[Eigene Übersetzung des Artikels in „Militant“, 17. Oktober 1986, nachgedruckt in der Broschüre „China. The Tradition of Struggle“, Juni 1989, S. 27]
Die Kulturrevolution begann im Wesentlichen als eine von Mao eingeleitete Säuberungsaktion gegen Spitzenpolitiker*innen wie Liu Shaoqi, Deng Xiaoping und die Gruppe, die den Apparat zu dieser Zeit beherrschte. Sie hatten Mao nach dem Scheitern seines „Großen Sprungs nach vorn“ (1958-60) von der direkten Macht ausgeschlossen. Die persönliche bonapartistische Macht von Mao war nicht mehr mit den Interessen einer konsolidierten, reifen Bürokratie vereinbar.
Doch als Mao Studierende, Bauernjugend und Arbeitslose unter radikalen „antibürokratischen“ Losungen zu den Roten Garden mobilisierte, setzte er ein brodelndes Reservoir an Unzufriedenheit frei.
Alle Fraktionen in der Führung versuchten, die rebellische Jugend für ihre eigenen Zwecke zu manipulieren. Doch einmal in Aktion, ging die radikalisierte Jugend weit über Maos Ziel hinaus, seine Rivalen zu verdrängen. Die spontane, aber politisch krude Bewegung deckte die Privilegien und die Korruption der Bürokratie auf.
Rotgardist*innen, die Bürokrat*innen aus ihren Häusern holten, fanden wertvolle Antiquitäten, luxuriöse Gärten, Bedientenwohnungen, teure importierte Kleidung, Parfüms und Spirituosen und andere Luxusgüter. Später, als die radikalen mit der „Viererbande“ verbundenen Führer gestürzt wurden, stellte man fest, dass sie einen ähnlichen Lebensstil genossen, der weit von den Lebensbedingungen der großen Mehrheit entfernt war.
Die Forderung der Rotgardist*innen nach einer demokratischen Kontrolle von unten bedrohte jedoch die Existenz der Bürokratie selbst.
Mao selbst war gezwungen, die Flut einzudämmen. Indem er einen Kompromiss mit seinen Rivalen schloss, gab Mao mit seiner Autorität den Einsatz von Armee und Miliz zur Unterwerfung der Roten Garden frei. In vielen Regionen führten die Fraktionsauseinandersetzungen zu gewalttätigen, bewaffneten Zusammenstößen, und Zehntausende, wenn nicht gar Millionen, kamen bei der blutigen Niederschlagung der Bewegung ums Leben.
In der Zeit nach der Kulturrevolution, bis zu Dengs neuer Vormachtstellung, lag die Parteiführung in den Händen einer instabilen Koalition von Fraktionen, mit Zhou Enlai als ausgleichender Schlüsselfigur. Die Wirtschaftspolitik schwankte zwischen Reformen, die den Schwerpunkt auf Modernisierung, Technologieimporte und Anreize für Manager und Unternehmer legten, und der Rückkehr zu einer strengeren Kontrolle der Wirtschaft und des Staatsapparats, die von der obersten Führung in Peking von oben ausgeübt wurde.
Die Führung war jedoch nach wie vor von einem Kampf um die Kontrolle des Apparats zwischen den „linksradikalen“ Neulingen, die während der Kulturrevolution in Stellung gebracht worden waren, und den Bürokrat*innen der „alten Garde“ geprägt. Schritt für Schritt eroberte die alte Garde um Zhou Enlai und Deng die Kontrolle zurück.
Lin Biao wurde 1971 verdrängt. Nach Maos Tod im Jahr 1976 wurde die „linke“ Viererbande um Maos Witwe Jiang Qing vor Gericht gestellt und zu lebenslanger Haft verurteilt. Es gab keinen grummelnden Massenprotest, was die von ihnen behauptete Massenunterstützung nach der Kulturrevolution Lügen straft.
Nach einer Übergangsperiode unter dem „Kompromiss“-Führer Hua Guofeng stellte Deng die Macht der alten Bürokrat*innengarde wieder her.
In seinem Kampf um die Kontrolle wandte Deng mit großer Vorsicht eine ähnliche Taktik wie Mao an. Beginnend mit dem Tiananmen-Zwischenfall im Jahr 1977, als Zehntausende dem ersten Todestag Zhou Enlais gedachten, förderte Deng den Massendruck auf seine Rivalen. Dies führte zur sogenannten „Demokratiebewegung“, die zum Teil von der Deng-Fraktion orchestriert wurde, aber auch spontan die wirklichen Beschwerden junger Arbeiter*innen, entwurzelter Jugendlicher vom Lande und arbeitsloser Schulabgänger*innen zum Ausdruck brachte.
An der Bewegung waren sehr unterschiedliche soziale Kräfte mit weitgehend unausgegorenen Forderungen beteiligt. Es gab Unterstützung für die Stabilität und den Wohlstand, die anscheinend von Dengs Reformpolitik versprochen wurden. Doch zu Dengs „vier (wirtschaftlichen) Modernisierungen“ fügte die Bewegung eine „fünfte Modernisierung“ hinzu, die Demokratie. Einige der Beteiligten vertraten zweifelsohne liberal-kapitalistische Ideen, andere wiederum tasteten sich an die Idee der sozialistischen Demokratie heran.
Auch wenn sie bei weitem kein klares Programm für den Sturz der Bürokratie und die Errichtung einer Arbeiter*innendemokratie vorweisen konnten, stellten einige der Strömungen eine unübersehbare Bedrohung für die Bürokratie dar. Nachdem Deng die Protestbewegung für seine Zwecke genutzt hatte, ging er dazu über, sie zu unterdrücken, indem er einige ihrer führenden Vertreter*innen inhaftierte und ihre Veröffentlichungen verbot.
Solche Ausdrucksformen des Massenprotests sind trotz ihrer Begrenztheiten ein wichtiger Hinweis auf die Zukunft, wenn eine neue Generation, die sich auf eine gestärkte Arbeiter*innenklasse und ein viel höheres kulturelles Niveau stützt, die herrschende Bürokratie Chinas herausfordern wird. Eine engere Verbindung mit dem Weltmarkt wird außerdem bedeuten, dass die Bewegungen der Arbeiter*innenklasse auf internationaler Ebene in Zukunft weitaus mehr Auswirkungen auf China haben werden.
Im Moment ist die Deng-Führung noch im Aufwind. Doch die enthusiastischen Kommentator*innen im Umfeld der Queen, die Deng als Mann mit originellen Lösungen preisen, vergessen, dass der 82-jährige Veteran dort anknüpft, wo sein alter Chef Liu Shaoqi vor der Kulturrevolution aufgehört hat, und ähnliche Reformen auf die heutigen Verhältnisse anwendet.
Deng repräsentiert keine grundlegend neue Etappe der chinesischen Revolution – lediglich eine neue Episode in der Karriere der Bürokratie, wenn auch eine, die viele Auswirkungen auf Chinas Proletariat haben wird.
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