keine Lösung. Ohne die Zuführung von massiven Kapitalbeträgen in die Wirtschaft durch den Verkauf von Vermögenswerten und die Ausgabe von Aktien, um neues Kapital einzubringen, gäbe es keine Kapitalressourcen für die Modernisierung der Infrastruktur, die Entwicklung der Industrie mit neuen Technologien und die rasche Schaffung und Verbesserung eines Dienstleistungssektors, der sowohl der Industrie als auch den Verbraucher*innen dient.
Die Apostel des „freien Marktes“ vergessen, welche Rolle der Staat beim Wiederaufbau des Kapitalismus in Westeuropa nach dem Krieg gespielt hat. Das Verkehrswesen, die Grundstoffindustrien (wie Kohle, Stahl und Nutzfahrzeuge) sowie Forschung und Entwicklung wurden alle vom Staat wieder aufgebaut. Auch die Bereitstellung von Bildungs-, Gesundheits- und Sozialdiensten, die für die Reproduktion einer modernen Erwerbsbevölkerung und die Ausweitung des Verbrauchermarktes unerlässlich sind, fiel in die Zuständigkeit des öffentlichen Sektors. Die Marshall-Hilfe der Nachkriegszeit half den kapitalistischen Regierungen Europas bei der Finanzierung öffentlicher Ausgaben, um den Rahmen für eine Erneuerung des Kapitalismus zu schaffen.
Die wichtigsten Quellen für das erforderliche massive Kapitalvolumen müssen zwangsläufig aus dem Ausland kommen. Dem Betrag, der aus den privilegierten Schichten der polnischen und ungarischen Gesellschaft aufgebracht werden könnte, sind enge Grenzen gesetzt. Aber die westlichen Banken, Finanzinstitutionen und multinationalen Konzerne werden keine großen Kapitalbeträge investieren, wenn nicht bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Sie werden klar definierte Eigentumsrechte, garantierte Verträge, freien Kapitalverkehr und akzeptable Bedingungen, unter denen sie ihre Geschäfte betreiben können, verlangen. Andernfalls wären ihre Vermögenswerte nicht sicher, und sie könnten nicht sicher sein, dass sie langfristig Gewinne erzielen können.
Das Adam-Smith-Institut, das die Privatisierung in Polen enthusiastisch befürwortet, hat jedoch darauf hingewiesen, dass es dem Land fast völlig an den notwendigen Dienstleistungen mangelt. „Die Polen“, sagt das Adam-Smith-Institut, „fangen bei Null an, denn sie haben keine Börse, keine Privatbanken, kein Versicherungswesen, keine Makler, keine ordnungsgemäße Buchführung, keine Handelsrechts-Anwaltskanzleien, keine Public-Relations- oder Werbefirmen und keine Erfahrung mit dem Funktionieren einer Marktwirtschaft.“ Groß angelegte Übernahmen durch ausländische Unternehmen würden Bewertungen und die Umstrukturierung von Unternehmen und Geschäftsabläufen erfordern.
Die mageren Ressourcen des Privatisierungsministeriums selbst sind symptomatisch: Es hat nur vier Vollzeitbeschäftigte, einen Telefonanschluss, eine Schreibmaschine und zwei Computer. Mit massiven Kapitalzuführungen, die über Jahre hinweg aufrechterhalten würden, gäbe es keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, einen solchen Rahmen für den Kapitalismus zu schaffen. Aber die Kapitalist*innen scheinen auf der Grundlage ihrer derzeitigen Einschätzung der Aussichten in Osteuropa und der Weltwirtschaft nicht bereit zu sein, die erforderlichen enormen Finanzmittel bereitzustellen.
