III. Die Vorgänger und Vorläufer des deutschen Bauernkriegs

In den Ländern südwärts der Alpen, die um das Mittelmeer herumliegend mit mildem Klima und fruchtbarem Boden bedacht sind, war die Kultur schon hoch entwickelt, ehe sie über die hohen Rücken der Alpen und den Rhein nach Deutschland hinüber leckte, das unter rauem Klima und weniger fruchtbarem Boden sich nur langsam entwickeln konnte. Auch als nach dem Verfall und der Zerstörung der alten griechisch-römischen Kultur eine neue Zivilisation sich langsam Bahn brach, waren es Länder wie Italien, Frankreich und selbst England, welche durch die natürlichen Eigenschaften der Lage, des Klimas und der Bodenbeschaffenheit begünstigt, sich rascher entwickelten. Die Zustände, die oben in Bezug auf Deutschland geschildert wurden, waren in der Hauptsache die gleichen in den erwähnten Ländern. Adel und Geistlichkeit waren auch dort die herrschenden Stände, doch wurde ihnen die Herrschaft bereits durch ein hochentwickeltes Bürgertum streitig gemacht.

Die frühzeitigere Entwicklung dieser Länder musste naturgemäß auch die revolutionären Bewegungen früher bei ihnen zum Ausbruch kommen lassen. Haben diese Bewegungen auch zu den späteren Aufständen in Deutschland keine direkten Beziehungen, so interessieren sie durch die Gleichartigkeit der Ziele und die äußere Form, unter welcher sie auftraten. Alle erscheinen den beschränkten Anschauungen der Zeit gemäß, wo keine soziale Bewegung auf Erfolg rechnen konnte, wenn sie nicht, auf die Religion gestützt, ihre Berechtigung und ihr Recht nachwies, unter religiösem Gewande.

Hierfür gab es noch einen anderen Grund. Die Geistlichkeit war, wenn sie sich auch bemühte, das Gegenteil glauben zu machen, ein weltlicher Stand, die Auflagen und Abgaben, welche sie erhob, waren sehr greifbare weltliche Dinge. Im Druck und in der Ausbeutung der Massen wetteiferte sie mit den Fürsten und dem Adel um die Wette; ihr Tun und Treiben aber rechtfertigte sie bei der unwissenden Menge durch Hinweise auf die Religion und die Gebote Gottes, als deren Vertreter und Vollstrecker sie galt. Es war also ganz natürlich, dass die Opposition gegen das Bestehende auf dem Gebiete ihre wirksamsten Waffen suchen musste, auf dem sie den gefährlichsten Feind besaß, auf dem religiösen. Die Opposition stellte daher die Lehren der Geistlichkeit als „falsche“ hin und bezeichnete ihre sozialen und politischen Ziele als die „reine“ Lehre und das „wahre“ Wort Gottes. Und das christliche Hauptbuch, die Bibel, kam der Opposition hierin entgegen, denn die Bibel hat bekanntlich die schöne Eigenschaft, neben einer Menge widersprechender und zweideutiger Stellen auch solche zu enthalten, welche der Opposition die geeignetsten Waffen lieferten. Waffen, die um so wirksamer waren, da sie sich für das natürliche Rechtsgefühl und für die Anschauung von der Gleichheit aller Menschen vortrefflich verwenden ließen. Der äußere religiöse Charakter der sozialen Bewegungen des Mittelalters war in Folge dessen ein so ausgeprägter, dass die meisten Geschichtsschreiber nur die religiöse Seite sehen und nach diesen sie beurteilen. Der Kern wurde zur Neben-, die Schale zur Hauptsache.

Man kann den äußeren Charakter der sozialen Bewegungen in drei Kategorien teilen. Die sozialen Bewegungen im Mittelalter traten sämtlich als religiöse auf, weil die Geistlichkeit ihr Hauptfeind war und die Religion alle Geister beherrschte; die sozialen Bewegungen der neueren Zeit traten als politische auf, weil sie den Hauptfeind im absoluten Fürstentum und der Omnipotenz des Staates sahen, und erst die sozialen Bewegungen der neuesten Zeit treten offen und unverhüllt als rein soziale auf, weil sie in den sozialen Gestaltungen der Gesellschaft das entscheidende Moment für die Kulturentwicklung begriffen haben. Letztere richten sich demgemäß gegen alle Institutionen der alten Gesellschaft, religiöse, politische und soziale. Der Instinkt der Massen ist wunderbar, sie wissen stets, wohin sie ihre Hauptangriffe zu richten haben.

Die rohe kommunistische Organisation, welche das Christentum, in seiner Auflehnung gegen die alte, auf der Sklaverei beruhende Gesellschaft bei seinen ersten Anfängen angenommen hatte, war das Ideal nach dem fast alle revolutionären Bewegungen des Mittelalters strebten. Die Vereinzelung, in welcher die Menschen lebten, der ungeheure Druck, welcher auf ihnen lastete, die Beschränktheit und Unwissenheit, in welcher sie sich befanden, musste diesen revolutionären Bestrebungen einen religiös sektiererischen und fanatischen Charakter verleihen.

Schon frühzeitig, und zwar zu Ende des 10. Jahrhunderts, tauchten solche Sekten in Italien und Frankreich auf und verzweigten sich bis zum Rhein. Man nannte sie unter einem gemeinsamen Namen „Katharer“. Ihre Opposition war wesentlich gegen das hierarchische Priestertum gerichtet, das sie als „unchristlich“ ansahen. Sie verlangten die Herstellung apostolischer Einfachheit; demgemäß opponierten sie gegen das kirchliche Zeremoniell, den Fleisch- und Weingenuss und teilweise selbst gegen die Ehe. Eine größere gefahrdrohende Verbreitung erlangten sie nirgend; einzelne fanatisierte Haufen zogen umher, plünderten die Kirchen und ermordeten die Geistlichen. Überall blutig verfolgt, waren sie nicht im Stande, sich lange zu halten, sie verschwanden allmählich. Der Name, den sie trugen und der eigentlich „die Reinen“ bedeutet, erlangte für die spätere Zeit insofern Wichtigkeit, als aus ihm das Wort „Ketzer“ entstand, womit man alle über die bestehenden Kirchensatzungen Andersdenkenden bezeichnete.

Von größerer Bedeutung war die zu Anfang des 11. Jahrhunderts beginnende sozial-religiöse Bewegung, welche sich in dem fruchtbaren, schon frühzeitig von griechisch-römischer und dann arabischer Kultur getränkten Südfrankreich, der heutigen Provence, entwickelte. Der Sitz der Bewegung war die Stadt Albi, woher die Anhänger den Namen der Albigenser erhielten. Ihre Bestrebungen waren ganz ähnliche wie die der Katharer; ihre heftigsten Angriffe richteten sich gegen die Geistlichkeit, die in jenen von der Natur so reich gesegneten Landstrichen ein besonders üppiges und schwelgerisches Leben führte. Da aber die Vorgeschritteneren unter ihnen auch die „christliche Gleichheit“ mit allgemeiner Güterverteilung predigten, brachten sie neben dem Papst und der gesamten Geistlichkeit auch die weltlichen Herren gegen sich auf. Zwar trat ein Teil der Ritterschaft aus Feindschaft gegen die Geistlichkeit und die Fürsten auf ihre Seite, aber die Mehrheit stand ihnen als Todfeinde gegenüber. Kirche und weltliche Macht beschlossen die Unterdrückung der Sekte. Friedliche Unterhandlungen, die anfangs angeknüpft worden waren, führten zu keinem Ziel, dahingegen wurde der Anhang der Albigenser immer größer, Städter und Landvolk schlossen sich ihnen an. Die Verhandlungen wurden abgebrochen und seitens des Papstes der „Kreuzzug“ gegen sie gepredigt, ein in jener Zeit sehr wirksames und unfehlbares Mittel, das abenteuerliche Ritter und eroberungssüchtige Fürsten mit raub- und beutegierigem Gesindel aller Art in Masse auf die Beine brachte, um bei einem solchen Kampfe für das Heil der Seelen mit um so weniger Gewissensskrupeln morden, brennen und plündern zu können. Der Krieg, welcher 1178 begann und mit einigen längeren Unterbrechungen bis 1228 währte, entpuppte sich sehr bald als ein Kampf um die Existenz und Unabhängigkeit des Landes, der Provence, und endete nach den fürchterlichsten Verwüstungen und Grausamkeiten mit der Unterjochung von Land und Leuten unter die Krone Frankreich. Besonders bezeichnend für die schreckliche Wut, womit die Kirche die „Ketzer“ verfolgte, ist die Erstürmung von Bezières im Jahre 1209. Als die Söldner des Papstes und der Fürsten in die eroberte Stadt eindrangen, frugen sie den anwesenden päpstlichen Legaten: woran sie die Rechtgläubigen von den Ketzern unterscheiden könnten. Der Legat antwortete: „Schlagt nur Alle tot, Gott wird die Seinen schon erkennen.“ In Folge dessen verloren bei dieser einzigen Gelegenheit an 20.000 Menschen das Leben, wovon 7000 allein in der Kirche verbrannten. Gottes Rache hat wunderbar gewütet!“ berichtete der fromme Legat hierüber an den Papst.“

Das war ein Heldenstück christlich-pfäffischer Blutgier und Grausamkeit, das in der Menschenverachtung, welche das Christentum lehrt, seine Erklärung findet. Die Religion und die Grausamkeit sind nahe verwandt; beide gedeihen am besten, wo die Rohheit am größten ist; die Unwissenheit ist Beider Mutter.

Ähnliche Bestrebungen wie die Albigenser verfolgte die von Peter Waldus, einem Lyoner Kaufmann, um 1170 begründete christliche Genossenschaft, die nach ihm die Waldenser genannt wurden. Auch sie wurden hart verfolgt und flüchteten östlich in die Alpen und nach Piemont, wo sie als Versprengte noch heute leben.

In Italien war ebenfalls die revolutionäre Strömung im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts in Fluss gekommen. Hier war es Arnold von Brescia, der an ihrer Spitze stand. Er trat gegen die Herrschaft des Papsttums auf, befürwortete die Abschaffung aller Ämter und Besitzungen der Geistlichkeit und freie Dotierung derselben nach dem Belieben der Gemeinden; er ging feindlich gegen die Fürstenmacht vor, verlangte die Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit, die Gleichheit Aller. In Rom fanden seine Ansichten solchen Anklang, dass das Volk sich erhob, den Papst absetzte und die Republik proklamierte Aus Italien verbannt, kam er 1139 nach Konstanz und Zürich und lehrte dort bis 1144 dieselben Grundsätze. Nach Italien zurückgekehrt, fiel er 1155 dem Kaiser Friedrich Barbarossa in die Hände; und der „edle“ Hohenstaufe, der von servilen Seelen aufs Ekelhafteste beweihräuchert worden ist und noch wird, in Wahrheit aber ein eitler Geck, ein charakterloser und grausamer Despot war, der namentlich das aufstrebende Bürgertum hasste und im Kampfe gegen die unter seiner kaiserlichen Oberhoheit stehenden italienischen Städte, insbesondere Mailand, sich die barbarischsten Grausamkeiten zu schulden kommen ließ, lieferte den verhassten Republikaner, den Gegner der Leibeigenschaft und Hörigkeit, dem Papste aus, der ihn als „Ketzer“ zu Rom verbrennen ließ.

Ein Nachfolger Arnold von Brescias war Dolcino, der Sohn eines Priesters in Norditalien, welcher an der Spitze einer Sekte, die Apostelbrüder genannt, stand, sich einen bedeutenden Anhang verschaffte und, als 1300 der Stifter der Sekte, Gherardo Segarelli, als Ketzer verbrannt worden war, sich offen gegen Papsttum und Fürstentum auflehnte. Sein Ziel war, eine auf Sitteneinfachheit und Enthaltsamkeit beruhende „christliche“ Republik zu gründen. Von allen Seiten durch Pfaffen, Adel und das reiche Bürgertum angegriffen und bedrängt, warf er sich mit mehr als 6000 Männern in die während des größten Teils des Jahres mit Schnee und Eis bedeckten Alpen der nördlichen Lombardei. Hier verteidigte er sich, kräftig unterstützt von seiner ebenso durch Schönheit wie durch Geist und Standhaftigkeit ausgezeichneten Frau, Margaretha, volle acht Jahre. Erst 1308 erlag er der Übermacht seiner Gegner, die gegen ihn den Kreuzzug gepredigt hatten. Er wurde gefangen und, der Mode der Zeit gemäß, als „Ketzer“ verbrannt.

In Frankreich kam es ebenfalls nach 1350 zu revolutionären Erhebungen. Zunächst in Paris, dann unter dem Landvolk, das von einem Teil der Bevölkerung der kleinen Städte unterstützt wurde. Frankreich führte um jene Zeit einen hartnäckigen Krieg mit England, in dem es verschiedene schwere Niederlagen erlitten hatte und in deren einer der König in die Gefangenschaft der Engländer geraten war. Diese üble Lage des Landes und der Regierung suchte das Pariser Bürgertum zu benutzen, um sich von dem Willkürregiment des Königs zu befreien und sich einen entsprechenden Einfluss in der Staatsverwaltung zu sichern. Heute würde man die Ausnutzung einer solchen üblen Lage des Landesherrn“ als „Landesverrat“ bezeichnen, im Mittelalter benutzten die Unterdrückten die Gelegenheit, wo sie sich fand, um zu ihrem Recht zu kommen.

Der Dauphin (Kronprinz) Karl, der als Reichsverweser eingesetzt worden war, widerstand anfangs dem Verlangen der Bürger nach Selbstverwaltung, er gab dann zwar 1357 notgedrungen nach, aber es war zu spät, die revolutionäre Bewegung war in Paris bereits zu stark geworden. Der Prévost Étienne Marcel, welcher an der Spitze der Volkspartei stand, trug über die beiden gegnerischen Parteien in der Stadt, die des Dauphin und des Königs von Navarra, den Sieg davon. Der Dauphin selbst kam in die Gewalt des Volks und musste es ertragen, dass man ihm und seinen Höflingen bei einem Volksauflauf (Februar 1358) statt des Baretts die Mütze in den Pariser Stadtfarben, blau und rot, aufsetzte. Ein Vorspiel zu 1792, wo Ludwig XVI. sich die rote Jakobinermütze aufsehen musste.

Paris konstituierte sich als unabhängige Kommune. Die zahlreiche und mächtige Gegnerschaft in der Stadt arbeitete indes mit aller Macht an ihrer Zugrunderichtung, was bei dem starken Anhang, welchen der Hof hatte, ihr nicht schwer wurde. Im August 1358 entstand ein großer Tumult, in welchem dem herbeigeeilten Marcel von einem verräterischen Freunde hinterrücks der Kopf gespalten wurde. Die Volkspartei wurde besiegt, Paris musste sich wieder dem Königtum unterwerfen.

Um dieselbe Zeit, wo die Pariser ihren ersten Kommuneaufstand in Szene setzten, hatten sich auch die aufs Härteste vom Adel malträtierten Bauern, zu deren Lasten noch die wildesten Verwüstungen des Krieges kamen, in der Umgegend von Paris und im Nordosten Frankreichs in Masse erhoben. Hunderttausende von Bauern zogen in Haufen vor die Schlösser ihrer adeligen Peiniger, plünderten, töteten und schändeten und brannten schließlich die Schlösser nieder. Hunderte derselben wurden in kurzer Zeit verwüstet. Aber der Aufstand hatte weder ein bestimmtes Ziel, noch eine bestimmte Leitung. Keine Idee beherrschte ihn, nur das Gefühl der grimmigsten Rache trieb die Massen, ihren Unterdrückern zu tun, „was sie ihnen getan“. Die gemeinsame Gefahr, der sich beide Parteien, die des Dauphin und des Königs von Navarra, gegenüber sahen, brachte sie zu rascher Vereinigung. Sie zogen gegen den gemeinsamen Feind zu Felde, selbst der Adel von Languedoc kam seinen bedrohten Standesgenossen zu Hilfe. Vor der organisierten Macht des Adels mussten die zusammengelaufenen Bauernhaufen das Feld räumen. Für die Grausamkeiten, welche die ergrimmten Bauern an ihren Peinigern begangen, wurde jetzt die furchtbarste Vergeltung geübt. Der Adel watete im Blut. Nach sechs Wochen war der ganze Aufstand niedergeschlagen und die Bauern wieder unter das alte Joch gebeugt.

Dieser Bauernaufstand in Frankreich führt in der Geschichte den Namen Jacquerie, abgeleitet von dem Schimpfnamen Jacques bonhomme, zu deutsch Einfaltspinsel, mit dem der Adel die Bauern belegte.

In England waren die Zustände für den armen Mann nicht besser wie anderwärts. Adel und Pfaffen drückten ihn und sogen ihn aus. Der Bürger in den Städten konnte sich seines Wohlstandes erfreuen und fand selbst seine Vertretung im Parlament. Die Staatslasten trug vorzugsweise der Bauer, und diese, stetig höher werdend, wurden mit großer Härte eingetrieben. Pfaffen und Adel besaßen enorme Reichtümer, schwelgten und lebten herrlich und in Freuden, die Menge hungerte und darbte.

Unter solchen Verhältnissen mussten die Predigten eines beredten Mönchs, John Ball,*) der gegen Welt- und Klostergeistliche, Adel und Reichtum heftig zu Felde zog, die Erblichkeit jeder Macht bekämpfte, die Gemeinsamkeit des Grundbesitzes verlangte und, gestützt auf die Bibel, dem Volke einen Staat christlicher Freiheit und Gleichheit zu gründen anempfahl, großen Anklang finden. Einen Vers, den er in seinen Predigten mit Vorliebe anwandte, machten die Bauern zu ihrem Wahlspruch. Dieser lautete:

„Als Adam pflügt‘ und Eva spann,

Wer war da wohl ein Edelmann?”

Dem Auftreten John Balls folgte vier Jahre später John Wycliffe, Professor zu Oxford, der, zwar weniger weitgehend wie der Mönch, eine Gesellschaft der „armen Geistlichen“ stiftete, deren Mitglieder ebenfalls predigend im Lande umherzogen und das Volk aufregten. John Wycliffe, 1377 vor ein geistliches Gericht geladen, machte eine Reihe von Einschränkungen und Vorbehalten, namentlich in Bezug auf den sozialen Teil seiner Lehren, die ihn vor der Verurteilung retteten; auch hatte er hohe adelige Gönner gefunden, die ihn schützten. John Ball dagegen, dessen kommunistische Lehren gefährlich geworden waren, wurde 1380 ergriffen und in den Kerker geworfen. Neue Abgaben, die dem Volke auferlegt wurden, verbunden mit der Härte und Unmenschlichkeit, mit der man sie eintrieb, riefen den Aufstand hervor. Führer desselben wurde ein Ziegelbrenner Namens Wat Tyler. John Ball wurde von seinen Anhängern befreit. Kühner als zuvor trat er jetzt auf und verlangte die Abschaffung aller Lasten, Verteilung des Eigentums und die Vernichtung aller Reichen und Herren. Bauern, Handwerker und Arbeiter vereinigten sich, zogen in Massen umher, plünderten die Güter des Adels, verbrannten die Urkunden und töteten diejenigen Beamten, welche sich durch Härte und Grausamkeit ausgezeichnet hatten. In der Nähe von London angekommen, forderten die Führer des Aufstandes, Wat Tyler, John Ball und ein anderer Geistlicher Jack Straw, den König auf, zu ihnen zu kommen. Der König folgte und fuhr die Themse hinab, aber sein Gefolge widerriet ihm, ans Land zu gehen. Erbittert hierüber zog das Volk auf London, erzwang sich, unterstützt von einem Teil der Londoner Einwohnerschaft, die Öffnung der Tore von dem Magistrat und übte Rache an einer Anzahl seiner Unterdrücker und deren Eigentum. Der König flüchtete in den Tower, wo er belagert wurde. Endlich ließ er sich auf eine persönliche Unterhandlung ein, in welcher er die Abschaffung der Kopfsteuer, die Aufhebung der Leibeigenschaft und aller Frondienste, die Freigabe der Jagd und Fischerei und verschiedenes Andere für das ganze Reich zu bewilligen sich geneigt stellte. Während der Verhandlungen hatte das Volk den Tower erobert und den Erzbischof, den Steuerkommissar, den Beichtvater des Königs und noch drei andere Personen seines Gefolges niedergestoßen. Das Volk erklärte nicht eher abziehen zu wollen, bis der König über seine Versprechungen Urkunden ausgestellt. Dieser begab sich darauf aus dem Tower, angeblich um mit dem Volke öffentlich zu unterhandeln, in Wahrheit aber um einen Gewaltstreich ausführen zu lassen. In einiger Entfernung von dem Volke blieb er mit seinem Gefolge halten und entbot Wat Tyler allein zu sich. Dieser zögerte anfangs, ging aber endlich dennoch. Während er nun in der Unterhandlung mit dem König begriffen war, stieß ihm plötzlich der Lordmayor Walworth das Schwert in die Kehle, einige Andere aus dem Gefolge hieben ihn vollends zusammen. Das Volk, über diesen Meuchelmord in Wut versetzt, wollte seinen gemordeten Führer rächen, aber der König, schlau berechnend, sprengte ihm entgegen, erbot sich sein Führer sein zu wollen und nannte Wat Tyler einen Verräter und Räuber. Das verdutzte Volk ließ sich übertölpeln und von ihm aus der Stadt hinaus ins Freie führen. Hier aber wurde es von den gut bewaffneten Bürgern und einer Schar von Reisigen und Söldnern überfallen, teilweise niedergemacht und auseinandergesprengt. Dann begann das Prozessieren. John Ball und Jack Straw wurden nebst vielen Anderen hingerichtet und die Gebeine der ersteren in Ketten aufgehangen. Andere minder schwer Beschuldigte wurden Jahre lang in hartes Gefängnis geworfen, Viele auf verschiedene Weise bestraft. Der Aufstand war zu Ende, das arme Volk blieb in den alten Fesseln.

