Revolutionary Communist Party: Das Programm der Kommunistischen Partei Deutschlands: Eine Kritik und eine Alternative

[Neuübersetzung des englischen Textes in Workers International News April-Mai 1946, S. 185-192]

redaktionelle Notiz: Der folgende Artikel wurde kürzlich in deutscher Sprache von der britischen RCP herausgegeben. Er wurde in Deutschland unter Mitgliedern der deutschen Kommunistischen Partei als Diskussionsdokument und Appell zum Zusammentun mit der Vierten Internationale verbreitet

Sozialistische und kommunistische Arbeiter Deutschlands! Es ist Zeit, dass die fortgeschrittenen Elemente, die das deutsche Volk aus seinem Alptraum der letzten drei Jahrzehnte führen müssen, die Probleme verstehen, vor denen sie stehen. Was ist verantwortlich für die Schrecken, die die Arbeiter Deutschlands und der Welt in der letzten Periode erfahren haben: Erster Weltkrieg, Inflation, Weltwirtschaftskrise, der Aufstieg des Faschismus, zweiter imperialistischer Krieg und die gegenwärtige Krise in Deutschland?

Die Führer der Kommunistischen Partei und der Sozialdemokratie wollen den Lehren von Marx und Lenin zum Trotz die Verantwortung für den Krieg und die bestialischen Verbrechen des deutschen Faschismus dem ganzen deutschen Volk aufbürden. Das ist eine von den feigen Sklaven, Agenten und Schönfärbern des kapitalistischen Imperialismus erfundene jämmerliche Lüge. Wie Lenin vorhergesagt und Liebknecht und Luxemburg vorhergesehen haben waren der Erste und Zweite Weltkrieg das unausweichliche Ergebnis der Widersprüche zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und dem Nationalstaat. Die Imperialisten fanden keinen anderen Weg aus den Widersprüchen des Kapitalismus und versuchten eine Umverteilung der Welt auf Kosten der jeweils anderen. Es ist der Kapitalismus, der Imperialismus, der verantwortlich für den Krieg ist.

Nicht allein die Hitler-Gangster, sondern alle Imperialisten waren verantwortlich nicht nur für den Krieg, sondern auch für die bestialischen Verbrechen der Nazis! Der britische, französische und amerikanische Imperialismus halfen Hitler, die Macht zu übernehmen. Sie bewaffneten Hitler. Sie finanzierten ihn zum Zweck der Zerschlagung der deutschen Arbeiterklasse. Sie sahen Hitler und seine Verbrechen gegen die Arbeiterklasse mit Freude, betrachteten ihn als Bollwerk gegen die sozialistische Revolution. Großbritannien erlaubte Hitler die Wiederbewaffnung, händigte ihm Österreich und die Tschechoslowakei aus zum Zweck seiner Stärkung gegen die Sowjetunion. Erst als Hitler ihre Interessen bedrohte, kämpften die Imperialisten. Und dann nicht gegen den Faschismus als Ideologie, sondern nur gegen die Bedrohung ihrer Besitztümer durch den deutschen Imperialismus, die Hitler verkörperte. Wie es Trotzki ausdrückte: Hitler, Göring & Co sind nur die ersten Verbrecher auf der Anklagebank. Zu ihnen sollten sich die britischen, französischen und amerikanischen Imperialisten und auch die stalinistischen Büroraten gesellen, die den Stalin-Hitler-Pakt unterzeichneten und so den Weltkrieg lostraten.