„Ich weiß nicht, ob wir uns vor einem Bürgerkrieg retten werden” Wałęsa
Westliche Kapitalist*innen sind auch bereits besorgt über die Reaktion der Arbeiter*innen auf die derzeitigen Maßnahmen, die drohen, zu Massenarbeitslosigkeit zu führen, den Lebensstandard zu senken und die bereits steigende Inflationsrate weiter anzuheizen. Als die Regierung im September die Preise anhob, prangerte Wałęsa die Regierung als „inkompetent“ an und warnte, dass die Lage „heiß“ werde. „Ich warne davor, dass wir bei weiteren Preiserhöhungen nicht in der Lage sein werden, dafür zu sorgen, dass die Menschen normal arbeiten.“
Wałęsa trug nicht unwesentlich dazu bei, die Solidarność-Führer*innen in die Regierung zu drängen, hat aber bereits versucht, sich von deren unpopulären Wirtschaftsmaßnahmen zu distanzieren: „Das System hat uns in eine Sackgasse gedrängt, und ich weiß nicht, ob wir uns vor einem Bürgerkrieg retten können.“ „Guardian“, 29. September 1989. Es hat bereits Streiks gegeben, unter anderem von Bergarbeiter*innen, die die Solidarność-Führer*innen zu untergraben versuchten. Selbst Wałęsa ist sich der Widersprüchlichkeit seiner Position bewusst. Anfang November warnte er, wenn die Regierung die Gesellschaft vergesse, „wird es zu einem Zusammenstoß kommen und ich werde auf der Seite der Gesellschaft stehen. Ich helfe der Regierung. Ich wünsche ihr alles Gute. Aber ich darf nicht vergessen, wo ich herkomme“.
Die Regierung hat eine zerbrechliche Flitterwochenzeit hinter sich. Ein jüngerer, örtlicher Solidarność-Führer kritisierte Wałęsas Unterstützung für Mazowiecki: „Wir sind eine Gewerkschaft. Unsere Führung sollte gewerkschaftlich sein. Wir sind zu nahe an der Regierung, zu verstrickt. Unsere Interessen sind völlig verschieden. Die Regierung ist ein Arbeitgeber in diesem Land!“ Eine weitreichende Privatisierung und ungehemmte Maßnahmen des freien Marktes werden eine wirtschaftliche und soziale Krise auslösen. Dies wiederum wird unweigerlich zu krampfartigen Bewegungen der Arbeiter*innen führen.
In Ungarn haben die Arbeiter*innen noch nicht das Wort ergriffen. Es gibt es eine Reihe von Gründen dafür. Einer davon ist das relativ hohe Niveau der Wirtschaft und des Lebensstandards in Ungarn bis zu dem jüngsten scharfen Rückgang. Die stalinistische Unterdrückung nach dem Aufstand von 1956 lastet noch immer auf ihrem Bewusstsein. Gleichzeitig haben die Arbeiter*innen die Ereignisse in Polen beobachtet. Der Kampf der Solidarność hat aufgrund der Rolle ihrer Führer*innen keinen Erfolg für die Arbeiter*innenklasse gebracht: Im Gegenteil, es scheint, als habe er die polnische Wirtschaft ins Chaos gestürzt und der Marktpolitik die Tür geöffnet.
Unter den Arbeiter*innen herrscht ein tiefes Misstrauen sowohl gegenüber dem alten stalinistischen als auch gegenüber dem reformistischen Flügel der ungarischen Führungselite. In einer von Gallup im August durchgeführten Meinungsumfrage sprachen nur 35 Prozent der Befragten der Kommunistischen Partei ihr Vertrauen aus. Aber nur 35 Prozent hatten Vertrauen in die neuen Parteien wie das Demokratische Forum. Als Widerspiegelung der Tatsache, dass Sozialismus mit Stalinismus gleichgesetzt wird, glaubten nur 19 Prozent, dass „der Sozialismus eine Zukunft hat“.
Die Bürokratie, insbesondere in Polen, scheint die Verteidigung der verstaatlichten Wirtschaft aufgegeben zu haben. Aber die Regierung Mazowiecki, die derzeit am Ruder ist, repräsentiert nicht die Bürokratie als Ganzes.
Rakowski, der aufgrund der großen Unterstützung für Solidarność gezwungen war, der Mazowiecki-Regierung Platz zu machen, stellte deren Zukunft in Frage: „Meiner Meinung nach ist die polnische Gesellschaft nicht bereit, Opfer dieser Art zu bringen. Man hat diesen schrecklichen Widerspruch: Man braucht radikale Schritte, aber man braucht die Unterstützung der Bevölkerung. Die Polen würden gerne im Sozialismus arbeiten, aber im Kapitalismus leben“. Er sagte voraus, dass „nach den ersten radikalen Schritten und der darauf folgenden Reaktion die neue Regierung sich zurückziehen wird“. Im Sommer warnte Rakowski in der Zeitung der Solidarność vor den Gefahren einer „unkontrollierten Demokratie“.
Jaruzelski ist immer noch Oberbefehlshaber und verfügt über entscheidende Reserve-Befugnisse. Die Frage ist: Wie weit werden die Hardliner*innen innerhalb der Bürokratie den Prozess gehen lassen? Im Moment ist das Kräfteverhältnis gegen sie gerichtet. Sie waren gezwungen, mehrere Schritte rückwärts zu machen. Die Militärregierung hat es nicht geschafft, die Wirtschaft wiederzubeleben oder die politische Lage zu stabilisieren. Vorerst müssen sie zögern, mit den Kräften des Staates gegen die Arbeiter*innenbewegung zu intervenieren. Aber wenn das Land durch eine umfassende Privatisierung, eine galoppierende Inflation und große Streikbewegungen ins Chaos gestürzt wird, könnte die Bürokratie in die andere Richtung gehen.
Jaruzelski erkennt an, dass Solidarność anders ist als 1981, und unterstützt die Mazowiecki-Regierung. Aber der General ist nicht reumütig bezüglich des Kriegsrechts: „Ohne das Kriegsrecht hätten wir den Runden Tisch nicht bekommen, es hätte keine Wahlen gegeben … Manchmal braucht man einen Schock.“ „Independent“ 8. Juni 1989. Der Zeitpunkt könnte kommen, an dem die führenden Köpfe der herrschenden Elite beschließen, dass ein weiterer „Schock“ erforderlich ist, um die „Exzesse“ der Arbeiter*innenklasse einzudämmen. Eine Schicht der Bürokratie, die sich jetzt dem Kapitalismus zuwendet, könnte einen Rückzieher machen, wenn ihnen vor Augen geführt wird, dass der Kapitalismus keinen Ausweg bietet.
Das Ausbleiben der Hilfe des Imperialismus und eine Rezession oder eine tiefe Wirtschaftskrise im Westen könnten ihre Sichtweise drastisch verändern. Die Hardliner, die sich auf den harten Kern der Apparatschiks stützen, deren Positionen auch durch die Marktpolitik bedroht sind, würden versuchen, die Kontrolle über die Gesellschaft mit Hilfe des bonapartistischen Staatsapparats wiederzuerlangen.
Angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs könnten sie erneut auf eine starke Zentralisierung zurückgreifen und die staatliche Lenkung der Planwirtschaft verstärken.
Sie würden die Arbeiter*innen in die staatseigenen oder wieder verstaatlichten Fabriken, Bergwerke, Verkehrsmittel und Dienstleistungen treiben. Marktmethoden würden zugunsten einer Rückkehr zur Auspressung der Produktion aus den Arbeiter*innen durch staatlichen Zwang aufgegeben werden. Dies würde keinen Ausweg bieten. Eine Rückkehr zu stalinistischen Methoden würde die Wirtschaft noch weiter in die Sackgasse der bürokratischen Misswirtschaft treiben. Die Aufgaben der politischen Revolution würden sich noch deutlicher stellen.
Die Politik der Bürokratie in der Sowjetunion hat auch einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung in Polen und Ungarn. Gorbatschow ist nicht Breschnew, und seine Führung markiert eine Wende in der Politik der Bürokratie.
1968 wurden russische Truppen in die Tschechoslowakei entsandt, um den Reformflügel der tschechischen Bürokratie um Dubček zu zerschlagen, der versuchte, Reformen durchzuführen, die begrenzter waren als die derzeitige Politik Gorbatschows selbst. Der Kreml installierte unter Husak ein hartes, repressives Regime, das nun von der Massenbewegung hinweggefegt wird.