John Wycliffe lehrte noch unter dem Beifall des Bürgertums, bis 1384 wo er starb. Seine Anhänger verbreiteten sich unter dem Namen Bellharden [Lollharden] auch nach den Niederlanden und von dort nach Deutschland, wo wir ihren Lehren wieder begegnen werden.

* * *

Die ersten Bauernkämpfe in Deutschland waren nicht revolutionärer, sondern konservativer Natur, es handelte sich nicht darum, neue Ideen zu verwirklichen, eine Weiterbildung ihrer sozialen und politischen Zustände vorzunehmen, sondern das was man hatte zu behalten, oder bereits Besessenes wieder zu erlangen. Hier fehlte denn auch der religiöse Schwärmergeist, mit dem alle revolutionären Kämpfe des Mittelalters durchtränkt waren. Die ersten deutschen Bauernkämpfe spielten sich längs der Küste der Nordsee ab, wo die Friesen und Dithmarschen, in viele kleine Stämme geteilt, ihre Wohnsitze seit alter Zeit aufgeschlagen hatten. Die eigentümliche Beschaffenheit des Bodens, der von Mooren, Deichen und Kanälen durchzogen war, die einem feindlichen Eindringen, namentlich von Reitermassen, große Hindernisse in den Weg legten, begünstigte die Unabhängigkeit der Bewohner. Diese Küstenbewohner waren von der übrigen Bevölkerung abgesondert, und das hatte es veranlasst, dass hier die altdeutschen Zustände sich fast noch in ursprünglicher Gestalt erhalten hatten. Die Feudaleinrichtungen waren ihnen fremd, dagegen gab es neben zahlreichen Freien, den alten Gemeinfreien, noch die Hörigen oder Liten, aber keine Leibeigenen. Indes hatte das Jahrhunderte lange friedlich-patriarchalische Beisammenwohnen den Ständeunterschied bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Der fortgesetzte schwere Kampf gegen die Elemente, gegen die man durch Dämme und Deiche mühsam den abgerungenen Boden schützen musste, hatte hier den Kampf des Menschen gegen den Menschen aufgehoben. Die Hörigen betrachteten sich als Freie und nahmen als Gleichberechtigte am Staatswesen teil. Wie der soziale und staatliche Zustand eigentümlich war, so auch ihre religiösen Anschauungen; das Christentum war nicht tief bei ihnen eingedrungen, sie lebten mehr unter dessen äußerer Form; Vieles hatte sich vom altdeutschen Glauben noch bei ihnen erhalten, sie galten darum christlichen Fanatikern als „Heiden“. Kirche und Feudaladel war dieser Zustand ein Dorn im Auge. Sie griffen mit raubgierigen Händen zunächst nach dem Gau der Dithmarschen, die zwischen Eider und Elbe wohnten, und errichteten Zwingfesten. Hiergegen erhoben sich 1144 die Dithmarschen unter Anführung des Ackermanns Jürgen, brachen die Zwingfeste Böklenburg und erschlugen den Besitzer, dessen Frau sich geäußert hatte: die Bauern müssten wie ihr Vieh noch Joche am Halse tragen, samt der Besatzung. Nach mehreren vergeblichen Aufständen erkämpften sie 1227 ihre Unabhängigkeit.

Ein zweiter Bauernkampf, der unglücklicher verlief, brach im 13. Jahrhundert seitens der Stedinger aus, die von der Jade im Oldenburgischen bis ins Bremische wohnten. Die Feudalritter hatten sich allmählich zwischen die Wohnsitze der Stedinger gedrängt und wollten auf den Hügeln, die sie teilweise künstlich herrichten ließen, ihre Nester bauen. Das ließen sich die Bauern nicht gefallen, sie erhoben sich, besiegten in blutigem Kampfe die Junker und vertilgten sie und ihre Burgen. Kaum waren sie mit den Junkern fertig, so gerieten sie mit den Pfaffen in Streit. Sie wollten Bischof und Domkapitel mit ihrem geistlichen Gericht so wenig leiden wie die Ritter. Der Erzbischof von Bremen belegte sie mit dem Banne und zog mit einer Schar Ritter und Reisigen gegen sie zu Felde. Aber er erlitt eine schimpfliche Niederlage, in der sein Bruder, der Graf zu Lippe, das Leben verlor. Auf Betreiben des Erzbischofs nahm sich der Papst der Sache an und dieser predigte 1232 den Kreuzzug gegen die Bauern. Im ersten Jahre des neuen Kriegs 1233 erschlugen die Stedinger den Grafen von Oldenburg nebst 200 Rittern. Aber jetzt rückte ein Heer von 40.000 Mann unter Anführung einer großen Anzahl Fürsten heran. Die Stedinger, die Alles in Allem 11.000 Mann auf die Beine brachten, nahmen, obgleich gegen die Ritter schlecht bewaffnet und gering an Zahl, den Kampf auf. Bei Altenesch kam es 1234 zur Entscheidungsschlacht. Die Bauern kämpften wie die Löwen, erschlugen mehrere Fürsten und 4000 Reisige, mussten aber schließlich der ungeheuren Übermacht weichen. 6000 Bauern fanden auf dem Schlachtfeld oder in der Weser ihren Tod, der Rest floh zu den benachbarten Rustingern, ihr Land nahm der Erzbischof von Bremen. In diesem Kampfe der Stedinger zeigte sich schon derselbe Fehler, der später im großen Bauernkriege den Bauern so verhängnisvoll wurde, der Mangel an gemeinsamem Handeln und Zusammenwirken der benachbarten Stämme. Während gegen die Stedinger der ganze norddeutsche Adel, die Fürsten und die Geistlichkeit, alle eigenen Streitigkeiten bei Seite setzend, sich einmütig zusammenscharten, blieben die Rustinger und andere Stämme ruhig sitzen und sahen kaltblütig zu, wie man ihre Brüder und Genossen abschlachtete. Die partikularistische Abgeschlossenheit erstickte jedes Gefühl für die Gemeinsamkeit der Interessen.

Um dieselbe Zeit, wo oben im Norden Deutschlands Bauernschaften für die Erhaltung ihrer bisherigen Unabhängigkeit kämpften, war ein ähnlicher Kampf unten im Süden Deutschlands ausgebrochen. Bedingte im Norden die eigentümliche Bildung des vom Meere angeschwemmten Flachlandes und der stetige Kampf gegen dieses Element die Konservierung der sozialen Zustände, der Sitten und Einrichtungen der Bevölkerung, so geschah dasselbe bei der ganz entgegengesetzten Bodenbildung in den Urkantonen der Schweiz. Die außerordentliche Gebirgsbildung, mit nur wenigen schmalen, zum Ackerbau geeigneten Tälern, zwang die Bevölkerung, ihren Hauptnahrungszweig in einer der primitivsten Beschäftigungen, der Viehzucht, zu suchen; für Entfaltung des Handels und gewerblichen Lebens, das nur in Städten und bei einer Bevölkerung von gewisser Dichtigkeit gedeihen kann, war hier kein Platz. Die Bevölkerung blieb arm. Die gebirgige Bodenbildung, welche die Menschen zwang, sich an den Orten anzusiedeln, wo die Natur eine Ansiedelung zuließ, führte zum zerstreuten Wohnen der Bevölkerung, das ebenso die Unterjochung des Einzelnen, wie die Vergesellschaftung der Gesamtheit und den aus letzterer entstehenden Kulturfortschritt erschwerte. Was die Unterjochung des Einzelnen noch besonders schwierig machte, war die häufige Unzugänglichkeit der Wohnungen, die Leichtigkeit, womit der Verfolgte sich dem Verfolger entziehen konnte. Hier war trotz herrschender Stände die Unterjochung und Ausbeutung, wie Fürsten und Adel in den weiten fruchtbaren Flachländern sie ausübten, nicht möglich. Wie an der Küste der Nordsee bestand hier zwischen den verschiedenen Ständen ein patriarchalisches Verhältnis, das wie dort durch die Rauheit und die Gefahren der Natur gesteigert wurde. So kam es, dass in den Urkantonen Schwyz, Uri und Unterwalden schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts Hörige zum Richteramt zugelassen wurden und das Stimmrecht in der Landsgemeinde besaßen, tatsächlich also frei waren. Die genannten Kantone waren Reichsvogteien, sie wurden im Namen des Kaisers von einem Reichsvogt regiert. Allein das Haus Habsburg, das um diese Zeit den Kaiserthron inne hatte und dessen Stammgüter in der Schweiz lagen, ging damit um, die drei Reichsvogteien seinen Besitzungen einzuverleiben. Dagegen verbündeten sich 1291 die Urkantone. Kaiser Albrecht ließ darauf durch die Vögte das ärgste Willkürregiment führen, hoffend, dadurch die Kantone zu freiwilliger Unterwerfung unter sein Haus zu bewegen. Die Rechnung war eine falsche. Dieselben erhoben sich 1308, verjagten die Vögte, zerstörten die Zwingburgen und bildeten einen Bund unter dem Namen der Eidgenossenschaft. Kaiser Heinrich VII. bestätigte ihre Freiheiten. 1315 kämpften sie aufs Neue gegen Österreich und gewannen die Schlacht bei Morgarten. 1353 schlossen sich ihnen die Städte Zürich, Luzern, Bern, Glarus und Zug an, die den oberallemannischen Städtebund im Kriege gegen die oberdeutschen Fürsten gebildet. 1386 und 88 erkämpften sie sich gemeinsam durch die siegreichen Schlachten bei Sempach und Näfels die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit von Österreich. Der Bund erweiterte sich immer mehr. 1481 traten Freiburg und Solothurn bei und, nachdem 1498 auch Kaiser Maximilian vergeblich gegen ihn gekämpft, erhielt er 1499 die Entbindung von der Jurisdiktion des Reichskammergerichts und der Reichsmatrikel. Basel und Schaffhausen traten ebenfalls 1501 in die Eidgenossenschaft ein.

Außer in den Urkantonen bestand aber nirgends ein demokratisches Regiment. In den Städten regierten, wie im Reich, die Geschlechter, die auch das Landvolk beherrschten, das in einem Untertänigkeits- und Hörigkeitsverhältnis zu den Städten stand und Abgaben und Zinse geben musste. Der Bund, vom Reichsverbande losgelöst, zum größten Teil über ein Terrain verbreitet, das seiner Natur nach eine rasche Entwicklung der Bevölkerung nicht zuließ, blieb in mittelalterlich kleinbürgerlich-bäurischen Verhältnissen stecken, aus denen ihn erst ganz in der Neuzeit der großartige Aufschwung der Nachbarländer, namentlich Frankreichs, gerissen hat. Das Verhältnis des Schweizer Landvolks zu den Städten und den darin regierenden Geschlechtern erklärt auch die feindliche Stimmung, die letztere gegenüber den Aufständen der süddeutschen Bauern hart an ihren Grenzen später bezeigten; sie fürchteten für ihr Regiment über ihre eigenen Bauern.

Die neutrale Haltung, welche die Eidgenossenschaft durch ihre natürliche Abgeschlossenheit vom Anfang des 16. Jahrhunderts an in allen europäischen Kriegen zu beobachten im Stande war, und der Ruf der Tapferkeit, den sich die Bevölkerung durch ihre Unabhängigkeitskriege gegen Österreich und alle Nachbarstaaten erworben hatte, legte den Grund zu einem Zustand, der Jahrhunderte lang die „freie“ Schweiz befleckte. Die herrschenden Geschlechter lieferten nämlich gegen gute Bezahlung an alle europäischen Potentaten, namentlich aber an Frankreich und den Papst, jährlich Tausende von Landeskindern als Soldaten. Mit Frankreich standen die Regierungen von Zürich, Luzern, Solothurn, Aarau, Basel usw. in förmlichem Vertrag und ihre einflussreichsten Mitglieder bezogen für diesen scheußlichen Menschenhandel heimlich Pensionen. Seit dem 16. Jahrhundert erschienen in allen Unterdrückungskämpfen die „freien“ Schweizer als Schergen der Gewalt, und dies hat erst ganz in der Neuzeit aufgehört. Die Fürstenlosigkeit gibt eben noch keine wahre Freiheit, diese bringt erst ein Zustand allgemeiner sozialer Gleichheit.

Einen nachdrücklichen Kampf gegen ihre geistlichen Herren und Peiniger führten um 1400 die Bauern des Appenzellerlandes. Ihr Grundherr war der Fürstabt des reichen Klosters St. Gallen, dem sie zinsen, steuern und fronden mussten. Der Fürstabt trieb alle Abgaben mit großer Härte ein und wollte neue auferlegen, auch vergriff er sich an den geringen Freiheiten, welche die Landbewohner als Vergünstigungen einzelner Kaiser erworben hatten. Darauf organisierten sich die Gemeinden zu einem Bunde und verjagten die Vögte des Abts. Dieser rief die benachbarten Städte und Landesherren um Hilfe an. Jene, die zu genau wussten, wie ihre eigenen Bauern dachten und ein Umsichgreifen des Aufstands fürchteten, waren dazu bereit. Konstanz, Überlingen, Buchhorn ( das heutige Friedrichshafen), Lindau, Wangen und Ravensburg versuchten eine Vermittlung; sie schlugen sich auf die Seite des Fürstabts. Die Appenzeller Bauern, darüber aufgebracht, riefen ihre Nachbarn, die Schwyzer, zu Hilfe, die ihnen diese zusagten. Nun leisteten die Städte dem Abt bewaffnete Hilfe, um seine Bauern wieder ins Joch zu spannen. Aber das verbündete Herrenheer wurde 1403 bei Vögeliseck geschlagen. Zwei Jahre später kam es zu einem neuen Kampf; auch diesmal siegten die Bauern und drangen 1406 in das Rheintal, das Sargans, und einen Teil des Thurgau ein und eroberten an 60 Burgen und einige Städte. Die Furcht, die schönen Einnahmen an Gülten und Zinse und die Frondienste ihrer Bauern zu verlieren, trieb die Städte 1407 abermals dem Abt und dem Adel zu Hilfe. Die Appenzeller kamen jetzt ins Gedränge, doch die Vermittlung des Kaisers rettete sie aus der Verlegenheit und führte im folgenden Jahre einen Frieden herbei, der ihnen günstig war. Drei Jahre später traten sie in die Eidgenossenschaft ein, obgleich nicht als vollberechtigtes Mitglied.

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Die religiösen und sozialen Lehren der englischen Reformer und Revolutionäre waren durch Flüchtlinge nach Deutschland, namentlich nach Böhmen verpflanzt worden; schon früher hatten sich flüchtige Albigenser und Waldenser in jenem Lande niedergelassen. Sekten und Schwärmer des Mittelalters fanden in Böhmen überhaupt vielen Anhang. So waren dort um 1257 die Geißler oder Flagellanten entstanden, die sich auch über andere deutsche Lande verbreiteten. Anfangs des folgenden Jahrhunderts waren es die Begharden oder Beguinen, die in Böhmen zahlreiche Anhänger fanden. Als Glaubenslehren schrieb man ihnen zu: Das Messopfer ist unnützes Spielwerk, die Taufe wirkt nicht mehr als ein Bad, die Beichte kann jeder Laie vor einem Laien ablegen, die geweihte Hostie ist nur ein aus Brot gebackener Gott usw. Mit diesen religiösen Lehren vermischten sich soziale von der Gütergemeinschaft und dem Sturz aller weltlichen und geistlichen Herrschaft. Die Anhänger solcher Grundsätze wurden aufs Wütendste von weltlicher und geistlicher Gewalt verfolgt, aber ohne gänzlich ausgerottet werden zu können.

Die Zustände Böhmens waren um jene Zeit im Wesentlichen dieselben wie in Deutschland, nur war dort der Adel vielleicht noch roher und raubgieriger, das Pfaffentum, wenn möglich, noch liederlicher und schamloser als sonst wo im Reich. Der böhmische Adel hasste das Pfaffentum furchtbar und lag sich seit Jahrhunderten auf den Landtagen und in Fehden mit ihm in den Haaren. Die Herrschaft der Pfaffen über das Volk, ihr Einfluss bei der Regierung und ihr enormer Reichtum waren die Ursachen dieses Hasses. Aber der Adel kämpfte nicht bloß gegen das Pfaffentum, er kämpfte auch gegen die Königsmacht, unter deren Botmäßigkeit er sich nicht fügen wollte, weil er in ihr den Beschränker seiner Freiheit und seiner Macht sah. Das Volk lag in der tiefsten Knechtschaft und Unwissenheit. Der Bauer war mit wenig Ausnahmen hörig oder leibeigen, das Bürgertum in den Städten befand sich zwar in besserer Lage, wurde aber auch von der Willkür und der Rohheit der Fürsten hart bedrückt und litt schwer unter der Zügellosigkeit und Raubsucht des Adels und der Anmaßung und Verderbtheit der Pfaffen. Zündstoff zu einer revolutionären Bewegung war also genug vorhanden.

Um aber die Vorgänge in den späteren Kämpfen richtig würdigen zu können, muss die Stellung Böhmens zu Deutschland in jener Zeit kurz hervorgehoben werden. Die Bevölkerung war, weit mehr noch wie heute, überwiegend slawisch, d.h. tschechisch. Deutsche wohnten nur in den Grenzdistrikten, untermischt mit den Tschechen, und in den Städten, namentlich Prag, wo sie die Eingewanderten waren. Zwischen beiden Nationalitäten bestand seit den frühesten Zeiten ein tiefer Hass, der durch zahllose Kriege im rohesten Stil nicht gemildert worden war. Böhmen gehörte nur mit Widerwillen zum Reichsverband, zu dem es durch Karl den Großen gebracht worden war, und mehr als einmal hatten seine Könige die Lehensherrschaft der Kaiser nicht anerkannt. Erst spät erlangten Deutsche überhaupt das Recht, öffentliche Stellen zu bekleiden. Im Jahre 1130 z.B. hatte der böhmische Landtag beschlossen, dass kein Deutscher oder Ausländer ein weltliches oder geistliches Amt bekleiden dürfe, bei Verlust der Nase. Der grimme Nationalhass machte sich zwar im Beginn des 15. Jahrhunderts nicht mehr mit der Wildheit des 12. in den Gesetzen bemerkbar, aber er bestand nichtsdestoweniger fort; es bedurfte nur eines äußeren Anlasses, um ihn hervor brechen zu machen. Das Verhältnis der Nationalitäten war etwas erträglicher geworden, als mit Beginn des 14. Jahrhunderts das alte böhmische Königshaus ausstarb und das Luxemburger Haus auf den Thron kam. Zu der Zeit, um die es sich hier handelt, war Wenzel IV., der als deutscher Kaiser Wenzel I. hieß, König von Böhmen; ein tyrannischer, roher, beschränkter, der Trunksucht ergebener Mensch, der aber mit der herrschsüchtigen Geistlichkeit in beständigem Streite lag und mehrere Male sogar einzelne ihrer Güter und Häuser durch das Volk plündern ließ. Diese Stimmung des Kaisers gegen die Geistlichkeit erklärt die Duldsamkeit, die er in den ersten Jahren dem Auftreten von Hus gegenüber bewahrte. Wenzel wurde 1400 von den vier geistlichen Kurfürsten als Kaiser abgesetzt, behielt aber den Kaisertitel bei. Er wurde 1401 von der Geistlichkeit seines Landes, 1402 von seinem eigenen Bruder, dem späteren deutschen Kaiser Sigismund, auf längere Zeit gefangen gesetzt, entwischte aber beide Male und blieb König.

Die Schriften Wicliffes waren von England nach Deutschland gekommen und fanden unter der Gelehrtenwelt große Beachtung. Johannes Hus, Professor der Universität von Prag und Prediger in der Kapelle zu Bethlehem, hatte Wicliffes Schriften eifrig studiert und trat im Jahre 1398 in einer öffentlichen Disputation auf und verteidigte sie mit Feuer. Prag war damals die bedeutendste Universität Deutschlands. Dass ein angesehener Lehrer derselben es wagte, öffentlich gegen Kirche und Papsttum aufzutreten, machte gewaltiges Aufsehen. In seinen Lehren griff Hus den Papst als angeblichen Stellvertreter Christi und Nachfolger Petri an und nannte ihn einen Nachfolger Judas Ischariots Er bestritt die Zulässigkeit der Inquisition und der Verfolgung wegen Glaubenssätzen, kämpfte wider den Ablass, das Zeremonien-, Reliquien und Heiligenunwesen und befürwortete die Einziehung der geistlichen Güter. Mit solchen Grundsätzen hatte er das Bürgertum und den pfaffenfeindlichen Adel in erster Linie für sich gewonnen. König Wenzel ließ aus Rache gegen den Papst und die Geistlichkeit Hus gewähren. Als letztere sich beschwerte, gab er ihr zur Antwort: So lange er wider uns Laien eiferte, freutet ihr euch und wir litten es mit Geduld, da jetzt die Reihe an euch kommt, so gebt euch zufrieden.“

Der Erzbischof von Prag entzog Hus das Priesteramt und ließ die Schriften Wicliffes öffentlich verbrennen. Das machte die Sache nur noch schlimmer. Hus zog jetzt umher und predigte vor dem Volke, überall mit Begeisterung aufgenommen. Hieronymus von Prag, ein Freund von Hus, schloss sich ihm in allen Stücken an. Die Universität wählte Hus zum Rektor. In dieser Stellung kam es zwischen ihm und den die Universität besuchenden sehr zahlreichen Deutschen zu einem Kampfe, welcher von jetzt an der Bewegung einen spezifisch nationalen Charakter aufdrückte und verhinderte, dass Hus nicht schon damals für Deutschland Das wurde, was hundert Jahre später Luther. Die Universität war in vier sogenannte Nationen geteilt: Böhmen, Bayern, Sachsen, Polen, und jede derselben hatte bei den Beratungen eine Stimme. Hus mit seinen Landsleuten setzte es durch, dass die Böhmen drei Stimmen erhielten, die anderen zusammen also nur eine Stimme behielten. Das gab einen heftigen Streit, in Folge dessen mehrere tausend deutsche Studenten mit ihren Professoren die Universität verließen. Hus wurde durch diese in Deutschland verketzert und verleumdet und damit jede Sympathie und Unterstützung seinen Bestrebungen genommen, die sie sonst gefunden haben würden. Den Herren, weltlichen wie geistlichen Standes, kam dieser Nationalitätenstreit sehr gelegen und sie schürten ihn nach Kräften, um die Gefahr der neuen Irrlehren darunter zu ersticken. Die Deutschen erklärten sich aus Nationalhass gegen Hus, und der auf böhmischer Seite ebenfalls zu heller Flamme angefachte Nationalhass erklärt, warum die Hus anhängenden bürgerlichen und Adelskreise, trotz aller Verschiedenheit der Interessen, sich später mit dem revolutionären Volke verbanden. Das Auftreten des Hus hatte eine Menge weit über ihn hinausgehender Volksprediger erzeugt, die in Stadt und Land das niedere Volk für sich gewannen. Es bildeten sich die Taboriten, so genannt vom Berge Tabor, auf dem sie zuerst sich versammelt hatten; sie rekrutierten sich hauptsächlich aus der niederen Städtebevölkerung und den Arbeitern der Bergwerke; die Horebiten und Orphaniten, denen besonders die Bauern anhingen; eine ganz exzentrische, wenn auch schwache Sekte bildeten die Adamiten, die in paradiesischem Zustande nackt wandeln wollten. Die eigentlichen Anhänger des Hus, die hauptsächlich aus den Bürgern und dem niederen Adel bestanden, hießen Hussiten, ein Name, den man für gewöhnlich der Gesamtheit der Unzufriedenen und Neuerer in Böhmen beilegt; auch nannte man sie Calixtiner, von Calix (Kelch), weil sie das Abendmahl in beiderlei Gestalt verlangten, oder Utraquisten.

Die Taboriten und Orphaniden und sonstigen Sektierer hielten sich, wie so viele christliche Schwärmer und Fanatiker, hauptsächlich an das alte Testament, das sie nach ihrer Weise auslegten; sie waren für Abschaffung des Königtums und der Stände und Herstellung eines altbiblisch-patriarchalischen Staatswesens. König Wenzel, stutzig gemacht durch den Umfang, den die Bewegung annahm, wandte sich 1412 gegen dieselben und verfolgte sie.

In Prag kam es zwischen den Anhängern von Hus und seinen Gegnern zu förmlichen Gefechten. Die feindselige Haltung, welche das Konstanzer Konzil gegen die neue Bewegung annahm, die schließliche Verbrennung von Hus und Hieronymus ( 1415 und 16), der Wortbruch, den sich der Kaiser Sigismund dabei gegen Hus hatte zu schulden kommen lassen, indem er sein Versprechen auf freies Geleit, aus Hass gegen den Ruhestörer gebrochen, verstärkten die Gärung und es drohte eine allgemeine Revolution. Aber der mächtige Anhang, welchen die revolutionäre Partei, an deren Spitze verschiedene ehemalige Mönche und Geistliche standen, selbst in den Vorstädten Prags gefunden, schüchterte das bürgerliche Element ein. Die Führer der spezifischen Anhänger des Hus, Prager Professoren, erließen 1417 eine Erklärung, in welcher sie gegen die radikalen Bestrebungen der Sektierer protestierten. „Der Teufel pflege oft den Schein der Heiligkeit anzunehmen,“ so begannen sie dieselbe, um auf diese Art Bruderzwist und Verachtung der göttlichen Gebote desto besser verbreiten zu können,“ und nun führten sie auf, was sie alles als „Irrlehren“ betrachteten. Man glaubt unwillkürlich den hundert Jahre später auftretenden Luther gegen Müntzer und die Bauern donnern zu hören. Es vergingen weitere zwei Jahre mit wachsender Ausdehnung der Bewegung. Jetzt ( 1419) verbot Wenzel Hussiten wie Sektierern die Abhaltung des Gottesdienstes. Das Verbot vermehrte die Gärung. Im Sommer desselben Jahres versammelte sich das aufgeregte Volk, 42.000 Köpfe stark, zu einer imposanten Demonstration auf dem Hügel Hradist an der Luschnitz. Die Versammlung wurde ein allgemeines politisch-religiöses Volksfest; man nannte sich das Volk Gottes, den Stamm Juda; jeder Standesunterschied war aufgehoben, Bauer wie Edelmann hieß Bruder. Das Fest verlief in der musterhaftesten Ordnung, ohne die geringste Störung und Ausschweifung. Wenige Tage darauf wurde in der Prager Neustadt eine Prozession des Volks seitens des Rats und des auf seiner Seite stehenden Teils der Bürger insultiert. Das ergrimmte Volk empörte sich auf der Stelle, stürmte das Rathaus und warf sieben Ratsherren nebst dem Stadtschreiber zum Fenster hinaus, die von den Untenstehenden mit den Spießen aufgefangen und getötet wurden. Der einäugige Žižka, ein berühmter Feldherr, trat aus des Königs Dienst und stellte sich an die Spitze des Aufstandes, der sich rasch über das ganze Land verbreitete. Am 29. September und 11. November desselben Jahres wurden zwei weitere Volksfeste gehalten, die gleich dem ersten ohne jede Störung verliefen. Die Mehrzahl der Städte blieb der revolutionären Bewegung fern. Die deutschen Bürger derselben waren ihr offen feindlich, sie standen auf Seiten des Papstes und des Königs, der jetzt Sigismund war, da Wenzel kurz zuvor starb. Der Hass gegen die Bürger wurde bei den revolutionären Elementen tief und allgemein. Žižka rief die Bauern und Arbeiter zu den Waffen; seinem militärischen Talent gelang es rasch, die Massen zu organisieren und zu disziplinieren und zu einem gefährlichen, ja unüberwindlichen Gegner zu machen. Žižka eroberte Prag, in dem die gemäßigten Hussiten samt der Ritterschaft geschlagen wurden; Pilsen, das er bald darauf gleichfalls eroberte und das dabei zerstört wurde, ließ er wieder aufbauen. Eine wichtige Hilfe erstand den Empörern in den Bergknappen, die mit Ausnahme der Deutschen unter ihnen sich ihnen anschlossen. Die jeder Vermittlung abgeneigte und feindselige Haltung, welche der Nachfolger Wenzels, Sigismund, auch gegen die zum Vermitteln geneigte gemäßigte Partei annahm, trieb diese in das Lager der Revolutionäre. Sigismund, unterstützt vom Papst, den Fürsten und der gesamten Geistlichkeit, erklärte als Kaiser von Deutschland den Krieg gegen die Hussiten, und der Papst predigte den Kreuzzug. Das entflammte den Nationalhass der Böhmen, alle Parteien, mit Ausnahme der deutschen, vereinigten sich zu gemeinsamer Abwehr. Sigismund brachte ein Heer von weit über 100.000 Mann zusammen, aber der von ihm unternommene Sturm auf Prag wurde siegreich abgeschlagen. Grausamkeiten, die Sigismund bei seinem Einfall in Böhmen verübt hatte, wurden Seitens der Hussiten erwidert; der ganze Krieg artete von beiden Seiten in die ärgsten Gräuel und Verwüstungen aus. Ganze Städte und eine Menge Dörfer wurden gegenseitig verbrannt, die Bewohner zu Hunderten und Tausenden verstümmelt oder gemordet. Die Hussiten machten sich ihren Gegnern durch die fortgesetzten Niederlagen, die sie ihnen beibrachten, so furchtbar, dass kein Heer mehr ihnen Stand hielt, und mehrere derselben schon die Flucht ergriffen bei der bloßen Kunde ihres Anzugs, Žižka hatte, ähnlich wie später Cromwell in England und Carnot und die Generäle der französischen Republik, eine ganz neue Kriegskunst eingeführt, der die Gegner nicht widerstehen konnten. Unter seiner Leitung bildeten sich die beiden Prokope aus, die, als er 1424 an der Best starb, die Führung übernahmen. Nach dem Tode Žižkas begannen unter den Hussiten die Reibereien der verschiedenen Parteien, aber gegenüber dem gemeinsamen Feinde waren sie einig und machten sich vor wie nach furchtbar. Der Angriffskrieg, den das Reich gegen die Hussiten begonnen, war längst zum Verteidigungskrieg geworden. Die Hussiten waren unüberwindlich. Sie unternahmen die folgenden Jahre siegreiche Streifzüge nach Bayern und Franken bis Nürnberg; nach Sachsen, wo sie über Leipzig bis vor Naumburg rückten; in die Laufig und weiter nordwärts in die Mark bis Küstrin, ja eine Schar streifte sogar bis Danzig und an die Ostsee; nach Schlesien drangen sie bis an die Tore von Breslau vor, dessen Vorstädte sie verbrannten; in Mähren, das sie in Scharen überschwemmten, schloss sich ihnen das stammverwandte Landvolk an; sie fielen in Ungarn ein und rückten bis vor Kremnis, südlich gelangten sie bis vor Wien. Von überall schleppten sie ungeheure Beute weg. In den Jahren 1427-29 nahmen sie über 700 befestigte Orte ein. 1430 rückte Prokop der Große er trug diesen Beinamen, weil er seinen Bruder an Körperlänge überragte, der deshalb der Kleine hieß mit nicht weniger als 20.000 Reitern und 70.000 Mann Fußvolk nach Franken.

Der unbestrittene Sieg, den die Hussiten über alle ihre Feinde davongetragen hatten, hätte sie nunmehr zur Gründung einer neuen Ordnung der Dinge veranlassen müssen. Hier kam aber ihre Schwäche zum Vorschein. Den Sieg über ihre Feinde hatten sie durch einmütiges geschlossenes Auftreten erfochten, sobald es sich aber um die inneren Staats- und Standesangelegenheiten handelte, kam der Gegensatz der Interessen zum Vorschein, eine Verständigung war unmöglich. Adel und Bürgertum hätten sich vielleicht zur Not verständigen können, aber wie wollten sie sich mit dem Landvolk und dem niederen Volk der Städte verständigen? Adel und Bürgertum waren nicht stark genug um die Masse bewältigen zu können, und die Masse ersetzte nicht durch Zahl, was ihr an innerer geistiger Kraft und sozialer Macht gebrach. Einen Ausweg aus diesem Dilemma gab für Adel und Bürgertum nur das Anknüpfen von Unterhandlungen mit dem Feinde und dies wurde 1432 versucht. Das Reich hatte die Geißel der Hussiten zu sehr zu kosten bekommen, um nicht auf Unterhandlungen einzugehen, und dasselbe Bedürfnis empfand die stark benachteiligte Kirche. Prokop der Große und zwei andere militärische Führer reisten unter zahlreicher Begleitung auf das Konzil zu Basel. Dass Prokop, der Führer der radikalen Volkspartei sich dazu hergab, hatte seine besonderen Gründe. Einmal mussten die Führer einsehen, dass ihr Ziel kaum zu erreichen war, und dann hoffte Prokop die Statthalterwürde von Böhmen erhalten zu können. Nach dreimonatlichen resultatlosen Unterhandlungen zog die Gesandtschaft wieder nach Hause. Die Gegner hatten die Schwäche der Hussiten erkannt, ihr innerer Zerfall war ihnen offenbar geworden, darum ihre Hartnäckigkeit. Die gemäßigte Partei, Bürger und Adel, lieber geneigt sich Kaiser und Papst als dem Volk zu unterwerfen, setzte die Unterhandlungen auf eigene Faust fort und erlangte im folgenden Jahre, 1433, einen lahmen Ausgleich. Dieser ward das Signal zum offenen gewaltsamen Kampf der Parteien unter sich. Bei Böhmisch-Brod kam es 1434 zu einem mörderischen Kampfe, der durch den Verrat des Prokopschen Reitergenerals Czapek und dadurch, dass die Bauern sich hinter ihrer wohlverschanzten Wagenburg hervorlocken ließen, zu Ungunsten der Radikalen ausfiel. Die beiden Prokope fielen mit Tausenden der Ihrigen auf dem Schlachtfeld.

Nach einigen weiteren Niederlagen schlossen die erschöpften Hussiten 1435 Frieden. Das Bürgertum musste bald genug erfahren, dass die ihm bewilligten Friedensbedingungen seitens des Kaisers und Königs schlecht gehalten wurden. Das Landvolk und das niedere Volk der Städte kam in die alte Sklaverei. Die schwärmerischen, revolutionären Sekten wurden zersprengt und unterdrückt, aber die Zersprengten wirkten im Stillen fort und verzweigten ihre Fäden weiter ins Reich, nach Sachsen, Thüringen und Franken. Doch unter der in Böhmen auf ihnen lastenden Verfolgung konnten sie zu keiner Macht mehr gelangen. Im deutschen Bauernkrieg kamen ihre Ideen wieder zum Vorschein, wenn auch unter anderer Form.

Hus und der Hussitenkrieg waren in vielen Stücken eine Antizipation der Reformation und des Bauernkriegs. Hus war, wie später Luther, der Repräsentant des Bürgertums, die Klassen die diesem anhingen, hingen auch jenem an, und was die Münzersche Partei im Bauernkrieg war, waren im Hussitenkrieg die schwärmerischen Sekten, die in den beiden Prokopen ihre Führer besaßen. Der Charakter des Nationalitätenkriegs, den die Fürsten, Herren und Pfaffen dem Kampfe aufzudrücken wussten, und den die Hussiten den beschränkten Ansichten der Zeit gemäß ihm ebenfalls gaben, verhinderte die Propaganda nach Außen und beschränkte die Bewegung auf Böhmen und das stammverwandte Mähren. Ohne diesen beschränkten Nationalcharakter würde die Bewegung schon damals Deutschland ergriffen und die späteren Kämpfe entweder unnütz gemacht oder ihnen eine andere Gestalt gegeben haben. Indes jede Zeit gebiert nur die Ereignisse, für die sie reif ist; für Deutschland hatte die Stunde noch nicht geschlagen, sie kam aber mit Riesenschritten heran.

* * *

Die Lehren der schwärmerischen Sekten in Böhmen hatten sich nach Franken fortgepflanzt und waren dort namentlich im Gebiete des Bischofs von Würzburg, der ein sehr gestrenger Herr und bei seinen Untertanen arg verhasst war, auf fruchtbaren Boden gefallen. Dort waren bereits ums Jahr 1446 auf Befehl des Bischofs 130 Personen als Anhänger von Hus eingezogen worden. Auch im Bambergschen hatten die ketzerischen Ideen so viel Anhang gefunden, dass schon einige Jahre vor den Verfolgungen im Würzburgischen den Untertanen der Eid darauf abgenommen wurde, den Neuerungen nicht anzuhängen. Allein in den Zeitverhältnissen wurzelnde Ideen lassen sich nicht vernichten, scheinbar unterdrückt und viele Jahre lang unsichtbar, kommen sie oft plötzlich und weit stärker als zuvor wieder an die Oberfläche. So geschah es auch hier. In den von Pfaffen und Adel ausgeplünderten Landen begann im Jahre 1476 Hans Böheim von Niklashausen, von seinem Gewerbe der „Pauker“ oder auch das Pfeifer-Hänslein“ genannt, als „Prophet“ aufzustehen. Er hatte Jahre lang auf den Kirchweihen und Hochzeiten an der Tauber den Bauern aufgespielt, jetzt hing er seine Beschäftigung an den Nagel und predigte dem Volke die Buße. Ein Jeder solle seine Sünden und bösen Lüste abtun, Schmuck und Zierrat ablegen und zur Mutter Gottes nach Niklashausen wallfahrten, um Vergebung seiner Sünden zu erlangen. Von allen Seiten strömten die Bauern, Männer und Weiber zu dem neuen Propheten, der mit beredter Zunge nicht bloß die Notwendigkeit der Buße und eines strengen, gottgefälligen Lebenswandels zu preisen wusste, sondern auch die Laster und den Hochmut der Großen, den Druck und die Lasten des armen Volkes mit so wahrheitsgetreuen, lebendigen Farben schilderte, dass seine Zuhörer mit Begeisterung an seinen Lippen hingen. Mit jeder Predigt vermehrte sich die Zahl der Anhänger. Der Ruhm seines Namens breitete sich immer weiter aus durch ganz Franken, nach Bayern, Schwaben und dem Odenwald, ja selbst bis an den Rhein, und zog Scharen von Pilgern an, die ihn persönlich sehen und hören wollten. Die Menge der Zuhörer, die ihn an den sonntäglichen Predigten umgab, stieg bald auf 30 und 40000. Pfeifer-Hänslein beschränkte sich nicht darauf, bloß zu predigen und die Nichtsnutzigkeit der Herren der Erde zu schildern, er ging dazu über, darzulegen, wie man dem Unrecht abhelfen und dem armen Manne aufhelfen könne. Er predigte: „es gelte ein neues Gottesreich zu gründen, worin Alles abgetan sei, weder Kaiser, Fürst, noch Papst, noch irgend eine andere weltliche oder geistliche Herrschaft bestehe; Jeder solle des Andern Bruder sein, mit eigener Hand das tägliche Brot gewinnen und Keiner mehr haben, als der Andere. Alle Zinsen, Gülten und Fronden, Zoll und Steuer, alle Abgaben und Leistungen sollten für immer abgetan, Wald, Wasser und Weide überall frei sein.“

Die Geistlichkeit, die natürlich über den neuen Propheten in grimmigen Zorn geriet, suchte vergeblich das Volk von ihm abwendig zu machen, indem sie ihn als Ketzer und Betrüger brandmarkte, der es verführen und dem Teufel überantworten wolle. Ihr Wüten und Toben half nichts, die Stimmung gegen sie und die Herren wurde nur schlimmer.