Die Nazis haben beispiellose Verbrechen gegen andere Völker begangen. Sie begingen sie auch gegen das deutsche Volk. Aber die Imperialisten bemäntelten die Verbrechen Hitlers so lange, wie sie gegen die deutsche Arbeiterklasse und Bauernschaft gerichtet waren, weil sie dachten, dass sie ein Mittel seien, die Revolution abzuwehren. So sind sie genau so verantwortlich für diese Verbrechen wie die Nazis. Der britische Imperialismus ließ fünf Millionen Inder während des imperialistischen Krieges verhungern, seine Verbrechen sind so zahllos wie die der Nazis. Sind dann die britischen Arbeiter verantwortlich für die Gräueltaten und Verbrechen ihrer imperialistischen Herren? Wenn das so wäre, warum treten dann die Führung der Kommunistischen Partei und die Führung der Sozialdemokratischen Partei in Großbritannien nicht für die Besetzung Großbritanniens und die Zahlung von Wiedergutmachungszahlungen an das indische und die Kolonialvölker ein? Alle Imperialisten sind schuldig. Weder die deutschen noch die britischen noch irgend welche anderen Arbeiter können auf irgend eine Weise für die Verbrechen des Kapitalismus und Imperialismus verantwortlich gemacht werden, egal ob er demokratisch oder faschistisch gekleidet ist.

Lenin prangerte den Versailler Frieden als den monströsesten Friedensvertrag in der Geschichte an. Wie hätte er das schändliche Super-Versailles geschmäht und verurteilt, das Deutschland heute aufgezwungen wird. Durch ihre Unterstützung des blutigen Vergeltungs-Friedens, eines grausamen und demütigenden Friedens der nationalen Sklaverei bereiten die sozialdemokratischen und stalinistischen Führer den Weg für den Aufstieg einer neuen reaktionären nationalistischen Bewegung in Deutschland.

In ihrem Programm für Deutschland sagt die Kommunistische Partei: „Aber auf der Seite der Vereinten Nationen, mit der Sowjetunion, England und den Vereinigten Staaten an der Spitze, stand die Sache der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Fortschritts. Die Rote Armee und die Armeen ihrer Verbündeten haben durch ihre Opfer die Sache der Menschheit vor der Hitler-Barbarei gerettet. Sie haben die Hitlerarmee zerschlagen, den Hitlerstaat zertrümmert und damit auch dir, schaffendes deutsches Volk, Frieden und Befreiung aus den Ketten der Hitlersklaverei gebracht.“1 Dies ist eine gemeine und zynische Täuschung der Völker Deutschlands und der ganzen Welt. Großbritannien und Amerika unterdrücken Hunderte Millionen Menschen in den Kolonien, denen sie die elementaren Rechte nationaler Freiheit und Demokratie verweigern. Amerika unterdrückt die Schwarzen im Süden unter einem Rassismus von fast Hitlerschen Ausmaßen. Die stalinistische Bürokratie spielt eine schändliche Rolle in Osteuropa und dem Rest der Welt. Lenin griff den Versailler Vertrag an als einen, der Deutschland auf das Niveau einer Halbkolonie der Alliierten herunterdrückte. Die sogenannten „Vereinten Nationen“ haben Deutschland nicht Frieden, sondern neue Sklaverei gebracht. Eine noch schlimmere als die von Versailles. Sie haben die Herrschaft des deutschen Imperialismus über Europa durch die Herrschaft des anglo-amerikanischen Imperialismus und der stalinistischen Bürokratie über Europa (und vor allem Deutschland) ersetzt. Sie haben Deutschland schändlich zerstückelt und es mit der selben Raffsucht und Gier geplündert, die Hitler bei seiner Behandlung der von Deutschland eroberten Länder anwandte. Wenn sie Elemente von Organisationen der Arbeiterklasse und demokratischen Rechten in Deutschland erlaubt haben, liegt das nicht an einer ihnen innewohnenden Liebe zur Demokratie, sondern weil sie dazu gezwungen waren. Die Stimmung der Arbeiterklasse in Großbritannien und Amerika, die Unmöglichkeit, dass die britischen, amerikanischen und russischen Truppen das deutsche Volk auf unbestimmte Zeit durch Mittel einer Militärdiktatur niederhalten, die Notwendigkeit irgend einer Art von Basis innerhalb Deutschland: dies sind die Faktoren, die die demokratischen Zugeständnisse erzwungen haben. Zusätzlich waren die sozialdemokratischen und stalinistischen Führungen bereit, die Drecksarbeit für den alliierten Imperialismus und Stalinismus zu machen, indem sie vorgaben, dass das deutsche Volk die abscheuliche Zerteilung, Reparationen, Ausplünderung und Beschränkung der Produktivität aus dem Grund hinnehmen müsse, dass es verantwortlich für Hitler sei.

