Leo Trotzki: Brief an Jan Frankel

[15 Januar 1933, eigene Rückübersetzung der englischen Übersetzung, „Die Internationale Vorkonferenz“]

Lieber Jan:

1. Ich lege Ihnen den Entwurf der Resolutionen für die Vorkonferenz bei. Die Übersetzung ins Französische geht zügig voran. Es besteht Grund zu der Annahme, dass der französische Text morgen oder spätestens übermorgen in mehreren Exemplaren nach Paris geschickt wird.

Bleibt noch die Frage der deutschen Übersetzung: Darum werden Sie sich kümmern müssen, denn wir können es auf keinen Fall schaffen, das hier zu machen.

2. Der beigefügte Text besteht aus verschiedenen Teilen. Der gesamte einleitende Teil hat programmatischen Charakter und sollte in überarbeiteter Form in die Plattform einfließen, und bis die Plattform ausgearbeitet und verabschiedet wurde, sollte dies als Ersatzplattform dienen.

Der zweite Teil des Textes (über die Italiener, die Spanier, die Frey-Gruppe, die Deutschen) hat sozusagen konjunkturellen Charakter und besteht aus einer Reihe von Einzelresolutionen.

Eine strenge Unterscheidung muss zwischen diesen beiden Teilen gemacht werden Auf der Vorkonferenz könnte es Einwände geben, den ersten Teil vorschnell zu verabschieden, da er in gewisser Weise programmatischen Charakter hat. Vorsicht ist in diesem Punkt durchaus angebracht und richtig. Auf der anderen Seite müssen wir Thesen für eine Plattform haben, auch wenn sie sehr kurz sind. (Hätten wir in der Vergangenheit ein solches Dokument gehabt, wäre der Umgang mit Well viel einfacher gewesen).

Wie kommt man aus dieser Schwierigkeit heraus? Ich schlage den folgenden Weg vor. Da meine Thesen nichts Neues darstellen, sondern lediglich die uns gemeinsamen Ansichten formulieren; und da sich Zweifel und Einwände nicht auf den Kern der Ideen, sondern nur auf Formulierungen, auf die eine oder andere ungenaue Aussage, Auslassung usw. beziehen könnten, wäre es am besten, wenn die Vorkonferenz diese Thesen als Grundlage billigen und es dem Sekretariat überlassen könnte, die Thesen vorbehaltlich der Zustimmung aller Sektionen endgültig zu überarbeiten. Ich selbst würde eine Reihe von Ergänzungen und Korrekturen an den Thesen vorschlagen. Andere Sektionen würden dies wahrscheinlich ebenfalls tun. Wir könnten wahrscheinlich schon im März einen endgültigen Text vorlegen.

Es ist eine andere Sache mit dem zweiten Teil, d.h. den praktischen Resolutionen. Sie sollten von der Vorkonferenz in fertiger Form verabschiedet werden. Es wäre daher wünschenswert, sofort eine Kommission einzusetzen, die die entsprechenden Fragen prüft und logischerweise auch die entsprechenden Resolutionen bearbeitet. Meine Resolutionsentwürfe sollten jeder dieser Kommissionen auf dem richtigen Weg zugeleitet werden.

3. Nach wie vor denke ich, dass die Hauptaufgabe der Vorkonferenz darin besteht, ein Sekretariat zu wählen und einen Plan für die Vorbereitung einer Vollkonferenz zu entwerfen. Ich muss jedoch zugeben, dass ich in meinen Vorgesprächen mit Ihnen die Arbeit der Vorkonferenz vielleicht zu eng und begrenzt umrissen habe. Letztere kann nicht umhin, die dringlichsten Fragen in den verschiedenen Sektionen zu überdenken. Auf der anderen Seite sind für die Vorbereitung einer Konferenz Plattformthesen, auch wenn sie noch so elementar sind, notwendig. Deshalb habe ich mich entschlossen, andere Arbeiten zurückzustellen und die Zeit zu nutzen, um die beigefügten Resolutionen zu verfassen. Bitte diskutiert meine Vorschläge mit Witte und den anderen Genossen und kommt zu einer vorläufigen Einigung darüber.

4. Ich weiß nicht, wo und wann die Vorkonferenz abgehalten werden wird. Ich weiß nicht, ob Sch. von der russischen Sektion an ihr teilnehmen kann. Wenn er nicht teilnehmen kann, sollte Wer. die Vertretung der russischen Sektion auf sich nehmen. Bitte leiten Sie das an ihn weiter. Dieser Brief, d.h. dieser Teil davon, ist als ein entsprechendes „Mandat“ zu betrachten.

5. Hier wütet immer noch ein Sturm. Auf dem Balkan werden schwere Schneeverwehungen gemeldet. Ich befürchte, dass der Postverkehr für mehrere Tage unterbrochen sein könnte. Sollte sich der französische Text dadurch verzögern, so wird es notwendig sein, den beiliegenden Text noch einmal ins Französische zu übersetzen. Die deutsche Übersetzung muss sofort erfolgen, um den interessierten deutschen Genossen Gelegenheit zu geben, sich mit ihr vertraut zu machen.

6. Das Verhalten des Exekutivkomitees der Französischen Liga macht mich mehr und mehr ratlos, um nicht zu sagen wütend. Die ganze politische Linie hängt von der Stimmung oder dem Zustand der Leber eines, zweier oder dreier Genossen ab. Ich will versuchen, die Heldentaten des französischen Exekutivkomitees auf der internationalen Bühne aufzuzählen: (a) langwierige und sinnlose Verteidigung der Spanier; (b) ein erbitterter und sinnloser Streit mit dem Sekretariat, mit demonstrativer Öffentlichkeit; (c) ein erbitterter und krimineller Konflikt mit der belgischen Sektion ohne die geringste prinzipielle Grundlage; (d) langwierige, kapriziöse und sinnlose Verteidigung der Teilnahme der Bordigisten an der Konferenz und Vorkonferenz; und (e) kriminelle Passivität in der deutschen Frage. Was hat das alles zu bedeuten? Ray[mond Molinier] schreibt mir, dass „es keinen Grund gibt, dies allzu tragisch zu nehmen“. Das bedeutet eigentlich: „Nehmt uns nicht zu ernst“. Aber ich kann nicht anders, als das Gründungsexekutivkomitee einer Sektion ernst zu nehmen.

Ihr,

L. Trotzki


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