Gorbatschow zufolge hat der Kreml eine Intervention in Ungarn, Polen und anderen osteuropäischen Staaten ausgeschlossen. Die innere Krise der UdSSR erschwert die Politik der Bürokratie gegenüber den ehemaligen Satellitenstaaten erheblich. Die russische Elite sieht sich einer Revolte der Nationalitäten in den baltischen Staaten, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien usw. gegenüber. Unter Breschnew konnte die Bürokratie die „öffentliche Meinung“ ignorieren, die praktisch nicht existierte. Jetzt muss sie die politische Reaktion im eigenen Land auf jede Intervention im Ausland berücksichtigen. Dies begann sich in begrenztem Umfang auch in Bezug auf Afghanistan zu entwickeln. Eine Intervention in Polen oder Ungarn nach dem Vorbild von 1956 in Ungarn oder 1968 in der Tschechoslowakei hätte große Auswirkungen im eigenen Land.
Es wäre jedoch falsch, die Möglichkeit einer Intervention der russischen Bürokratie in der Zukunft auszuschließen. Die Strategen des Kapitalismus stellen sich schon jetzt die Frage: Wie lange wird sich Gorbatschow noch halten? Der Reformflügel im Kreml hat nicht unbegrenzt Zeit. Gelingt es nicht, den wirtschaftlichen Niedergang umzukehren, den Lebensstandard zu verbessern und die Krise der Nationalitäten zu lösen, könnte ein Zurückschwingen zu den Hardlinern um Figuren wie Ligatschow kommen. Wer kann daran zweifeln, dass sie zu Gewalt greifen würden, wenn sie ihre Macht und ihre Privilegien grundlegend bedroht sähen? Ebenso wären sie bereit, eine militärische Intervention in Osteuropa in Erwägung zu ziehen, wenn sie die Entwicklungen in Polen oder Ungarn als Bedrohung ihrer bürokratischen Herrschaft ansehen.
Mazowiecki und Pozsgay beharren darauf, dass ihre Länder nicht aus dem Warschauer Pakt austreten werden. Aber die Logik einer Rückkehr zum Kapitalismus ist ein Bruch mit dem stalinistischen Block in den außenpolitischen und militärischen wie auch in den wirtschaftlichen Beziehungen. Eine Position wie die Finnlands, eines kapitalistischen Staates mit bedeutenden Handelsbeziehungen zur UdSSR und „neutral“ zwischen dem Warschauer Pakt und der NATO, wäre für Polen oder Ungarn theoretisch für eine begrenzte Zeit möglich. Aber für zwei strategisch wichtige mitteleuropäische Staaten wäre es unmöglich, über einen längeren Zeitraum eine „neutrale“ Position zwischen zwei Blöcken einzunehmen, die auf antagonistischen Gesellschaftssystemen basieren.
In Wirklichkeit würde jeder ernsthafte Versuch der Regierungen Polens oder Ungarns, sich aus dem Warschauer Pakt zurückzuziehen, von der Kreml-Bürokratie als Bedrohung der strategischen Sicherheit der UdSSR angesehen werden. Mit der Rückkehr der stalinistischen Hardliner in der Führung wäre eine militärische Intervention nicht auszuschließen. Eine Intervention würde zweifellos eine massive Reaktion der Arbeiter*innenklasse in Osteuropa und der UdSSR selbst hervorrufen – aber sie würde eindeutig zu einer Bewegung zurück zum Kapitalismus in Ungarn und Polen im Widerspruch stehen. In den stalinistischen Staaten vollziehen sich parallele Prozesse von Revolution und Konterrevolution, die in gewisser Weise miteinander verwoben sind. Marxist*innen können ihre Augen nicht von der gegenwärtigen Tendenz zur kapitalistischen Restauration in Polen und Ungarn abwenden. Aber die überwältigende Bewegung geht in Richtung der politischen Revolution.