Wer war wirklich verantwortlich für Hitler? Zuerst und vor allem der kapitalistische Imperialismus durch den Versuch, sein morsches System zu retten. Die deutsche Arbeiterklasse unterstützte Hitler nie. Die Arbeiter, organisiert in der Kommunistischen und Sozialdemokratischen Partei, den Gewerkschaften, im Roten Frontkämpferbund und im Reichsbanner waren begierig und willens, gegen die Nazis zu kämpfen. Es waren die sozialdemokratischen und stalinistischen Parteiführungen, die die Arbeiter spalteten, ihren Willen zum Widerstand gegen die Nazis lähmten und die deutschen Arbeiter (von denen acht Millionen Sozialisten und sechs Millionen Kommunisten waren) ohne einen abgefeuerten Schuss an Hitler verrieten. Schande über diese Verräter, die jetzt die deutschen Arbeiter für ihre eigenen Verbrechen verantwortlich machen wollen! Als Trotzki in seinen vielen Büchern und Broschüren, die in der Periode 1930-1933 geschrieben wurden, vor den Folgen eines Sieges Hitlers warnte, spalteten die Stalinisten die Arbeiter und schlossen sich den Nazis bei dem berüchtigten „roten“ Volksentscheid von 1931 an. Die Sozialdemokraten unterstützten Hindenburg und die Eiserne Front und bereiteten so den Weg für Hitler.

Stalin mit seiner Politik des „Sozialfaschismus“ und der Verweigerung der Einheitsfront mit den Sozialdemokraten und die sozialdemokratischen Führer mit ihrer „Theorie“ des „kleineren Übels“ waren gemeinsam verantwortlichfür die Katastrophe. Sie sind jetzt nicht zufrieden damit, die Rolle des Judas am Proletariat gespielt zu haben, und wollen ihr Opfer noch weiter lähmen, damit sie von ihren Verbrechen und denen des Imperialismus Sühne erhalten.

Lenin geißelte die Verbrechen der Sozialdemokraten, weil sie in der Revolution 1918-19 den Kapitalismus retteten und den Weg für den Sieg der Reaktion bereiteten. Die Führung der KP versagte 1923 bei der Machtübernahme. So bereitete das Versagen des Proletariats bei der Lösung der vom Niedergang des Kapitalismus gestellten Probleme den Weg für die Raserei der Mittelschicht, die in der Demagogie der Nazis einen Ausweg suchte.

Das Programm der Kommunistischen Partei sagt: „heute, am Ende des „Dritten Reiches“, wird uns auch der sozialdemokratische Arbeiter recht geben, dass sich die faschistische Pest in Deutschland nur ausbreiten konnte, weil 1918 die Kriegsschuldigen und Kriegsverbrecher ungestraft blieben, weil nicht der Kampf um eine wirkliche Demokratie geführt wurde (…) Daher fordern wir: Keine Wiederholung der Fehler von 1918! 2 Aber Lenin sagte, dass der große Fehler von 1918, das große Verbrechen von 1918 war, dass es die Arbeiterklasse nicht schaffte, den Kapitalismus zu stürzen und die Macht in ihre eigenen Hände zu nehmen. Das war es, wofür Liebknecht und Luxemburg kämpften, was die deutsche Kommunistische Partei durchführen wollte. Aber im Namen Lenins und Luxemburgs führt ihr die selbe tödliche Politik durch, die die Sozialdemokraten 1918 machten. Schande über die, die im Namen Lenins und Liebknechts die Ideen besudeln und entstellen, für die sie standen! Schande über die, die in ihrem Namen das Verbrechen begehen, gerade die Lehren und Politik der Klassenkollaboration und des Katzbuckeln vor den Siegern zu betreiben, gegen die Lenin und Liebknecht so unversöhnlich kämpften!

Die internationalistische Politik Lenins, Liebknechts und Trotzkis wurde durch eine Politik der Unterstützung für die Sieger ersetzt, deren zynische Politik „Wehe den Besiegten“ lautet.

Die französischen und britischen Stalinisten und Sozialdemokraten greifen das deutsche Volk auf die chauvinistischste und schändlichste Weise an. Aber gestern noch versuchten die britischen Labour-Führer die schändliche Kapitulation der deutschen Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer ohne Bürgerkrieg vor Hitler zu rechtfertigen. In der frühen Periode des Kriegs griffen die Stalinisten, einschließlich der deutschen KP nur den anglo-französischen Imperialismus an. Vor dem Angriff auf die Sowjetunion wollten sie Frieden zu Hitlers Bedingungen. So handeln die Sozialdemokraten gläubig und gehorsam als Agenten der Bourgeoisie, während die Stalinisten als Agenten der Außenpolitik der Sowjetbürokratie handeln. Heute wollen sie auch keine unabhängige Klassenpolitik betreiben. Sie arbeiten mit den Kapitalisten zusammen, die Hitler an die Macht brachten und handeln als Agenten der ausländischen Eroberer und Unterdrücker: Hört diese Schmeichelei:

Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und einen neuen Weg einschlagen. Jeder Deutsche muss sich bewusst sein, dass die Vereinten Nationen angesichts der vom Volk geduldeten wiederholten imperialistischen Verbrechen Maßnahmen zur Vermeidung der Wiederholung der verheerenden deutschen Politik ergreifen müssen. Darin liegt die Bedeutung der Potsdamer Konferenz, das deutsche Volk zu befähigen, zu beweisen, dass es durch seine eigene Fähigkeit zu einer friedliebenden und demokratischen Nation wachsen muss. Erst wenn sich jeder Deutsche bewusst wird, dass er ehrlich eine neue Seite aufschlagen und die Demokratisierung Deutschlands fortsetzen muss, die 1918 begann – erst dann kann das deutsche Volk das Vertrauen anderer Nationen gewinnen. Erst dann wird es Ehre und Freiheit wiedergewinnen – nur dann wird eine deutsche Regierung das wirkliche demokratische Deutschland vertreten und fähig sein, an einer Friedenskonferenz teilzunehmen.

Warum die Deutschen? Weil sie besiegt wurden? Sind nicht die Arbeiter anderer Länder, die aus vielen Gründen – besonders wegen dem Verrat ihrer Führer – unfähig zum Sturz des Kapitalismus waren, auch verantwortlich? Wenn die Deutschen schuldig sind, dann sind die Russen, Franzosen, Amerikaner, Briten und andere Völker nicht mehr und nicht weniger schuldig. Die Potsdamer Konferenz war eine Versammlung der Räuber, um die Beute zu teilen. Sie hatte nichts mit Sozialismus oder Demokratie zu tun. Sie war nur eine äußerste Entwicklung der Machtpolitik. Wollt ihr das deutsche Volk auch für den Ersten Weltkrieg verantwortlich machen? Dann müsst ihr die Lehren Lenins und Liebknechts umwerfen und offen zugeben, dass ihr mit den Lehren des Marxismus nicht zu tun habt.

Lenin wies darauf hin, dass nicht das deutsche Volk oder selbst der deutsche Imperialismus allein für den Ersten Weltkrieg verantwortlich war, sondern die kriminellen kapitalistischen Imperialisten aller Großmächte. Nicht einer konnte sich von diesem Verbrechen gegen die Menschheit freisprechen. Nicht nur das, sondern Lenin sagte vorher, dass es unausweichlich einen zweiten, einen dritten, sogar einen zehnten imperialistischen Krieg geben werde, wenn die Arbeiter den Kapitalismus nicht stürzen würden.

Der Weg zum Frieden liegt nicht darin, dass das deutsche Volk aufhört, den aggressiven deutschen Imperialismus zu „tolerieren“, sondern im Sturz des Kapitalismus in Europa und auf der ganzen Welt. Wie Lenin lehrte, sind alle anderen Wege treulose Täuschung der Massen. Kein Hokuspokus mit „Vereinten Nationen“ kann Krieg verhindern, wenn man zulässt, dass die Ursache des Krieges, der kapitalistische Imperialismus, bleiben kann. Kaum ist die Niederlage Deutschlands und Japans vollendet, da streiten sich die Sieger untereinander. Großbritannien mit Amerika, Russland mit Amerika und Großbritannien und so weiter. Unausweichlich wird die Saat für einen Dritten Weltkrieg mit noch größerer Zerstörung und Gemetzel an den Völkern der Welt gesät.

Es gibt einen Weg, nur einen Weg zu Frieden, Freiheit und Wohlstand für die Völker Deutschlands und Europas. Dieser Weg ist der Sturz des Kapitalismus und die Organisation der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Das ist die Lehre von 1918 und 1923, von Hitler und dem Zweiten Weltkrieg. Aber es ist gerade diese Lehre, die die Führung der Kommunistischen Partei nicht zu verstehen vorgibt. Sie ziehen anscheinend die verblüffende Schlussfolgerung, dass das Sowjetsystem der gegenwärtigen Entwicklung in Deutschland nicht entspricht. Warum? In ihren eigenen Worten: „Wir sind der Auffassung, dass der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, den dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland.

Wir sind vielmehr der Auffassung, dass die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk. 3

Dies ist eine Wiederholung der Fehler und Verbrechen der Sozialdemokratie 1918. Es war gerade der Bankrott des Kapitalismus in einer demokratischen Form – denn das bedeutet parlamentarische Republik – der die Saat für den Aufstieg des Faschismus und den Sieg Hitlers säte. „Demokratie“, bürgerliche Demokratie konnte in einem von Versailles ruinierten Deutschland nicht blühen, das vor dem Widerspruch zwischen seinem ungeheuren industriellen Potenzial und der Unmöglichkeit seiner vollen Ausschöpfung durch die vom Kapitalismus auferlegten Beschränkungen stand. Die demokratische Republik konnte dem Volk nicht einmal Brot geben. Sie ruinierte nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch die Mittelschicht. Lenin wies darauf hin, dass sie nur Herrschaft des Monopol-, des Finanzkapitals sein konnte. Demokratie muss einen Klasseninhalt haben. Bürgerliche Demokratie muss die Herrschaft der Trusts und Banken und genau der Elemente bedeuten, die für Hitler verantwortlich sind. Aber die deutsche KP steht jetzt ziemlich offen und schamlos für ein Programm, das die Sozialdemokratie 1918 trotz ihrer versteckten Unterstützung nicht offen vorzubringen wagte. In den Worten des KP-Programms: „Völlig ungehinderte Entwicklung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums. 4

Selbst wenn es wahr wäre, dass es nicht möglich wäre, sofortein Sowjetsystem in Deutschland zu errichten, wäre es immer noch die Pflicht einer Partei, die eine leninistische Politik betreibt, der Arbeiterklasse und den breiten Massen zu erklären, dass sie nur so eine Lösung für ihre Probleme finden können. Dies wäre das Ziel, auf das alle Propagandaarbeit der revolutionären Partei gerichtet wäre. Keine Lügen würden dem Volk erzählt werden, keine Illusionen würden verbreitet werden, dass ein neues demokratisches Deutschland (und die Stalinisten vermeiden die Frage seiner Klassengrundlage) zu Frieden, Brot und Freiheit führen könnte. Sie lügen, meine Herren! Ihre Politik bereitet wie die der Sozialdemokraten von 1918 neue Schrecken und Elend für die Völker, neue Kriege und neue faschistische Geißeln vor.

Das macht die zuckrigen Phrasen der KP-Politik, zum Beispiel „Schutz der Arbeiter vor übermäßiger Ausbeutung“ zu Unsinn. Auf einer kapitalistischen Grundlage hätte das Volk jahrzehntelang zu arbeiten, um Deutschland aufzubauen und die Reparationen zu bezahlen, die ihr vorschlagt. „Anerkennung der Pflicht, zur Wiedergutmachung für die durch die Hitleraggression den anderen Völker zugefügten Schäden. Gerechte Verteilung der sich daraus ergebenen Lasten auf die verschiedenen Schichten der Bevölkerung nach dem Grundsatz, dass die Reicheren auch eine größere Last tragen“,5 als ob die Reichen nicht immer die Last den Armen und Unterdrückten aufladen würden. Als ob es möglich wäre, Industrie auf kapitalistischer Grundlage aufzubauen ohne das aus dem Blut und Schweiß der Arbeiter kommende Kapital. Aber nicht nur das, es wäre eine Katastrophe für ganz Europa.

Egal in welcher verkleideten Form, die Sozialdemokraten und vor allem die Führung der KP stehen für die Zerteilung Deutschlands, für den Ruin und die Versklavung des deutschen Volkes im Interesse der alliierten Unterdrücker. Aber dieser Weg bietet keinen Nutzen, nicht nur für das deutsche Volk, sondern auch für die Arbeiterklasse Frankreichs, Großbritanniens, Russlands und Amerikas. Sie hilft nur den Kapitalisten dieser Länder und der stalinistischen Bürokratie Russlands. Aber die Enteignung der deutschen Kapitalisten und die Leitung der Industrie und des Landes unter der Kontrolle der Arbeiterklasse mit der Unterstützung der Hilfe des Kleinbürgertums in einem sozialistischen Sowjetdeutschland würde den Weg für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa bereiten. Alle die wundervollen produktiven Ressourcen Deutschlands könnten zum Wiederaufbau ganz Europas auf völlig neuen Grundlagen verwendet werden, wie es Lenin erträumte. Das ist der Weg, der für die Arbeiterklasse Deutschlands und Europas skizziert werden sollte. Aber diese Verräter und Vandalen rechtfertigen die Zerstörung eines Großteils der deutschen Schwerindustrie und die Beschränkung ihrer Produktionsfähigkeit mit dem Vorwand, dass dies seine Kriegsführungsneigung beschränken würde. Wie die britischen Ludditen, die die Maschinen zerstörten, wollen diese Leute den Maschinen die Schuld geben und nicht der Klasse, die die Maschinen kontrolliert. Die Ludditen waren wenigstens arme unwissende Arbeiter, die es nicht besser wussten und sehr schnell lernten. Aber welche Entschuldigung kann man für die geben, die behaupten, dass sie die aufgeklärten Führer der Arbeiterklasse seien? Das Problem Deutschlands kann nur durch die Machteroberung der Arbeiterklasse Deutschlands und Europas gelöst werden.

Dies ist das grundlegende Programm des Marxismus und Leninismus. Selbst wenn man das Argument akzeptiert, dass es gegenwärtig nicht möglich sei – und dies ist nur wegen der Politik des Stalinismus und Sozialdemokratie international der Fall – dann werden Übergangsforderungen entwickelt werden müssen, nicht als Selbstzweck, sondern als Schritt zur sozialistischen Revolution. Demokratische Forderungen werden im Programm der revolutionären Partei vorkommen. Aber nicht die Forderung nach „Recht und Ordnung“, immer der Sammelruf der Konterrevolution. Unter dem Ruf nach „Recht und Ordnung“ zerschlugen die Bluthunde Noskes und Scheidemanns die deutschen Arbeiter, die von Liebknecht und Luxemburg geführt wurden. Liebknecht und Luxemburg selbst wurden im Namen von „Recht und Ordnung“ ermordet. Hitler selbst beging seine Verbrechen im Namen von „Recht und Ordnung“ los. Galliffet schlachtete die Kommunarden ebenfalls im Namen von „Recht und Ordnung“ ab. Jetzt wissen wir, wo die Stalinisten stehen. Sie stehen hinter dem unheilverkündenden bürgerlichen Ruf nach „Recht und Ordnung“.

Mit diesem finsteren Programm ist es nicht überraschend, dass sie die fatale sozialdemokratische Politik eines Blocks mit den bürgerlichen Parteien durchführen wollen. Nirgends in den Schriften Lenins kann man Rechtfertigung für die Kollaboration mit dem Klassenfeind finden.

Kommunistische Arbeiter! Sozialistische Arbeiter! Fordert, dass diese Quisling-Politik aufhört. Kämpft für ein sozialistisches Programm. Kämpft für ein Programm der wirtschaftlichen und sozialen Befreiung der Arbeiterklasse und Mittelschicht, nicht ein Programm der Versklavung und Erniedrigung. Es ist utopisch, sich vorzustellen, dass eine neue Welt auf der Grundlage des Kapitalismus geschaffen kann, besonders eines Kapitalismus, der auf den Ruinen Europas beruht. Bei einem Versuch, die Massen der Bevölkerung für die sozialistische Revolution zu gewinnen, muss ein positives Programm von Übergangsforderungen entwickelt werden. Die Probleme Deutschlands können nur im europäischen Maßstab gelöst werden. Das Schicksal der deutschen Arbeiter ist mit dem der französischen, britischen und russischen Arbeiter verbunden. Daher muss von der deutschen Arbeiterklasse eine internationalistische Politik entwickelt werden.

im Namen des Kampfes für Sozialismus erklärten die Stalinisten die Sozialdemokraten zum Hauptfeind und bereiteten den Sieg Hitlers vor. Jetzt wünschen sie, den Schrei nach Einheit zu nutzen … nicht nur mit den Sozialdemokraten, sondern auch mit den kapitalistischen Parteien, um den Kapitalismus zu retten. Wir sind für die Einheit der Arbeiterklasse. Wir werden uns mit der Kommunistischen Partei und der Sozialdemokratischen Partei im Kampf für jede Forderung, egal wie klein sie ist, vereinen, die im Interesse der Arbeiterklasse ist. Einheit ja, aber wofür? Das ist, was die Arbeiter fragen müssen. Die einzige Einheit zwischen Löwe und Lamm ist im Magen des Löwen. Die einzige Einheit zwischen Kapitalisten und Arbeitern ist im Interesse des Kapitalismus. Wir sind gegen Einheit mit den Kapitalisten aller Länder. Wir sind für einen unerbittlichen Kampf gegen sie. Wir glauben, dass unser Programm und nur unser Programm einen Ausweg für die Arbeiterklasse bietet. Aber solange die Arbeiter Vertrauen in die Sozialdemokratischen und Kommunistischen Parteien bewahren, sind wir bereit, eine Einheitsfront mit ihnen zu haben, in jeder Frage des Kampfsgegen den Kapitalismus und nicht der Kollaboration mit ihm.

Dies ist das Programm der Partei von Marx und Lenin. Dies ist das wirkliche Programm des Kommunismus, das allein die Arbeiter Deutschlands und der Welt aus der Hölle des Kapitalismus in eine neue Welt führen kann.

Wie kann es erklärt werden, dass die KP auf diese monströse Weise von den Lehren Lenins abschweifte? Weil sie nicht die Arbeiter Deutschlands, Russlands oder irgend eines anderen Landes vertreten, sondern die Sowjetbürokratie, die die Kontrolle den Arbeiter Russlands aus der Hand genommen hat. Nur dies kann die kriminelle Politik des Stalinismus 1930-33 erklären, die zum Sieg Hitlers führte, und die noch kriminellere Politik, die er heute betreibt. Sie ist nur eine Widerspiegelung der Außenpolitik der stalinistischen Bürokratie. Von den Errungenschaften der Oktoberrevolution bleibt nichts als das Staatseigentum an den Produktionsmitteln. Alle anderen Errungenschaften wurden von Stalin und den Verräterbürokraten weggewischt. Lenin legte vier Regeln für die Herrschaft der Arbeiterklasse fest:

Die Wahl von Sowjets und das Recht der Massen, ihre Vertreter abzuwählen.

Abschaffung des stehenden Heeres und seine Ersetzung durch das bewaffnete Volk.

Keine höhere Bezahlung für Beamte als für die durchschnittlichen Arbeiter.

Kein ständiges Beamtentum.

