Leo Trotzki: Brief an Max Shachtman

[8. März 1933 eigene Übersetzung des englischen Textes, „Vergessen Sie nicht, dass wir eine internationale Organisation haben“]

Werter Genosse Shachtman,

ich habe Ihnen schon lange nicht mehr geschrieben. Eine Ansammlung von vielen Ursachen hat meine Antwort auf Ihre letzten Briefe erschwert. Auch jetzt schreibe ich Ihnen ganz kurz. Die Lage in der [amerikanischen] Liga stellt jetzt unsere größte Sorge dar. Sie steuern auf eine Spaltung zu, und das wird eine Katastrophe für die Liga bedeuten. Es ist eigentlich völlig gleichgültig, welche Seite im Kampf mehr Unrecht hat, denn keine Seite wird in der Lage sein, den Arbeitern zu erklären, was die Spaltung verursacht hat. Und das wird beide Gruppen völlig kompromittieren. In einem Ihrer Briefe haben Sie die Hoffnung geäußert, dass die nächste Konferenz die Streitigkeiten beilegen wird. Das ist überhaupt nicht meine Meinung. Wenn Ihre Gruppe 51 Prozent bekommt, würde das überhaupt nichts ändern. Das entschlossene Eingreifen des Internationalen Sekretariats ist notwendig. Ich stehe mit dem Sekretariat in dieser Angelegenheit in Verbindung und hoffe, dass Sie in der nächsten Zeit darüber informiert werden.

Ich möchte nur kurz auf eine Frage eingehen. Es scheint mir, dass Sie sich geirrt haben, als Sie die große Protestkampagne gegen die Entsendung des Genossen Swabeck [zu Trotzki und zur Vorkonferenz] unternahmen. Wäre er zu diesem Zeitpunkt nach Kopenhagen gekommen, wäre es sehr opportun gewesen. Wir brauchten dringend einen dänischsprachigen Genossen, und mit seiner Hilfe hätten wir sicherlich eine gute Sektion aufbauen können. Seine Teilnahme an den Kopenhagener Beratungen wäre von größter Bedeutung gewesen. Vielleicht hätten unter dieser Voraussetzung die internen Kämpfe in der amerikanischen Liga im Laufe der letzten Monate nicht den jetzigen, beispiellos scharfen Charakter angenommen. Die Vorkonferenz hatte eine viel größere Bedeutung, als sie am Vorabend für viele von uns, mich eingeschlossen, zu haben schien. Die Teilnahme des Genossen Swabeck war sehr nützlich. Und sein Aufenthalt hier ist für mich und die anderen Mitglieder unserer örtlichen Gruppe von großem Wert. Ich hoffe auch, dass Genosse Swabeck seinen Aufenthalt hier nicht bereuen wird. Ohne den Kontakt mit ihm würde die Intervention des Internationalen Sekretariats nicht so effektiv ablaufen.

Ich möchte Sie ebenso wie Ihre Freunde wirklich bitten, nicht so nervös und ungeduldig zu sein, eine längerfristige Perspektive einzunehmen und keinen Augenblick zu vergessen, dass wir eine internationale Organisation haben, die keineswegs zu einer einseitigen Sichtweise neigt und in deren Augen der „Aggressor“, der Anstifter, viel mehr zu verlieren als zu gewinnen hat.

Das war’s für jetzt. Vielen Dank für die Zusendung der Angelschnur, die ich noch rechtzeitig erhalten habe.

Mit besten Grüßen,

Ihr,

L. Trotzki


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert