Lynn Walsh: Was geschieht in Äthiopien?

[Militant Nr. 395, 3. März 1978, S. 10]

In den letzten paar Wochen hat das äthiopische Regime eine massive Gegenoffensive gegen die von Somalia unterstützten Kräfte in Ogaden begonnen, der von Somalia beanspruchten Region Äthiopiens. Nach allen Berichten wurden große Mengen russischer Waffen eingeflogen, und die äthiopische Armee wurde mit etwa 6.000 kubanischen Berater*innen verstärkt.

Die weltweiten Vorhersagen in der kapitalistischen Presse, dass das Derg-Regime aufgrund des Krieges in Ogaden, der blutigen Kämpfe in Eritrea und der Unruhen innerhalb Äthiopiens kurz vor dem Zusammenbruch stehe, werden widerlegt.

Abgesehen von der massiven Hilfe, die es derzeit vom Ostblock erhält, hat das äthiopische Regime durch Landreformen und Verstaatlichungsmaßnahmen, die ihm eine Massenbasis insbesondere unter der Bäuer*innenschaft verschafft haben, eine enorme Widerstandsfähigkeit erlangt.

Der US-Imperialismus ist in der Nachvietnamkriegsära nicht in der Lage, direkt gegen Äthiopien zu intervenieren. Die kapitalistischen Mächte mussten sich damit begnügen, die Feinde Äthiopiens sekundär zu unterstützen, hauptsächlich durch die arabischen Staaten, die Teile der eritreischen Befreiungsbewegung und Somalia unterstützen.

Doch während der Derg seine Position festigte und sich auf Gegenoffensiven an zwei Fronten vorbereitete, wurde das Land zweifellos von gewaltsamen Kämpfen erschüttert. Es gab einen blutigen Machtkampf innerhalb des Derg selbst, während gleichzeitig der Derg eine brutale Unterdrückung aller seiner politischen Gegner*innen einleitete.

Was geschieht also am Horn von Afrika? Der Schlüssel zum Verständnis der komplexen und schnellen Ereignisse liegt zweifellos in einer Analyse der revolutionären Veränderungen, die seit dem Sturz Haile Selassies im Jahr 1974 in Äthiopien stattgefunden haben.

Die äthiopische Revolution wurde 1974 durch eine Meuterei in der Armee ausgelöst. Die tiefgreifende Unzufriedenheit unter den niederrangigen Offizieren und den unteren Rängen spiegelte eine schwere Krise des feudalen Despotismus Haile Selassies wider. Für die niederrangigen Offiziere – wie auch für die Student*innen und Intellektuellen, die bereits offen ihre Opposition gegen das Regime bekundet hatten – wurde die Hungersnot in Wollo, bei der Anfang 1974 über 100.000 Menschen starben, zum Symbol für alles, was in der äthiopischen Gesellschaft faul und korrupt war.

Zunächst waren die weitergehenden Ziele der niederrangigen Offiziere vage. Mit ihren unmittelbaren Forderungen nach einer Verbesserung ihres beruflichen Status verband sich ihr Wunsch nach einer gründlichen Reform des Landes. Doch sobald sie die Regierung des Kaisers stürzten, setzten sie mächtige Kräfte für Veränderungen in Gang, die unvorhersehbar waren und sich ihrer Kontrolle entzogen.

Derg entfacht Massenunruhen

Der Derg, der provisorische militärische Verwaltungsrat, nahm schnell die Macht in die eigenen Hände. Ähnlich wie ihr Gegenstück in Portugal, die Bewegung der Streitkräfte, die Caetano stürzte, lösten die radikalen Offiziere einen revolutionären Umbruch aus. Gärung unter den Soldaten, Streiks der Arbeiter*innen, das Erwecken der grausam ausgebeuteten und unterdrückten Bäuer*innenschaft und Demonstrationen der Student*innen drängten den Derg unaufhaltsam nach links.

Als der Derg die Macht übernahm, stellte er jedoch fest, dass die Hebel der Macht nicht mehr funktionierten. Wie die Bewegung der Streitkräfte in Portugal standen sie dem vollständigen Zerfall und Zusammenbruch des alten Regimes gegenüber. Anstatt die Wirtschaft zu entwickeln, hatten der Kapitalismus und der Imperialismus, soweit sie in die äthiopische Gesellschaft vorgedrungen waren, deren Probleme nur verschärft. Angesichts des enormen Drucks für Veränderungen, der sich unter Haile Selassie so lange angestaut hatte, war der Derg gezwungen, grundlegende soziale Veränderungen durchzuführen, um seine eigene Machtposition zu sichern.

Jeder Schritt der Konterrevolution, die sich in erster Linie auf die großen Grundbesitzer*innenfamilien stützte, die das Rückgrat der alten herrschenden Klasse bildeten, trug nur dazu bei, den Derg vorwärts zu treiben. Da die ursprüngliche, „gemäßigte“ Führung des Derg zögerte und zauderte, wurde sie von Radikalen wie Oberstleutnant Mengistu Haile Mariam verdrängt, die bereit waren, den ganzen Weg zu gehen. Das Tempo der Ereignisse wurde darüber hinaus durch die Krise in Eritrea und Ogaden sowie die Gefahr einer Intervention durch die kapitalistischen Mächte beschleunigt.

So nutzte der Derg die revolutionäre Energie der Massenbewegung der Arbeiter*innen und Bäuer*innen und leitete rasche soziale Veränderungen ein, die das Ende von Großgrundbesitz und Kapitalismus bedeuteten und einen entscheidenden Bruch mit dem Weltimperialismus herbeiführten.

Anfang 1975 wurden Landreformmaßnahmen durchgeführt, die den feudalen Großgrundbesitz und die Leibeigenschaft beendeten. Alle Hauptindustriezweige und Banken wurden verstaatlicht. Bildung und Sozialleistungen wurden zum ersten Mal auf einen Großteil der ländlichen Bevölkerung ausgeweitet. In vielen Gebieten übernahmen Bäuer*innenvereinigungen die Verwaltung, und es wurden Arbeiter*innen- und Bäuer*innenmilizen gebildet, um „die Revolution zu verteidigen“.

Bedeutet all dies, so muss man fragen, eine „sozialistische Revolution”?

Die Richtung des sozialen Wandels von oben

Während er umfassende Veränderungen umsetzte, übernahm der Derg zunehmend die marxistische Sprache. Er beschreibt sich nun selbst als „marxistisch-leninistisch”. In Wirklichkeit hat der Derg jedoch nichts mit dem Marxismus Lenins und der Bolschewiki gemeinsam, die die russische Revolution anführten.

Die grundlegenden Veränderungen, die unter dem Derg stattfanden, hätten ohne das Eingreifen der Massen nicht stattfinden können. Aber das barbarisch niedrige kulturelle Niveau des Landes, die Schwäche der Arbeiter*innenklasse und das Fehlen einer echten marxistischen Partei haben dazu geführt, dass die Revolution von oben durch eine aus den mittleren Schichten der Gesellschaft rekrutierte Offizierskaste gelenkt wurde.

Die Schwäche des Weltkapitalismus schloss eine Stabilisierung des Regimes auf kapitalistischer Basis fast automatisch aus. Schritt für Schritt, ohne irgendeine bewusste Strategie, wurde der Derg durch die Gefahr einer Konterrevolution und den Druck der Massen dazu gedrängt, „sozialistische” Maßnahmen zu ergreifen. Die Sprache des Marxismus wurde nachträglich als Rationalisierung übernommen. Da die Veränderungen von oben gelenkt wurden und nicht durch die demokratische Initiative und Kontrolle der Arbeiter*innen und Bäuer*innen bestimmt waren, hat die äthiopische Revolution von Anfang an eine verzerrte Form angenommen.

Gezwungen, sich aus der Kette des Weltkapitalismus loszubrechen, wandte sich der Derg dem vorgefertigten Modell der deformierten Arbeiter*innenstaaten in Russland und Osteuropa zu. Von Anfang an übernahmen die Offiziere die bürokratischen Methoden und Politiken, die in Russland nach der Isolierung der Revolution und mit der Degeneration der Arbeiter*innendemokratie und der Kristallisierung einer bürokratischen Herrscherkaste, vertreten durch Stalin, vorzuherrschen begannen.

Der Derg hat nicht nur das stalinistische Modell übernommen, sondern angesichts der Teilung der Welt in zwei Lager, die jeweils vom US-Imperialismus und der russischen Bürokratie dominiert werden, hat sich das neue äthiopische Regime unweigerlich dem letzteren zugewandt und ist bereits von russischer Hilfe und Unterstützung abhängig geworden. Dies kann nur bedeuten, dass es zunehmend sein dominantes Gegenstück in Russland kopieren wird.

Die Abschaffung von Großgrundbesitz und Kapitalismus in Äthiopien ist dennoch ein gewaltiger Schritt nach vorne. Zum ersten Mal wurden Millionen von Bäuer*innen aus ihrer Position als Lasttiere befreit, um eine Rolle in der Entwicklung der Gesellschaft zu spielen. Trotz aller Schwierigkeiten haben die Landreformen dem Derg zweifellos eine enorme Popularität in weiten Teilen der Bäuer*innenschaft verschafft.

Aber der bürokratische Charakter des Regimes macht es gewiss, dass die Revolution nur mit enormen menschlichen Kosten gesichert werden kann. Dies wurde bereits in zwei Schlüsselfragen deutlich: (1) durch den gewaltsamen repressiven Charakter des internen politischen Kampfes und (2) durch die blutigen nationalen Konflikte in Eritrea und Ogaden, die das Horn von Afrika zu einem neuen „Hahnenkampfplatz der Mächte” gemacht haben (wenn auch, was die USA betrifft, nur stellvertretend).

Politische Unterdrückung und blutige Säuberungen

In Äthiopien stand die Revolution vor grundlegenden Aufgaben, vergleichbar denen der russischen Revolution von 1917:

(I) die Durchführung einer grundlegenden Landreform, historisch gesehen die Aufgabe der Kapitalist*innenklasse, die jedoch aufgrund ihrer extremen Schwäche und politischen Unfähigkeit auf unbestimmte Zeit verschoben war; (II) hineingeschoben in die erste Aufgabe und alle damit verbundenen Veränderungen die Verstaatlichung der modernen Industrie, der Schlüssel zur sozialistischen Entwicklung und historisch gesehen die Aufgabe der Arbeiter*innenklasse.

In Russland stützte sich die bolschewistische Partei unter der Führung Lenins und Trotzkis auf die kleine, aber konzentrierte und gut organisierte Arbeiter*innenklasse, die durch ihr Programm die Unterstützung der armen Bäuer*innenschaft gewann. Die Aufgaben der Revolution wurden durch die Sowjets der Arbeiter*innen-, Soldaten- und Matrosen- sowie der Bäuer*innenvertreter*innen, die demokratischsten je geschaffenen Institutionen, durchgeführt. Dies allein garantierte die Niederlage der Konterrevolution und der ausländischen kapitalistischen Intervention in der ersten Phase nach 1917.

Der Derg jedoch gebraucht die völlig anderen von der stalinistische Diktatur, die die demokratische Arbeiter*innenkontrolle durch die Sowjets an sich gerissen hatte, verwendeten Methoden. So ist der interne politische Kampf in Äthiopien seit dem Sturz Haile Selassies von blutigen Säuberungen und schrecklicher Unterdrückung geprägt.

Der Terror des Derg

In den letzten Monaten hat der „rote Terror” ein beispielloses Ausmaß erreicht. „Eine Zahl von 80.000 bis 100.000 politischen Gefangenen insgesamt würde wahrscheinlich noch hinter der tatsächlichen Zahl zurückbleiben”, schreibt der Korrespondent von „Le Monde” (16. Februar). Berichte, die aus dem Land kommen, deuten darauf hin, dass Schnellverfahren, öffentliche Hinrichtungen und nächtliche Morde an Gegner*innen des Derg die albtraumhafte Norm sind.

Der Derg brandmarkt nun die meisten seiner Gegner*innen als „Mitglieder der EPRP“ (Ethiopian People’s Revolutionary Party [Äthiopische Volksrevolutionäre Partei]). Die EPRP, die vor 1974 aktiv gegen das Regime opponierte und sich hauptsächlich auf Student*innen stützte, begrüßte die sozialen Maßnahmen des Derg, drückte jedoch Opposition gegen die diktatorischen Methoden der Militärführer ab. Im Herbst 1976 bezeichnete die EPRP das Regime des Derg als „faschistisch” und begann mit den Vorbereitungen für einen Guerillakampf auf dem Land.

Es war die Ermordung führender Mitglieder des Derg durch die EPRP, die der Regierung die Rechtfertigung für ihre blutige Säuberungsaktion gegen die EPRP oder mutmaßliche EPRP-Kämpfer*innen lieferte. Diese irrige Taktik zeigt, dass die EPRP weit davon entfernt ist, eine klare marxistische Perspektive zu haben. Da sie jedoch praktisch die einzige aktive Opposition gegen die Diktatur des Derg in Äthiopien bietet, hat die EPRP zweifellos beträchtliche Unterstützung von jungen Arbeiter*innen gewonnen, die nach einem nichtmilitärischen, demokratischen Weg zur sozialistischen Revolution suchen.

Für Marxist*innen ist die führende Rolle der Arbeiter*innenklasse, selbst in einem Land, in dem sie eine Minderheit der Bevölkerung bildet, von entscheidender Bedeutung. In Äthiopien spielten die auf der Arbeiter*innenklasse basierenden Gewerkschaften, die sich in den großen (hauptsächlich Textil-)Fabriken rund um die Hauptstadt konzentrierten, eine entscheidende Rolle bei der Zerstörung des alten Regimes und beim Liefern des Schwungs für die Umsetzung der Verstaatlichungsmaßnahmen des Derg.

Doch der Derg zeigte sich bald feindlich gegenüber den unabhängigen Aktionen der Arbeiter*innen. Im Dezember 1975, weniger als ein Jahr, nachdem er die 75 größten Unternehmen übernahm, verfügte der Derg die Abschaffung des alten Gewerkschaftsbundes Äthiopiens und dessen Ersatz durch die staatlich kontrollierte All-Ethiopian Trade Union [Gesamtäthiopische Gewerkschaft], in der Opposition gegen den Derg verboten war.

Selbst auf dem Land, wo das Regime am beliebtesten ist, wurden Maßnahmen ergriffen, um die Initiative der Massen einzudämmen. Als die Landreformen durchgeführt wurden, wurden in vielen Gebieten Bäuer*innenverbände oder „Kebeles“ gebildet, um die Reformen zu überwachen und die lokale Verwaltung zu übernehmen. In jüngerer Zeit wurden diese Gremien, die ursprünglich Organe der Volksmacht waren, in Kontrollorgane von oben umgewandelt, die als „Komitees für öffentliche Sicherheit“ fungieren, um alle oppositionellen Elemente zu unterdrücken, zu verbannen, zu inhaftieren oder hinzurichten.

Unter Mengistu ging der Derg auch gegen die „marxistischen“ Intellektuellen vor, mit denen er anfangs zusammengearbeitet hatte. Als sie die Macht ergriffen hatten und noch tastend ihren Weg suchten, wandten sich die jungen Offiziere an die Intellektuellen auf der Suche nach Unterstützung. Wie in anderen unterentwickelten Ländern übten die Intellektuellen einen unverhältnismäßig großen politischen Einfluss aus. Aus dem Exil in Europa zurückgekehrte Intellektuelle versorgten den Derg mit marxistischer Terminologie und Ideen. Eine Zeit lang fungierte die Meison (All-Ethiopian Socialist Movement [Gesamtäthiopische Sozialistische Bewegung]), eine „marxistische“ Partei, die sich auf Intellektuelle der Mittelschicht stützte, fast wie ein ziviles „Politbüro“ für den Derg.

Im Januar 1975 wurden 40.000 Student*innen aufs Land geschickt, um bei der Durchführung der Reformen zu helfen, und spielten eine wichtige Rolle bei der politischen Bewusstseinsbildung der Bäuer*innenschaft.

Bald jedoch begann der Derg, den rivalisierenden Einfluss der Intellektuellen und die Gefahr zu fürchten, dass sie eine tiefer verwurzelte Opposition kanalisieren könnten. Im Sommer 1975 rief der Derg die ländlichen „Zematcha” der Student*innen zurück. Er begann, vor den „Gefahren des Ultralinkstums” zu warnen und „Recht und Ordnung” mit der Sicherheit der Revolution gleichzusetzen.

Im Oktober letzten Jahres brachen in Addis Abeba schwere Kämpfe aus, ausgelöst durch die Hinrichtung der führenden Vertreter*innen der Meison, die zuvor in den Untergrund gedrängt worden waren. Über 350 Menschen wurden innerhalb weniger Tage bei den Kämpfen in der Hauptstadt getötet.

Im November wurde der stellvertretende Staatschef, Oberstleutnant Afnatu Abate, abgesetzt und hingerichtet. Er selbst war im Februar zuvor Vizepräsident des Derg gewesen, als Mengistu den ehemaligen Vizepräsidenten, Brigadegeneral Teferi Bante, ersetzt hatte, der hingerichtet worden war. So konzentrierte Mengistu durch einen blutigen internen Machtkampf die Führung des Derg in seinen eigenen Händen.

In der Folge verschärfte der Derg seine Kampagne gegen die EPRP. Schießereien wurden in Addis Abeba allnächtliche Vorkommnisse. Verschiedene Berichte deuten darauf hin, dass allein im vergangenen November über 3.000 Student*innen und Arbeiter*innen getötet wurden. „Die Säuberungen unter den Mitgliedern der EPRP waren viel drastischer als die Morde vor sechs Monaten, als Leichen, darunter auch die von Kindern, als Warnung an die Öffentlichkeit am Straßenrand zurückgelassen wurden“, hieß es in einem Bericht Ende November.

Diese Entwicklungen, die sich jetzt fortsetzen, zeugen klar vom bonapartistischen Charakter des Derg und dem völligen Mangel an Demokratie in den vom Regime geschaffenen neuen Staatsorganen.

Der Charakter des äthiopischen Regimes

Nächste Woche werden wir uns mit dem Kampf in Eritrea, dem Krieg zwischen Äthiopien und Somalia und den internen Auswirkungen der Entwicklungen am Horn von Afrika befassen.

Inzwischen müssen wir uns fragen: Welche Haltung sollten Sozialisten zu den bedeutenden Veränderungen in Äthiopien in den letzten vier Jahren einnehmen?

Zunächst muss man den grundlegend fortschrittlichen Charakter der sozialen Veränderungen anerkennen, die unter dem Derg stattgefunden haben. Der Großgrundbesitz und der Kapitalismus wurden abgeschafft. Die Tatsache, dass der Derg gezwungen war, die Landreform und die Verstaatlichung der Industrie durchzuführen, ist ein Beweis für die völlige Unfähigkeit des Kapitalismus, Länder wie Äthiopien zu entwickeln, und diese Maßnahmen liefern das einzige Mittel, mit dem das Land in die moderne Welt geführt werden kann.

Gleichzeitig ist es jedoch gleichermaßen notwendig, eine unerbittlich kritische Haltung gegenüber dem diktatorischen, bürokratischen Regime einzunehmen, das aus der Revolution hervorgegangen ist. Seine reaktionäre, nationalistische Haltung zur nationalen Frage (auf die wir später noch eingehen werden) ist das Gegenstück zu seiner repressiven Rolle im Inneren.

Äthiopien kann nicht als sozialistischer Staat betrachtet werden, nur als deformierter Arbeiter*innenstaat, in dem neue soziale Beziehungen, die den Interessen der Arbeiter*innenklasse entsprechen, auf grotesk verzerrte Weise etabliert wurden.

Einige der grundlegenden wirtschaftlichen Aufgaben der sozialistischen Revolution wurden von führenden militärischen Vertreter*innen der Mittelschicht übernommen, weil sich so schreckliche soziale Widersprüche entwickelt hatten, dass Äthiopien nicht länger auf Veränderungen warten konnte. Unter den Bedingungen extremer Rückständigkeit, die in Äthiopien vorherrschen, wurde eine bonapartistische Führung dazu gedrängt, die Aufgaben einer echten sozialistischen Führung wegen der Schwäche und Isolation der äthiopischen Arbeiter*innenklasse – und wegen der langen Verzögerung der sozialistische Revolution in den fortgeschrittenen Ländern des westlichen Kapitalismus – vorwegzunehmen.

Mit seiner Massenbasis unter der Bäuer*innenschaft und der Hilfe der russischen Bürokratie ist es sehr unwahrscheinlich, dass es dem Derg-Regime nicht gelingen wird, sich in der nächsten Periode zu festigen. Aber die Revolution selbst kann nur durch einen Kampf der Arbeiter*innenklasse für Demokratie vorangebracht werden. Ihre Forderungen müssen sein:

=> Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit;

=> Demokratische, vom Staat unabhängige Gewerkschaften;

=> Demokratische Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung der verstaatlichten Industrien;

=> Sowjets aus demokratisch gewählten Vertreter*innen der Arbeiter*innen, Soldat*innen und Bäuer*innen;

=> Die Abschaffung der Armee und die Unterstellung der Arbeiter*innen- und Bäuer*innenmilizen unter die Kontrolle der Sowjets, um die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen;

=> Das Recht der Völker Eritreas, Ogadens und anderer nationaler Minderheiten auf Selbstbestimmung;

=> Für eine sozialistische Föderation von Äthiopien, Eritrea und Somalia;

=> Für eine sozialistische Föderation Afrikas.


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