Als er Stalin für seine monumentalen Verbrechen anklagte, warnte Trotzki: „Die Rache der Geschichte ist schrecklicher als die des mächtigsten Generalsekretärs.“ „Stalin“ S. 358. Mit den jüngsten Ereignissen hat die Abrechnung begonnen, und ein Generalsekretär nach dem anderen ist gestürzt worden. In einer Revolution treten die Massen „in die politische Arena. Sie entscheiden, sie handeln, sie bestimmen das Gesetz in noch nie dagewesener Weise“. „Stalin“ S. 404. Das ist es, was auf den Straßen von Berlin und Prag geschehen ist, und morgen werden es Leningrad und Moskau und die anderen großen Städte sein. Die Kämpfe der Bergarbeiter*innen sind nur die Ouvertüre zur Bewegung des mächtigen Proletariats der Sowjetunion.
Die Aufgabe echter Marxist*innen, schrieb Trotzki in den dunkelsten Tagen der stalinistischen Reaktion, sei „die revolutionären Traditionen hoch[zu]halten, … sich auf die kommende revolutionäre Erhebung in der Welt und in der UdSSR selbst vor[zu]bereiten“ „Stalin“. Die Erhebung hat begonnen, und Trotzkis Ideen erweisen sich erneut als unverzichtbarer Leitfaden für die Aktion.
Der Trend zur kapitalistischen Restauration in Polen und Ungarn scheint dem Grundtrend im Stalinismus zu widersprechen. Die Arbeiter*innen Polens haben eine Niederlage erlitten, während sich das ungarische Proletariat noch bewegen muss. Damit wurde der Konterrevolution zumindest halb die Tür geöffnet. Im Westen bejubeln die bürgerlichen Medien dies als „Triumph für den Kapitalismus“.
Doch ihre Selbstbeglückwünschung ist verfrüht. Selbst wenn die Reaktion unter den Mazowieckis und Pozsgays ein Stück weit auf den Weg zum Kapitalismus gebracht wird, ist damit das Schicksal Polens und Ungarns noch lange nicht besiegelt. Der Kapitalismus kann keinen Ausweg bieten. Die verarmten, hungernden Massen in den unterentwickelten Ländern bieten keine Empfehlung für das „Wundermittel“ des Marktes. Die Erschütterungen, die sich jetzt in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern vorbereiten und vor denen der Wall-Street-Krampf vom Oktober 1989 eine Warnung war, werden die Aussichten für eine „kapitalistische Renaissance“ im Osten grundlegend verändern. Eine ernsthafte Rezession oder eine schwere Wirtschaftskrise wird eine tiefgreifende Wirkung auf das Bewusstsein der Arbeiter*innen in der UdSSR und Osteuropa haben und ihre Illusionen in den Kapitalismus und die bürgerliche Demokratie erschüttern. Sie werden nicht auf die verlockende Pracht der Verbrauchermärkte schauen, sondern auf die Kämpfe der Arbeiter*innen, die für die Abschaffung des Kapitalismus kämpfen.
Das Bewusstsein der Masse der Arbeiter*innen in Polen und Ungarn hinkt aus den genannten Gründen der tatsächlichen Entwicklung der Krise des Stalinismus hinterher. Die großen Ereignisse auf der Weltbühne können jedoch zusammen mit der bitteren Medizin der Marktpolitik im eigenen Lande das Bewusstsein rasch verändern und in einer bestimmten Phase die Arbeiter*innen in die Aktion treiben und einen neuen Kampf auslösen. Mehr als alles andere wird der dynamische Fortschritt der politischen Revolution in der UdSSR, der DDR und der Tschechoslowakei die Arbeiter*innen in Polen und Ungarn inspirieren.
Aufgrund des subjektiven Faktors mag es ein langwieriger Weg und zuweilen einen Umweg sein. Ein absolut unerlässlicher Bestandteil ist das Eingreifen der Kräfte des Marxismus, um sicherzustellen, dass die Bewegung mit dem Programm und den Perspektiven, der Strategie und der Taktik ausgestattet ist, um den frühestmöglichen Sieg des Proletariats zu sichern.
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