Zwei Ritter des Bistums Würzburg, Kunz von Tunfeld und sein Sohn traten nebst dem Pfarrer von Niklashausen mit Pfeifer-Hänslein in ein Bündnis. Sie berieten, wie sie die Bewegung zu einem guten Ende führen und in erster Linie sich des Bischofs von Würzburg bemächtigen könnten. Man kam überein, dass die beiden Ritter die militärische Führung des Aufstandes übernehmen sollten.

Nachdem Pfeifer Hänslein mehrere Monate lang vor den Massen gepredigt und die Stimmung eine zuverlässige und begeisterte geworden. war, forderte er am Sonntag vor St. Kilian, am Schluss seiner Predigt, seine Zuhörer auf, heimzugehen und zu erwägen, was er ihnen im Sinne der Mutter Gottes verkündet, am nächsten Samstag aber Greise, Kinder und Weiber daheim zu lassen, dagegen alle Brüder und Freunde, so viele ihrer sein möchten, mitzubringen. „Kommt aber nicht mit dem Pilgerstab“ riet er, sondern angetan mit Wehr und Waffen, in der einen Hand die Wallkerze, in der anderen Schwert und Spieß, und die heilige Jungfrau wird Euch alsdann verkünden, was ihr Wille ist, dem ihr folgen sollt.“

Die aufrührerischen Predigten des Pfeiferhänslein und der Anklang, den sie gefunden, waren selbstverständlich auch dem Bischof von Würzburg sehr bald zu Ohren gekommen. Die drohende Aufforderung an die Bauern zeigte ihm, was auf dem Spiele stand, er beschloss dem Plan zuvorzukommen. In der Nacht vor dem Versammlungstage ließ er durch seine Reiter den sorglosen Propheten überfallen und ihn zu sich aufs Schloss nach Würzburg bringen. Am nächsten Tage rückten die Bauern wohlbewaffnet, an die 34.000 Mann stark, von allen Seiten auf Niklashausen heran. Da erfuhren sie mit Schrecken, was geschehen war. Allgemeine Entmutigung ergriff sie, der größere Teil kehrte eiligst wieder um, 16.000 Mann blieben auf das Drängen und die Vorstellungen der Führer zusammen und zogen unter dem Kommando Kunz von Tunfelds und seines Sohnes vors Würzburger Schloss, um den Pauker zu befreien. Die Versprechungen des Bischofs, dass der Gefangene in guter Hut sei und an Leib und Leben nicht geschädigt werden solle, dass er vielmehr ihre Beschwerden sorgfältig erwägen wolle, veranlasste die Haufen zum Abzug. Kaum waren sie auseinandergegangen, als sie heimtückisch durch bischöfliche Reiter überfallen wurden, die viele niederstachen oder zu Gefangenen machten. Ritter Kunz und seinem Sohn gelang es zu entfliehen, Pfeifer Hänslein wurde als Ketzer verbrannt und seine Asche in den Main gestreut, zwei andere Rädelsführer wurden enthauptet. Ritter Kunz erhielt erst Verzeihung, nachdem er alle seine Güter an das Bistum abgetreten. So war auch dieser Aufstand unterdrückt.

* * *

Aber die Zeit war gekommen, wo das Volk zu denken anfing, alle Verhältnisse waren in Gärung, man fühlte allgemein, dass man einer Katastrophe entgegenging, wenn auch Niemand wusste, wie und was werden sollte.

In den für die damalige Zeit industriell sehr weit entwickelten Niederlanden hatte Kaiser Maximilian in den achtziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts eine Reihe von Kämpfen geführt, welche die dort ziemlich unabhängig lebende Bevölkerung aufs Äußerste erbittert hatten. Schwere Kriegsabgaben wurden durch Verordnungen, welche die schon vorhandene schlechte Münze noch um ein Drittel ihres Wertes verringerten, zum Unerträglichen gesteigert. Vorstellungen dagegen wurden mit einer neuen Auflage von zwei Goldgulden für jedes Haus beantwortet. Dazu kam, dass 1491 in Folge schlechter Ernten eine große Teuerung ausbrach. Alles dies zusammen brachte das Volk zur Verzweiflung, es erhob sich zum Aufstand. Die Stadt Gent brach zuerst los, ganz Flandern folgte, im Kennemer- und im Waterlande der Friesen brach gleichfalls der Aufstand aus. Die Aufständischen sammelten sich unter einer Fahne, auf welcher als Symbol ein schlechtes Gerstenbrot und ein grüner Käs‘ gemalt waren, wovon sie den Namen „die Käsebröter“ erhielten. Der Generalstatthalter des Kaisers, Herzog Albrecht von Sachsen, war genötigt, mit großer Heeresmacht gegen sie zu ziehen. Nach verschiedenen kleinen Gefechten wurden die Aufständischen in der Schlacht bei Hemskerk aufs Haupt geschlagen und kurze Zeit darauf der Aufstand unterdrückt. Hätte der Aufstand noch einige Zeit gedauert, so war es höchst wahrscheinlich, dass die Bauern an der Mosel und am Rhein sich ebenfalls erhoben, so aufgeregt war die Stimmung dort.

Um dieselbe Zeit, wo in den Niederlanden der Aufstand ausgebrochen war, zuckten auch im Süden des Reichs, in Ober-Schwaben, der Abtei Kempten, dem Schwarzwald und dem Elsass die ersten Flammen aus dem Boden hervor und zeigten dem aufmerksamen Beobachter, dass die Zeit erfüllt war, wo das Volk, des schweren Joches müde, sich zu befreien entschloss.

In der Abtei Kempten war es zwischen den Untertanen des Klosters und dem Abt zu harten Streitigkeiten gekommen. Die Abtei Kempten gehörte zu den Gebieten, wo es bis vor Kurzem noch viele Freibauern gab, die unter des Kaisers direktem Schutz standen und zu nichts als dem Kriegsdienst verpflichtet waren. Allmählich hatte man sie in ein Zinsverhältnis zur Abtei gezwungen. Sie waren als Zinsbauern oder Freizinser zwar ebenfalls persönlich frei, sie konnten testieren und Intestaterben einsetzen, Verträge schließen, über ihr Eigentum verfügen und hinziehen wohin sie wollten, dagegen mussten sie einen jährlichen Zins und ein Schirmgeld an den Schirmherrn zahlen. Von Besthaupt, Erbteil, Tagdiensten und dergleichen waren sie befreit. Nur beim Tode eines Freizinsers oder einer Freizinserin musste das beste Gewand als Todfall gegeben werden.

Aber diese freie Stellung der Zinsbauern sagte den Herren nicht zu, man suchte sie allmählich in die Untertänigkeit zu bringen. In der Abtei Kempten nahm ihnen der Abt neben dem Todfall auch das Besthaupt, d.h. das beste Stück Vieh, weg. Ein weiterer Schritt zur Unterdrückung war, dass Freizinser die Güter des Klosters zu Lehen nahmen oder trugen und dafür Zinse, Gilten und Dienste wie die Eigenleute des Klosters schuldig, auch wie diese angesehen und nach einiger Zeit mit ihnen in eine Klasse geworfen wurden. Diese Gefahr liefen Viele, da der größte Teil des Grundeigentums durch die verschiedensten Mittel in den Besitz der Abtei gekommen war und die Zinsbauern nötigte, Güter der Abtei in Lehen zu nehmen. Wer gegen die Behandlung als Unfreier des Klosters nicht bei Zeiten Verwahrung einlegte, konnte sicher sein, nach einer Reihe von Jahren in die Liste der Leibeigenen zu kommen und als solcher behandelt zu werden.

Das erste Recht das man den Freizinsern, die Lehensleute des Klosters waren, nahm, war die freie Heirat. Man verbot ihnen die Heirat mit ganz Freien, weil nach allemanischem Recht die Kinder einer solchen Ehe auch frei waren. Dagegen begünstigte man ihre Heirat mit Leibeigenen, weil die Kinder aus einer solchen Ehe unfrei und leibeigen wurden.

Gegen diese systematische Unterdrückung hatten schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts Freibauern und Zinser sich gewehrt. Darauf legte der damalige Abt eine gefälschte Urkunde vor, wonach angeblich schon seit Kaiser Karl dem Großen die beanspruchten Rechte der Abtei verbrieft waren.

Alle Protestationen nützten nichts. Durch ein Schiedsgericht, das 1423 aus Adeligen und Städtern zusammentrat, um in dem Streit zu entscheiden, wurde dem Abt der Eid zugeschoben. Er sollte beschwören, dass die beanspruchten Steuern, Zinsen und Dienste und alle Gewaltsamen dem Kloster zu Recht gehörten. Hatte er geschworen, dann sollten zwei der vornehmsten Konventherren des Stiftes die Echtheit des Eides des Abts durch Schwur bestätigen. Der Abt und die Konventherren schworen und die Bauern waren um ihr Recht betrogen. Wie hier in Kempten, so kamen in ganz ähnlicher Weise an vielen Orten Deutschlands ehemals freie Bauern in Knechtschaft.

Der 1481 in Amt und Würden gekommene Abt war noch schlimmer, als seine Vorgänger; er suchte den letzten freien Bauer zu seinem Zinsmann, den Zinsmann zu seinem Leibeigenen herabzudrücken. Wer es sich nicht gefallen ließ, wurde vor das geistliche Gericht gezogen, in Block und Turm gelegt oder von seinem Gut vertrieben. So misshandelt gaben die Meisten nach und gelobten Urfehde, keinen fremden Schutz zu suchen, Steuern, Gülten, Dienste, Fastnachthühner, Todfall und Hauptrecht, wie vorgeschrieben, zu leisten. Die Leibeigenen mussten für den Todesfall die Hälfte ihrer Habe dem Abt verschreiben; Waisen wurden des Erbes beraubt, Kinder unter Vormundschaft gezwungen und genötigt, sich als Leibeigene zu verschreiben. Als Rechtfertigung führte der Abt für alles dieses an: „er mache es wie andere Herren auch.“

Im Jahre 1489 war auch im Süden Deutschlands jene große Teuerung entstanden, die schon in den Niederlanden sich fühlbar gemacht hatte und mehrere Jahre dauerte. Der Abt von Kempten, statt. Einsicht zu haben, legte eine neue Steuer auf. Darauf versammelte sich am 15. November 1491 die gesamte Bauernschaft des Stifts an der uralten Malstatt zu Luibas und beriet über eine „Vereinigung, um sich einander bei ihren alten Briefen und Rechten zu schützen.“ Sieben Tage später kamen sie in einem Lager bei Durach zusammen, schworen fest zu einander zu stehen, zunächst aber den schwäbischen Bund um Rechtsentscheid gegen den Abt anzugehen. Sie wählten Jörg Hug von Unterasried zu ihrem Hauptmann, einen Mann, den der Abt als den „Hus von Unterasried“ bezeichnete.

Es sei hier bemerkt, dass der schwäbische Bund, den die Kemptener Bauern als Richter anriefen, und der in den folgenden Bauernaufständen, wie im eigentlichen Bauernkrieg eine hervorragende Rolle spielte, aus einem Bunde schwäbischer Städte und Landesherren bestand, die sich 1488 vereinigt hatten. Zweck des Bundes war die Aufrechthaltung des Landesfriedens und die Durchführung der Reichsbeschlüsse, sein Programm war also gegen das Räuber- und Fehdewesen des niederen Adels, der Ritter, gerichtet und diese deshalb sein erbitterter Feind.

Der Bund zählte gleich Anfangs 22 Reichsstädte unter sich; von Fürsten später unter anderen den 1503 zur Regierung gelangenden Herzog Ulrich von Württemberg, welcher aber 1512 wieder austreten musste, weil er die Güter der Grafen von Leiningen sich angemaßt.

Die Kemptener Bauern kamen bei den Herren des schwäbischen Bundes, in deren Gebieten die Aufregung bereits ebenfalls Boden gefasst, schlecht an. Erst auf flehentliches Bitten ließen sie sich zur Vermittlung herbei und diese fiel zu Gunsten des Abts aus. Die Bauern legten jetzt zwar ihre Waffen nieder, sandten aber einen Boten an den Kaiser, um dort sich Gehör zu verschaffen. Der Abt ließ den Boten meuchlings überfallen und niedermachen. Ein zweiter Bote war glücklicher. Als man schon seine Rückkehr aufgegeben, erschien er mit der Nachricht, der Abt solle vor den Kaiser geladen werden. Den Pfaffen schüchterte dies nicht ein, er fuhr fort die Bauern zu schinden, so dass diese abermals zu den Waffen griffen. Nun rief der Abt den schwäbischen Bund zu Hilfe und dieser beschloss: weil bei längerer Nachsicht alle Ehrbarkeit und Obrigkeit in Gefahr wäre, die Bauern mit Gewalt zum Gehorsam zu zwingen; vorerst die Rädelsführer aufzuheben und zu strafen; würden die Bauern dann noch nicht ruhig und gefügig, diese mit Krieg zu überziehen.“

Wirklich zog auch der Bund Kriegsvolk in Günzburg zusammen; in Mindelheim standen die Söldner des Abts. Schlau ließ man Monate verstreichen ohne anzugreifen, um die Bauern sicher zu machen. Man rechnete richtig. Auf Michaelisabend wurden sie plötzlich in ihren Dörfern überfallen, gefangen genommen oder niedergemacht, ihr Hab und Gut geraubt und ihre Häuser niedergebrannt. Die Häupter, deren man habhaft werden konnte, wurden ins Gefängnis geworfen; Hunderte wanderten nach der Schweiz aus. Nach dieser gewaltsamen Niederwerfung setzte der Bund wie zum Hohn einen Rechtstag für die Bauern in Memmingen an. Das Urteil lautete: es bleibt Alles beim Alten. Steuer, Zins, Gült, Teilfälle, Hauptrecht und was sie sonst zu leisten und zu reichen gehabt, solle bleiben bis sie es bewiesen, dass sie es nicht schuldig seien. Dem Fürst-Abt wurde gnädig aufgegeben, wider seine Untertanen nicht weiter zu klagen, den Bauern wurde anempfohlen, nicht anders als auf schiedsrichterlichem Wege künftige Beschwerden zu erledigen. Das Vorgefallene solle gegenseitig vergessen sein und den Gebannten freistehen, innerhalb einer gewissen Frist ungestraft zurückkehren zu dürfen; die Gefangenen endlich sollten nach Annahme des Vertrags entlassen werden. Eine kleine Zahl der Geflüchteten kehrte zurück und unterwarf sich, die Mehrzahl der Bauern aber nahm den Vertrag nicht an. Einstweilen fügten sie sich, hoffend, dass die Zeit bald kommen werde, wo sie zu ihrem Rechte gelangten.

Die andauernde Teuerung und die daraus folgende Hungersnot, welche zu den Aufständen in den Niederlanden geführt und den Kemptener Bauern die nächste Veranlassung zur Empörung gegeben, veranlasste auch das gedrückte Volk im Elsass, sich 1493 zu einer „Einigung“ zusammen zu tun, die sie den „Bundschuh“ nannten. Der Bundschuh als Bannerzeichen hatte für die Bauern des Mittelalters dieselbe Bedeutung wie die rote Fahne für das moderne Proletariat. Das Zeichen war daher entstanden, dass der Ritter als Auszeichnung seines Standes Stiefel, der Bauer als Zeichen der Unfreiheit Schuhe trug, die mit Riemen vom Knöchel aufwärts gitterartig gebunden wurden.

Im Bundschuh des Elsass waren von vornherein Männer verschiedenen Standes. Die Mehrzahl bildeten die Bauern, ihnen schlossen sich aber viele Bürger der Städte, darunter selbst solche, die städtische Ämter bekleideten, an, auch reisige Knechte. Der Bund breitete sich rasch aus, die Gegend von Schlettstadt war der Herd des Aufstandes. Nachts schlichen die Verschworenen auf heimlichen Wegen zu Zusammenkünften auf dem sog. Hungerberge bei Schlettstadt. Hier wurden die Pläne entworfen, die man verwirklichen wollte. Das Programm des Bundes war in der Hauptsache folgendes: Abschaffung des geistlichen und rottweilschen Gerichts, Aufhebung der Zölle, des Umgelds und anderer Lasten, Selbstverwaltung der Gemeinden, Geschworenengerichte, Steuerbewilligungsrecht, Aufhebung der Ohrenbeichte, Beschränkung eines Geistlichen auf nur eine Pfründe, von der er per Jahr nicht mehr als 50-60 Gulden erhalten solle, Plünderung, beziehungsweise Ausrottung der Juden. Die Juden waren im ganzen Mittelalter wegen ihres Schachers und wegen ihres Geschicks, Reichtümer aufzuhäufen, verhasst und mussten häufig die schwersten Verfolgungen, verbunden mit furchtbaren Grausamkeiten erdulden.

Wir sehen hier zum ersten Male deutsche Bauern sich nicht bloß zur Abwehr vereinigen, sondern sich auch um ein festes politisches Programm scharen, das ihre Ziele klar und deutlich darlegte. Sie hatten begriffen, dass nichts damit getan war, wenn man einzelne Forderungen den Herren abtrotzte, dass vielmehr eine gründliche Umgestaltung Not tat. Auch ihre religiösen Forderungen verdienen alle Beachtung. Man muss festhalten, dass um jene Zeit noch kein Reformator von Bedeutung in Deutschland aufgetreten war und es etwas bedeuten wollte, eine Forderung wie die Abschaffung der Ohrenbeichte aufzustellen. Von jetzt ab treten alle Bauernbewegungen mit mehr oder weniger ausführlich formulierten Forderungen auf, die schließlich im Bauernkrieg in den 12 Artikeln ihren Gipfelpunkt erreichen.

Der Plan der Verschworenen ging zunächst dahin, sich des festen Schlettstadt als Operationsbasis zu bemächtigen und die gefüllten Stadt- und Klosterkassen mit Beschlag zu belegen, um das für den Krieg so notwendige Geld zu haben. Würde der Bund allein sein Ziel nicht erreichen können, so wollte man die Eidgenossen zu Hilfe rufen. Es war verabredet, zu Anfang der Karwoche den Schlag gegen Schlettstadt zu führen.

Aber alle Vorsichtsmaßregeln und Bedrohungen gegen Verrat schützten ihn vor diesem nicht. Kurz vor dem zum Angriff festgesetzten Zeitpunkt wurde die Sache ruchbar. Eine Menge Bundesgenossen wurden plötzlich überfallen, Schlettstädter Bürger, die im Bunde waren und nach Basel sich retten wollten, wurden ergriffen, zurückgebracht und gevierteilt; andere Teilnehmer wurden enthauptet, wieder andere des Landes verwiesen, oder an Händen und Fingern verstümmelt. Die Ehrbarkeit der Städte vereinigte sich mit den Landherren, um alle Verdächtigen zu verfolgen und unschädlich zu machen. Der Bund war zersprengt, seine Absichten waren vereitelt, aber der Geist, der ihn belebt, die Verhältnisse, die ihn geschaffen hatten, blieben.

* * *

Während im Elsass, in Oberallemanien und Schwaben die Bauern von dem auf ihnen lastenden Druck sich frei zu machen suchten, hatte ein anderer deutscher Volksstamm, hoch im Norden, seine alte Freiheit gegen fürstliche and adelige Unterjochungsgelüste zu verteidigen. Es waren dies die Dithmarschen, deren Befreiungskampf im 13. Jahrhundert weiter oben geschildert wurde.

Der Adel war damals aus dem Lande vertrieben worden, oder hatte sich aller Privilegien begeben und hatte als Gleicher mit den Bauern in die freie Landesgemeinde eintreten müssen. Der Grundbesitz war entsprechend verteilt und sicherte die Gleichartigkeit der Interessen, das Herrschen Einzelner oder ihr Übergewicht verhindernd. Die Verfassung, diesem Verhältnis entsprechend, beruhte auf der vollen Gleichheit Aller. Jeder mündige Mann übte sein Stimmrecht bei der Wahl der Regierung aus, welche der Rat der Achtundvierzig, auch das „Oberlandgericht“ genannt, bildete. Die Regierung hatte die Verwaltung, die Aufsicht über die Gesetze und die Bestrafung der Vergehen auszuüben. Über die Gesetze selbst entschied das Volk.