Um Lenins Formulierung zu verwenden: „Jede Köchin sollte Ministerpräsidentin werden können, wenn jeder Bürokratie ist, ist keiner Bürokrat.“

Keine einzige von diesen Bedingungen ist heute in Russland erfüllt. Die Zerstörung der Bedingungen, die Lenin für die Herrschaft der Arbeiterklasse forderte, hat die Grundlage dafür geschaffen, dass die ungeheuer privilegierte Kaste von Bürokraten die Kontrolle in Russland übernahm und die Kommunistischen Parteien auf der ganzen Welt manipuliert, nicht im Interesse der Weltrevolution, sondern, sondern für die Tagesbedürfnisse der Bürokratie.

Unsere Partei kämpft für die Wiederherstellung dieser Bedingungen in Russland und für den Sturz des Kapitalismus und der Einführung dieser Bedingungen in anderen Ländern.

Wir stehen für Sowjets und die Freiheit von Sowjetparteien, das heißt alle Parteien, die bereit sind, das Sowjetsystem als Grundlage zu akzeptieren, sollen das Recht auf Presse, Papierzuteilung, Radio und alle anderen Mittel zur Formung der öffentlichen Meinung gemäß den Ideen jeder Gruppe von Arbeiter haben, die die obigen Bedingungen akzeptieren. Die deutschen Arbeiter haben eine schreckliche Erfahrung des Totalitarismus gehabt. Sie werden für eine wirkliche sozialistische Demokratie auf der Grundlage der Herrschaft der Arbeiterklasse kämpfen. Sie dürfen nicht in die Falle der Unterstützung für die bürgerliche Demokratie gehen.

In allen Teilen der Welt gibt es Internationalisten – Mitglieder der Vierten Internationale –, die in eurer dunkelsten Stunde mit euch sind. Sie allein stehen für das große Programm des internationalen Sozialismus und die Zerstörung des Kapitalismus national und international. Auf euch schauen sie mit Hoffnung für die Zukunft Deutschlands. In Frankreich, Belgien, Holland, Italien und anderen Teilen Europas haben unsere Genossen internationalistische Solidaritätsmanifeste mit der deutschen Arbeiterklasse veröffentlicht. Sie allein weigerten sich, ihre eigenen Herrscher im imperialistischen Blutbad zu unterstützen, sie standen für die Traditionen und Programme des internationalen Kommunismus. Sie standen nicht für die Politik terroristischer Morde an einzelnen deutschen Soldaten in den besetzten Ländern – eine Politik, die der chauvinistischen Politik des Stalinismus entsprang – sondern für die Politik der Klassenverbrüderung mit den deutschen Arbeitern in Uniform.

In Großbritannien war es unsere Partei, die Revolutionary Communist Party, die das Banner des Internationalismus durch Klassenkampf am Leben hielt. Es war unsere Partei, die von der reaktionären Koalition der jämmerlichen Sozialdemokraten und Stalinisten mit der Bourgeoisie gejagt wurde.

In diesem Augenblick unseres ersten Kontaktes strecken wir unsere Hände zu euch in Solidarität und Brüderlichkeit aus. Möge dieser Kontakt in der kürzestmöglichen Zeit zu den stärksten Banden der Einheit führen und bei der Zerstörung der Politik helfen, die die Quisling-Führer der deutschen Sozialdemokratie und des Stalinismus der deutschen Arbeiterklasse aufzudrängen versuchen. Möge sie zur Einheit der deutschen Aktivisten mit den Aktivisten unserer internationalen Bewegung führen. Denn ohne solche Einheit wird nicht nur die deutsche Arbeiterklasse national unterdrückt bleiben, sondern auch wir in Großbritannien werden nie frei sein. Wir wiederholen, die Arbeiterklasse Großbritanniens, Amerikas, Europas und Russlands wird nie befreit sein, solange Deutschland besetzt und unterdrückt ist.

Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas, Amerikas und der Welt!

1 Aufruf der Kommunistischen Partei Deutschlands vom 11. Juni 1945, nach: Hermann Weber (Hg.): Der deutsche Kommunismus. Dokumente. Köln-Berlin 1963, S. 431-437, hier S. 432

2 a.a.O., S. 433

3 a.a.O., S. 435

4 a.a.O., S. 435

5 a.a.O., S. 437


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