Diese Bauernrepublik, die unter unmittelbarem kaiserlichen Schutze stand, war Fürsten und Adeligen natürlich zuwider. Streitigkeiten mit dem Adel der Nachbarlande, wie den Herzögen von Holstein und den dänischen Königen, blieben nicht aus, nicht selten führten diese auch zu Fehden und Einbrüchen in das Gebiet der Republik, aber an der Tapferkeit und Einmütigkeit des Völkchens, das die eigentümliche Bodenbeschaffenheit seines Gebiets gegen die schwer bepanzerten Ritter vortrefflich auszunutzen verstand, wurde aller adelige Übermut zuschanden. Ein Herzog von Holstein musste bei einem solchen Einbruch seinen Frevel mit dem Leben bezahlen.

Christian I. von Dänemark suchte sich des Ländchens durch List zu bemächtigen. Er verlangte einen Vertrag zu schließen, der seinen Truppen den Durchzug gestatte. Die Bauern wiesen das Ansinnen zurück und so versuchte der Dänenkönig 1476 mit Gewalt zu erreichen, was er durch List nicht erreichen konnte. Der Angriff wurde in der Schlacht bei Haide siegreich zurückgewiesen. Die Unabhängigkeit der Dithmarschen war abermals gerettet. Sie fanden es jetzt für klug, sich gegen künftige Angriffe möglichst zu sichern. Sie verbesserten ihre Bewaffnung, nutzten die zu jener Zeit Seitens des Adels noch wenig in Anwendung gekommenen Feuerwaffen und das Geschütz für sich aus, und bauten bei dem für einen solchen Zweck vortrefflich gelegenen Dorf Hemmingsstädt eine Festung. Ihre Vorsorge war nicht unnütz. Christian I. starb 1481 und ihm folgte sein Sohn Johann, der den Hass seines Vaters gegen die Bauernrepublik geerbt. Nachdem er einen Kampf gegen Schweden glücklich beendet, schien ihm der Zeitpunkt zur Abrechnung mit den Bauern gekommen.

Auf einem Reichstag, 1499 zu Rendsburg, dem der ganze Adel von Holstein und Schleswig beiwohnte, wurde der Vernichtungskampf gegen die Bauernrepublik beschlossen. Zahlreiche Adelige aus Mecklenburg, Pommern, der Mark, Oldenburg sagten ihnen Hilfe zu. Auf diese Anstrengungen des Adels boten auch die Dithmarschen das Äußerste auf und gingen ihre Bundesgenossen, die freien Städte Hamburg und Lübeck, mit denen sie im Vertrag standen, um Hilfe an. Das Krämervolk ließ sie im Stich. Im Februar 1500 rückte das adelige Heer, über 16.000 Mann stark, dem die Dithmarschen äußersten Falls nur 6000 gegenüber stellen konnten, gegen Meldorp, den Hauptort des Landes heran. Der hart gefrorene Boden begünstigte Anfangs den Zug des Adels. Aber alle Ortschaften und Höfe, die er erreichte, waren wie ausgestorben. In Meldorp befanden sich eine Anzahl Greise, Frauen und Kinder, die man wegen der Kälte nicht hatte fortschaffen können; in seiner Wut machte der Adel sie alle nieder und zündete die Stadt an. Die rote Glut leuchtete bis nach der Veste Hemmingsstädt, wo die Bauern verschanzt waren. Nach dreitägigem Warten in Meldorp, der König glaubte, die Bauern würden sich vor seinem glänzenden Heere bereitwillig unterwerfen und um Gnade flehen erfolgte der Weiteraufbruch. Aber während der Nacht hatte sich das Wetter geändert, die Kälte war gewichen, der nieder strömende Regen machte die Wege fast ungangbar und ein dichter Nebel verhinderte jede Fernsicht. Nur mühsam kam das Heer auf der einzigen Straße, die nach Hemmingsstädt führt, im knietiefen Schlamme watend, vorwärts. Man wäre gern umgekehrt, aber es war unmöglich, die tiefen Wassergräben an beiden Seiten des Weges ließen das nicht zu. Die Bauern waren aufs Genaueste von der Lage ihrer Feinde unterrichtet und handelten danach. In der Nacht vom 19. auf den 20. Februar hatten sie quer über den Weg eine Schanze aufgeworfen und diese mit ihrem besten Geschütz und hinreichender Mannschaft besetzt. Kurz nach Mittag, am 20., kommt das Heer sorglos im dichtesten Nebel und unter strömendem Regen, der ihm ins Gesicht schlägt, bis dicht an die Schanze heran. Da donnert plötzlich eine volle Salve den Anrückenden entgegen und wirft Tod, Schrecken und Bestürzung in ihre Reihen. Die ganze Armee gerät in die größte Verwirrung, die durch eine neue Salve nur vermehrt wird. Dann stürzen die Bauern mit Hellebarden und Spießen bewaffnet aus der Schanze hervor. Ein Teil fasst das Heer von vorne, während Andere, die Kenntnis des Terrains benutzend, und mit ihren langen Sprungstäben sich über die Gräben schwingend, dem Heere rechts und links in die Flanken fallen und ein furchtbares Blutbad anrichten. Gleichzeitig rauschen von Westen durch die Deiche, welche die Bauern durchstochen hatten, die Meeresfluten heran und erschweren dem adeligen Heer den Rückzug. Eine große Menge der Ritter fiel, der König von Dänemark und der Herzog von Holstein flohen, ihnen folgte was folgen konnte. Die hereinbrechende Nacht machte der Schlacht ein Ende, nicht aber der Verfolgung des Feindes durch die Bauern, die ihren Feinden bis zum Lande hinaus folgten. Der Verlust des Fürstenheeres bezifferte sich auf 7000 Mann, die Bauern hatten nur 80 Tote.

So war die Republik gerettet und war gefürchteter denn je zuvor. Aber fast ein Jahrhundert später fiel sie der wachsenden Fürstenmacht dennoch zum Opfer.

Wenige Jahre nach dem Bundschuh im Elsass brach, 1499, zwischen den Schweizern und der schwäbischen Aristokratie, die Kaiser Maximilian unterstützte, ein Krieg aus. Die Ursachen waren verschiedene; dass die Flüchtlinge der Bauern aus der Abtei Kempten und dem Elsass in der Schweiz ein bereitwilliges Asyl gefunden, war nicht die kleinste. Das demokratische Regiment, wie es wenigstens in den Urkantonen bestand, war den adeligen Herren ein Gräuel, sie hätten es gerne mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Redensarten wie die: „Wir wollen den Schweizern den Kuhschwanz im Busen suchen“; oder: „Wir wollen in der Kuhmäuler Land dermaßen brennen, dass Gott auf dem Regenbogen vor Rauch und Hitze blinzeln und die Füße an sich ziehen soll“, waren im Bunde der schwäbischen Aristokratie etwas Alltägliches. Aber der Kampf ging nicht nach Wunsch, die Herren erlitten eine Niederlage nach der anderen, eine schimpflicher wie die andere.

Die Niederlagen der Aristokratie ermutigten ihre eigenen Bauern, sich zu erheben. Der Hegau, der Bregenzer Wald und der ganze Walgau fielen den Schweizern zu, eine Menge adeliger Burgen und Schlösser wurden gebrochen, ausgenommen und zerstört. Wären die Schweizer nicht von jenem engherzigen Kantönligeist und kleinlicher Selbstsucht besessen gewesen, Untugenden, die allerdings in den unentwickelten Verhältnissen ihre Erklärung finden und heute noch nicht gänzlich verschwunden sind – sie hätten die Bauern der Nachbarlande sich zu Freunden machen, sie zum Aufstand aufrufen und das Adelsregiment ausrotten müssen. Statt dessen plünderten und verheerten sie aus Rache über die Verwüstungen, welche der Adel bei dem Einfall in ihr Land sich erlaubt, die Habe der ihnen freundlich gesinnten fürstlichen Bauern und erbitterten diese gegen sich.

Diese kleinliche Selbstsucht und Engherzigkeit der Schweizer spielte bei allen folgenden Bauernaufständen ihre ekelhafte Rolle, ja sie gaben sich später gegen Geld dazu her, dem aus seinem Lande vertriebenen Herzog Ulrich zur Wiedererlangung desselben beizustehen. Nur um den Charakter der damaligen Schweizer darzulegen, haben wir dieses Krieges, der von ihnen der Schwaben-, von den Gegnern der Schweizerkrieg genannt wurde, erwähnt, denn er hat streng genommen mit der revolutionären Bewegung der deutschen Bauern jener Zeit nichts zu schaffen. Im Friedensschlusse erlangten die Schweizer, wie schon früher hervorgehoben wurde, die Entbindung von der Jurisdiktion des Reichskammergerichts und der Reichsmatrikel.

Der im Elsass zerstörte Bundschuh kam 1502 zu Untergrumbach im Bruchrain, in der Nähe von Bruchsal, das zum Bistum Speyer gehörte, wieder zum Vorschein. In kurzer Zeit hatten über 7000 Männer und nahezu 400 Frauen in den Bund geschworen. Die Frauen waren überhaupt bei allen Erhebungen außerordentlich tätig und rührig und übertrafen an Entschiedenheit oft die Männer. Sie hatten eben mehr noch von den Unterdrückungen und Anmaßungen der Herren zu leiden, wie die Letzteren. Den Lüsten der Herren mussten sie sich widerstandslos ergeben; war der Ehemann gezwungen, als Dienstmann dem Herrn in den Kampf zu folgen, oder wurde er wegen irgend eines geringfügigen Vergehens Wochen und Monate lang in den Turm geworfen oder sonst misshandelt, so lastete auf der Frau verdoppelter Druck; die Pflichten des Mannes gegen den Grundherrn, die Frondienste und dergleichen sollte auch sie erfüllen.

Vorsicht veranlasste den Bund, eine Losung zu geben, an welcher die Mitglieder sich erkennen sollten. Loset, was ist nun für ein Wesen?“ war die Frage, worauf die Antwort lautete: „Wir mögen von Pfaffen und Adel nit genesen!“ Die Hauptartikel des Bundes verlangten: Abschaffung der Leibeigenschaft; kein Zins, Zoll, Steuer oder Zehnten solle mehr den Fürsten, Edlen oder Pfaffen gezahlt werden; Jagd, Fischerei, Weide und Wald sollten frei sein; die geistlichen Güter sollten eingezogen und unter das Volk verteilt werden; als Herr und Haupt sollte Niemand als der Kaiser anerkannt werden. Einig war man, sich mit Gewalt zu befreien.

Man hatte beschlossen, die Stadt Bruchsal, in der die größere Hälfte der Bürgerschaft im Einverständnis war, zu überfallen, sie zu besetzen und als Stützpunkt der Bewegung in Händen zu behalten. Der Haupthaufe sollte in die Markgrafschaft Baden einbrechen, die männlichen Einwohner aller Orte zum Mitzug drängen, nötigenfalls zwingen, aber nirgends länger als 24 Stunden sich aufhalten. Der Bund hoffte nach und nach alle Bürger und Bauern zum Anschluss zu bringen. Alles war in bester Weise vorbereitet, da beging einer der Verschworenen die Unvorsichtigkeit, den Aufstandsplan seinem Geistlichen zu beichten. Dieser verriet ihn sofort den Regierungen und diese beeilten sich, schleunigst ihre Maßregeln zu treffen. Kaiser Maximilian, der von dem beabsichtigten Aufstand in Kenntnis gesetzt wurde, war so erschreckt, dass er die strengsten Blutbefehle zur Verfolgung und Bestrafung der Bundesglieder erließ. Jeder der in den Bund geschworen, dessen Vermögen solle eingezogen werden; wenn er Weib und Kind habe, solle man sie aus dem Lande vertreiben; wenn er selbst ergriffen würde, ihn lebendig vierteilen und, wenn er zu den Häuptern der Bewegung gehöre, ihn an den Schweif eines Pferdes gebunden zur Vierteilung auf die Richtstätte schleifen. Das waren die Befehle, des „ritterlichen“ Maximilian, der einstmals, als er noch nicht den Thron bestiegen, gelobt hatte, ein Beschützer des Volkes zu werden.

Eine große Anzahl Abgeordneter der Fürsten, Herren und Städte war in Schlettstadt zusammengekommen, um Beratung zu pflegen, wie man den Bund am besten vernichten könne. Dieses Zaudern ermöglichte den Führern sich beizeiten durch die Flucht zu retten. Als endlich das Heer der Fürsten in die Dörfer einrückte, waren die hervorragend tätig Gewesenen verschwunden. Eine Anzahl Mitglieder des Bundes wurde auf die Folter gebracht, um ihnen Geständnisse zu erpressen, mehrere auch hingerichtet. Im Übrigen aber fanden es die Herren für klüger, die Blutbefehle des Kaisers unvollstreckt zu lassen, sie mochten einsehen, dass dies die Erbitterung nur noch steigere, und wer sollte bei den Vielen, die beteiligt waren, ihnen Frondienste leisten, Zinsen, Güld und Abgaben geben, wenn sie die Dörfer entvölkerten! Die Erkenntnis ihres Vorteils bestimmte sie zur Milde.

Der Misserfolg, welchen diese zweite Verschwörung erlitten, verbunden mit der großen Wachsamkeit, welche von jetzt an die Herren auf alle Bewegungen der Bauern hatten, ließen es letzteren ratsam erscheinen, sich eine Weile ruhig zu verhalten. Die Flüchtlinge, die in die Schweiz, auf den Schwarzwald, ins Breisgau und ins Württembergische sich begeben hatten, fanden überall Freunde und Gleichgesinnte, die sie zu verbergen suchten und mit denen sie über die Ausführung ihrer Pläne für die Zukunft sich beraten konnten.

Unter den Männern, die durch keine Niederlage sich abschrecken, durch keine drohende Gefahr sich einschüchtern ließen und unermüdet ihren Zweck verfolgten, stand Joss Fritz oben an. Hauptanstifter des Bundschuhs im Bruchrain, wo er in Untergrumbach sesshaft gewesen, war es ihm gelungen, sich nach Vereitelung des Planes zu flüchten. Joss Fritz war eine mutige und energische, eine schlaue und verschlagene Natur, ein Verschwörer wie er im Buche steht. Er verstand es die Menschen an sich zu fesseln, in alle Verhältnisse sich zu schicken und. jeden Vorteil wahrzunehmen, der seiner Sache nützen konnte. Sein angenehmes Äußere und die gewandte Rede, die er zu führen wusste, kamen ihm außerordentlich zustatten. Als ehemaliger Kriegsmann, der viele Feldzüge und Schlachten mitgemacht, besaß er bedeutende militärische Eigenschaften, die der Sache nur nützlich werden konnten. Viele Jahre lang trieb er sich am See,**) zu Lenzkirch und Stockach, wo er sich verheiratete, sowie auf dem badischen und württembergischen Schwarzwald umher, überall den Samen ausstreuend und Verbindungen anknüpfend. Um 1512 nahm er in dem Dorfe Lehen bei Freiburg i. Br. seinen Wohnsitz. Hier verschaffte er sich die Stelle eines Bannwarts. Seine agitatorische Tätigkeit setzte er von hier aus mit größtem Geschick und Eifer und in aller Heimlichkeit fort. Er wusste den Leuten so einfältiglich“ zuzureden, „so süß, dass Jeder meinte von Stund an selig und reich zu werden, wie aus argem Einsprechen des Teufels“, wie ein Geständnis eines Beteiligten in den Untersuchungsakten lautet.

Nachdem er den Boden genügend vorbereitet, lud er die Einzelnen zu einer geheimen Versammlung auf der Hartmatte, einem einsamen Wiesengrunde jenseits der Dreisam ein. Hier sprach er ganz im Sinne der Artikel des Bruchrainer Bundschuh.“

Es müsse besser werden, sagte er, sie dürften künftig keinen Grundherrn mehr haben, überhaupt keinen Herrn als den Papst und den Kaiser; Jeder müsse an seinem Wohnort von dem Richter vernommen werden und nicht in weiter Ferne. Das Rottweilsche Gericht müsse darum abgetan, die geistlichen Gerichte nur auf geistliche Sachen beschränkt werden. Auch müsse man dem Pfründenunwesen der Geistlichen steuern, Zölle und Steuern ermäßigen, dem ewigen Fehdewesen ein Ende machen. Ein beständiger Frieden solle in der ganzen Christenheit aufgerichtet werden, jeder gemeine Mann seine Freiheit wieder erlangen, Wald und Weide, Wasser und Jagd Allen gemein sei. Von dem Überfluss der Klöster und Stifter solle der Armut aufgeholfen werden.“ Joss trat auch hier den Umständen gemäß vorsichtig auf, doch wurde die Sache Manchem bedenklich, als er einen Bundschuh zu gründen in Vorschlag brachte. Die Bauern beschlossen, ihr Dorforakel, den Ortspfarrer Pater Johannes, um Rat zu fragen. Dieser war mit Joss Fritz längst im geheimen Einverständnis; er erklärte den Bauern: die Sache sei ganz in Ordnung; „Gott wolle es; er habe auch in der heiligen Schrift gefunden, dass es einen Fortgang haben müsse.“ Das schlug durch. Die Religion hatte sie bisher stets die Unterwerfung gelehrt, so schwer sie ihnen auch oftmals ankam, dass dieselbe sich jetzt für die Empörung erklärte, gefiel ihnen und beseitigte alle Skrupel.

Joss hatte eine Menge Unteragenten, die überall für den Bundschuh warben, aber die Geworbenen nur im Allgemeinen zu unterrichten hatten. Er selbst hatte alle seine alten Verbindungen im Bistum Speyer auf beiden Seiten des Rheins, im Schwarzwald, in der Markgrafschaft Baden und im Württembergischen wieder angeknüpft. In Waldkirch auf dem Schwarzwald warb ein anderer Eingeweihter, Veltlin oder auch Stoffel von Freiburg genannt. Mehrere Glieder des niederen Adels waren ebenfalls im Bunde. Die geheime Organisation erstreckte sich allmählich über das ganze Elsass, das Breisgau, die Markgrafschaft Baden, den Schwarzwald, Oberschwaben, den oberen Kraichgau, wo Bretten, und den unteren Kraichgau oder Bruchrain, wo Bruchsal der Hauptort war. Im Württembergischen hatte er hauptsächlich im Remstal und im Zabergäu seine Verbindungen. In abgelegenen Wirtshäusern wurden die Zusammenkünfte gehalten„ bald nur von den Eingeweihten eines Gaues, bald von größeren Mengen besucht. Auch die Kirchweihen und Märkte wurden zu Zusammenkünften und Versammlungen benützt. Als geheimes Erkennungszeichen trugen die Eingeweihten vorn im Brusttuch ein lateinisches H von schwarzem Tuch in rotem Schildchen eingenäht, andere trugen auf dem rechten Arm drei Schnitte kreuzweise in den Kleidern. Das geheime Losungswort, das der Bund hatte, ist nicht bekannt geworden.

Die Bundesartikel, wie sie nach häufigen Beratungen schließlich beschlossen wurden, lauteten kurz zusammengefasst: 1. Niemand soll einen anderen Herrn, als Gott, den Kaiser und den Papst anerkennen; 2. Niemand soll anderswo, als da wo er ansässig ist, vor Gericht stehen; das Rottweilsche Gericht soll ab, die geistlichen Gerichte auf das Geistliche beschränkt werden; 3. alle Zinsen, die so lange genossen sind, dass sie dem Kapital gleich kommen, sollen ab sein und die Zins- und Schuldbriefe vernichtet werden; 4. bei Zinsen, da ein Gulden Geld unter zwanzig Gulden Kapital stehe, solle so gehandelt werden, wie das göttliche Recht anzeige und unterweise; 5. Fisch- und Vogelfang, Holz, Wald und Weide sollen frei, Armen und Reichen gemein sein; 6. der Geistliche solle auf eine Pfründe beschränkt sein; 7. Klöster und Stifter sollen an Zahl beschränkt, ihre überflüssigen Güter zu Händen genommen und daraus eine Kriegskasse des Bundes gebildet werden; 8. alle unbilligen Zölle und Steuern sollen ab sein; 9. in der ganzen Christenheit solle ein beständiger Friede gemacht, wer sich dawider setze totgestochen, wer aber durchaus Kriegen wolle, mit Handgeld wider die Türken und Ungläubigen geschickt werden; 10. wer dem Bunde anhänge, solle seines Leibes und Güter gesichert sein; wer sich dawider setze, gestraft werden; 11. solle eine gute Stadt oder Veste zu Händen des Bundes genommen werden, um als Mittelpunkt und Halt des Unternehmens zu dienen; 12. solle jedes Bundesglied das Seinige zu den Mitteln der Ausführung beisteuern; 13. sobald die Haufen sich vereinigt haben, solle kaiserlicher Majestät das Vornehmen geschrieben, und 14. wenn des Kaisers Majestät sich ihrer nicht annehme, die Eidgenossenschaft um Bündnis und Beistand angerufen werden.“

Man sieht, die Bauern wussten was sie wollten, nur in ihren Hoffnungen auf die Eidgenossenschaft, deren wahren Charakter sie nicht richtig schätzten, täuschten sie sich, wie sich später zeigen wird.

Einen Bundesgenossen ganz eigener Art warb der Bund in den professionellen Bettlern und Landstreichern, die zu jener Zeit in großer Zahl über ganz Deutschland verbreitet, wie andere Gewerbe zunftmäßig organisiert waren, and an ihrer Spitze gewählte Häupter, die Bettlerkönige genannt, hatten. Joss Fritz bediente sich dieser Bettlerverbindungen zu Boten- und Spionendiensten. Aber er hatte noch einen anderen Plan mit ihnen, wenn es zum Losschlagen käme.

Sie sollten am Tage des Jahrmarkts von Elsass-Zabern in der Nähe von Rosen 2000 Mann stark sich versammeln und die Stadt einnehmen. Gleichzeitig sollten sie in der Markgrafschaft Baden, im Breisgau und im Elsass Feuer anlegen, die daraus entstehende allgemeine Verwirrung wollten die Verschworenen benutzen. Für 2000 Gulden erklärten sich die Bettlerhäuptlinge bereit, ihre Leute zu stellen und die gewünschten Dienste verrichten zu lassen. In Elsass-Zabern wurden ihnen verschiedene Verschworene, sowohl in der inneren wie in der äußeren Stadt bezeichnet, unter deren Befehl sie an dem festgesetzten Tage sich stellen sollten.

Die Elsässer Bundesglieder hatten die Weisung, sobald im Breisgau der Aufstand losbreche, bei Burkheim über den Rhein zu gehen, an dessen Ufern die Bundesfahne wehen sollte. Die zu Lehen sollten sich in der Stadt Freiburg unter den Zünften Anhang verschaffen, um auch diese Stadt in die Hände zu bekommen. Für den Fall, dass das Unternehmen vereitelt werde, sollte die Bundesfahne – die für etwas Heiliges galt – bis auf günstigere Zeiten hinter dem Altvögtlein zu Lehen niedergelegt werden, damit sie dort Jeder zur gegebenen Stunde wieder zu finden wisse.

Nachdem Alles aufs Sorgsamste vorbereitet worden, machte sich Joss Fritz auf die Reise, um die Bundesfahne malen zu lassen. Ein gefährliches Unternehmen, zu dem sich kein Maler verstehen wollte, und wobei ihm mehrere Male die Gefahr der Entdeckung drohte. In Heilbronn am Neckar gelang es ihm endlich, einen Maler zu überlisten. Aber während er sich auf der Heimreise befand, war durch ungeschickte Werbung, und gleichzeitig durch zwei Verräter im Bunde, das beabsichtigte Unternehmen dem Markgrafen von Baden verraten worden. Dieser setzte eiligst den Rat von Freiburg davon in Kenntnis, Boten ritten schleunigst nach allen Seiten, um Warnungen und Weisungen den Städten und Herren zu überbringen. Die Verschworenen hatten mittlerweile von der ihnen drohenden Gefahr Wind bekommen. In der Nacht nach dem Verrat hielt Kilian Mayer, einer der Häupter des Bundes, auf der Hartmatte bei Lehen eine geheime Zusammenkunft der Verschworenen ab, wo er sie von dem Verrat unterrichtete. Man kam überein, alles ruhen und liegen zu lassen und die Vorbereitungen zu unterdrücken. Es war die höchste Zeit, dass sie auseinander gingen. Noch in derselben Nacht fielen 200 bewaffnete Freiburger Bürger in Lehen ein, nahmen den Altvogt Hans Enderlin, seinen Sohn und die Ehefrau des Joss Fritz gefangen und schleppten sie nach Freiburg. Kilian Mayer und mehrere andere der Hauptverschworenen wurden auf der Flucht gefangen. Joss Fritz, der rechtzeitig Kunde erhielt, rettete sich, und Viele mit ihm, in die Schweiz. Die Gefangenen wurden auf die Folter gespannt, um ihnen Geständnisse zu erpressen, aber sie waren mannhaft genug, entweder zu schweigen oder nur das auszusagen, was ihre Genossen nicht kompromittieren konnte. So kam es, dass nur verhältnismäßig Wenige zu schaden kamen, aber diese mussten schwer büßen. Hans Enderlin der Altvogt, sein Sohn und noch Einige wurden gevierteilt, Andere, darunter Kilian Mayer, enthauptet, den minder Gravierten wurden die Schwurfinger abgehauen. Joss‘ Ehefrau, die sich sehr mutvoll benahm und jedes Mitwissen leugnete, wurde nach kurzer Zeit, nachdem sie Urfehde geschworen***) und Kostenersatz geleistet, wieder ihrer Haft entlassen.

Im Elsass hingegen, wo die österreichische Regierung zu Ensisheim die Namen einer größeren Zahl Bundschuher erfahren, ging es viel blutiger zu. Dort wurde gerädert und geköpft, dass das Blut in Strömen floss; minder Schuldige wurden gefoltert, verstümmelt und gefangen gesetzt, oder des Landes verwiesen, oder mit hohen Geldbußen belegt.

Die benachbarten Schweizer Herren, die bisher die Flüchtlinge stets unbehelligt hatten Zuflucht suchen lassen, gingen diesmal mit äußerster Strenge gegen sie vor. Bereitwillig leisteten sie den kaiserlichen und Freiburger Gesandten Schergendienste und fahndeten auf diejenigen Flüchtlinge, deren Namen und Signalement man zu Händen hatte. Mehrere wurden gefänglich eingezogen und gefoltert, aber Joss Fritz, dessen Anwesenheit halb und halb verraten war, entging der Gefangenschaft auch hier wieder. Noch nach Jahren zeigte sich öfter seine Spur im Schwarzwald, aber wenn die Verfolger nahten, verschwand er eben so urplötzlich wie er aufgetaucht war.

Die eifrige Verfolgung, welche die Schweizer Stadtherren den Bundschuhern zuteil werden ließen, hatte ihren guten Grund. Wir haben schon früher hervorgehoben, dass in der Schweiz, mit Ausnahme der drei Urkantone, die eine demokratische Regierung besaßen, überall sonst in den Kantonen die Geschlechter der Städte das Regiment in Händen hatten und das Landvolk, wie den gemeinen Bürger, drückten und beherrschten. Allerlei Willkür, Druck und Untreue hatte den Zorn der armen Leute wider die Stadtherren erregt und die Gärung war endlich im Sommer 1513, also zu derselben Zeit wo der Bundschuh in ganz Oberdeutschland seine Vorbereitungen zum Losschlagen getroffen hatte, zum Ausbruch gekommen. Zunächst in Luzern, dann Solothurn und schließlich Bern. Die Berner Bauern benutzten die Gelegenheit, während die Stadtherren auf der Kümitzer Kirchweih sich belustigten, in Haufen in die Stadt zu dringen, die Häuser der vornehmsten und verhasstesten ihrer Feinde zu stürmen, das Hausgerät, Keller und Fass zu plündern und Alles zu verwüsten. Die Berner Herren suchten durch einen Kriegszug nach Außen den Sturm auf ihre Häuser abzulenken, aber die erzürnten Bauern ließen sich nicht betören. Die Herren sahen sich genötigt nachzugeben; ein Teil von ihnen wurde in öffentlicher Versammlung seiner Ämter und Ehren entsetzt und peinlicher Untersuchung überwiesen und zuverlässige Männer, die das allgemeine Vertrauen besaßen, wurden an ihre Stellen gesetzt.

Zwei der Ratsherren wurden enthauptet, Andere wurden gefoltert und an Ehren und Geld gestraft. Die Bauern erlangten neue Rechte und Freiheiten.

Im Luzerner Land brach der Aufstand im Amte Willisau aus. Als die Herren mit Gewalt gegen die Bauern auftreten wollten, riefen diese alle Landgemeinden auf, und schlossen zu Ruswil einen Bund. Aus den Kantonen Bern und Solothurn eilte eine Menge Bauern ihren Nachbarn zu Hilfe. 6000 Mann stark rückten sie am St. Ulrichstag vor Luzern. Sie verlangten, dass man die neuen Auflagen beseitige, die Bündnisse mit fremden Mächten – die, wie schon erwähnt, auf die Lieferung von Kanonenfutter gegen gute Bezahlung sich bezogen durch welche sie ihre Söhne und Brüder verlören und so viele Witwen und Waisen bekämen, aufhebe und das von den fremden Mächten gezahlte Geld, das sie verdient, mit ihnen teile. Endlich, dass diejenigen die sich Willkür und Betrug am Gemeingut hatten zuschulden kommen lassen, namentlich der Schultheiß und sein Sohn, ihnen ausgeliefert würden.

Die Luzerner Herren machten anfangs Miene sich zu verteidigen, sie fanden es aber schließlich doch für klüger die Vermittlung der Nachbarkantone anzurufen. Diese brachten einen Vergleich zustande, den die Bauern, wenn auch widerwillig, annahmen. Ihre Forderungen wurden in der Hauptsache bewilligt, eine Anzahl Ratsherren abgesetzt und in Untersuchung gezogen, und der Vogt zu Ruswil hingerichtet.

Kaum aber waren die Bauern von Luzern abgezogen, so ließen die Herren Alles beim Alten. Sofort griffen die Bauern wieder zu den Waffen und gaben nun nicht eher nach, bis sie ausreichende Sicherheiten für ihre Forderungen erlangten.

Im Kanton Solothurn setzten die 4000 Mann stark versammelten Bauern ebenfalls nach kurzer Zeit und ohne große Mühe die Beseitigung ihrer Beschwerden durch.

* * *

Der 1503 im Bruchrain aufgetretene Bundschuh hatte sich unter anderem auch bis tief ins Württembergische erstreckt; und wenn irgendwo, so hatten hier Landvolk wie Bürger alle Ursache sich zusammenzutun, um eines Regimentes los und ledig zu werden, das ihnen das Mark aus den Knochen sog und mit einer Willkür verfuhr, die selbst in jener Zeit alles Dagewesene überbot.

In Württemberg regierte damals und zwar seit dem Jahre 1503, Herzog Ulrich, der als Knabe von 16 Jahren zur Herrschaft gelangt war, der despotischste, liederlichste und verschwenderischste Fürst, welchen zu jener Zeit der deutsche Boden trug, was viel sagen will.

Das Regiment Ulrichs, das mit einiger Abschwächung in den meisten deutschen Landen sich wiederholte, verdient, dass es ausführlicher geschildert wird.

In der Veranstaltung von Turnieren, Fastnachtsspielen und Mummereien, Bärenjagden und Kriegszügen, den glänzendsten Reisen, verbunden mit Belustigungen aller Art, bestand die ganze Beschäftigung Ulrichs. Sängerinnen und Tänzerinnen wurden aus ganz Europa verschrieben. Jäger und Falkner, der Marstall und die Hunde, galten, jedes in seiner Art, für das ausgezeichnetste. Der Glanz und die Pracht an seinem Hofe war so groß, dass weit mächtigere Fürsten sie nicht nachzuahmen wagten. Bei seiner Verheiratung, 1511, mit der Tochter des Bayernherzogs waren über 7000 vornehme Hochzeitsgäste zugegen, welche vierzehn Tage lang bei den glänzendsten Festlichkeiten, die mit ungeheuren Kosten hergestellt worden waren, sich ergötzten. Wer an seinem Hofe die kostspieligsten Vergnügungen anzugeben wusste, erhielt die besten Stellen; Pfaffen, die am besten musizierten, bekamen die fettesten Pfründen. Der ganze Hofdienertross lebte aufs Verschwenderischste auf des armen Volkes Kosten. Fremde und einheimische Adelige erlaubten sich jede Gewalttat gegen das Volk; ungestraft töteten oder verwundeten sie Bürger und Bauern, trieben Straßenraub und Notzucht nach Vergnügen. Wurde solch ein adeliger Herr einmal ausnahmsweise bestraft, sofort erteilte ihm der Herzog Amnestie.

Die Beamten betrachteten ihre Ämter nur als Mittel zu Diebstahl und Erpressungen; dabei waren sie unwissend, roh und im höchsten Grade herrisch und willkürlich. Viele trieben neben ihrem Amte Wein- und Fruchthandel, oder ein anderes einträgliches Gewerbe. Eine Rechnungsablage existierte nicht. Im Widerspruch mit dem Gesetz waren sie von allen Steuern und Abgaben befreit. Der Hof und der Adel verwüsteten nach Gefallen die Äcker und die Weinberge von Bürgern und Bauern, die schon durch die Unmasse des Wildes, namentlich durch die Wildschweine, unsäglich litten. Suchte der Eigentümer seine Weinberge im Herbst vor den Vögeln, die Saaten und Ernten seiner Äcker vor dem Wilde durch Wegschießen zu schützen, so wurde er aufs Grausamste bestraft.

Die Stiftungen für die Dürftigen zogen die Beamten für sich ein. Das Sammeln des dürren Holzes, das von jeher den Armen gestattet war, wurde verboten, das Holz versteigerten die Forstaufseher und steckten den Erlös in ihre Tasche. Die Gemeindeämter, welche durch freie Wahl zu besetzen die Gemeinden das Recht hatten, wurden durch Kreaturen der höheren Beamten und der Hofleute besetzt, welche die Gemeindeeinkünfte zu ihrem Nutzen verwendeten und das Gemeindeeigentum sich anmaßten.

Zu allen diesen Übeln kam die Einführung des römischen Rechts, welches das Rechtsuchen so verteuerte, dass eine Sache, die früher mit 10 Pfennigen gerichtet ward, jetzt über 10 Gulden kostete. Auf Fleisch, Mehl und Wein wurde ein Umgeld gelegt, von jedem Zentner Fleisch sollten drei Schillinge, von jedem Imi Wein die sechste Maß, vom Mehl ebenfalls ein bestimmter Teil an die herzogliche Kasse abgeführt werden. Außerdem sollte auf zwölf Jahre von jedem Gulden jährlich ein Pfennig Steuer+) gezahlt werden. Maß und Gewicht wurden verringert, die Münze verschlechtert.

Das Register der Bedrückungen und Ausbeutungen könnte man noch weiter führen, doch das Angeführte genügt, um die Regierungsweise Herzog Ulrichs kennen zu lernen. Und alle die so erzielten Einnahmen reichten nicht hin, die Ausgaben des Hofs zu bestreiten, Ulrich hatte noch nebenbei eine Million Gulden schulden gemacht.

Es fehlte also dem armen Manne in Württemberg wahrlich nicht an Ursachen, des Joches überdrüssig zu sein. Dass er den Versuch machte, es abzuschütteln, war natürlich, man müsste sich wundern wenn es anders gewesen wäre.

Seit dem Jahre 1503 hatte sich im Remstal am Fuße des Hohenstaufen ein Zweig des Bundschuhs im Bruchrain gebildet, der sich der„arme Konrad“ oder der „arme Konz“ nannte. Die Bezeichnung rührte von einem lustigen Gesellen des Bundes her, dessen Name Konrad ihn zu dem Witz veranlasst, er wisse sich „keinen Rat“, oder wie es in der Mundart des Landes hieß „Koan-Rot“. Der Geheimbund nannte sich nach ihm „der arme Konrad“. Unter Possen und Schwänken wussten die Geheimbündler den ernsten Zweck der Verbindung geschickt zu verstecken.“

In den ersten Jahren der Verbrüderung wurden nur Habenichtse, arme Teufel, die sich das Leben mussten sauer werden lassen, aufgenommen; Wohlhabende, wie Bettler und Landstreicher waren ausgeschlossen. Durch einen Handschlag nahm der Hauptmann die Neugeworbenen auf und verteilte in humoristischer Weise unter sie die Äcker und Weinberge, welche die Gesellschaft im „Mond“, in der „Feldhalde“ auf dem „Hungerberg“, am „Bettelrain“, zu „Nirgendheim“ und anderen unmöglichen Orten besaß. Das Fähnlein des Bundes enthielt auf blauem Grunde ein Kruzifix, vor dem ein Bauer auf den Knien lag, mit der Umschrift: „Der arme Konrad“.

Der Hauptsitz des Bundes war Beutelsbach, wo auch der Hauptmann Peter Geiß, gewöhnlich der Geißpeter genannt, wohnte. Die einflussreichsten Eingeweihten wohnten zu Schorndorf. Hier gehörten viele, selbst angesehene Bürger zu ihnen; ihre Versammlungen hielten sie im Prezigerschen Hause ab. Dort befand sich auch „des armen Konrad Kanzlei“, deren Sekretär der Anwalt Ulrich Enkenmaier war.

Der Bund hatte in wenigen Jahren großen Anhang gewonnen. Als 1514 die neue Pfennigsteuer ausgeschrieben wurde, gab ihm die dadurch gesteigerte Aufregung und Unzufriedenheit die Gelegenheit, öffentlich hervorzutreten. In einer großen Versammlung im freien Felde nahm der Hauptmann des „armen Konrad“, angetan mit einem weißleinenen Bauernkittel und einem Filzhut auf dem Kopfe, eine Schaufel, beschrieb damit einen großen Ring und rief, indem er sich Mitten hinein stellte: „Der arme Konrad heiß ich, bin ich, bleib ich,

Wer nicht geben will den bösen Pfennig,

Der trete mit mir in diesen Ring“.

Sofort leisteten 2000 Bauern und Bürger der Aufforderung Folge; der Aufstand war proklamiert Kurz darauf sollte ein neues Gewicht eingeführt werden. Der Geißpeter schlug vor, mit dem verringerten Gewicht die Wasserprobe zu machen: schwimme es oben, so solle der Herzog Recht haben; sinke es unter, so haben sie Recht.“ Der originelle Vorschlag wurde mit Jubel aufgenommen. Den 15. April, den Sonnabend vor Ostern, als am Einführungstage des neuen Gewichts, sollte die lustige Probe vorgenommen werden. Mit Trommeln und Pfeifen zog der Haufe, der Hauptmann voran, hinaus nach der Rems. Dort nahm der Geißpeter die Gewichte und warf sie ins Wasser, indem er rief: „Haben die Bauern Recht, so fall‘ zu Boden, hat der Herzog Recht, so schwimme.“ Natürlich sanken die Gewichte, das Volk aber jubelte: „Wir haben gewonnen.“

Von Beutelsbach zog der Haufe hinüber nach Heppach und tat dort dasselbe, überall schlossen sich nun die Massen auf dem Marsche das Tal hinab an. Gleichzeitig marschierte der Schlechtlin-Klaus, ebenfalls einer der Eingeweihten des Bundes, mit einem anderen Haufen das Remstal herauf und vollzog gleichfalls die Wasserprobe.

Desselben Tages Abends rückten die Bauern, über 3000 Mann stark, mit Wehr und Waffen vor Schorndorf. Die Stadt wurde zum Anschluss aufgefordert. In dieser saßen ein herzoglicher Statthalter und der Vogt, die beide bei dem Landvolk beliebt waren; diese gingen hinaus, beruhigten die Menge, gaben reichlich zu Essen und zu Trinken und darauf ließ sie sich bewegen, auseinander zu gehen.

Herzog Ulrich, der während des Vorfalls von Stuttgart abwesend war, wurde von den bestürzten Räten eiligst herbeigerufen. Er eilte den 2. Mai selbst ins Remstal, aber Alles war still. In Schorndorf angekommen, hielt er doch für nötig, an die Ämter zu schreiben und zu versprechen, die neue Schatzung aufzuheben und die Beschwerden durch den Landtag untersuchen zu lassen. Dann lud er sämtliche Amtsangehörige vor sich. Diese erschienen auch zum Teil und baten ihn um Verzeihung, da sie nicht wüssten wie und von wem sie in die Bewegung gezogen worden seien. Ulrich sagte Verzeihung zu.

Die Verschworenen waren in der Stille unausgesetzt rührig und tätig und schürten eifrig das Misstrauen gegen den Herzog und seine Räte, welche die Bauern zu betrügen dachten. In alle Gaue des Landes wurden Boten gesandt und alle Gleichgesinnten in Städten und Dörfern zu einer allgemeinen Versammlung auf den 28. Mai auf die Kirchweih zu Untertürkheim zusammenberufen. Aus den Ämtern Böblingen, Leonberg, Backnang, Winnenden, Morbach, Markgröningen, Urach und selbst von der rauen Alb waren Vertreter erschienen und sagten Namens ihrer Bauernschaften zu, sich bewaffnet bereit zu halten. Konrad Griesinger und der Singerhans verpflichteten sich, die Bauern diesseits der Alb in Gächingen zu versammeln und sich der Städte Urach und Münsingen zu bemächtigen. Bantelhans von Dettingen versprach die Hilfe des Erms- und Ezachtales.

Binnen acht Tagen nach der Türkheimer Kirchweih hatte Bantelhans, der längere Zeit in Kriegsdiensten gestanden und ein wohlhabender Mann war, ganz Dettingen für sich, das ihn zum Schultheiß wählte. Er beritt Tag und Nacht die Alb und ihre Täler, um seine Werbung ins Werk zu sehen. Gleich ihm wirkte Singerhans auf der Münsinger Alb und gewann Freunde in den Städten Urach und Münsingen. Aber auf der Rückkehr von Metzingen wurde er nebst Konrad Griesinger vom Vogt Stephan Weiler und dessen Reisigen überfallen. Griesinger entrann, Singerhans aber wurde gefangen ins Gefängnis nach Urach geschleppt und peinlich befragt, ohne etwas zu bekennen. Der Vogt behielt ihn gefangen. Die Bauern, die bei der Kunde seiner Gefangennahme sich erhoben, konnten gegen die wohlverwahrte Stadt nichts ausrichten.

Unterdes war in den Ämtern Backnang, Markgröningen, Waiblingen, Brackenheim, Marbach, Weinsberg, Leonberg und Blaubeuren, im oberen Teil des Zabergaus, auf den Höhen des Schwarzwaldes bis vor die Tore von Stuttgart, das Volk in Bewegung gekommen. Überall waren Eingeweihte tätig, die es zu organisieren und zu gemeinsamem Handeln zu bestimmen suchten.

Im Leonberger Amt war die Bewegung besonders lebhaft. Die Aufständischen hatten ihr Hauptquartier auf dem Leonberg aufgeschlagen, wo sich auch die Abgeordneten des Remstals einstellten, um die Antwort auf die mittlerweile an den Herzog und den Landtag geschickten Beschwerden abzuwarten.

Ulrich hatte sich nämlich endlich genötigt gesehen, einen Landtag auf den 25. Juni auszuschreiben, obgleich ihm übel zu Mute war. Er merkte, dass die Bewegung kein Spaß mehr war und auch nicht, wie er geglaubt, nur von einzelnen Unzufriedenen ausging; er sah, dass Alles „ein seltsam Bundschuhlich Ansehen habe.“ Das hatten auch schon Andere gerochen; so der Landvogt von Hochberg, der bereits am 14. Februar an den Rat zu Freiburg in Br. geschrieben: „er sei mit guter Wahrheit berichtet, dass eine neue Übung oder Praktik vorhanden, den Bundschuh wieder anzufahen, und es seien die, so es Handeln, zu Ross und zu Fuß auf dem Umzug; bald zeigten sie sich als Priester, Stationierer und Heiligtumführer, bald erschienen sie, das Antlitz mit Larven gemalt, mit Mummerei verdeckt, in viel seltsamer Gestalt des Bettelordens. Die Stadt möge ein treu Aufsehen auf solchen bösen Handel haben; damit Weiterem vorgekommen werde.“

Ehe noch der Landtag zusammentrat, gaben sich die Abgeordneten der Städte Stuttgart und Tübingen große Mühe, das Landvolk zu beruhigen und auf die Erfolge des Landtags zu vertrösten, bekanntlich ein Mittel, womit man auch noch heute recht hübsche Erfolge zu erzielen weiß. Ein Teil der Bauern ließ sich auch beruhigen, obgleich eigentliches Vertrauen zum Herzog wie zum Landtag Niemand besaß; sie verlangten, dass auch Vertreter aus ihrer Mitte zugelassen würden; „denn“, sagten sie sehr richtig, „soll der Landtag etwas helfen, so müssen auch Bauern dabei sein; die Pfaffen, die Edeln und die Herren der Städte würden sonst nur für sich sorgen.“ Gewiss eine zutreffende Ansicht, von der nur zu wünschen wäre, dass auch ihre Nachkommen heute sie begriffen.

Dem offen ausgesprochenen Misstrauen auf den Landtag vermochten die Stuttgarter und Tübinger Herren nicht gründlich zu begegnen; sie forderten also die Bauern auf, ihre Beschwerden durch die Städte zu überreichen, und wenn solche gegen diese gerichtet wären, sie durch eigene Boten schriftlich an den Landtag gelangen zu lassen. Die Bauern waren aber von ihrem gegen die Stadtherren gefassten Misstrauen nicht abzubringen. Das Leonberger Amt wies jede Vermittlung der Stadtherren zurück; Böblingen und Sindelfingen erklärten zwar, das Ergebnis des Landtags abwarten zu wollen, aber die Landgemeinden waren nicht dieser Meinung und machten ihnen heftige Vorwürfe. Es zeigte sich hier der Unterschied der Interessen von Stadt und Land. In den kleinen Städten, wo die Bürgerschaft zwar auch hart gedrückt war, aber doch immer noch im Vergleich zur Landbevölkerung sich in leidlicher Lage befand, war man stets zum Nachgeben und Vermitteln bereit. Einmal war in den Städten der Einfluss der Ehrbarkeit – mit welchem Titel man die ratsfähigen und wohlhabenden Bürger bezeichnete – ein großer, und dann konnten die Städte sich mit Konzessionen zufrieden geben, welche, wenn sie dem Landvolk bewilligt wurden, ihm wenig oder nichts nützten. Das Landvolk befand sich in einer Abhängigkeit und Unfreiheit, die man in den Städten nicht kannte. Endlich war es Plan bei den Gegnern, durch Versprechungen und Konzessionen Landvolk und Kleinbürgertum zu spalten. Das „Teile und Herrsche“ haben die Volksgegner zu allen Zeiten meisterlich zu handhaben verstanden.

In Schorndorf war es Anfangs Juni zum zweiten Male zu Unruhen gekommen, welche die Bauern aus dem nahen Remstal veranlasst hatten. Doch war der Aufruhr bald wieder gestillt worden. Auch in Tübingen, der loyalsten Stadt des Landes, hatte ein Auflauf stattgefunden, ohne dass der Rat der Stadt einzuschreiten vermochte; der Ausschuss der Vierundzwanziger, den die Gemeinde gewählt, verhinderte ihn daran.

In Stuttgart waren, da der Landtag endlich beginnen sollte, am 21. Juni zunächst 24 Vertreter der Städte zusammengetreten.

Gerüchte von einem Zusammenzug von Kriegsvolk, das der Herzog durch benachbarte Herren zum Einfall in sein eigenes Land an den Grenzen sammeln lasse, beunruhigte die Landtagsabgeordneten. Sie schrieben an die Grenzorte, scharf auf der Wacht zu sein und ihnen eiligst Anzeige zu machen, wenn fremde Waffen sich zeigten. Mit den Städtevertretern waren auch viele Abgeordnete der Bauern eingetroffen, um die Beschwerden ihres Standes vorzubringen. Die Prälaten waren noch nicht erschienen, die Ritterschaft war gar nicht eingeladen; das bewies, dass der ganze Landtag Schwindel war.

Der Herzog verlangte Geld vom Landtag zur Deckung seiner Schulden, und Unterstützung wider die Bauern. Dagegen wehrte sich der Landtag und antwortete: erst müsse des Herzogs unnützer Lebenswandel und die böse Wirtschaft seiner Räte ins Reine kommen. Der Landtag beschloss, den Räten des Herzogs, Lamparter, Thumb und Lorchner, „die bisher gar elend regiert hätten“, 12 Mitglieder der Landschaft, und zwar vier vom Adel, vier von den Städten und vier von den Dörfern, an die Seite zu sehen; im Übrigen sollten die Ausgaben des Herzogs in bestimmte Grenzen gewiesen werden.

Dieser Gang der Dinge missfiel dem Herzog sehr. In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni brach er plötzlich heimlich nach Tübingen auf und befahl dem Landtag, ihm dorthin zu folgen.

Was geschah, war vorauszusehen. Die Stadtherren verließen die Sache der Bauern und folgten dem Herzog nach Tübingen. Der Landtag übernahm die Schulden des Herzogs im Betrag von 910.000 Gulden auf das Land, die Bauern suchte man mit ein paar kümmerlichen Gnadenbrocken abzuspeisen. Von Recht und Gerechtigkeit, von einer Teilnahme am Staatsregiment war keine Rede mehr.

So geringfügig die Konzessionen waren, welche man den Bauern gemacht hatte, der Geist des Gehorsams und der Untertänigkeit steckte zu tief in ihnen, als dass die Mehrzahl der Ämter sich nicht hätte unterwerfen sollen. Selbst die Leonberger, die bisher mit am hartnäckigsten sich gezeigt, gaben schließlich nach; ihrem Beispiel folgten andere Bauernschaften. Allerdings hatte das Nachgeben der Leonberger einen anderen Grund als Neigung zur Unterwürfigkeit; sie hatten vernommen, dass die auswärtigen Hilfstruppen des Herzogs, von denen ein Teil am 26. Juli bereits Heilbronn erreicht hatte, im Anzuge seien.

Anders standen die Dinge im Remstal und im Schorndorfer Amt, von wo der „arme Konrad“ ausgegangen war und wo er seine zahlreichsten und festesten Anhänger hatte. Während der Bund anderswo nur so zu sagen die Kader, die Stammtruppen, zu der Bewegung stellte und daher in der Minorität war, verfügte er im Remstal und Schorndorfer Amt über die Massen. Die Remstaler und Schorndorfer fügten sich also nicht, da aber ihre Landschaft zu den ältesten Stammlanden des Herzogtums gehörte, hielt es der Herzog für angemessen, persönlich den Versuch zu machen, sie zu beruhigen.

Er beschied also die Bauernschaft der beiden Ämter ohne Wehr und Waffen vor die Stadt Schorndorf und ritt selbst mit zahlreichem Gefolge nach der Stadt. Die Bauern waren an siebentausend Mann stark erschienen, aber sämtlich bewaffnet; sie trauten dem Frieden. nicht. Im Gefolge des Herzogs befanden sich die verhasstesten Beamten des Landes, der Kanzler Lamparter, der Marschall Thumb und der Landschreiber Lorchner, die im Namen des Herzogs vor die Bauern traten. Der verhassteste von den dreien, der Marschall, war ausersehen, den Tübinger Vertrag vorzulesen.

Als dieser eine Weile gelesen, erhob sich ein Gemurmel des Unmuts, das rasch bis zum Sturm sich steigerte. „Verräter und Diebe, die sich vom Gelde des Landes schöne Häuser bauen“ schrien die Bauern den erschreckten Höflingen zu. Auch des Herzogs wurde nicht geschont: Seine Schwelgerei trage die Schuld, dass ihre Weiber und Kinder hungern müssten; die vornehmen Müßiggänger, der Schwarm seiner Sänger und Pfeifer, die Erpressungen und Unterschleife seiner Beamten verursachten ihr Elend.“

Der Herzog, der anfangs in der Stadt geblieben war und jetzt von der Stimmung der Bauern unterrichtet wurde, schwang sich aufs Pferd und jagte, von seinen Rittern gefolgt, zur Stadt hinaus auf die Wiese, wo die Bauern standen. Er bildete sich ein, vor ihm würden sie zittern; er schalt sie und forderte sie auf, nach Hause zu kehren und an ihre Arbeit zu gehen. Der Marschall glaubte jetzt den Augenblick gekommen, die Bauern auf des Herzogs Seite ziehen zu können, er nahm das Wort und rief: wer zum Herzog halte, solle auf seine Seite treten. Da wich der ganze Haufe wie ein Mann unter großem Lärmen und Geschrei zurück, und der Herzog stand bald rot, bald bleich vor Scham und Zorn mit seinem Gefolge allein. Darauf erhoben die Bauern aufs Neue ihre Anschuldigungen gegen ihn und sein Hofgeschmeiß, dass ihm von den Flüchen und Verwünschungen die Ohren sausten. Er fand es für das Beste, Reißaus zu nehmen; einer der Bauern fiel seinem Pferde in die Zügel, ein anderer stach mit dem Spieße nach ihm; aber die Kraft und Schnelligkeit seines Pferdes rettete ihn vor einer schimpflichen Züchtigung, wenn nicht vor Schlimmerem. „Schießt auf den Schelm und lasst ihn nicht entreiten“ schrie Ruprecht von Beutelsbach den Büchsen-Leuten zu. Aber ehe diese zum Schusse fertig wurden, war der Herzog mit seinem Gefolge glücklich entronnen und eilte nach Stuttgart zurück.

Kaum war der Herzog von Schorndorf weg, so brach auch in der Stadt der Aufruhr los. Die eine Partei wollte den Tübinger Vertrag annehmen, sie hatte noch die Majorität auf ihrer Seite, die Minorität, deren Führer die Eingeweihten des „armen Konrad“ waren, hielt zu den Bauern. Die Minorität rief die Bauern zu Hilfe; diese drangen in Haufen in die Stadt, besetzten alle Posten und halfen ihren Freunden Rat und Gericht ihrer Ämter entsetzen. Hierauf ward beschlossen, dass Bauern- und Bürgerschaft aus ihrer Mitte je zwei Hauptleute wählen, und jeder Ort je nach seiner Größe 4-8 Bevollmächtigte nach Schorndorf senden solle. Die Herzoglich Gesinnten fanden für klug, sich den Beschlüssen zu fügen. Die Bauern wählten als Hauptleute Hans Vollmar von Beutelsbach und Volmar Braun von Urbach, die Stadt Heinrich Schertlin und Hans Hirschmann. Die beiden Letzteren waren zweifelhafter Gesinnung, denn sie gehörten zu Denen, die unterhandeln wollten.

Gelegentlich einer Musterung, die vor der Stadt vorgenommen werden sollte, gelang es den Verschworenen, die Versammelten zu bestimmen, mit Wehr und Waffen aufzubrechen und die Gesinnungsgenossen im ganzen Lande zum Anschluss aufzufordern. Die Bürger und Hauptleute machten Einwände; Heinrich Schertlin, den man schon einige Tage zuvor im Streit die Treppe des Rathauses hinabgeworfen, musste sich in eine Kirche flüchten, um sein Leben zu retten; Hans Hirschmann hingegen ward gezwungen mit zu ziehen und das Fähnlein des „armen Konrad“ zu tragen.

Sechshundert Mann stark zogen sie das Remstal hinab nach dem Kapellenberg, im Volksmund der Kapellberg genannt, welcher in der Nähe von Beutelsbach liegt. Dort errichteten sie ihr Lager. Von allen Seiten kam der Zuzug heran, so dass sie in kürzester Zeit 1500 Mann zählten. Und immer zahlreicher kamen die Bauern heran, selbst aus den entferntesten Ämtern des Landes. Die Lebensmittel mussten die reichen Klöster der Gegend liefern, denen man gar übel mitzuspielen anfing.

Die Forderungen des „armen Konrad“, die dort endgültig festgestellt wurden, gingen dahin: Das Herzogtum Württemberg und alle umliegenden Landschaften sollen von dem Joche der Fürsten, Bischöfe, Prälaten, der Burgherren und der Ehrbarkeit befreit werden. Alle Steuern, Auflagen und Fronden sollen abgeschafft sein und ein Jeder fortan frei leben. Sobald der Bund auf wenigstens 20.000 Streiter angewachsen, solle der Kampf gegen weltliche und geistliche Herren eröffnet, die Güter der Klöster und Herren eingezogen und damit die armen Leute aufgebessert werden. Ein besonderer Artikel betraf den Herzog und seine Räte. Hierüber war Streit entstanden. Die Einen, und zwar die Mehrheit, wollte die Gefangennahme, die Minderheit den Tod. Man einigte sich, dass, wenn der Herzog sich ihnen mit Gewalt widersetzte und in ihre Hände falle, er getötet werden solle.

Die Bauern aber machten jetzt einen Fehler, der das schließliche Misslingen des Aufstandes zur notwendigen Folge haben musste. Statt aufzubrechen und weiter zu ziehen, die Stimmung zu benutzen und überall ihre Brüder zum Anschluss mit fortzureißen, was ihnen unzweifelhaft gelungen wäre und in kurzer Zeit die erhoffte Zahl der Streiter verdoppelt und verdreifacht haben würde, begnügten sie sich, auf dem Kapellenberg zu lagern und die Zeit mit Essen, Trinken und Disputieren zu vergeuden. So wurde die kostbarste Zeit vertrödelt. Der Herzog, der ohne Geld und ohne Heer war; befand sich in den größten Nöten und wusste nicht aus noch ein. Zweihundert Mann, die er in Stuttgart mit Mühe aufgeboten, um das Waiblinger Amt zu decken, blieben schon nach einer halben Stunde Marsches in Cannstatt stehen und weigerten sich, ohne Verstärkung weiter zu ziehen. Ein Teil der auf dem Kapellenberge Versammelten war allerdings von der richtigen Einsicht durchdrungen und begriff, dass sie im raschen Laufe vorrücken und angreifen müssten, ehe es Ulrich mit Zuhilfenahme seiner fürstlichen Nachbarn gelänge, die nötigen Streitkräfte aufzutreiben. Das waren die eigentlichen Mitglieder des „armen Konrad“, die wirklich revolutionär Gesinnten, mit ihrem Hauptmann Hans Vollmar. Aber viele der Anderen wurden bedenklich, als es zum entscheidenden Schlage gehen sollte; und der Herzog, welcher durch Kundschafter von der Stimmung der Bauern genau unterrichtet war, sorgte, dass der Zwiespalt bis zum Handgemeinwerden der Parteien geschürt wurde. Abgeordnete der Städte, die stets gegen die Bauern die Perfiden spielten, weil sie im Grunde ihres Herzens die Bauern hassten und selbst über sie mitherrschen wollten, kamen und versprachen: der Stuttgarter Landtag, der eben versammelt war, werde alle ihre Beschwerden erleichtern. Die Anhänger des „armen Konrad“ konnten nicht verhindern, dass die Masse sich für Unterhandeln und Zuwarten erklärte, und mussten schließlich froh sein durchzusehen, dass Alle eidlich versprachen, Einer dem Andern zu helfen, wenn es Not tue.

Den 27. Juli gingen die Hauptleute des Haufens als Abgesandte hinab ins Wirtshaus zu Beutelsbach, wo sie mit Hans von Gaisberg, der den Herzog vertrat, unterhandelten. Es wurde wechselseitig Friede und sicheres Geleit verheißen, bis zum Ausgang des eben zu Stuttgart versammelten Landtags, der die Beschwerden erledigen solle. Die Bauern sollten in Frieden heimziehen und der Herzog versprach, sie nicht zum Tübinger Vertrag zu drängen. Der Landtag solle Alles ordnen.

Die Bauern gingen auseinander, nur die Klügeren sahen sich vor und hielten sich für alle Fälle dicht an den Grenzen des Landes. Ihre Vorsicht war am Platze, denn der Vertrag, zweideutig gestellt, war auf Belügen und Betrug der Bauern berechnet.

Den 27. waren die Bauern auseinander gegangen, am 28. schon lief die Genehmigung des Vertrags durch den Herzog ein, zugleich aber auch eine geheime Instruktion für die Seinigen, wie der Vertrag zu halten sei. Dem Boten des Herzogs auf den Fersen folgten 1800 Reisige. Die auf der Heimkehr begriffenen Waiblinger wurden den 31. Juli Morgens plötzlich überfallen, gefangen genommen, ihr Eigentum geplündert und ihre Häuser verwüstet. Und wie hier ging es anderwärts. Hans Vollmar, der Hauptmann des Bundes, sein Weibel und der Fähnrich wurden dem Vertrag zum Trotz überfallen und in Ketten gefesselt nach Schorndorf geschleppt. Ein Teil der Reisigen des Herzogs war urplötzlich vor Schorndorf erschienen, hatte die Tore besetzt und gefangen genommen, was ihnen in die Hände fiel. Vielen Teilnehmern am Aufstand gelang es, über die Stadtmauern zu entkommen. Sobald der Herzog angekommen war, gab er das Zeichen zur Plünderung; das Hausgerät wurde geplündert und zertrümmert, Männer und Weiber misshandelt, die Häuser der Verschworenen dem Boden gleich gemacht.

Darauf ließ der Herzog den 2. August sämtliche Wehrfähige der Vogtei Schorndorf, des Remstals und der Umgegend abermals auf die Wiese vor der Stadt laden. 3400, meist Unschuldige, erschienen, die Andern waren geflohen. Der Haufe wurde von den Reisigen des Herzogs umstellt und musste die Waffen niederlegen. Alsdann wurde ihnen das Erkenntnis des Landtags vorgelesen, dessen kurzer Sinn dahin ging: sich unweigerlich dem Tübinger Vertrag zu fügen, wer sich Schlimmes wider den Herzog habe zu schulden kommen lassen, den solle er nach eigenem Ermessen strafen.

Auf einen Wink des Herzogs ergriffen die Reisigen 1600 aus dem Haufen, die als verdächtig bezeichnet waren, und koppelten sie wie die Hunde mit Stricken zusammen. Der ganze Haufe wurde dann nach der Stadt in die Gefängnisse geführt, und da diese bei weitem nicht ausreichten, in die öffentlichen Gebäude gesperrt, wo sie zusammengepfercht in der furchtbarsten Hitze, ohne Speise und Trank, bis gegen Mittag des nächsten Tages zubringen mussten. Dann wurden die Tags zuvor nicht Gefesselten vor die Stadt an die Rems geführt. Nach langem Warten in der glühenden Sonne, Angesichts des Wassers fast verschmachtend, erschien endlich der Herzog. Sie mussten sich ihm zu Füßen werfen und um Verzeihung bitten. Nachdem sie eine halbe Stunde lang in dieser demütigen Stellung zugebracht, eröffnete ihnen der Kanzler, dass ihnen aus besonderer Gnade der Herzog das Leben schenke und Verzeihung gewähre, doch müssten sie ihre Wehr und Waffen abliefern und den Tübinger Vertrag beschwören. Nachdem letzteres geschehen, wurden sie entlassen.

Unter den 1600 Gefesselten wurden 46 als Hauptschuldige angeklagt und ihnen der Prozess gemacht. Am 7. August ward der ganze Haufe auf den gewöhnlichen Richtplatz geführt, die schwer Angeklagten in Ketten. Der Haufe fiel dem Herzog zu Füßen und bat um Verzeihung. Diese wurde ihnen mit Ausnahme der 46 zugesagt, wenn sie Unterwerfung und Gehorsam gelobten. Nachdem sie durch einen Schwur sich dazu bereit erklärt, wurden sie hart um Geld gestraft und ebenfalls entlassen.

Von den 46 fielen die Häupter von Hans Vollmar, dem Hauptmann, seinem Weibel und Fähnrich und anderen sieben Angeschuldigten auf dem Block. Andere wurden mit Weib und Kind des Landes verwiesen, wieder Andere an der Stirn gebrandmarkt oder sonst körperlich gestraft und mussten Urfehde schwören. Einige Wenige kamen mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und hohen Geldstrafen davon.

Wie in Schorndorf, so wurde in Stuttgart verfahren. Sieben Gefangene, welche unter der Anklage standen, dass sie die Stadt an die Bauern verraten gewollt, wurden hingerichtet und die Köpfe der beiden Hauptangeklagten, Hans Schmeck von Waldenbuch und Peter Wolf, auf den Tortürmen der Stadt aufgesteckt. Andere Angeklagte traf Gefängnis, Pranger und Rutenstreiche.

Ulrich, dem es sehr um Geld zu tun war, benutzte die Gelegenheit, um seine Kasse zu füllen und ließ Tausende der Beteiligten mit hohen Geldbußen belegen. Die Flüchtigen belegte der Kaiser mit der Acht und Aberacht und forderte alle Regierungen auf, sie aufs Eifrigste zu verfolgen. Durch die reichlich angewandte Folter wurden Viele noch verraten, die sich bereits in Sicherheit wähnten; sie wurden meist mit Geld gestraft.

Auch erging ein strenges Verbot dahin, künftig keine Gemeinde und keine Versammlung mehr zu halten, noch die Sturmglocken zu läuten, auch mussten alle Waffen abgeliefert werden. So hoffte man des Sturmes für immer Herr geworden zu sein.

Der schwäbische Adel aber hielt es dennoch für angemessen, zu Urach zusammen zu kommen und ein Bündnis zu gegenseitiger Hilfe zu schließen, um wider die allenthalben im Reich umgehenden Unruhen und Empörungen des gemeinen Mannes sich sicherer zu stellen.

Gleichzeitig mit dem „armen Konrad“ im Württembergischen hatte sich ein gleichlautender Bund, nur von viel geringerer Bedeutung, zu Bühl in der Ortenau in der Markgrafschaft Baden aufgetan. Ein gewisser Gugel-Bastian war hier das Haupt. Die Beschwerden waren die gewöhnlichen. Veranlasst war der Bund durch die neuen Zölle auf Frucht und Wein, eine neue Erbordnung, wonach die eine Ehehälfte der Leibeigenen die andere nicht beerben sollte, endlich durch übermäßiges Fronden und Hegen des Wildes. Die Mitglieder des Bundes waren einig, nötigenfalls sich ihr Recht mit Gewalt der Waffen zu erkämpfen und schon war eine Versammlung auf einen bestimmten Tag festgesetzt, welche am Wald, bei dem Dorfe Öhnsbach, oberhalb Achern, zusammentreten sollte, als der Markgraf von dem Plane Wind erhielt, unversehens das Bühler Tal mit seinem Soldknechten überzog und einen Teil der Bauern gefangen nahm. Gugel-Bastian, der sich durch die Flucht gerettet, wurde in der Nähe von Freiburg im Breisgau ergriffen und nachdem seine schwangere Frau geboren hatte, enthauptet. Jeder weitere Aufstandsversuch unterblieb.

* * *

Das Jahr 1514 war für die Herren ein sehr unruhiges und gefahrdrohendes. Im Frühjahr jenes Jahres brach auch in Ungarn eine große Bauernrevolution aus. Es war ein Kreuzzug gegen die Türken, die häufig Ungarn schwer bedrohten, und es schon oft plündernd und mordend durchzogen hatten, gepredigt und den Bauern die Freiheit versprochen worden, wenn sie dem Zuge sich anschlössen. Unter der Führung eines kriegskundigen Führers Namens Georg Dosa [György Dózsa], sammelten sich an die 60.000 Mann. Der Adel war mit dieser Entziehung seines lebenden Eigentums durchaus nicht einverstanden und suchte mit Gewalt den Zuzug seiner Bauern zu hindern.

Das wurde die Veranlassung, dass der unterdrückte Grimm gegen die adeligen Herren losbrach. Geistliche stachelten zum Hass gegen den Adel noch mehr an; statt des Kreuzzugs gab es eine regelrechte Revolution. Das Bauernheer lagerte auf dem Rakosfelde bei Pest, von wo aus es Streifzüge in die Umgegend machte, alle ihm in die Hände fallenden Adeligen niederhieb, ihre Burgen und Schlösser plünderte und niederbrannte.

Um seinen Plan, ganz Ungarn in Bewegung zu bringen, vollziehen zu können, teilte Dosa das Heer in drei Haufen. Der eine, unter dem Kommando eines Pester Bürgers, Ambros Szaleves, blieb auf dem Rakosfelde, um Pest zu beobachten; der zweite wurde nach den Karpaten beordert, um das Gebirge für sich zu gewinnen und den Adel der Gegend zu vernichten; der dritte unter Dosas eigenem Befehl, rückte vor Szegedin.

Der Adel hatte sich unterdes in Pest versammelt und rückte mit der Bürgerschaft der beiden Städte Ofen und Pest, dem auf dem Rakosfelde lagernden Bauernheer entgegen. Es kam zu einer blutigen Schlacht, in welcher die Bauern in Folge von Verrat fast gänzlich aufgerieben wurden. Der Heerführer, Ambros Szaleves selbst war der Verräter, er ging mit den bürgerlichen Elementen seines Haufens zu dem Adel über. Eine große Menge Gefangener wurde auf barbarische Weise hingerichtet, die anderen wurden grausam verstümmelt weggeschickt.

Der zweite nach den Karpaten gesandte Haufe hatte kein günstigeres Schicksal, nach mehreren heftigen Kämpfen wurde er aufgerieben oder zersprengt. Das Hauptheer unter Dosa hatte das feste Szegedin nicht, wie er erwartet, zu erobern vermocht, dagegen hatte es ein zum Entsatz heranziehendes Adelsheer geschlagen. Die Gefangenen, worunter ein Bischof und der Schatzmeister, wurden zur Vergeltung für die auf dem Rakosfelde begangenen Gräuel in gleich grausamer Weise hingerichtet.

Dann zog Dosa auf Csanád, das er eroberte und die Republik ausrief. Von dort marschierte er auf Temesvar, welches das geschlagene Adelsheer besetzt hatte, um es zu belagern. Während der Belagerung rückte der Woiwode von Siebenbürgen mit großer Macht dem Adel zu Hilfe, überfiel das Bauernheer vor Temesvar, schlug und zersprengte es. Georg Dosa selbst geriet in Gefangenschaft und wurde von dem erbitterten Adel auf einem glühenden eisernen Thron mit einer glühenden Krone auf dem Haupt lebendig geröstet. Eine Anzahl gefangener Kuruzzenführer, mussten von seinem Fleische bei lebendigem Leibe essen, wofür sie das Leben geschenkt erhielten. Grausam wie gegen die Führer, wütete der Adel auch wider ihre geschlagenen Anhänger. Die Dörfer wurden geplündert und niedergebrannt, selbst an Frauen und Kindern schwere Rache genommen, viele Tausende von Bauern wurden gehängt und geköpft, zu Tode gemartert oder verstümmelt. Die Zahl der in den Schlachten und durch Racheakte umgekommenen Bauern wird auf 60.000 geschätzt, die Überlebenden wurden härter bedrückt als zuvor. Gleich nach niedergeschlagenem Aufstande beschloss der Adel auf dem Reichstage zu Ofen am 14. Oktober 1514: Diejenigen Bauern, die bisher frei gewesen, sollten leibeigen sein und alle Freizügigkeit verlieren, außer den seitherigen Auflagen neue entrichten; außerdem solle kein Bauer, bei Verlust der rechten Hand, eine Waffe führen dürfen und Keiner aus dem Bauernstande zu höheren geistlichen Würden gelangen können.

* * *

In demselben Jahre, wo im Bruchrain der Bundschuh sich bildete und im schwäbischen Remstal die ersten Anzeichen des armen Konrad“ auftauchten, im Jahre 1503, hatten auch in den österreichischen Alpenländern, in Steiermark, Kärnten und Krain, der sogenannten „Windischen Mark“, Bauernunruhen begonnen. Die Ursachen waren hier wie anderwärts, steigender Druck der Herren und große Teuerung. Ursachen, die ungeachtet der reichen und fruchtbaren Sande, namentlich in Krain, um so fühlbarer waren, als häufige Türkenkriege und Einfälle das Land verwüsteten und die Bewohner zwangen, immer wieder von vorne anzufangen.

1503 hatten sich die Bauern wider ihre geistlichen und weltlichen Herren erhoben, waren aber nach kurzem Widerstande niedergeworfen worden. Dieser missglückte Aufstand hatte die Folge, dass die Herren noch übermütiger wurden und mit täglicher Schatzung und Schinderei“ die Bauern fast zur Verzweiflung trieben. Sie standen 1513 zum zweiten Male auf, aber auch diese Erhebung, schlecht vorbereitet wie die erste, blieb ein erfolgloser Versuch.

Durch ihre bisherigen Misserfolge nicht eingeschüchtert, und angestachelt durch neue und schwere Auflagen, mit denen Adel und kaiserliche Amtleute sie beschwert, traten 1514 zuerst die Deutschen in Mittelkrain, die sogenannten Gottscheer zusammen und forderten das übrige Land auf, ihnen zu folgen. In Rain, einem Städtchen hart an der Grenze von Kroatien, versammelten sie sich und pflanzten die Kriegsfahne unter dem Namen „Stara Prawa“, zu Deutsch die alte Gerechtigkeit“, auf.

Ihr Begehren an die kaiserlichen Amtleute, ihnen ihre alten Rechte wiederzugeben, ward nicht nur von diesen hochmütig zurückgewiesen, sie nahmen auch mehrere Bauern gefangen und richteten sie hin. Dies entflammte den Zorn der Bauern. In kurzer Zeit standen in den drei Landen 80- 90.000 Mann in Waffen. Die kaiserlichen Amtleute, durch diese Macht erschreckt, gaben den Bauern den Rat, sich mit ihrem Begehren an den Kaiser zu wenden.

Es wurden Bevollmächtigte gewählt, die an das kaiserliche Lager nach Augsburg gingen, um dem Kaiser vorzustellen, wie sie bis zum Unerträglichen gedrückt und schier bis auf das Bein genagt worden.“ Der Adel seinerseits sandte ebenfalls eine Botschaft, um „wider den Hochmut und den Frevel des aufrührerischen Bauernhaufens“ den Kaiser anzurufen.

Maximilian ließ beide Teile zugleich vor, hörte scheinbar die bitteren und herzbewegenden Klagen der Bauern mit Teilnahme an, setzte die adeligen Herren in Gegenwart der Ersteren hart zur Rede und versprach Gerechtigkeit. Hocherfreut reisten die Boten der Bauern heim und hinterbrachten die kaiserliche Antwort, die allenthalben Jubel erregte und die Landleute veranlasste, auseinander zu gehen.

Aber Kaiser Maximilian war nicht der Mann, den Bauern sein Versprechen zu halten; er, der gegen den Bundschuh im Bruchrain, im Breisgau und Elsass die grausamsten Blutbefehle erlassen, er, der die flüchtigen Anhänger des „armen Konrad“ mit Acht und Aberacht belegt, er konnte nicht bei den Bauern seiner eigenen Lande billigen, was er so hart an den Bauern fremder Fürsten verurteilte. Und zudem, er war Herr und Kaiser, das besagt Alles.

Die kaiserlichen Amtleute und der Adel, die ihren Oberherrn besser kannten, ließen sich in ihrem Bedrückungssystem nicht stören. Die Bedrückungen und Misshandlungen wurden ärger denn je zuvor.

Jetzt riss den Bauern die Geduld. Im Frühjahr 1515 erhoben sie sich in den drei Landen unter dem Namen des „windischen Bundes“ und übten blutige Rache. Allen voran die Krainer. Die festesten Schlösser des damals an kühn gebauten Felsennestern so reichen Landes wurden von den Bauern genommen, ausgebrannt und bis auf den Grund zerstört. Zu Dutzenden fielen die Herrensitze in ihre Gewalt, und was sie von Edlen in die Hände bekamen wurde massakriert. So die beiden Brüder von Mundorf, Max von Klissa und sechzehn andere Adelige. Die Leichname wurden über die Mauern geworfen.

Ihre Rachewut ging so weit, dass sie keinen Sprössling des Adels übrig lassen wollten. Drei Monate lang setzten die Bauern dieses Rachewerk fort und ihr gefürchteter Arm griff immer weiter. Keine Burg widerstand ihnen, aber es war auch kein Heer da, dass ihrem Vordringen Einhalt gebieten konnte. Endlich rückte zu Anfang des Jahres 1516 der Landeshauptmann von Steiermark, Sigmund von Dietrichstein, als kaiserlicher Feldherr mit einem Heere von Rittern und Söldnern in Kärnten ein. Der größere Teil der Bauern war während des Winters nach Hause gegangen, nachdem sie die adeligen Sitze zerstört; nur ein Haufe von einigen Tausenden belagerte das Städtchen Rain, das sie bald darauf eroberten. Dietrichstein rückte rasch heran, überfiel die im Lager sorglos liegenden Bauern, zersprengte und vernichtete sie. Der größte Teil fiel unter den Streichen der Reiter. Jetzt begann die Rache des Adels. Alle die sich bei dem Aufstand beteiligt hatten, wurden, soweit man ihrer habhaft werden konnte, eingezogen, gefoltert, gerädert, gespießt, gevierteilt oder geköpft, oder zu Dutzenden an die Bäume gehangen „wie die Kluppen Vögel.“ Weniger Beteiligte wurden mit Ruten gestrichen; wem es gelang zu entfliehen, dessen Hütte wurde niedergebrannt, alles was er besaß, ihm genommen. Das ganze Land wurde gebrandschatzt und musste jede Bauernhütte für ewige Zeiten jährlich einen Gulden Brandschatzung geben. Die durch die Rache des Adels herbeigeführte Verwüstung und Entvölkerung war so groß, dass er sich selbst aufs schwerste schädigte und es vieler Jahre bedurfte, ehe das Land wieder in den alten Zustand kam.

So furchtbare Niederlagen, wie sie die Bauern in den Jahren 1513-1515 in Schwaben und Baden, den österreichischen Landen und Ungarn erlitten, konnten nicht so rasch verwunden werden. Das Landvolk bedurfte einiger Zeit, um sich wieder zu erholen. Gleichwohl hörte die geheime Tätigkeit unter ihm keinen Augenblick auf. Namentlich waren es die Flüchtlinge aus Schwaben, Württemberg und dem Breisgau, die in der Schweiz sich aufhielten oder, längs den Landesgrenzen in Wäldern und Schlupfwinkeln versteckt, ihre Zusammenkünfte und Beratungen hielten und häufig heimlich den verpönten Heimatboden betraten. Die Herren in Stadt und Land waren in beständiger Unruhe und fürchteten jeden Augenblick den Ausbruch einer neuen Verschwörung. Sie wussten recht gut, dass es an Ursachen dazu nicht fehle. schon auf dem Reichstag zu Gelnhausen war offen aus ihrer Mitte ausgesprochen worden: „Der gemeine Mann sei mit Fronen, Diensten, Anzug, Steuern, geistlichen Gerichten und anderen Lasten also merklich beschwert, dass es auf die Dauer nicht zu leiden sein werde.“ Aber geändert hatte man nichts. Die an die Ausbeutung gewöhnten herrschenden Klassen betrachten jede Schmälerung ihres Raubes als ein todeswürdiges Verbrechen, sie kommen allenfalls zu einiger Einsicht, wenn es zu spät ist.

Unter den Flüchtlingen, die besonders tätig hin und her gingen und die Fäden für neue Unternehmungen anknüpften, war Joss Fritz, das Haupt des ehemaligen Bundschuhs zu Lehen im Breisgau. Seine Frau ging ihm dabei eifrig zur Hand. Im Sommer 1517 hatten die Flüchtlinge ihren Gesinnungsgenossen Versammlungen auf dem Kniebis im Schwarzwald angesagt, aber die Regierungen waren zu sehr auf der Hut, sie konnten nicht stattfinden. Mehrere der Verschworenen wurden gefangen genommen, peinlich befragt und gerichtet. Im September desselben Jahres war an die Regierungen die Kunde gelangt, dass Joss Fritz wieder die Ämter des Schwarzwalds durchziehe und aufs Neue werbe. Eine allgemeine Hetzjagd wurde gegen ihn ins Werk gesetzt, aber er war nirgends zu finden. Von da an verschwand er für immer, mutmaßlich ist er bald darauf gestorben.

*) Die revolutionären Führer des Mittelalters waren der Mehrzahl nach Männer, die dem geistlichen Stande angehörten. Es ist dies eine Bestätigung des alten Erfahrungssatzes, dass die Unterdrückten stets ihre ersten Führer aus den Reihen der sie Beherrschenden erhalten. Es sind die Idealisten, welche die Vorteile der bevorzugten Stellung hintenansetzend, die Bildung und Einsicht, welche ihnen jene bevorzugte Stellung verschaffte, zur Befreiung der Unterdrückten benutzen.

**) Unter dem „See“ ist hier immer kurzweg der Bodensee verstanden.

***) Urfehde schwören hieß den Eid leisten, dass der Schwörende keine Wiedervergeltung für überstandene Haft und Strafe üben und die etwaige Landesverweisung nicht übertreten wolle.

+) Es ist festzuhalten, dass der Pfennig im Anfange des 16. Jahrhunderts einen ungleich höheren Wert hatte wie heute.


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